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Alles fein: Lieber gut angezogen als schlecht ausgezogen

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Die folgenden Ratschläge braucht keiner, aber sie dürfen nicht fehlen. Und wenn sie nur zum Weitersagen an die Enkel taugen.

Kleider machen Leute, die Jogginghose macht dich lächerlich. Du kennst die Herren Rentner, die, kaum vom letzten Arbeitstag zuhause, sich ihrer Dienstkleidung entledigten. „Endlich keine Krawatte mehr“, heißt es dann bei den frisch befreiten Bürohengsten, “ohne Gürtel hält die Hose auch“ bei anderen, die sich nun in freier Wildbahn wähnen.

Nichts spricht dagegen, aus gegebenem Anlass ein paar Krawatten auszumisten. Nicht aber die eine Schwarze, die wird in den nächsten Jahren häufiger gebraucht werden denn je. Das eine oder andere Jackett ist vielleicht in Zukunft entbehrlich, weil an den Ärmeln verschlissen. Statt alter Stoffhosen kommen nun eher neue Jeans in Betracht, und ein Paar bequeme Schuhe sind sicher von Nöten, Richtung Sneaker oder so. Keine Ware in Beige und bleibe unter 500 Euro; die trägst du nicht mehr auf.

Ob in Rente geschickter Handwerker, Dienstleister oder Manager - die Contenance bei der Kleidung solltest du nicht verlieren. Es gibt keinerlei Grund, dich nach abgeschlossenem Erwerbsleben in verschossenen Klamotten zu demütigen.

Ältere Menschen, Frührentner zählen dazu, sehen ordentlich angezogen einfach besser aus. Zumal die normal weiterentwickelte Figur mit den Jahren ein geschicktes Kaschieren verträgt. Oft ist es geradezu förderlich für die Gesamtanmutung des Menschen.

Bleibe du im Alter adrett: Sich als Ruheständler korrekt zu kleiden, ist keine Frage des Geldbeutels. Schicke Kleidung ist eine Frage der Höflichkeit den anderen gegenüber, eine Frage des guten Geschmacks und für Männer eine Frage der Überwindung: Als „Er“ musst du vielleicht die genetisch bedingte Schwellenangst besiegen, bevor du ein Bekleidungsgeschäft betrittst. Bist du ein kluger Mann, dann nimm deine Frau mit.

Hast eine besonders liebenswerte Frau, dann wird sie für dich alleine zum Herrenausstatter gehen und dir ein paar schicke Sachen zur Ansicht nach Hause bringen. Dann gibst du nicht, wie im Laden, männerüblich schon nach der ersten Hosenanprobe auf. Du mühst dich daheim im heißen Spätherbst in aller Ruhe schwitzend in einen vierten alternativen Pullover neuer Winterware, mit langen Ärmeln und engem Halsausschnitt.

Alles klaglos, denn dir hört ja niemand zu. Als Mann lässt du wohl eh am klügsten deine Frau entscheiden, was für dich künftig im Schrank an Kleidung auf dich wartet. Der Erwerb einer Baumwollstrickjacke wird auf diese Weise vermieden.

Diese Art von Jacke gilt klugen Menschen als Symbol des verschüchterten, unsicheren Mannes, der angesichts der zunehmenden weiblichen Selbstverwirklichung nicht mehr weiß, wohin mit sich. Anstatt freudig im Spiel der Kräfte mitzumischen, ziehe sich der Strickjackenmann in sich zurück, beobachte nur statt zu handeln, heißt es. Versteckt er sich dabei hinter einer dicken Hornbrille, ist das Klischee vom überforderten Männchen perfekt.

Ein No-Go ist auch die sogenannte Übergangsjacke. Die gibt es gar nicht, berichten Modefans. Liegst du einst drapiert im Sarg, dann wirst du vielleicht etwas anhaben, was man so nennen kann.

Den Hinweis kannst du albern finden, aber schaue dich im Straßenbild kritisch um: Warum lassen sich manche Menschen so gehen, und gehen so schlecht angezogen über die Straßen? Es geht nicht nur um die berühmten Sandalen mit Tennissocken bei Männern, es geht um Beinkleider ohne Hintern in der Hose, um schmuddelig wirkende Hemden, Pullover und Jacken, möglichst grau in grau über hängenden Schultern.

