Читать книгу Lombok - Matthias Falke - Страница 3

Kapitel 2. Tawri

Оглавление

Die INSTRUCTOR setzte in einer der rostroten Sandkuhlen auf, die für den Mond charakteristisch waren. Diese bildete eine sanfte Senke von zweihundert auf dreihundert Metern, eben groß genug, einen Explorer der Enthymesis-Klasse aufzunehmen. Am Grund der Kuhle war das Material aus wind- und strahlungsverwittertem Regolith blutfarben, während es an den flachen Hängen allmählich dunkler wurde und am Übergang zur Ebene eine anthrazitschwarze Kruste bildete. Dann schloss sich die sandgelbe Weite des Mare Inconcussum an, dessen unbedeutende Randberge den Horizont wie vernarbte Schnittwunden verunzierten.

Der Mond Tawri, zehnter und größter Trabant des Gasriesen Ghesa Zoch, bot unter anderen Unannehmlichkeiten eine dünne und eiskalte Atmosphäre auf, die prädestiniert für Staubstürme und schmirgelpapierfarbene Blizzards war. Sie war dicht genug, dass der bei der Landung der INSTRUCTOR aufgewirbelte Sand nicht sofort wieder zu Boden fiel, sondern eine Weile in Form schartigroter Wolken um das Schiff herumlungerte und sich dann allmählich auf die riesigen Stahlkrallen seiner wohnhausgroßen Stelzfüße legte wie ein unterwürfiger Hund. Auch der rußige Dampf der Triebwerke und der Steuerdüsen verschwand nicht sofort, wie er es im Vakuum getan hatte, sondern hing noch geraume Zeit als Behang schwarzer Fransen am klobigen Rumpf des Explorers.

Der Himmel über der Landestelle war stumpf, bunt und verschmiert wie das stümperhafte Aquarell eines Anfängers. Das lag an den Staubwolken, die von den Stürmen in die hohen und höchsten Luftschichten transportiert wurden. Sie waren wie riesige Batik-Zeltplanen über die von Kratern und Runsen übersäte Landschaft gespannt. Die schmale Sichel des Gasplaneten beherrschte den Himmel, scharf abgesetzt und chromfarben am hellen Rand, blau verdämmernd und zerlaufen auf der Schattenseite. Ghesa Zoch schob sich vor das Zentralgestirn wie eine latente Drohung. In Kürze würde die mehrwöchige Nacht über den Mond hereinbrechen. Dann war er aus den Albträumen der Wesen, die sich auf seinen dominierenden Mond verirrt hatten, nicht mehr wegzudenken.

Einzelne von Schwefelkristallen inkrustierte kupferfarbene Säulen standen hier und da in der ansonsten ereignislosen Ebene des Mare Inconcussum. In ihrem bizarren und unnachgiebigen Ragen erinnerten sie an Termitenburgen, nur dass sie wenigstens zehn Mal so groß waren. Hier und da versprühten Fumarolen ihre hartweiße oder harngelbe Empörung. Trügerische Sandbecken lauerten auf den Leichtmut von Eindringlingen, um sie in die Tiefe zu saugen. Ganz im Osten gestikulierte ein Stratovulkan in blauem Zorn gegen die stoische Stille an.

Alles in allem ein pittoresker, aber kein wohnlicher Ort.

Auf dem Frachtdeck, das für diese Mission zur Mannschaftsunterkunft umgerüstet worden war, setzten sich die Rekruten lauschend in ihren spartanischen Kojen auf. Als das Signal von der Brücke kam, dass der Explorer Bodenkontakt hatte, machte sich nervöse Geschäftigkeit breit. Mehrere Minuten vergingen, in denen die Crew zweihundert Meter weiter vorne die Routinechecks durch die Systeme jagte. Dann sprang auch das Leuchtzeichen an der Heckluke auf Grün um. Die Rampe war freigegeben.

