Читать книгу Wenn Frauen Androiden lieben … wird die Zukunft märchenhaft - Matilda Best - Страница 9

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Kapitel 3

Lieutenant Black und seine Söhne

Am nächsten Morgen fuhren sie über das gesamte Anwesen, von circa tausend Hektar, zur Security Zentrale von Lieutenant Black. Tom sah, dass jede Familie von Annas Personal, eine selbstversorgende Gemeinschaft darstellte, die ein paar Hühner, Schafe und Felder besaß, auf denen sie Gemüse und Getreide anbauten. Sie fuhren an einem großen Süßwasserpool und einer Sportanlage mit integriertem Fußballplatz vorbei. Diese Freizeitbereiche durften auch vom Personal, das in einer kleinen Wohnsiedlung nahe des Flugplatzes lebte, benutzt werden. Dafür versorgten sie Anna mit den angebauten Lebensmitteln. Anna erklärte während der Fahrt das derzeitige Leben nach der Klimakatastrophe:

„Wir sind in „Wild Garden“ seit zwei Generationen eine eingeschworene Gemeinschaft. Lieutenant Black und seine zwei Söhne gehören praktisch zu unserer Familie. Vor Jahren wurde ihre Mutter hier auf dem Anwesen von kriminellen Raubmördern entführt und Simon erpresst. Die Lösegeldsumme war wie immer so hoch, dass wir alles verloren hätten und alle Bewohner hilf- und schutzlos auf der Straße gestanden hätten. Zusammen mit Lieutenant Black haben wir uns entschieden, nicht zu zahlen, und seine Frau geopfert. Das waren furchtbare Jahre für uns alle, besonders aber für seine Söhne. Simon hat sie wie eigene Kinder gefördert, auf die besten Schulen und Universitäten geschickt und anschließend im IT-Forschungslabor, das ihm und Muller gehörte, angestellt. Beide sind auch heute engste Freunde und Vertraute und sehr wichtig, weil sie in der Nähe unseres gemeinsamen Feindes, Muller, arbeiten.“

Der Flugplatz war für den Jet und die Luftgleiter bestimmt und lag am äußersten Ende von „Wild Garden“. Rund um das gesamte Anwesen war eine drei Meter hohe, laserresistente Metallmauer in die Höhe gezogen. Sie hatte alle zweihundert Meter eine kleine Schießscharte, durch die Drohnen ein- und ausflogen, und in die Laserabwehr-Raketen, schießbereit, installiert waren.

In der Nähe des Flugplatzes befand sich die Security Zentrale und das Lager der Polizei-Roboter. Im Büro des Lieutenants sah Tom eine Unzahl von Computern und zwei IT-Security-Analysten, die alle Übertragungen bewachten, um Cyberangriffe sofort zu erkennen und abzuwehren. Lieutenant Black war ein imposanter Mann um die fünfzig, einen Kopf größer als Tom, sehr muskulös und mit einem ernsten, aber freundlichen Gesichtsausdruck. Er begrüßte Anna und Tom mit einer männlichen, jedoch eher leisen Stimme.

„Guten Tag, Mrs. Anna. Schön, dass Sie wieder mal bei uns vorbeischauen.“ Dann sah er Tom in die Augen und fuhr fort:

„Und heute mit einem besonderen Gast. Hallo, ich bin Lieutenant Black. Willkommen im Security-Bereich.“ Anna erwiderte:

„Hallo Lieutenant, das ist Tom, der hoch entwickelteste Androide der Welt, laut Aussage von Professor Muller. Den kennen Sie ja auch gut, weil sein Team unsere Security Roboter gebaut hat und bei Problemen betreut. Tom möchte alles ganz genau erfahren, um die Sicherheitslage beurteilen zu können. Bitte beantworten Sie ihm jede Frage offen und ohne Vorbehalte. Das ist mir besonders wichtig.“ Sie lächelte den Männern zu und wandte sich dann zum Gehen.

