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MASSIMO COTTO: Fly ist ein Album, das in den Farben der Emilia Romagna leuchtet und klingt wie eine Hammondorgel.

ZUCCHERO »SUGAR« FORNACIARI: Gäbe es Urheberrechte auf Wurzeln, wären meine Wurzeln außerordentlich reich.

Ich wollte dieses Album eigentlich Cioca bec nennen. Als ich ein kleiner Junge war, gab es bei uns zu Hause nie viel zu essen. Es herrschte große Harmonie, aber wir hatten wenig Geld. Wir waren arm. Ständig fragte ich meinen Vater: »Was gibt es zu essen?«, und er antwortete: »Cioca bec.« So sagt man im Dialekt von Reggio Emilia zu einem Schnabel, der laut klappert, weil nichts darin ist; er ist leer. Ich aber habe das nicht verstanden und dachte: »Wann gibt er mir nun endlich dieses cioca bec?« Er gab es mir jedoch nie.

Nun, und die Hammondorgel, sie ist heute mein Altar. Und sie hat mein neues Album gerettet, indem sie ihm eine Richtung gegeben hat. Wie immer, so ist es mir auch dieses Mal schwergefallen, wieder ins Schreiben hineinzufinden. Ich fragte mich: »Und was mache ich jetzt, wovon erzähle ich – nach 13 Alben?« Es gäbe natürlich immer viel zu erzählen, aber der schwierigste Schritt ist der allererste. Aus Prinzip vermeide ich stets, mich zu wiederholen, mein vorhergehendes Werk zu kopieren. Ich habe mich in meine Erinnerungen, meine Plazenta, geflüchtet. Mein Herz schlägt für die Po-Ebene; dort suche ich Trost. So erinnerte ich mich an jene Orgel, die ich in der Kirche spielte, als ich klein war; als ich Messdiener wurde, nur weil ich dann die Möglichkeit hatte, mich an die Orgel zu setzen und meine Hände über ihre Tasten gleiten zu lassen. Gleich darauf kam mir die Hammondorgel in den Sinn, die bis in die achtziger Jahre absoluter Hauptbestandteil erfolgreicher Musik war und die dann, als sich Dance und Disco durchsetzten, in Vergessenheit geraten ist. Und sie fehlte mir. Ich dachte über die verschiedensten Möglichkeiten ihres Einsatzes nach, zum Beispiel bei Procol Harum und Vanilla Fudge in den siebziger Jahren, als Progressive »in« war. Ich dachte auch an den Kontrapunkt von Bach.

Die Gefahr bestand darin, ein altmodisches Album zu machen. Ich wollte kein »A whiter shade of pale« aufnehmen, ich wollte nur dessen Atmosphäre. Um diese Gefahr zu verringern, arbeitete ich mit jungen und älteren Musikern zusammen, mit Rocklegenden und sehr talentierten, aber unbekannteren Musikern: So sind da Brian Auger und Jim Keltner, Kenny Aronoff und Pino Palladino, Amir Thompson von den Roots und Randy Jackson, Michael Landau und Waddy Watchel zu hören. Ein wunderschönes Durcheinander also.

Du hast »A salty dog« von Procol Harum neu aufgenommen.

Ja, aber es ist eher ein neues Lied, das zur Original-Musik geschrieben wurde, als ein Cover. Der Text dazu stammt von mir und Panella, und der Titel lautet »Nel così blu«. Es gibt tausend Songs, die ich gerne geschrieben hätte, aber wenn ich mich für zwei entscheiden müsste, würde ich »A salty dog« und »Everybody’s got to learn sometimes« auswählen. Auch »Imagine« zählt dazu, aber sein Stil unterscheidet sich zu sehr von meinem. Die ersten beiden jedoch hätte ich schreiben können, nur hat dafür bereits jemand anderes vor mir gesorgt.

Warum hast du das Album in Venedig vorgestellt?

Ich finde, Venedig ist die ideale Stadt, um jene Harmonie zwischen der Schöpfung und dem menschlichen Wesen wiederzuerlangen, die sonst überall verloren geht. In Venedig ist das alles anders. Man hat ein anderes Zeitgefühl. Man lebt intensiver, weil die Uhren langsamer ticken; zumindest hat man diesen Eindruck.

Wer sind heute die Truthähne?

