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Einführung

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Die Her­aus­ge­ber der »Meis­ter­no­vel­len« ha­ben mich vor Ver­öf­fent­li­chung mei­nes »Fran­ken­stein« ge­be­ten, ih­nen ei­ni­ges über des­sen Ent­ste­hung zu be­rich­ten. Ich ent­spre­che die­sem Wun­sche umso lie­ber, als mir da­durch Ge­le­gen­heit ge­bo­ten ist, all­ge­mein die so häu­fig an mich ge­rich­te­te Fra­ge zu be­ant­wor­ten, wie ich als Frau da­zu­käme, einen so ent­setz­li­chen Stoff zu er­den­ken und zu be­ar­bei­ten. Ich stel­le mich ja al­ler­dings nicht gern in den Vor­der­grund; aber da die­se Er­klä­rung mehr oder min­der nur ein An­hang zu mei­nem Wer­ke ist und ich mich nur auf das be­schrän­ken wer­de, was un­be­dingt mit mei­ner Au­tor­schaft zu­sam­men­hängt, kann man mir kaum per­sön­li­che Ei­tel­keit zum Vor­wurf ma­chen.

Es ist mei­nes Erach­tens nichts Au­ßer­or­dent­li­ches, dass ich, als Kind zwei­er li­te­ra­ri­scher Berühmt­hei­ten, ziem­lich früh im Le­ben am Schrei­ben Ge­fal­len fand. Schon als ganz klei­nes Mäd­chen wuss­te ich mir kei­nen bes­se­ren Zeit­ver­treib als das »Ge­schich­ten­schrei­ben«. Bis ich al­ler­dings noch ein schö­ne­res Ver­gnü­gen fand, das Bau­en von Luft­sch­lös­sern, das Ver­sen­ken in Wachträu­me, das Ver­fol­gen von Ge­dan­ken­rei­hen, die sich aus er­fun­de­nen Er­eig­nis­sen er­ga­ben. Mei­ne Träu­me wa­ren auf alle Fäl­le schö­ner und fan­tas­ti­scher als das, was ich nie­der­schrieb. Denn beim Schrei­ben folg­te ich mehr den Spu­ren an­de­rer, als dass ich mei­ne ei­ge­nen Ge­dan­ken wie­der­gab. Ich mach­te mich selbst nie zur Hel­din mei­ner Er­zäh­lun­gen. Denn das Le­ben er­schi­en mir in Be­zug auf mich selbst als nichts Ro­man­ti­sches und ich konn­te mir nicht vor­stel­len, dass au­ßer­ge­wöhn­li­che Lei­den oder merk­wür­di­ge Er­eig­nis­se in mei­nem Da­sein eine Rol­le spie­len soll­ten. Und so konn­te ich in mei­ner Fan­ta­sie Ge­schöp­fe ent­ste­hen las­sen, die mir da­mals weit in­ter­essan­ter wa­ren als mei­ne ei­ge­nen Ge­füh­le.

Dann aber wur­de mein Le­ben er­eig­nis­rei­cher und die Wahr­heit trat an die Stel­le der Dich­tung. Al­ler­dings war mein Mann ängst­lich dar­auf be­dacht, dass ich mei­ner li­te­ra­ri­schen Ab­stam­mung Ehre ma­che und selbst zu ei­ner Berühmt­heit wer­de. Er er­reg­te in mir den Wunsch, einen li­te­ra­ri­schen Ruf zu er­rin­gen; ein Ziel, ge­gen das ich heu­te voll­kom­men gleich­gül­tig ge­wor­den bin.

Im Som­mer 1816 be­reis­ten wir die Schweiz und lie­ßen uns in der Nähe Lord By­rons nie­der. Wir ver­brach­ten mit ihm herr­li­che Stun­den auf dem See oder an des­sen Ufern. Der Ein­zi­ge un­ter uns, der sei­ne Ge­dan­ken schrift­lich nie­der­leg­te, war Lord By­ron. Er hat­te eben den drit­ten Ge­sang sei­nes »Chil­de Ha­rold« in Ar­beit. Die­se Ver­se, die er uns nach und nach zu Ge­hör brach­te, schie­nen uns ein Aus­fluss all der uns um­ge­ben­den Na­tur­schön­heit, ver­klärt durch den Glanz und den Wohl­laut sei­ner Kunst.

Ein feuch­ter, un­freund­li­cher Som­mer fes­sel­te uns viel ans Haus. Da fie­len uns ge­le­gent­lich ei­ni­ge Bän­de deut­scher Ge­s­pens­ter­ge­schich­ten in die Hän­de.

»Wir wol­len alle eine Ge­s­pens­ter­ge­schich­te schrei­ben«, schlug da Lord By­ron vor, und alle stimm­ten wir die­sem Vor­schla­ge bei. Wir wa­ren un­ser drei. Der Ur­he­ber des Ge­dan­kens be­gann eine Ge­schich­te, von der er ein Frag­ment am Schlus­se sei­nes »Ma­zeppa« ver­wen­de­te. Shel­ley, der es bes­ser ver­stand, Ge­dan­ken und Ge­füh­le in die schöns­ten, glän­zends­ten Ver­se zu brin­gen, die un­se­re Spra­che kennt, als eine Ge­schich­te zu er­fin­den, er­zähl­te ein Ju­gen­der­leb­nis.

Ich selbst gab mir Mühe, eine Ge­schich­te zu er­den­ken, die es mit den von uns ge­le­se­nen auf­neh­men kön­ne. Eine Ge­schich­te, die das tiefs­te Ent­set­zen im Le­ser her­vor­ru­fen, das Blut sto­cken und das Herz hef­ti­ger klop­fen las­sen soll­te.