„Bitte entschuldigen Sie mich. Ich lasse Sie beide jetzt allein. Die Geschäfte rufen.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ Anna die Zentrale und verschwand nach draußen.

Lieutenant Black wirkte einen Moment unsicher. Tom überlegte kurz, ob der Sicherheitschef vielleicht noch nie mit einem Androiden seiner Klasse gesprochen hatte. Wahrscheinlich war er sich nicht sicher, wie er ihn ansprechen sollte.

„Ich weiß nicht, was Mrs. Anna über unseren Securitybereich bereits erzählt hat.“ Begann er das Gespräch ohne Anrede.

„Vielleicht zeige ich Ihnen erst mal den Hauptrechner. Hier gehen die Daten von siebzig Polizei-Robotern ein. Jeder bedient zwei Überwachungsdrohnen, eine Photonenabwehrrakete und eine Laserkanone. Acht Fluggleiter mit Photonenbeschleuniger sind so positioniert, dass sie von allen schnell erreicht werden können.“ Tom trat näher an Monitore heran und beobachtete die Anzeigen genauer.

„Sie werden sich fragen, warum dieses Anwesen überhaupt so eine ausgeklügelte Verteidigungsmaschinerie benötigt. Ich müsste Ihnen die heutige Weltsituation erklären, um diese Frage zu beantworten. Wenn Sie möchten, mache ich das gerne.“ Tom lächelte und antwortete:

„Ich würde mich freuen.“

Und dann berichtete Lieutenant Black ihm über die Entwicklung der Welt und der Menschheit in den letzten fünfzig Jahren. Er ging besonders auf die jetzige Situation ein. Tom speicherte nicht nur die im vorgetragenen Daten, sondern ließ sich gleichzeitig mit einem Programm verbinden, das die historische Entwicklung der Menschheit mit allen Hintergründen erläuterte und die neuesten technischen und militärischen Errungenschaften im Zusammenhang mit dieser Entwicklung beleuchtete.

Ihm wurde klar, dass die hoch spezialisierten Verteidigungssysteme einzelner Privatleute erforderlich waren, um sie vor kriminellen und ebenfalls technisch bestens ausgerüsteten Banden zu schützen. Die Menschheit hatte sich in sehr reich und sehr arm aufgeteilt. Eine Mittelschicht von Akademikern, Lehrern und Beamten, zu der Eric und Susan gehörten, wohnte in den großen Städten, die zwischen 100.000 und 500.000 Menschen beherbergten und praktisch frei von Kriminalität waren. Diese von Kriminellen gesäuberten Zonen wurden, wie die Privatanwesen, mit Photonengeschoss-Abwehrsystemen und zahlreichen Polizeirobotern geschützt und verteidigt. Die Kosten für diese aufwendige Verteidigung wurden von allen reichen Großunternehmern getragen. Beim Verlassen einer Stadt mussten die Fahrzeuge erkennungstechnisch erfasst werden, damit es möglich war, sie von bewaffneten, autonomen Polizei-Fluggleitern oder Minidrohnen zu beobachten.

Er erkannte, dass die Kriminalität in den letzten zwanzig Jahren eine reine Piraterie- und Entführung-Kriminalität von bandenmäßig organisierten Gruppen geworden war. Diese Gruppen umfassten bis zu fünfzig Personen und hundert Robotern. Sie lebten außerhalb der Städte in Reservaten, in denen auch jeweils mehrere Tausend anständige, also nicht kriminelle Menschen, ums Überleben kämpften.