Diejenigen, die uns am Fliegen hindern. Bitte verlange nicht, dass ich Namen nenne; sie sind nicht wichtig. Jeder von uns hat seine eigenen, speziellen Truthähne. Wenn ich von der Sehnsucht vom Fliegen spreche, meine ich nicht nur den Wunsch, mich körperlich in die Lüfte zu erheben, sondern auch durch die Macht der Musik, der Träume, der Ziele. Ich stelle fest, dass dort immer ein oder auch mehrere dieser Truthähne lauern, die uns am Boden halten wie Bleigewichte an den Füßen.

Sie treten in verschiedener Gestalt auf, versuchen, ihr wahres Gesicht zu verbergen, aber sie sind und bleiben Truthähne. Unkalkulierbar.

Nicht nur Personen können Truthähne sein, sondern auch Lebensumstände, Situationen, Geschichten. Ich dachte: Wenn ich so weitermache und nur die reale Welt sehe, geht es mir hundeelend. Deshalb habe ich mir meine kleine Liebeswolke erschaffen, die, wie ich hoffe, so wie Fantozzis Wolke, mir überallhin folgt und immer größer wird.

Die Texte scheinen mir direkter zu sein als früher. Natürlich gibt es Doppeldeutigkeiten, aber man kann sie rascher auflösen. Ist auch dies Teil des bewussten Strebens nach Vereinfachung?

Ja, ich wollte wieder nackt sein. Eine Zeitlang sind Drei- und Vierdeutigkeiten ja ganz schön, dann aber bekam ich Panik. Eines Tages erwachte ich und fragte mich: Was, wenn niemand mehr auch nur den blassesten Schimmer davon hat, was ich sagen will? Deshalb habe ich mich für das Einfache entschieden, wobei ich versuchte, das Banale zu vermeiden.

Auch der Konflikt zwischen Teufel und Weihwasser hat sich abgemildert. In meinen Texten nehme ich mich auch immer der Probleme in unser aller Leben an. Die Liebe – gut und schön. All you need is love gilt immer. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht.

Wie war die Zusammenarbeit mit Don Was?

Wunderbar, weil er meine Musik verstanden hat. Er ist eine Rock-Legende, die Rock-Legenden produziert hat. Er räumt dem Gefühl gegenüber der Technik seinen Platz ein, und allein dafür schätze ich ihn sehr. Er lässt das Herz sprechen und lässt auch zu, dass die Herzen der anderen zu ihm sprechen. Er sorgt dafür, dass ein Instrument und der Gesang perfekt klingen, aber er lässt sich nicht abhängig machen. Er legt Wert auf Instinkt, auf Natürlichkeit, auf die Magie des Augenblicks. Und er hat ein Gespür für den richtigen Zeitpunkt. Du musst wissen, ich bin jemand, der gleich mit der ersten Aufnahme zufrieden ist. Ich hasse es, zwanzig Mal dasselbe Stück wieder und wieder zu singen. Meine Seele ist Rock. Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass auch die Unvollkommenheit Kunst ist. Ich pfeife auf eine ansteigende oder fallende Note. Ich spiele auch gerne auf »Vintage«- oder maroden Instrumenten. Man büßt an Perfektion ein, gewinnt aber an Ursprünglichkeit. Don Was war es manchmal lieber, dass ich die Instrumente selbst spiele – für »Troppa fedeltà« habe ich sogar Gitarre, Bass, Schlagzeug und Klavier gespielt, statt anderer, die dies viel besser gekonnt hätten.

Fly ist ein ungeschliffenes, dreckiges, ehrliches, aber deswegen kein schlechtes Album.

Ich wollte keinen Sequenzer, keine Elektronik und keine Sampler. Wenig Kitsch, dafür umso mehr Soul, im Sinne von Seele. Das ist der Spiegel der Einfachheit. Ich wollte zur Unmittelbarkeit von Blue’s und Oro incenso & birra zurückkehren, also setzte ich mich unter einen Feigenbaum, mitten in der Natur, und schrieb. Von der Natur zur Natürlichkeit. Ich und die Gitarre, aus. Ich lauschte meiner Stimme und machte weiter, bis ich eine Gänsehaut bekam und die Erregung spürte. An der Stelle war mir klar, dass dies der richtige Weg war. Ich suchte die reine Melodie.

In der Vergangenheit war das nicht so?

Nein, bei den letzten Alben nicht. Ich ging ins Studio und versuchte bereits von den Probeaufnahmen an, die Lieder zu perfektionieren. Und es kamen schöne Songs dabei heraus, aber natürlich andere als nur mit Gesang und Gitarre. Ganz zu schweigen von den Anfängen, als mein Onkel mir eine Sony mit zwei Tonspuren schenkte und ich das Gefühl hatte, den Himmel mit den Fingern berühren zu können. Also habe ich mir gesagt: Wenn du damals schreiben konntest, kannst du es auch heute.