Dennoch warteten die Soldaten, bis sie das offizielle Go der Führung hatten. Diese erschien wenig später in Gestalt General Rogers’ auf dem Frachtdeck. Der Held von Persephone schritt auf einem der schmalen Gänge zwischen den dicht an dicht stehenden Feldliegen durch. Die Rekruten beeilten sich, Bettzeug und Ausrüstung, die auf den Boden gefallen waren, auf die Kojen zu schmeißen. Dann standen sie stramm und bildeten ein beeindruckendes Spalier. Der General ging an der Einheit entlang, zupfte hier etwas an einem schlecht sitzenden Anzug, verlor dort ein Wort zu einer nicht ganz tadellosen Haltung, und stellte sich dann am hinteren Ende des Hecks vor die Ausstiegsrampe.

Die Luft auf dem Deck gefror zu einem einzigen Schweigen. Die hundert Rekruten wagten kaum zu atmen. Der Respekt, den sie vor dem Haudegen empfanden, war mit Händen zu greifen. Dabei war Rogers dafür, dass er eine lebende Legende war, noch nicht einmal so alt. Aber er war eine Institution, ein Denkmal aus Fleisch und Blut, ein Avatar der heroischen Geschichte der Union. Viele, die jetzt hier an Bord waren, hatten sich einzig und allein verpflichtet, um ihm einmal über den Weg zu laufen, ihm vielleicht einmal die Hand schütteln zu können, womöglich eines des Taktik-Seminare hören zu können, die er an der Akademie in Pensacola hielt und die eigentlich lange monologische Vorlesungen über den Aufstieg der Union im allgemeinen und den Krieg gegen die Sineser im besonderen waren. Und jetzt waren sie hier, als Soldaten einer Einheit, die er befehligte, und standen unmittelbar vor ihrem ersten Einsatz!

»Okay«, sagte er, nachdem er die glühende Bewunderung ausgiebig genossen hatte. »Ihr wisst, was zu tun ist. Geht raus, macht euren Job, passt auf euch auf und kommt wohlbehalten wieder. Lebendig, aber nicht mit leeren Händen!«

Er ließ sein berühmtes Haifischgrinsen aufspringen wie ein Klappmesser und wieder verschwinden.

»Und keine Dummheiten – Christopher Kurtz!« Seine kleinen, messerblauen Augen stachen wie Speere durch die Reihen der Rekruten und pickten einzelne davon heraus. »Kein grober Unfug, Darn Herber! Keine Fisimatenten, Mirk Yaschar!«

»Er kennt seine Pappenheimer«, flüsterte Ladana Zol dem neben ihr stehenden Frank Norton zu.

»Das gilt auch für euch da hinten«, rief Rogers streng und gutgelaunt in ihre Richtung.

Ladana zuckte ertappt zusammen, während Frank sich auf die Lippen biss.

»Bist du sicher, Ladana«, fragte der General, »dass du mit Frank in einem Team sein willst?«

»Aye, Sir«, gab sie zurück, und ihre Haltung wurde noch eine Spur straffer.

»Dann viel Glück, und sag hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.«

Ein unterdrücktes Kichern und Murmeln machte sich auf dem Frachtdeck breit.

»Das gilt für alle!«

Rogers trat beiseite und gab die Rampe frei, deren Verriegelung sich in diesem Augenblick öffnete. Vor ihnen dehnte sich die verheißungsvolle Einöde des Mare Inconcussum, das wie eine Landschaft vernarbter und verschorfter Wunden da lag.

Die ersten Pionierteams zogen los. Dann folgten die Zweiergruppen mit den Scootern. Es dauerte noch einmal eine Viertelstunde, bis sie an der Reihe waren. Rogers ging gegen den Strom der ausrückenden Rekruten nach vorne, klopfte jedem auf die Schulter und gab ihm ein aufmunterndes Wort mit. Wie zufällig kam er bei Frank und Ladana an.

