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Zum »Haus der Musik« gehören ein riesiger Kamin, eine Bühne, wo man für die Freunde und mit ihnen Musik machen kann, eine granatrote Vespa, Flipper und Kicker. Das Leuchtschild »In Blues We Trust« verrät das herrschende Glaubensbekenntnis. Die Musikbox mit ihrer Musik von einst ist unübersehbar: Elvis, Equipe, die Stones, Camaleonti, Nomadi, die Byrds, Ray Charles und der Léo Ferré von »La solitudine«, jener von Unruhe und inneren Stürmen heimgesuchte Ferré. Die Wendeltreppe führt in den zweiten Stock, in das Zimmer der Sünde und des Sex. Als ich das letzte Mal hier war, lag auf dem Nachttisch eine pornographische Zeitschrift aus dem ehemaligen Jugoslawien: »Erotica«. Anno 1989.

Das »Haus des Felsens« ist ein steinernes Wunder mit einem Holzofen, der sich mit leckeren Speisen füllt, wenn es an der Zeit ist. Es sind neun Häuser, wenn mein Gedächtnis mich nicht im Stich lässt. Nichts ist, wie es zu sein scheint, in diesem Winkel der Toskana. Es gibt auch einen Bus, der zu einem kleinen Apartment ausgebaut ist, und einige Ställe. Das Herrenhaus ist eine alte Mühle, die vorsichtig abgerissen und mit Bedacht wieder aufgebaut wurde; eine antike Glocke thront auf dem Dach. Alte Backtröge, antike Grammophone finden sich. Gegenstände des bäuerlichen Lebens, keinerlei traurige neureiche Prahlerei. An der Wand Knoblauchzöpfe (»aber nicht, um den Teufel fernzuhalten, der ist hier immer willkommen«). Unter dem Fenster eine kleine Videothek mit wenigen Neuheiten, aber vielen Klassikern: Apocalypse Now, Profumo di donna, Cotton Club, TuttoBenigni – und dann Scorsese, Polanski und La Monella von Tinto Brass. Man hört das Rauschen des Wassers, das von der Mühle emporgeschaufelt wird.

Von der Veranda aus sieht man einen der drei Seen, die von Forellen, Aalen und Katzenfischen bevölkert werden. Eine Holzbrücke führt zu einem steinernen Pfad, der sich zu weiteren Gebäuden hin öffnet, wie dem Pili Pili, der originalgetreu nachgebauten Holzhütte, deren Namen von den kenianischen Pavillons stammt, wo vorab die Songs angehört werden und viel Lachen zu hören ist, zwischen erheiternden Imitationen des »Großmoguls« und Anekdoten aus einem reichen Leben.

Von hier aus, mein Herr, wird das Tal beherrscht. Zuccheros Tal. Hier, zwischen Louisiana und Lunigiana, zeigt sich in seiner ganzen Herrlichkeit das bäuerliche Reich von Adelmo Fornaciari. Lunisiana Soul, Provinz Pontremoli, Region Toskana, Freistaat der Black Music. Fünfzehn Hektar Olivenhaine, Obstbäume, Schafe, Hühner, Gerste, Hafer, Roggen, Kühe, Esel und Bauern. Wurzeln und Lieder.

Hier entsteht die Idee für ein Buch, das von Zuccheros Blues, der in der Tiefe seiner Augen zu sehen ist, erzählt – während Marianna Focaccia und Kastanienkuchen zubereitet (denn hier wird nur das verzehrt, was innerhalb der Grenzen der Lunisiana produziert wurde: Öl, Käse, Butter, Brot, Salami und, natürlich, Wein), während Blu zum millionsten Male Der König der Löwen anschaut, das englische Kindermädchen Beth dies mit eigenen Augen überwacht, Marina Testori die Fotos für die Journalisten auswählt und Zucchero die Rückkehr seiner Francesca erwartet. Ein Buch, das zugleich Bericht und Zusammenfassung unserer Begegnungen über fast zwanzig Jahre hinweg sein soll. Das Ziel ist keine Biografie, sondern die Verwirklichung des Wunsches, all jene Worte, die in Schubladen verborgen liegen oder sie selten für einen Morgenspaziergang verlassen haben, Luft schnappen zu lassen. Ein Buch ohne vermittelnde Eingriffe, die über den Umfang einer Frage hinausgehen, keine Rekonstruktion wie für eine Heiligenlegende, sondern vergleichbar der Figur eines Dorfpfarrers, der seine zahlreichen Paradoxien und Widersprüche nicht auf dem Altar des Erfolges geopfert hat.