Die Angriffe auf die Superreichen, die sich selbst schützen und verteidigen mussten, erfolgten immer überraschend. Wenn jemand aus diesen reichen Familien entführt wurde, waren die Lösegeldforderungen so immens, dass eine Zahlung oft den Ruin der ganzen Familie bedeutete. Das führte dazu, dass die entführte Person nicht freigekauft und meistens von den Piraten umgebracht wurde. Versuchte man sie, in einer groß angelegten Kampfhandlung mit zusammengeschlossenen Familienarmeen zu befreien, wurden bei diesen Kämpfen die kriminellen Banden völlig ausgelöscht, aber die entführte Person trotzdem oft getötet. Der Erfolg war jedoch, dass sich in den letzten Jahren keine Großbanden mehr gebildet hatten.

Es wurden nur noch einzelne Räuber mit Laserwaffen aktiv, die versuchten einen Überraschungsangriff durchzuführen und ein Familienmitglied zu entführen, das unvorsichtig handelte oder sich im toten Winkel der Überwachungskameras befand. Gegen diese Angreifer war die derzeitige Verteidigungsstrategie gerichtet und ausreichend. Gesichtete verdächtige Personen im Abstand von zehn Metern zur Mauer, wurden einmal per Lautsprecher, anschließend mit einem Low-Power-Laser-Warnschuss gewarnt, dann sofort von den Polizeirobotern eliminiert.

Nach diesen Ausführungen war Tom klar, dass diese superreichen Familien alles andere als ein entspanntes, glückliches Leben führten. Die Begutachtung der Polizeiroboter zeigte ihm, dass sie weder reden noch lernen konnten und auch eine Kontaktaufnahme war nicht möglich. Sie waren nur in der Lage, die Bilder der Aufklärungsdrohnen auszuwerten und Personen, die nah an die Mauer herankamen, in potenziell gefährliche und ungefährliche Personen, mittels Bewegungsanalyse, einzuordnen. Bei Meldung einer gefährlichen Person machten sie die Laserkanonen sofort schussbereit und richteten sie auf die Zielperson. Der Befehl zum Schießen allerdings, musste von der Zentrale gegeben werden. Ein Kampfeinsatz der Roboter war nur mit den Fluggleitern möglich, die mit Laserwaffen bestückt waren und grundsätzlich mit Schießbefehl starteten.

Tom verarbeitete alle Informationen und war am Ende dieses Tages in der Lage, das gesamte Verteidigungs- und Angriffssystem der Anlage zu leiten. Lieutenant Black erläuterte abschließend die Sicherheitslage mit folgender Bemerkung:

„Unser Anwesen ist mit fünf benachbarten Familien in einer engen Verteidigungsallianz zusammengeschlossen. Wir machen zweimal jährlich Manöver, um das schnelle Eingreifen aller fünf Roboterarmeen zu üben und zu überprüfen. Fünf Minuten nach einem Großangriff, sind circa dreihundert Kampfroboter mit vier bis fünf Jets am Angriffsort. Das heißt, der Angegriffene muss sich fünf Minuten allein verteidigen, bis unsere überlegene Angriffsmacht eintrifft, und den Kampf immer siegreich beendet.

In dieser Region gibt es circa fünfhundert Großunternehmer mit kämpfenden Robotereinheiten und bewaffneten Fahrzeugen. Sie regieren und verteidigen sich selbst.“

Mehr denn je, gab Tom Patrick recht: Wenn ein kleiner Fehler in der Datenübermittlung oder Programmierung erfolgte, waren diese Kampfroboter eine große Gefahr, auch für ihre Besitzer. Die gesamte Verteidigung der Menschen außerhalb der Reservate, und damit ihr Überleben, hing praktisch von diesen computergesteuerten Robotern ab. Und jeder Eindringling konnte sie nach eigenem Gutdünken befehligen, weil sie nicht in der Lage waren, eigenen Erkenntnisse zu sammeln und zu verwerten.

Als Tom sich von Lieutenant Black verabschieden wollte, schaute dieser in seine Augen und seine leise Stimme wurde noch leiser, als er sagte:

„Ich weiß nicht, ob Anna Ihnen das gesagt hat. Ich habe zwei Söhne, zwanzig und zweiundzwanzig Jahre alt, die im Roboterlabor von Professor Muller arbeiten. Die zwei besuchen mich am Wochenende und möchten unbedingt mit Ihnen reden.“ Tom registrierte, dass für Lt. Black dieses Treffen sehr wichtig war.