»Geht raus und macht euer Ding«, knurrte er, der sich gern bärbeißiger gab, als er eigentlich war. »Aber unterschätzt die Sache nicht. Ich will euch alle wieder heil in Pensacola abliefern.«

»Selbstverständlich.« Norton war einer der wenigen, der sich etwas weniger förmlich mit dem General unterhalten konnte.

Rogers fasste ihn scharf ins Auge. »Du weiß, dass du meine Sympathie genießt und dass du mehr Freiheiten hast als irgendein anderer hier. Aber das heißt auch, dass alles, was du ausfrisst, auf mich zurückfällt.«

»Was soll er denn immer ausfressen«, fragte Ladana. Und dann schickte sie doch noch das »Sir?« hinterher.

»Ich kenne ihn.« Der General musterte die zierliche, schwarzhaarige Rekrutin mit dem exotischen Einschlag wohlgefällig.

»Ich passe auf ihn auf«, sagte sie.

Rogers senkte einen Blick in sie. »Genau das fürchte ich auch.«

»Wir müssen los.« Norton salutierte übertrieben zackig, was ihm ein tadelndes Kopfschütteln seitens des Generals eintrug, und setzte sich in Bewegung. Ladana Zol beeilte sich, ihm zu folgen. Rogers sah ihnen seufzend nach.

Sie begaben sich in den Hangar, in dem die Bodenfahrzeuge vertäut waren. Das sechsrädrige Wüstenmobil vom Typ Stallion war bereits beladen, der Anhänger mit der Zusatzausrüstung war angekoppelt. Sie quittierten die Übernahme bei dem Sergeant der technischen Crew. Dann brausten sie in die hoch aufspritzende Sandwelt hinaus, der die riesigen Luftreifen bei jeder Umdrehung meterhohe Fontänen entlockten.

Bei hoher Drehzahl und niedriger Übersetzung erklommen sie den Rand der Kuhle, die der INSTRUCTOR einen gewissen Schutz vor den Staubstürmen bot, und gewannen die offene Ebene. Norton schaltete hoch – er ließ es sich nicht nehmen, den Stallion mit manueller Kupplung zu fahren – und beschleunigte auf Höchstgeschwindigkeit. Eine endlose Schleppe ockerfarbenen Gewirbels hinter sich entfaltend, die wie ein schmutziges Hochzeitskleid aus dem Heck von Zugmaschine und Anhänger hervorquoll, rasten sie in die Weite des pfannengeraden Mare Inconcussum hinein.

»Du bist ein Macho«, stellte Ladana mit einigen Minuten Verspätung fest.

»Wieso?«, fragte er unschuldig.

»Du hättest mich fragen können, ob ich ans Steuer will?«

»Willst du?« Er nahm nicht den Blick von den Kontrollen, die holografisch in die Frontscheibe projiziert wurden.

»Nein, aber darum geht es nicht.«

»Versteh ich nicht.« Jetzt sah er kurz zu ihr hinüber und zwinkerte ihr zu.

»Du bist ein Arschloch, Frank Norton. Allmählich verstehe ich, warum mich alle vor dir gewarnt haben.«

»Alle?«

»Alle, die dich kennen.«

»Was haben sie gesagt?«

»Das!« Sie musterte ihn von der Seite. »Dass du ein Arschloch bist, und dass ich nicht auf dich reinfallen soll!«

»Trotzdem bist du da.«

»Bilde dir darauf bloß nichts ein.«

Er fuhr eine Weile schweigend und konzentriert. Dann schaute er zu ihr nach drüben. »Wir werden mehrere Tage unterwegs sein. Wenn du willst, können wir uns beim Fahren abwechseln.«

Ladana starrte ihn ungläubig an. Dann lachte sie.