Hast du gewartet, bis die Inspiration dich überkam, oder hast du sie regelrecht gesucht?

Diese ganze Sache mit der Inspiration ist ein Märchen. Das heißt, es stimmt schon, dass es sie gibt, denn es ist mir schon passiert, dass ich um vier Uhr morgens mit einer Melodie oder einem Riff im Ohr aufgewacht bin; aber es trifft genauso zu, dass ich quasi im Laden stehen und hart arbeiten muss, sonst würden zwischen zwei Alben Jahrhunderte vergehen. Je mehr man arbeitet, desto näher kommt man der Kunst.

Nach Paoli und De Gregori nun ein weiterer Poet: Ivano Fossati.

Im Auto hörte ich sein neuestes Album L’arcangelo. Daraufhin rief ich ihn an. Zum Glück, denn ich bin schon immer ein Fan von ihm gewesen, aber ich hatte nicht gewusst, dass auch er ein Fan von mir ist. Ich sagte zu ihm: »Hör mal, ich muss elf Texte schreiben. Hast du zufällig etwas Zeit für mich?« Und er, ganz der Gentleman, der er ist, antwortete: »Zeit habe ich, aber ich möchte keinen Schaden anrichten. Ich probiere es einmal, und dann sehen wir, was dabei herauskommt.« Und nach zwei Wochen Zusammenarbeit war der Text von »E delicato« geboren.

»Let it shine« ist eine bewegende Hommage an New Orleans.

Ich habe in meinen Liedern nie gerne Bezug auf Medienberichte oder das Zeitgeschehen genommen. Dies war in der Vergangenheit nur selten der Fall, etwa bei »Solo una sana e consapevole libidine salva il giovane dallo stress e dall’ Azione Cattolica« und »X colpa di chi«. Etwas von New Orleans jedoch fließt in meinen Adern, ist Teil meines Lebens. »Ich habe gesehen, wie der Mississippi wie ein Meer zur Hölle gerauscht und wie ein Engel hineingesprungen ist und verschlungen wurde.« Ich empfand heftigste Bestürzung. Und am Schluss, wenn ich singe: »Die Liebe weiß es«, hätte ich eigentlich sagen wollen – und vielleicht sagen müssen: »Die Liebe, ach was.« Denn es ist sehr schwierig, in diesen Ereignissen einen Sinn zu erkennen. Doch dann war ich überzeugt: Ich wollte ein Gefühl der Hoffnung vermitteln, einem schönen »morgen« die Tür öffnen.

Wie könnte ich denn auch davon unbeeindruckt bleiben? Das Anwesen mit dem Studio von Daniel Lanois gibt es nicht mehr, das Französische Viertel liegt in Trümmern, die Studios, in denen ich Spirito DiVino aufgenommen habe, sind verschwunden. Ich hoffe, dass New Orleans rasch wieder aufersteht. Ich verliere den Glauben daran nicht. Ich möchte den Zug der Liebe nicht verpassen. Wenn er an mir vorüberfährt, wie Curtis Mayfield gesagt hat, springe ich sofort auf.

Es gibt noch ein weiteres Stück auf diesem Album, in dem ich auf die Realität und das Zeitgeschehen Bezug nehme, aber es ist nur eine Art und Weise von vielen, meine Befürchtung auszudrücken, dass die Seele verfault. Ich habe weder etwas gegen Moslems noch gegen Christen noch gegen irgendwelche anderen Religionen. Die Angst, die ich empfinde aufgrund dessen, was in der Welt um mich herum durch religiös begründete Intoleranz geschieht, ist keine physische Angst. Sie ist anderer Natur. Wenn ich singe: »Christus, wir sind in Deinen Händen, bitte klatsch nicht in die Hände«, meine ich, dass ich mir nicht sicher bin, ob es richtig ist, dass alle auf die Religion vertrauen, denn manch einen kann sie auch erdrücken. Ich empfinde es als wichtig, dass die zwischenmenschliche Chemie stimmt. In »Pronto« setze ich meine Angst vor allem und jedem, ohne Ausnahme, musikalisch um. Ich fürchte mich vor den Amerikanern, den Engländern, den Italienern, den Moslems und auch den Christen.

Kehrst du oft nach Roncocesi, deinem Geburtsort, zurück?

Leider nur selten, ich fürchte mich auch ein wenig davor, zur Genossenschaft zurückzukehren und dort auf die Erzkommunisten zu treffen. Ich behalte lieber meine Erinnerungen. Ich sehe noch die Busse vor mir, die nach Moskau aufbrechen.