Oft und lan­ge dis­ku­tier­ten Lord By­ron und Shel­ley, wäh­rend ich als be­schei­de­ne aber auf­merk­sa­me Zu­hö­re­rin da­bei saß. Eine der phi­lo­so­phi­schen Haupt­fra­gen, die dis­ku­tiert wur­den, war die nach dem Ur­sprün­ge des Le­bens und ob es je mög­lich sei, ihm auf den Grund zu kom­men. Man be­sprach die Ex­pe­ri­men­te Dar­wins. Es han­delt sich für mich nicht dar­um, dass der Ge­lehr­te die­se Ex­pe­ri­men­te wirk­lich vor­nahm, son­dern um das, was dar­über ge­spro­chen wur­de. Dar­win hat­te in ei­ner Glas­do­se ein Stück­chen Mac­caro­ni auf­be­wahrt, das dann aus ir­gend­wel­chen Ur­sa­chen will­kür­li­che Be­we­gun­gen zu ma­chen schi­en. Je­den­falls glaub­te ich nicht, dass auf die­sem Wege Le­ben er­zeugt wer­den kön­ne. Aber viel­leicht wäre es denk­bar, einen Leich­nam wie­der zu be­le­ben, was ja auf gal­va­ni­schem Wege be­reits ge­sche­hen ist, oder die Be­stand­tei­le ei­nes Le­be­we­sens zu­sam­men­zu­fü­gen und ihm le­ben­di­gen Odem ein­zu­hau­chen.

Un­ter die­sen Ge­sprä­chen wur­de es tie­fe Nacht. Als ich mein Haupt auf die Kis­sen bet­te­te, konn­te ich nicht ein­schla­fen; ein halb schlum­mern­des Nach­sin­nen be­mäch­tig­te sich mei­ner. Fan­tas­ti­sche Bil­der tauch­ten un­ge­be­ten vor mir auf und er­reich­ten einen sel­ten ho­hen Grad von Le­ben­dig­keit. Ich sah mit ge­schlos­se­nen Au­gen den blei­chen Jün­ger der schreck­li­chen Wis­sen­schaft vor dem Din­ge kni­en, das er ge­schaf­fen. Ich sah das schreck­li­che Zerr­bild ei­nes Men­schen aus­ge­streckt da­lie­gen und dann sich plump, ma­schi­nen­mä­ßig re­gen. Furcht­bar müss­te es auf den Men­schen wir­ken, wenn es ihm ge­län­ge, den Schöp­fer in sei­nem wun­der­ba­ren Wir­ken nach­zuah­men. Der Er­folg müss­te den Künst­ler aufs Tiefs­te er­schre­cken, so­dass er ent­setzt der Stät­te sei­ner Ar­beit ent­flieht. Er müss­te hof­fen, dass der schwa­che Le­bens­fun­ke, den er ent­zün­det, sich selbst über­las­sen, wie­der er­lö­sche; dass das Ding, dem er eine Art Le­ben ein­ge­haucht, wie­der in die Ma­te­rie zu­rück­sin­ke; und er müss­te ein­schla­fen in dem Ge­dan­ken, dass das Grab sich wie­der schlös­se über dem häss­li­chen Lei­be, den er als Tri­umph des Le­bens bis­her be­trach­tet hat­te. Er schläft, aber nicht tief; er öff­net plötz­lich die Au­gen – an sei­nem Bet­te steht das Un­ge­heu­er, hält die Vor­hän­ge aus­ein­an­der und starrt auf ihn mit sei­nen gel­ben, wäs­se­ri­gen, aber auf­merk­sa­men Au­gen.

Auch ich öff­ne­te er­schreckt die Li­der. Die Idee hat­te mich der­art ge­fan­gen ge­nom­men, dass es mich eis­kalt über­lief und ich ver­ge­bens mich be­müh­te, das ge­spens­ti­sche Bild mei­ner Fan­ta­sie wie­der mit der Wirk­lich­keit zu ver­tau­schen. Ich er­in­ne­re mich noch heu­te ganz ge­nau an das dunkle Zim­mer mit sei­ner Tä­fe­lung, auf der sich durch die ge­schlos­se­nen Gar­di­nen fahl das Licht des Mon­des spie­gel­te. Ich wuss­te, dass drau­ßen spie­gel­glatt der See lag und die Al­pen ihre Häup­ter starr zum Him­mel er­ho­ben; aber trotz­dem konn­te ich mei­nes Fan­ta­sie­ge­bil­des nicht le­dig wer­den. Ich muss­te ver­su­chen an an­de­res zu den­ken. Da fiel mir mei­ne Ge­s­pens­ter­ge­schich­te ein, mei­ne un­glück­se­li­ge Ge­s­pens­ter­ge­schich­te! Oh könn­te ich doch eine er­fin­den, die mei­ne Le­ser eben­so er­schüt­tern wür­de wie mich das Ge­sicht je­ner Nacht!

Wie ein Licht flamm­te es in mir auf. Ich habe sie! Was mich er­schreck­te, soll auch an­de­re er­schre­cken. Ich habe nur den un­heim­li­chen Halb­traum je­ner Nacht zu be­schrei­ben.

An­fangs dach­te ich dar­an, nur eine kur­ze Er­zäh­lung zu schrei­ben. Aber dann fes­sel­te die Idee mich so stark, dass ich sie wei­ter aus­ge­spon­nen habe. Und nun, du un­heim­li­ches Kind mei­ner Muse, gehe hin­aus und wirb dir Freun­de!

Lon­don, 15. Ok­to­ber 1831. M.W.S.

Frankenstein

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