Die Orientierung in den Sandebenen war schwieriger als erwartet. Es gab kein Netz, keine Peilung. Zwar hatten sie die PANNIER im Orbit, die die INSTRUCTOR für die Warp-Passage huckepack genommen hatte, aber der riesige Träger hatte bis jetzt keine Satelliten ausgebracht, und ob er es tun würde, hing vom weiteren Verlauf ihrer Mission ab. Fürs erste waren sie auf sich gestellt. Sie bewegten sich auf einer Welt, die nicht kartiert war und auf der es keine Infrastruktur gab. Die ockerfarbene Wüste sah in allen Richtungen gleich aus. Auch die kupfergrünen Schlote, Relikte uralter Eruptionsgänge, die nach und nach aus dem pulverisierten Gestein herausgewittert waren, boten weniger Orientierung, als sie ursprünglich gedacht hatten. Es blieb ihnen nichts übrig, als stur nach Plan vorzugehen, so wie man ihnen das während der mehrmonatigen Vorbereitung eingetrichtert hatte, auch wenn es einigermaßen langweilig und stupide war.

Sie setzten ihre Router ab, wo immer es ihnen sinnvoll erschien, und nahmen neue Peilungen und Triangulationen vor. So schufen sie selbst das Koordinatensystem, an dem sie sich langsam weiterhangelten. Der Kontakt zu den anderen Teams lief anfangs noch über die Lokale Kommunikation, die aber nur eine Reichweite von wenigen Kilometern hatte. Sowie sie sich weiter voneinander entfernten, mussten sie ihre Netzanbindung zu den Kameraden und zum Explorer selbst kreieren. Es war komplizierter, als sie es sich vorgestellt hatten. Die Übungen in der Mojawe-Wüste und im Hinterland von Luna III erwiesen sich plötzlich als unzureichend, so wie einem ein paar Stunden Schwimmunterricht in einem Pool auf einmal nicht mehr wirklich weiterhalfen, wenn man sich auf dem offenen Ozean bei einer meterhohen Dünung wiederfand.

Sie arbeiteten weiter. Ihre Konzentration nahm den Geschmack von Verbissenheit an. Erste Erschöpfungssymptome waren nicht zu leugnen. Die Handgriffe wurden fahriger, die Kommandos, die hin und her gingen, wurden lakonischer, der Ton, in dem sie gehalten waren, wurde aggressiver.

»Ich kann nicht mehr«, sagte Ladana endlich. »Ich brauche eine Pause.«

»Ich bin auch kaputt«, gab Frank unumwunden zu. »Aber wir können jetzt nicht einfach so aufhören. Der Quadrant ist noch nicht geschlossen.«

»Wie lange noch?«

»Wir setzen noch einen Router und nehmen eine seismische Sprengung vor. Dann haben wir einen guten Abschluss. Ich denke, für den ersten Tag ist das ordentlich.«

»Okay.«

Allerdings dauerte es noch über eine Stunde, bis sie eine geeignete Position gefunden hatten. Das anstehende Gestein war überall von haushohen Verwehungen bedeckt. Der Sand bildete Dünen, parallele Riffel und harmlose Schlieren, aber auch grundlose Trichter und Treibsandlöcher. Endlich stießen sie auf eine Felsplatte, die nur mit einer dünnen Staubschicht aufwartete. Das machte ihren Instrumenten nichts aus.

Sie stiegen aus, trotten um den Stallion herum, holten die Ausrüstung vom Anhänger, wie sie es nun schon mehr als ein Dutzend Mal gemacht hatten. Während sie mit müder Routine das Ausbringen des Routers vorbereiteten, wurden sie von der Zentrale auf der INSTRUCTOR gerufen.

»Team zwölf«, kam die Stimme des Wachhabenden. »Eure Netzanbindung ist volatil. Bitte sorgt für eine bessere Einbettung in die Lokale Kommunikation.«

»Wir sind ja schon dabei«, schnauzte Frank.