Dein Leben ist noch aufregend, sorge für Körperspannung, recke dich in den aufrechten Gang und vermeide den Pinguinschritt, den du bei anderen siehst.

Karl Lagerfeld konstatierte in einer Talkshow, wer Jogginghosen trage, habe die Kontrolle über sein Leben verloren. 24 Monate später präsentierte er auf der Pariser „Fashion Week“ selber welche. Nicht dass er höchstpersönlich eine solche angezogen hätte, aber immerhin - der Sittenverfall erreicht die markantesten Gesellschaftsexponenten.

Wenn du in deinem Alter das Weite suchst und es in einer Schlabberhose findest, magst du dich, wie in der Süddeutschen Zeitung stand, „als dresscodemäßig abgehängt“ beweisen und als jemand, der „in seinem für Loser typischen Trotz darauf pfeift, von dort, wo er bedauerlicherweise steht, abgeholt zu werden“.

Dem ist nichts hinzuzufügen, außer dem Gegen-Satz von Designer Guido Maria Kretschmer: „Die Jogging-Hose ist ein Must-have.“ Dann musst du im Sommer zur Strafe aber auch kurzhosig durch die City laufen, ganz chic mit Kurzarmhemd und Krawatte.

Leider hat der Trend zum achtlosen Anziehen nicht zuletzt die Jugend weitgehend erfasst. Könnten die Rentner ihre letzten Jahre nicht nutzen, um mit gutem Beispiel voranzugehen? Wäre schön.

Du musst nicht ausgehen und aussehen wie ein Influencer oder wie jemand, der der Berliner Fashion Week entkommen ist. Tragbare Kleidung ist eher konservativ, Geckenhaftes kannst du den Jüngeren überlassen. Es sei denn, du wirst dafür bezahlt, extreme Textilien zu exponieren.

Sich jederzeit achtsam anzuziehen, ist nicht zuletzt eine Frage der Selbstachtung. Wie du aussiehst, so wirst du angesehen. Deine Friseurtermine kannst du jetzt außerhalb des Barbiers Boomstunden legen, und vielleicht gehst du als Rentner noch etwas häufiger zum Schneiden als früher. Zeit dazu hast du ja.

"Designer machen Kleider,

und Kleider machen Leute.

Gut angezogen aber leider.

Ist nicht mal jeder Zweite."


Wer zum Friseur geht, kann es auch mit Kosmetik versuchen. Das gilt auch für Männlein. Es braucht keine Gleichstellungsbeauftragte, dem Mann wenigstens im Alter dieselben Wohltaten angedeihen zu lassen wie den Damen immer schon.

Handpflege, Fußpflege, Massage, Gesichtspackungen - wenn du es dir leisten kannst, solltest du dergleichen über dich ergehen lassen. Auch als Mann, nicht aus Eitelkeit, sondern aus Höflichkeit.

„Ein Mann mit einem großen Bankkonto kann nicht hässlich sein“, wusste Hollywooddiva Zsa Zsa Gabor aus Erfahrung; sie war achtmal verheiratet. Außerdem investieren Männer mit steigender Klassen- und Kassenlage zunehmend in ihr Äußeres.

Für häusliche Anwendungen des „Jedermann“ halten die Drogeriemärkte allerlei wohlfeil: Anti-Falten-Cremes für Tag und Nacht, Hyaluronsalben zum Aufpolstern der Augenpartien, Lippenbalsam, Aloe-Vera-Masken, Conditioner für den Vollbart – die Produktpalette erweitert sich ständig. Wenn in den Drogerieregalen nichts Passendes steht oder du fachliche Erläuterungen benötigst, dann trau dich in die nächste Apotheke.

Bei Saunabesuchen sind Ruheständler nicht zögerlich. Wenn du bislang öffentliche Einrichtungen dieser Art gemieden hast, schnupper ruhig rein. Es ist zwar beileibe nicht die reine Freude dort, manches Handtuch würdest du gerne mehr verhüllend sehen.