»Cuba libre« bringt die Utopie der Blumenkinder von San Francisco mit einer weiteren großen Utopie, der von Che Guevara und Fidel, zusammen.

Das Lied habe ich schon vor Einsetzen der gesundheitlichen Probleme bei Castro geschrieben. Die Zeit der beiden Utopien war eine intensive, wichtige Zeit für mich. Die Flower-Power-Bewegung hat meine Jugend geprägt, und das taten auch die Ideen des Che, der an eine gerechtere Welt glaubte. Der erste Traum ging schon vor Jahren zu Ende, und im Moment ist auch der zweite dabei, es ihm gleichzutun. Bei den Mamas und Papas und Canned Heat hört man eine Flöte. Es steckt eine Idee dahinter, die auf »California dreaming« Bezug nimmt, ein auf den ersten Blick studentisches und einfaches Stück, das jedoch jene sehr ernsten Bestandteile enthält, die meine Träume genährt haben. Ich liebe Kuba schon seit jeher und auch den Respekt, den die Kubaner gegenüber Kultur und Musik an den Tag legen. Der Umstand, dass die spanische Plattenfirma dieses Lied nicht als Single wollte, mutet merkwürdig an. Sie dachten nämlich, es enthielte viele Doppeldeutigkeiten. Sie konnten nicht glauben, dass die Zeilen: »Ich mag Lasagne« und »Ich mag Bologna«, was für »Mortadella« steht, in keinster Weise irgendwelche Anspielungen enthalten.

»Bacco Perbacco« ist eines der typischen energiegeladenen ersten Stücke auf deinen Alben. Ich hätte ihm »Occhi« vorgezogen, aber vielleicht ist deine Strategie für den Einstieg immer dieselbe: Die Zuhörer ganz buchstäblich zu bewegen.

Mir gefallen die Lieder, die einen zum Tanzen und Schwitzen bringen. Wenn ich bei meinen Konzerten sehe, wie das Publikum tanzt, füllt sich mein Herz mit Freude. Um es in Bewegung zu bringen, braucht es einen obsessiven und wiederkehrenden Rhythmus. Ich dachte an die Singles von Creedence Clearwater Revival. »Occhi« ist auf der Straße entstanden, als ich plötzlich in zwei wunderschöne Augen blickte. Wie oft kommt es vor, dass man von den Augen einer Unbekannten verzaubert wird? Man möchte ihr eigentlich folgen, aber dann kehrt man doch zu seinem Leben zurück. Das habe ich auch getan und ein Lied darüber geschrieben.

»Quanti anni ho« ist deinem Sohn gewidmet.

Blu ist dem sehr ähnlich, wie ich als Kind war. Bis vor Kurzem war mir das gar nicht bewusst, aber jetzt, da er herangewachsen ist, habe ich festgestellt, dass er viel von meinem Wesen übernommen hat. Er ist und bleibt die einzige Person, die mich in eine andere Dimension bringen kann. Wenn ich mit ihm über die Wiesen gehe, so wie meine Großmutter Diamante mit mir, scheint es mir, als ob ich in die Vergangenheit zurückkehren würde. Ich erkenne mich in seinem Schweigen und seinem Blick wieder. Mag sein, dass wir wenig miteinander sprechen, aber das Zusammensein mit ihm lässt mich auftanken. Es erfüllt mich mit himmlischen Sphären, mit strahlenden Tagen, mit Leben. »Quanti anni ho« ist das erste Lied, das ich für das neue Album geschrieben habe.

Was erwartest du dir von ihm?

Dass er bodenständig aufwächst und nicht wie die Kids in Amerika, wo man als gescheitert gilt, wenn man nicht reich und gut gekleidet ist. Und ich würde mir wünschen, dass er nicht politisch korrekt ist, sondern dass er ab und zu ausflippt. Besser rebellisch und unzufrieden als zahm und auf heuchlerische Weise glücklich.

»E di grazia plena« …

Es war in der Nacht, gegen ein Uhr. Plötzlich hatte ich es im Ohr. Ich setzte mich ans Klavier, und in einer Stunde war es fertig. Darin findet sich eine Zeile, die ich geschrieben habe, um eine Lücke zu füllen, sie lautet »Holy mother«; anschließend wurde mir klar, dass es, wenn ich eben das geschrieben hatte, auch einen Grund dafür geben musste. Es handelt sich um ein Gebet, wenn auch ein heidnisches. Ich dachte an eine Frau, so als wäre sie eine Madonna. Von außerordentlicher Anmut. Einst beeindruckte mich der Körper einer Frau, heute ist es ihre Anmut, die den Unterschied ausmacht.