»Wollte es nur gesagt haben.«

»Du kannst ja herkommen«, rief Ladana, »und hier in diesem Sch... Sand herumwühlen.«

»Bitte mäßigen Sie sich, Rekrutin«, gab der Offizier auf dem fernen Explorer zurück. »Ein Wort wie das, das Sie sich gerade noch verkniffen haben, und ich bringe Sie für eine Disziplinarmaßnahme ins Gespräch.«

»Ach, leck mich!«

»Rekrutin Zol!«

»Lassen Sie gut sein«, ging Frank dazwischen. »War ein harter Tag hier draußen. Wir setzen jetzt noch einen Router und dann melden wir uns für heute ab.«

»Negativ«, kam es über die Lokale. »Die Anweisungen für diesen Einsatz sehen vor, dass alle Außenteams permanent online zu sein haben.«

»War nur so eine Redensart.«

»Nein«, sagte der Offizier, »das war ein Befehl!«

»Ist ja gut, Mann.«

»Du musst dem Trottel doch nicht so in den Arsch kriechen«, zischte Ladana.

»Ich kann Sie hören, Rekrutin Zol.« Die Stimme des Wachhabenden nahm einen warnenden Ausdruck an.

Frank machte seiner Partnerin ein Zeichen, sich zu beherrschen. Sie reagierte, indem sie den Daumen unter der Kehle durchzog. Darüber musste er lachen.

»Was ist so lustig?«, erkundigte der Offizier auf der INSTRUCTOR sich gereizt.

»Alles gut«, versetzte Frank. »Wir versuchen hier nur unseren Job zu machen.«

»Dann machen Sie ihn auch. Und vergessen Sie nicht, ich bin hier, um auf Sie aufzupassen. Kann sein, ich rette Ihnen noch das Leben!«

Ladana baute sich Frank gegenüber auf. Mit den Lippen formte sie unaussprechliche Worte. Er konnte sein Kichern immer weniger unterdrücken.

»Das wissen wir zu schätzen«, sagte er laut. »Wir wissen uns bei Ihnen in guten Händen.«

Ladana prustete und zeigte ihm an ihrem Helm den Vogel.

»Im übrigen kommen wir zurecht, Zol und Norton over and out.«

»Da muss ich Sie leider enttäuschen«, erwiderte der Offizier humorlos. »Ich bleibe bei Ihnen, die ganze Nacht.«

»Na dann viel Spaß. Kann sein, dass ich schnarche.«

»Das macht mir nichts aus. Die Überwachung registriert so oder so jeden Herzschlag von Ihnen, jeden Atemzug und jeden Furz.«

»Schade, dass Sie den nicht riechen können, auf der warmen, klimatisierten Brücke der INSTRUCTOR.«

»Mir scheint, Norton, dass Sie diesen Einsatz nicht ganz ernst nehmen.«

»Ich nehme ihn ernst. Ernster als Sie. Wissen Sie, ich bin hier draußen!«

»Dann machen Sie Ihren Job!«

Norton verdrehte die Augen, während Ladana so tat, als würde sie sich den Finger in den Hals stecken. Dann gingen sie wieder an die Arbeit. Sie hatten sogar bessere Laune als vor dem kleinen Intermezzo.

Sie verschraubten den Router an dem mattroten, leicht geschieferten Felsen. Dann rangierten sie mit dem Stallion, klappten das Bohrgestänge aus, trieben ein Bohrloch bis in einige Meter Tiefe und brachten die Sprengladung an. Nach Rücksprache mit der planetarischen Abteilung der INSTRUCTOR feuerten sie die Ladung ab. Eine dünne Staubfontäne schoss zwanzig Meter in die Luft und sank dann mit einer majestätischen Langsamkeit wieder herab. Auf der Felsplatte hatte der Sand gebebt und chladnysche Muster gebildet. Selbst ihr Fahrzeug auf den dicken Luftreifen hatte einen kleinen Satz gemacht. Aus den Echos und Interferenzen der Detonation würden die Experten auf dem Explorer nun ein geologisches Profil des Gebiets errechnen.