Je älter und rundlicher die Gäste sind, um so unbefangener präsentieren sie beim Herumwandern oder auf den Ruheliegen einander den Genitalbereich. Verboten ist das nicht, sieht aber so aus. Schäme dich fremd oder gucke weg.

Mancher Gast wäre beim Schwitzen und Herumsitzen besser so wortlos, so wie auf den zahlreichen Hinweisschildern erbeten. Wenn du aber die Möglichkeit hast, die Kabine zu meiden, in der gerade Aufguss ist, dann hast du in den anderen Hitzeräumen freien Platz und deine Ruhe.

Lärmend ist es, wenn überhaupt, außerhalb der atemraubenden Schwitzstuben. Sitzen drei Männer zusammen, reden drei und retten die Welt. Sitzen drei Damen zusammen, reden vier, und du verstehst kein Wort. Vielleicht ist Schwätzen der Sex im Alter, von dem so viele andeuten, wie toll er noch sei.

Die Verweildauer in den Saunakisten selbst ist mit 10 bis 12 Minuten nicht so lang wie in den Gängen und Ruheräumen der Anlage. Draußen an frischer Luft hängen die älteren Herrschaften gerne stundenlang herum und machen Konversation. Dies einfach deshalb, weil es ihnen drinnen auf die Dauer zu heiß ist. Ist besser fürs Herz.

Für die Hygiene daheim bringt der Ruhestand diskrete Vorteile. Du und der oder die Deine kommen sich im gemeinsamen Badezimmer nicht mehr Backe an Backe in die Quere. Jedenfalls dann nicht, wenn dein neues Zeitmanagement darauf ausgerichtet ist, die altersgerechte Intimität auf der Grundlage deiner neuen zeitlichen Freiräume mehr denn je zu wahren. So würde es wohl ein Lehrbuch formulieren.

Statt miteinander geht es nun nacheinander. Wer zuerst und wer danach, das entscheidet ihr nach Zweckmäßigkeit. Wichtig ist, dass jeder seine Ruhe hat und sich nicht beeilen muss, weil der nächste an die Türe klopft. "Respekt", heißt dein Zauberwort, Respekt!

Mancher beschreibt es als größten Luxus seines Lebens, spätestens im Alter über zwei, also getrennte, Badezimmer und WCs zu verfügen. Dann kann sich jede und jeder in Privatheit die Haare abrasieren, welche auch immer.

Du kannst in Ruhe dein Geschäft verrichten, niemand sieht dein angestrengtes Gesicht, niemand hört deine lebensnotwendigen Geräusche, die als unschicklich gelten.

Du kannst für unten und oben neue Reinigungsrituale entwickeln, bei denen du keine Zuschauer möchtest. Im Ruhestand, nicht kausal, nur zeitgleich, vergrößern sich die Zahnlücken deines echten Gebisses. Ob du zur Säuberung Zahnseide einsetzt, Zahnstocher aus Holz oder Plastik, oder Bürstchen in diversen Größen, alle damit verbundenen Aktivitäten im offen Mundraum sehen nicht schön aus. Deshalb machst du sowas ja nicht bei Tisch daheim oder öffentlich im Restaurant.

Du wählst deine Zahncreme nach deinem Geschmack und wickelst die Tube auf, in eine Richtung deiner Wahl. Ohne dass darüber Streit entsteht. Du kannst beim Ohrensäubern ein Lied falsch pfeifen oder das WC-Radio laufen lassen, ohne dass es Beschwerden gibt.

Träume nicht weiter, wenn deine Wohnung oder dein Haus ein zweites Bad nicht hergibt. Vielleicht bist du mit der abgetrennten Gäste-Dusche mit WC zufrieden. Oder, siehe oben, du machst aus der angelernten problematischen Parallelität der morgendlichen und abendlichen Prozeduren eine zeitversetzende Chronologie. Am besten ‚Lady first“, dann kannst du vor dem Abendduschen im Wohnzimmer noch zwei Stunden zappen.



















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