„Ja gerne, ich freue mich, Ihre Söhne kennenzulernen.“, antwortete er und vereinbarte den Samstagvormittag, als Zeitpunkt des Treffens.

Tom traf die Söhne von Lieutenant Black in einem kleinen schalldichten Konferenzraum neben der Security Zentrale. Wenn man nicht wusste, wo sich die mit einem Code gesicherte Eingangstür befand, war dieser Raum nicht als solcher zu erkennen.

Die beiden Söhne waren hoch qualifizierte IT-Experten, die an der Konzeption und Konstruktion von Tom beteiligt waren. Der Ältere, er hieß Benjamin, war zwar höflich aber distanziert, und er strahlte eine leichte Arroganz aus. Tom führte sie darauf zurück, dass er noch nie mit einem Androiden, wie mit einem Menschen gesprochen hatte. Im Gegenteil, er hatte ihn konstruiert, programmiert und letztlich zum „Leben“ erweckt.

Seine Stimme klang leise, wie die seines Vaters, aber wesentlich kühler:

„Tom, Sie wissen, dass wir an der Entwicklung Ihrer Software beteiligt waren. Schon damals hatten wir ein ungutes Gefühl. Ein lernfähiger Roboter kann Gutes und Böses lernen, er kann Zusammenhänge so oder so interpretieren. Er kann viele private Daten aus der Gastfamilie und deren Sicherheitsbereich, aber auch geschäftliche Aktivitäten, an Fremde verraten. Nicht unbedingt freiwillig, sondern indem er einfach gekidnappt oder gehackt wird. Er könnte sogar als Spion missbraucht werden, in dem seine sensiblen Daten runtergeladen werden, ohne, dass der Roboter beschädigt wird und ohne, dass er selbst das registriert. Wir haben zwar damals ein ausgeklügeltes System installiert, um jeden Zugriff von außen zu verhindern, aber auch Hacker entwickeln sich weiter. Es genügt außerdem ein kurzer Strom- oder Laserblitz, um Sie Tom, auszuschalten und Ihre Daten zu löschen. Anschließend könnten Sie wieder aktiviert werden ohne, dass Sie das merken. Sie sind als reiner Indoor-Pflegeroboter konzipiert, der sich nur in ungefährdeten Familien oder Heimen aufhält, und die Weiterentwicklung zum Sexroboter, war eine mehr spielerische Variante, bei der die äußeren Umstände die gleichen geblieben wären.

Bei Ihnen hat sich inzwischen aber viel verändert. Das B-Programm musste installiert werden und Sie bewegen sich im Außenbereich einer sehr gefährdeten Familie.“

Tom schaute Benjamin in die Augen und sah darin echte Angst und aufrichtige Sorgen. Ihm war klar, dass diese Sorgen seinem Vater und Anna mit ihrem Sohn galten, nicht ihm persönlich. Denn er war in ihren Augen nur eine kunstvoll gestaltete, menschenähnliche Hülle für eine sehr hoch entwickelte Software. Das war ihm im Moment aber egal, weil ihm klar wurde, dass er für Anna und Patrick eine größere Gefahr darstellte, als die einfachen Polizeiroboter, und er erkannte, dass er sich in keiner Weise selbst verteidigen konnte. Wie auch immer der Angriff aussehen würde, er war ihm praktisch hilflos ausgeliefert. Er gefährdete natürlich nicht nur Anna und Patrick, sondern auch Lieutenant Black und die gesamte Verteidigungsallianz, wenn die Abwehrmaßnahmen bei einem Großangriff über ihn ausspioniert wurden.