Sie warteten ab, bis die Meldung der Planetologen kam, dass die Daten zu ihrer Zufriedenheit waren, dann zogen sie sich in den Stallion zurück.

»Feierabend«, seufzte Norton.

Die Kabine des Bodenfahrzeugs war nicht übertrieben geräumig. Immerhin konnten sie jetzt das Verdeck schließen und die Helme absetzen, die sie tagsüber angelassen hatten.

Ladana schüttelte ihr schwarzes Haar auf und kratzte sich an der Kopfhaut.

»Mann!«, stöhnte sie. »Wie machen die das, wenn ein Einsatz länger geht?!«

»Der menschliche Organismus kann mehrere Wochen ohne Dusche überleben«, kam es aus der Übertragung. »Wenn es sein muss, sogar ein paar Monate. Erstaunlich ist, an welchen Stellen es zu jucken anfängt, selbstreinigende Unterwäsche hin oder her!«

Sie wechselten einen befremdeten Blick. Ladana wollte schon einen Fluch in Richtung der Lokalen adressieren, als Norton ihr Einhalt gebot.

»Bist du das, Kurtz?«

»Aber sowas von!«

Sie lachten befreit. Das Gefühl, von der Zentrale ausspioniert zu werden, wich dem deutlich angenehmeren Bewusstsein der Kameradschaft zu den anderen Rekruten. Natürlich war die Zentrale trotzdem online. Aber nach und nach schalteten sich jetzt die anderen Teams zu einer Ringverbindung zusammen. Manche aktivierten auch die Video-Leitung, die sie während der Arbeit abgeschaltet hatten, um die prekäre Brandbreite zu sparen. Immerhin waren die Verbindungen jetzt stabil. Sie durften mit ihrem Tagewerk zufrieden sein.

»Was macht ihr?«, fragte Ladana neugierig, als Kurtz’ Gesicht in einer verschmierten, falsch fokussierten Einstellung sichtbar wurde. Das passte zu ihm, der sowieso immer irgendwie ungewaschen, unrasiert und unausgeschlafen aussah.

»Das gleiche wie ihr, habe ich den Eindruck!«

Sie sahen einander zu, wie sie mit den Synthetisatoren hantierten und ihr Abendessen zubereiteten.

»Was gibt es bei euch?«

»Mal sehen«, sagte Norton, der mit dem Steuer auch den Küchendienst übernommen hatte. »Einheitsbrot mit Einheitswurst und Einheitskäse, dazu ein bisschen Einheitsgemüse. Könnte als Tomate durchgehen. Zum Nachtisch Einheitsdessert, und für die gute Laune kriegt jeder exakt einen Viertelliter alkoholfreies Einheitsbier.«

Die Synthetisatoren der kleinen mobilen Einheiten boten nicht ganz den Standard der Modelle auf Schiffen oder Basen. Immerhin konnten sie zwischen einem Dutzend einfacher Menüs wählen.

»Also ganz wie bei uns«, gab Kurtz durch, der schon mit vollen Backen kaute.

»Und?«, fragte Ladana, als Norton ihr feierlich ein volles Tablett hinüberreichte. »Noch nichts kaputt gemacht?«

»Was soll das?« Der Leiter von Team 11 war empört.

Ladana zwinkerte ihm zu. Er genoss, was das anging, einen gewissen Ruf. So hielt er nicht nur den einsamen Rekord der am Simulator gestorbenen Tode, er war auch derjenige, der während der realen Übungen am meisten Hardware auf dem Gewissen hatte.

»Dann ist ja gut«, sagte Norton. Er stürzte das schale, süßlich schmeckende Bier hinunter und schüttelte sich.

»Prost.« Kurtz hob seinen Becher in die Kamera. Die anderen Teams, die online waren, schlossen sich an.