»Troppa fedeltà« ist ein seltsamer Titel. Und der Song hat die Struktur eines Liedes von Jovanotti.

Ich befand mich in Bolgheri, im Studio mit Don Was. Ich war dabei, mich zu entscheiden, welche Lieder auf das Album sollten und welche nicht. Die Musik von »Troppa fedeltà« gefiel mir sehr, aber mir fehlte die Zeit, um einen Text zu schreiben. Da ruft Lorenzo an und sagt, er habe erfahren, dass ich gerade Aufnahmen mache und er gerne vorbeischauen würde, um Don Was kennenzulernen. Nur zu gern lade ich ihn ein. Als wir über das Stück sprechen, sage ich zu ihm: »Sieh mal, ich bin mir nicht sicher, ob ich es mit aufnehmen soll. Hättest du Lust, es zu überarbeiten – ganz ohne Verpflichtung?« Er ist einer, der positiv denkt, und so macht er sich an die Arbeit und hat im Nu seitenweise Worte zu Papier gebracht, aus denen dann, zusammen mit jenen, die ich bereits niedergeschrieben hatte, »Troppa fedeltà« wurde.

Warum sprichst du von zu viel Treue?

Was soll ich dir antworten? Ich bin nie treu gewesen. Seit Jahren lebe ich das Leben eines Musikers. Von Anfang an sagten die Älteren zu mir: »Du wirst noch sehen, dass man hier außer Singen auch andere Dinge tut.« Zu meinen Frauen habe ich immer gesagt: »So bin ich nun mal, verbucht es unter Inventar; aber ihr sollt wissen, dass ich immer nach Hause zurückkehre.« Manche von ihnen haben verstanden, dass vieles mehr Gerüchten denn Tatsachen entspricht, andere nicht. Ich hasse Heuchelei. Es würde für mich fürchterlichen Stress bedeuten, über längere Zeit eine heimliche Geliebte zu haben, da ich nicht lügen kann.

Wie viele Stücke kamen nicht auf das Album?

Ich hatte 35 zur Auswahl. Ich habe noch nie so viel geschrieben wie dieses Mal. Nach den Anfangsschwierigkeiten war ich nicht mehr zu bremsen. Gewöhnlich muss man unter 15, höchstens 16 Stücken 11 auswählen. Was mich betrifft, so ist die perfekte Anzahl von Liedern für ein Album acht, mehr ist ein zu großes Wagnis, und man riskiert Monotonie und Wiederholungen. Ich schaffe es nicht, mir Platten mit 16 oder 17 Stücken anzuhören. 11 ist ein guter Kompromiss zwischen den Erwartungen der Plattenfirma und der Fans und meiner Überzeugung.

Welche Rezensionen zu Fly würdest du dir wünschen?

Ich würde gerne hören, dass es ein harmonisches und authentisches Album ist. Weißt du, man sagt, dass die Bauern dazu gut sind, die Felder zu bearbeiten – aber man braucht dafür auch einen hellen Kopf. Man muss sich mit dem Wechsel der Jahreszeiten und den verschiedenen Mondphasen auskennen. Ich baue Musik an.

Es gefällt mir, die Saat auszubringen und den Dingen beim Wachsen zuzusehen. Und dann ernten zu können. Eins ist sicher, um das Aussäen und die Ernte gut zu bewerkstelligen, braucht man schon Talent.

Deine Tochter Irene wird dich bei deiner Tour begleiten und unterstützen.

Was soll ich sagen? Es wäre mir lieber gewesen, sie wäre Tierärztin geworden, aber sie hat so großes Talent, dass es ein Verbrechen wäre, sie zu Hause zu lassen. Das Problem ist der Rahmen. Sie wird das Glück haben, eine Bühne und ein großes Publikum zu haben, aber was ist mit denjenigen, die weniger Glück haben und die nicht aus Künstlerfamilien stammen? Wie gelingt heutzutage einem jungen Musiker der Durchbruch? Die Radiosender spielen ihre Lieder nur, wenn sie sofort einen Hit landen. Ich hoffe, das wird sich ändern. Besonders zum jetzigen Zeitpunkt, wo man endlich gemerkt hat, dass bestimmte Platten, die die Radio-Hitlisten anführen, diejenigen sind, die sich am schlechtesten verkaufen.

Was hältst du von Handyklingeltönen?

Es wäre besser, wenn die Handys explodieren würden.

Zucchero

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