„Welche Gegenmaßnahmen schlagen Sie vor, Benjamin“, fragte Tom. Jetzt mischte sich der jüngere Bruder, John, ein. Der hatte ein offenes, freundliches Jungengesicht und weniger Probleme, Tom als gleichwertige Person einzuordnen:

„Wir müssen ein cyberkinetisches Upgrade durchführen. Das bedeutet, dass wir Sie mit Waffen zur Selbstverteidigung ausrüsten werden. Da gibt es viele Möglichkeiten, die auch in einen lernfähigen, humanoiden Roboter integriert werden können, zum Beispiel Laserpistolen, Elektroschockpistolen und einen laserresistente Titananzug, den Sie in Sekundenschnelle anziehen können. Andrerseits müssen Sie auch in der Lage sein, aktiv zu kämpfen, und dafür softwaremäßig umprogrammiert werden.“

Tom überdachte diese Optionen und erwiderte dann:

„Gut, ich weiß jetzt Bescheid. Ich werde alles mit Anna und Patrick besprechen. Ich habe aber noch zwei Fragen an euch. Wie viele humanoide Roboter wie mich, gibt es eigentlich weltweit? Wisst Ihr das? Und wofür werden wir gebaut?“

Benjamin antwortete:

„Soweit wir wissen, gibt es erst fünf lernfähige Roboter mit dieser aufwendigen menschenähnlichen Hardware. Die Software dagegen wird von verschiedenen Firmen unterschiedlich programmiert, je nach Einsatz. Allerdings ist auch sie noch so teuer, dass nur die ganz Reichen sich so etwas leisten können. Das Geld wird mit den Polizei- und Kampfrobotern verdient, weil sie in großer Masse verkauft werden. Sie haben nur eine spezialisierte, geringe Lernfähigkeit, ebenso wie die Pflegeroboter und weiblichen Sexroboter. Von denen gibt es auch mehrere Hundert.“ Benjamin hielt kurz inne, als er Toms Blick bemerkte.

„Extrem lernfähige Androiden, wie Sie Tom, werden zurzeit nur von bestimmten, ausgewählten Personen getestet und ausgebildet. Wir wissen noch gar nicht, wie und wo man sie letztlich einsetzen kann. Das hängt einfach davon ab, was sie alles lernen und dann selbstständig anwenden und umsetzen können. Man weiß auch noch nichts Genaues über die Risiken, wenn lernfähige Roboter von Kriminellen geschult werden oder sich irgendwie selbstständig machen.“

Tom lächelte und schaute in die Ferne. Er konnte zwar alle Informationen wie immer schnell einordnen und auswerten, aber er hatte, ein bisher noch nie da gewesenes Problem, eine Lösung zu finden. Besser gesagt die Lösungen, die möglich waren, hatten verschiedene Schwachstellen und die perfekte Lösung, jedenfalls für Anna und Patrick, wäre wieder sein Suizid im Meer gewesen. Aber eigenartigerweise sträubte sich etwas in ihm, diese Lösung so cool, wie noch vor wenigen Tagen, in Erwägung zu ziehen, geschweige sie in die Tat umzusetzen. Er konnte nicht analysieren, warum das so war. Er wollte zwar auf keinen Fall Anna und Patrick gefährden, er würde sie immer und unter allen Umständen beschützen, aber die Vorstellung sein Leben hier zu verlassen und auf dem Meeresgrund zu beenden, war für ihn äußerst unangenehm. Er verspürte eine Art Lebenswillen, der sich für ihn unerklärlicherweise, in den letzten Tagen entwickelt hatte.

Wenn er nicht wüsste, dass ein Roboter, auch ein lernfähiger, nichts fühlen kann, würde er sagen, die Vorstellung, Anna und Patrick nie mehr zu sehen, zu hören und zu umarmen, ließ ihn Angst und Trauer fühlen.