Dann sprang die Anzeige um und verkündete eine Durchsage der Zentrale.

»Prost und Guten Appetit da draußen.« Das war Rogers! »Ich wollte nur durchgeben, dass wir bis jetzt zufrieden mit euch sind. Ihr habt heute einen guten Job gemacht. Jetzt will ich die Party nicht länger stören. Aber ihr wisst ja, dass wir immer für euch da sind!«

Das Symbol erlosch wieder. Die Zentrale war passiv, aber sie bekam alles mit, was auf den viele Dutzend Kilometer über das Mare Inconcussum verteilten Scootern und Bodenfahrzeugen gesprochen wurde.

Der eine oder andere maulte etwas von Privatsphäre. Sie frotzelten noch ein bisschen, plauderten und meldeten sich dann nach und nach wieder ab. Schließlich erloschen die letzten Video-Streams und die Ringschaltung ging auf passiven Modus.

»Das hat gut getan.« Norton stopfte die Überreste des frugalen Mahls in den Recyclingschacht und hielt sich den Bauch, als habe er ein Fünf-Gänge-Menü genossen. »Jetzt fehlt eigentlich nur noch eine Qatlette oder ...«

»Oder was?« Ladanas dunkle Augen glühten auf.

»Oder etwas anderes, das einem nach einem guten Essen entspannt, damit man nachts schön schläft.«

»Das kannst du dir aus dem Kopf schlagen«, grinste sie. »Solange ich das Gefühl habe, dass die ganze Mannschaft uns dabei zuhört, brauchst du nicht einmal in diese Richtung zu denken.«

»Schade.« Er streckte die Hand aus, spielte ein wenig mit ihrem schwarzen Haar und zog sich dann wieder zurück.

Die Müdigkeit machte ihre Glieder und ihre Gedanken schwer. Sie saßen nebeneinander im rustikalen Cockpit des Stallion und sahen in die unregelmäßig gestaltete Ebene hinaus. Die Sanddünen schienen zu wandern, die Verwehungen plusterten sich auf. Aber das war nur ein Nebeneffekt der Ereignislosigkeit. Ihre Gehirne wollten unbedingt, dass sich auf den weiten ockerfarbenen Flächen etwas abspielte, und da sich dort nichts tat, brachten sie es selbst hervor. Die Landschaft selbst war so regungslos wie ein Laken über einem Paar, das sich dem petit mort hingab.

Allmählich entwickelte sich so etwas wie eine Abendstimmung. Die Farben wurden intensiver, die Schatten trügerischer. Das sandige Einheitsgelb der Weiten differenzierte sich zu einem Katalog reicher Nuancen aus, die das ganze Spektrum von Beige über Zinnober, Orange, Rot und Amethyst abschritten. Die Senken schimmerten purpurn und sogar blau. Die grünen Stalagtiten, die eigentlich uralte Lavagänge waren, schienen zu glitzern und zu strahlen. Funken brachen aus ihren Spitzen, als seien sie lichtgefüllte Geysire.

Der Wind, der an ihrem Fahrzeug gerüttelt und es mit Sand beworfen hatte, schlief ein, als sich eine große Schwere über alles schob. Das Farbenspiel erlosch wie ausgeknipst. Die monumentale Einöde von Tawri wurde stumpf und tot.

Dann begriffen sie. Der Mond war endgültig in den Schatten seines Gasriesen hineingewandert. Es war nicht Nacht, sondern Sonnenfinsternis, was sie erlebten.