Die Stärke des Adelmo Zucchero Fornaciari, tüchtiger Pfarrer der Kirche des emilianischen Blues, liegt im Erzählen von Parabeln, bei denen – ähnlich dem plötzlichen Auftauchen der Sonne – der Rhythmus des Blues der Melodie Platz macht; sie liegt darin, dass er seine tausend Ideen auch dann tauft, wenn niemand an sie glaubt, und darin, wie er das Publikum mit dem Schweiß der Bühne anstatt mit Weihwasser segnet.

Auf diese Weise wird es ihm, der immer erklärt hat, wenig davon zu besitzen, mit geradezu biblischer Geduld gelingen, sein selbstgestecktes Ziel zu erreichen: auf dem ausländischen Markt zu triumphieren und ihn mit großen Schritten zu erobern. Er ist auf dem besten Wege. Gemeint sind damit nicht nur die lateinamerikanischen Länder, sondern vor allem auch die angloamerikanische Achse. »Ich möchte versuchen, meinen bäuerlichen Blues an die Afro-Amerikaner heranzutragen. Ich weiß, ich bin stur. Aber ich bin sicher, dass ich es schaffen werde. Es wird seine Zeit brauchen. Ich habe Jahre dafür gebraucht, in Italien Erfolg zu haben, ganz zu schweigen von Amerika. Aber ich warte. Und wenn ich es geschafft habe, werde ich zufrieden nach Hause zurückkehren, mich an den kleinen See setzen und über die nächste Wette, die es zu gewinnen gilt, nachdenken. Im vergangenen Jahr habe ich es zum zweiten Mal in Amerika in die Hitlisten geschafft, zum ersten Mal alleine, denn davor war es zusammen mit Paul Young, mit ›Senza una donna‹. Klar, dass ich es dieses Mal mehr genossen habe. Ich würde es gerne auch mit einem Titel in italienischer Sprache schaffen. Die Leute der Plattenfirmen sagten mir immer, dass ich keine Chance hätte, wenn ich nicht englisch singe. Unsinn. Durch Bearbeitungen und Übersetzungen verliert man immer etwas an Originalität, Schönheit und Poesie. Um verstanden und geschätzt zu werden, muss ich darauf achten, Worte zu wählen, die auch Klang sind. Und Traum.«

Während ich seine Worte transkribiere, denke ich an die Begegnungen mit ihm zurück. Die erste fand in Modena statt, in den alten Studios von Umbi Maggi. Es war 1987, das Jahr von Blue’s, das eher eine Sammlung der größten Hits ist als ein normales Album, weil jedes Lied ein sensationeller Erfolg war: »Con le mani«, »Pippo«, »Senza una donna«, »Non ti sopporto più«, »Dune mosse«, »Hai scelto me«, »Solo una sana e consapevole libidine …«, »Bambino io bambino tu«, »Hey man«. Zwei Jahre darauf sollte Oro incenso & birra folgen, ein weiteres Meisterwerk, eine weitere Anthologie von Evergreens: »Overdose (d’amore)«, »Madre dolcissima«, »Iruben me«, »Il mare impetuoso al tramonto«, »Diavolo in me«, »Diamante«, »A wonderful world«, »Libera l’amore«. Einzigartige Jahre, die Jahre vor der Großen Depression und der Flucht ins gelobte Land des Blues. Nicht, dass der Zucchero nach Miserere weniger intensiv wäre. Er ist nur anders, ein Auf und Ab von Launen und Größe, Experimenten und Klassizität.

Mit Zucchero bin ich durch einen Teil Europas gereist. Ich war mit ihm in London und wurde Zeuge des Triumphs in der Royal Albert Hall, wo jeder Künstler ihm Zuneigung entgegebrachte und nicht nur professionellen Einsatz. In Rotterdam, auf einem Festival, wo alle auf Sugar warteten und auf die anderen pfiffen, Sternchen des Britpop, die nicht glauben konnten, dass die Holländer auf einen weißen Italiener warteten, der einen Zug mit Schwarz machte, um die Hitparaden schachmatt zu setzen. Im Reservoir in Paris, einer kleinen heidnischen Krypta, versteckt hinter der Bastille, umgeben von einem Wirrwarr von Gassen (das Lokal nebenan heißt nicht zufällig Cashba), wo Zucchero stundenlang den Ritus des Blues zelebrierte, bis irgendein Journalist ihn darauf hinwies, dass man, um zwei Uhr morgens, doch durchaus einen Happen essen gehen könnte. Und dann Dublin, Glasgow und Wien, in der Münchner Olympiahalle und in der Alten Oper von Frankfurt. Aber ich weiß nicht, warum – oder vielleicht weiß ich es sehr wohl –, die einzigen Momente jedenfalls, in denen Zucchero sich der Welt nicht als doppelt verglastes Fenster geöffnet hat, waren jene, in denen der Schauplatz seine Emilia war.