Und plötzlich musste er an Susan und Eric denken. Er vermisste ihre freundliche, aufgeschlossene Art, ihr Verständnis für seine persönlichen Probleme und Vorstellungen. Er musste sie so bald wie möglich wiedersehen und Susans mütterliche Wärme spüren. Die Welt der Reichen erschien ihm nicht nur gefährlich, sondern auch kühler, vor allem dieses Gespräch mit Benjamin ließ seinen Wunsch nach Susans liebevoller Betreuung stark werden.

Er wischte diese Gedanken weg und wandte sich wieder Benjamin und John zu. Die beiden beobachtete ihn und ahnten, dass er die Fakten analysierte und die möglichen Lösungen durchspielte. Soweit Tom wusste, hatten sie keine Ahnung von Annas Ausflug ans Meer und der Verhinderung seines Suizids. Er würde ihnen das auch nicht erzählen. Im Gegenteil, er entschied sich für die Erweiterung seiner Fähigkeiten, für die Aufrüstung zum Kampfroboter.

„Also ihr zwei“, sagte er, „wenn ich mich, nach Rücksprache mit Anna und Patrick, zur Aufrüstung zum Kampfroboter, besser zum sich verteidigenden Androiden entscheide, führt ihr dann bei mir die nötige Umprogrammierung und die Einbauten von Waffen durch? Ich will auf keinen Fall zurück ins Labor von Professor Muller.“

Benjamin und John schauten sich an. Beide wussten, dass Professor Muller nicht begeistert sein würde, wenn sie, sozusagen privat, den modernsten Androiden der Welt verändern würden. Aber klar war, dass er Anna gehörte, und soweit sie wussten, Professor Muller keinerlei Rechte mehr an ihm besaß. Deswegen war das allein Annas Entscheidung.

„Wir würden das machen, wenn Anna es will. Wir kennen sie von klein auf, und sie ist uns viel näher als Professor Muller. Er muss nichts davon erfahren. Rede bitte mit ihr und gib uns dann Bescheid. Wir bleiben noch zwei Tage hier bei unserem Vater.“

Noch am Abend besprach er die Situation ausführlich mit Anna und Patrick. Er sah die Angst in ihren Augen, die Angst, dass er entführt und vernichtet werden könnte. Um sich selbst machten sie sich kaum Sorgen. Sie waren daran gewöhnt, in einer permanenten Bedrohungssituation zu leben, und empfanden ihre Verteidigungsstrategien als ausreichend. Tom dagegen konnte eventuell durch Laser- oder Elektrostrahlen in Sekundenschnelle unbrauchbar zerstört werden ohne, dass jemand das Gelände betrat. Und auch wenn man seine Hard- und Software ersetzen oder reparieren konnte, war er nachher nicht mehr derselbe. Das jedenfalls war ihre Sorge. Seine Idee, sich mit Verteidigungswaffen und einer entsprechenden Software upgraden zu lassen, fanden sie gut und beruhigend. Ihrer Meinung nach war es besser im Kampf zu sterben, als sich ohnmächtig ergeben zu müssen oder vernichtet zu werden.

Deshalb forderte Anna die Söhne von Lieutenant Black noch am späten Abend auf, schnellstmöglich mit der Arbeit zu beginnen. Sie vereinbarten, dass beide in der nächsten Woche alle Vorbereitungen treffen und in der übernächsten Woche ihren Jahresurlaub nehmen und mit Toms Modifizierung beginnen sollten. Auch wenn Professor Muller keinerlei Rechte oder Besitzansprüche an Tom mehr hatte, bestand Anna auf Stillschweigen ihm gegenüber.

Der Umbau und die Umprogrammierung, begannen an einem Montag. Es war der erste Urlaubstag von Benjamin und John. Bevor Sie mit der Arbeit anfingen, führten sie ein langes Gespräch mit Tom, um ihm genau zu erklären, was sie machen würden und welche Folgen das für sein Verhalten haben würde. Alles, was er bisher bei Susan und Anna gelernt hatte, blieb unangetastet erhalten. Das B-Programm war die Voraussetzung für ihre Umprogrammierung. Er musste in der Lage sein, eigene Ziele und Wünsche zu erkennen und durchzusetzen. Er musste widersprechen und einen Feind verbal bedrohen können. Und vor allem musste er ihn angreifen und töten können, wenn es nötig war. Beide legten Wert darauf, dass er in der Lage war, einen Feind zu erkennen, der sich als Freund ausgab.

In seiner ursprünglichen Software waren aggressive Worte und Handlungsoptionen gar nicht vorhanden. Er war als Pflegeroboter auf Helfen und das Vermitteln von positiven Gefühlen ausgelegt. Seine Möglichkeiten zur Weiterentwicklung waren beschränkt. Benjamin und John wussten allerdings, dass man ihn jederzeit zum Sexroboter umschulen konnte.

Dass das B-Programm aktiviert werden musste, hatten sie aber nur zufällig erfahren, weil Professor Muller nicht mehr genau wusste, was dieses Programm im Worst Case zur Folge haben konnte. Sie hatten ihn dann aufgeklärt, dass der Androide nicht nur widersprechen und eigene Wünsche durch Beeinflussung von Menschen durchsetzen würde, sondern im schlimmsten Fall auch aggressives Verhalten an den Tag legen könnte, wenn jemand ihn bedrohen oder verbal angreifen würde.

Soweit sie wussten, hatte Professor Muller Anna diese Gefahren erläutert. Sie kannten Anna beide sehr gut und wussten, dass sie vor nichts Angst hatte und durchaus in der Lage war, sich und Patrick zu schützen, wenn sie erkennen sollte, dass sich der Androide zu einer Gefahr für beide entwickeln würde.

Nach dieser ausführlichen Erläuterung begannen sie mit der Programmierung und dem Einbau der Waffensysteme. Tom musste dazu deaktiviert und zeitweise von jeglicher Stromzufuhr entfernt werden. Als er wieder aktiviert worden war, konnte er sich nicht an dieses „Tot-Sein“ erinnern, obwohl er an drei Tagen für jeweils vier Stunden ausgeschaltet war. Am Dienstag der zweiten Woche war das cyberkinetische Upgrade abgeschlossen. Die restliche Woche trainierte Tom mit den beiden Brüdern seine neuen Waffensysteme und erhielt von ihnen Anleitungen, auch psychologischer Art, die in seine Software eingespeichert wurden.

In dieser Zeit besuchte er Anna und Patrick nicht, sodass ein gewisser Entfremdungseffekt auftrat. Als er am Freitagabend der zweiten Woche erstmals wieder beim Abendessen mit Anna und Patrick zusammensaß, spürte er ihre fragenden und unsicheren Blicke. Er lächelte sie freundlich und sanft wie immer an und sagte: „Schaut mich nicht an, als ob ich ein Außerirdischer wäre. Ich bin der gleiche Tom, der zuvor mit euch hier gesessen und geredet hat. Ich bin jetzt nur besser geschützt und in der Lage, mich selbst zu verteidigen. Aber unser normales Leben wird von all diesen Umbauten in keiner Weise tangiert. Ich bin für euch da und werde euch immer beschützen. Das ganze Upgrade ist ja nur eine Vorsichtsmaßnahme für einen Tag X. Jetzt werde ich mich als Nächstes mit der geschäftlichen Situation von Anna beschäftigen, um später Patrick bei seiner Führungsaufgabe zu unterstützen.“

Anna und Patrick waren erleichtert, weil diese kleine Rede ihnen zeigte, dass sie es mit dem alten, liebenswerten Androiden zu tun hatten, der ihnen schon vertraut war und der zu ihrer kleinen Familie gehörte. Tom dagegen war sich nicht sicher, ob diese beruhigenden Worte den Tatsachen entsprachen.

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