Ich erinnere mich an einen unglaublichen Abend auf der Antica Corte von Gattatico, wenige Meter von Sant’Ilario d’Enza und wenige Kilometer vom Haus der Brüder Cervi entfernt. Der Geruch der Ställe, die frisch gedüngten Felder, die winterliche Kälte, die nur teilweise durch Glühwein und das Kaminfeuer vertrieben wurde, das Feuer auf der Tenne, wo die Kastanien aus Marola geröstet wurden. Zucchero, der im Che Guevara-T-Shirt auf den Heuboden stieg und unter den Balken und den halbrunden Ziegeln des Daches zu singen begann.

Oder die Geburtstagsfeiern am Damm des Po, in Canato, auf dem Anwesen von Umbi, ursprünglich ein Kloster aus dem 16. Jahrhundert (derselbe Ort, an dem er 2001 auch Shake der internationalen Presse vorstellen würde und ein riesiger Funky Gallo an der Staatsstraße 16 den Weg dorthin wies), mit unglaublichen, cholesterinreichen Darbietungen bis um zwei Uhr nachts, wobei Zuccheros Mutter die Gäste empfing und sich die Tische im Freien unter tausenden rustikalen Köstlichkeiten bogen (»nach alten Rezepten zubereitet, nicht der Unsinn von heute«), die einem Film von Pupi Avati entsprungen zu sein schienen. Und die Hausdamen, die einem quasi bis zum Auto hinterherliefen: »Versuch noch ein wenig vom Culatello …«

Oder der letzte, unglaubliche, venezianische Wahnsinn. Der Palazzo Ca’ Vendramin Calergi mit Blick auf die Lagune, ein prächtiger Ort, um die italienische und internationale Presse zu empfangen und Fly vorzustellen. Zucchero betritt spätabends die Bühne, um eine Handvoll neuer Lieder zu singen, verliert aber bald die Lust. Nach einer entzückend zerlumpten und stark alkoholisierten Darbietung von »Diamante« sagt er: »Jetzt ist es genug, machen wir etwas anderes.« Und er stürzt sich fast eine Stunde lang in Coverversionen, von »Everybody’s talking« bis zu »You are so beautiful«, von »Ho difeso il mio amore« von den Nomadi bis zu »Occhi di ragazza« in der Originalversion. Blues und Amerika, Folk und Canzone. Eine Einstellung voller Rock ’n’ Roll. Wer sonst hätte das gemacht?

Oder die endlosen Abende in Pontremoli, wohin man sich besser nicht alleine begibt, denn die von den Nachbarn errichtete Schutzmauer ist äußerst stabil: »Ruhige und höfliche Leute. Sie bringen mir die Speisen, die sie zubereiten, Wein, Pilze, Gemüsekuchen. Sie sind phantastische Leibwächter. Wenn sie jemand anspricht und fragt, wo Zucchero wohnt, antworten sie: ›Und wer ist Zucchero?‹«

Hier, an diesen Plätzen, and denen man sich lebendig fühlt, wenn man die Hände in die Erde gräbt, ist Zucchero er selbst: ein geplagter und innerlich gespaltener Mensch, problematisch und widersprüchlich, aber ein Mensch und nicht nur ein Rockstar. Hier ist seine Schüchternheit zart und wird nicht zur Maske, die die Kommunikation mit der Außenwelt erschwert. Warum Zucchero bei jemandem unbeliebt sein könnte, ist leicht zu verstehen. Die Welt der Musik ist von Künstlern bevölkert, die von Heuchelei gegenüber ihrem Kreis von Mitarbeitern leben und einem nur ihre Schokoladenseite anbieten, wobei sie den Managern oder den Pressebeauftragten die Rolle des Wolfshundes zuteilen, der knurrt, Angst einjagt und, schlimmstenfalls, beißt. Bei Zucchero ist das nicht so. Zucchero ist immer Mensch und Tier, Knurren und Streicheln. Ein Tag mit ihm kann eine schöne Erfahrung sein oder eine, die man lieber vermeidet, wenn er ungerechtfertigt provoziert wird (vor allem während der Monate der Songproduktion und der Fertigstellung eines neuen Albums). Aber wenigstens ist er wahrhaftig und kein Surrogat, gebrannter Schnaps und kein Fruchtsaft.

In diesem Buch steckt allein Zucchero und Zucchero ganz allein. Er spricht von Träumen und Albträumen, Furcht, Liebe, Schmerz und Erinnerungen, Freunden, Feinden, Anekdoten, Depressionen, Liedern, Büchern, Wurzeln, Musik, Unsicherheiten, Ängsten, Freuden, Lachen, Werten, Launen und Lärmen.

Gute Reise. Gegen den Wind.

Massimo Cotto

Zucchero

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