»Wow«, sagte Ladana. »Das war jetzt aber mal spektakulär.«

Norton nickte versonnen vor sich hin. »Dafür lohnt es sich, hierher zu kommen.«

Sie sahen zu, wie die Dunkelheit sich weiter eindickte. Allerdings flutete genügend Restlicht durch die Atmosphäre Gesa Zochs zu ihnen, gebrochen, gestaucht, mit Buntheit aufgeladen wie ein elektrischer Stab, so dass die Finsternis nicht vollkommen wurde. In der Ferne sahen sie sogar das eine oder andere Signallicht eines Nachbarteams aufleuchten. Und als sie den Kopf wanden, erkannten sie den mächtigen Strahler, der die Position der INSTRUCTOR markierte. Eine Lanze aus blauen Licht, die sich von unten in den verwundbaren Wolkenhimmel bohrte.

Ladana hatte seinem letzten Satz nachgelauscht, als sei ein Geheimnis darin verborgen.

»Warum bist du eigentlich hier«, fragte sie jetzt. »Du gehörst doch gar nicht zu der Einheit, die für diese Mission federführend ist.«

Das war richtig. Er gehörte einem höheren Jahrgang an und war älter als die meisten Rekruten dieses Einsatzes.

»Ich habe mich freiwillig gemeldet«, sagte er.

»Was?« Sie starrte ihn entgeistert an. »Du bist verrückt. Und warum?«

Er hielt ihrem Blick stand, antwortete aber nicht.

»Nur, um mit Rogers um die Galaxis ziehen zu können?«, riet sie.

Norton hob die Schultern. »Rogers sehe ich in Pensacola jeden Tag, wenn er nicht gerade auf Exkursion ist.«

Sie nickte. Dass Frank einem gewissen Sonderstatus bei dem General genoss, war ein offenes Geheimnis auf der Akademie. Es trug nicht wenig zu dem geheimnisvollen Nimbus bei, der ihn umwehte. Und den er selbstverliebt auskostete, wie sie sich jetzt sagte. Norton war Rogers’ Lieblingsschüler. Man hörte es am Ton, wenn er mit ihm sprach, und man sah es in den funkelnden kleinen Augen des Texaners.

»Was war es dann?«, fragte sie.

»Ich habe mich gelangweilt.«

»Du spinnst!« Sie lachte ungläubig.

»Komm«, rief er gutgelaunt. »Die Akademie ist ganz schön öde. Rogers’ Vorlesungen sind das Einzige, was interessant ist. Der ganze Rest, die Übungen, die Seminare ...« Er gähnte übertrieben.

»Du meldest dich freiwillig auf einen Trip wie diesen, den du vermutlich nicht mal als Pflichtleistung anrechnen kannst?«

Sie überlegte immer noch, ob er wirklich so – abgebrüht war oder ob er sie zum Besten hielt.

»Ich würde als Attaché nach Sina City gehen, wenn es sein müsste«, erklärte er. »Nur weg aus diesem öden Kaff von Pensacola. Dort ist nichts!«

»Du bist verrückt.« Sie kicherte. »In Pensacola sind – alle! Hunderte junger Kadettinnen!«

»Du zum Beispiel bist jetzt hier.«

»Lass das.« Sie schnitt ihn mit einer energischen Geste ab.

»Was das Anrechnen angeht«, fuhr er unbeeindruckt fort. »Das kann ich sicher nicht, außer Rogers dreht irgendwas in der Verwaltung für mich.«

»Du hast ein Stein im Brett bei ihm, was?«

»Er mag mich.«

Auch dieses Grinsen kam einen Tick zu selbstgewiss daher. Ladana seufzte. »Lass uns morgen weiterreden.«

»Wie du meinst. Wer übernimmt die erste Wache?«

Er weidete sich an ihrem erschrockenen Gesichtsausdruck. Die Müdigkeit hatte schon tiefe Riefen in ihr hübsches Gesicht geschnitten. Die Vorstellung, sich noch die halbe Nacht um die Ohren schlagen zu müssen, versetzte sie sichtlich in Panik. Aber da kam schon die Durchsage der Zentrale.

»Die Wache übernimmt der Große Bruder.«

»Gott sei dank«, stöhnte Ladana.

»War interessant, eurer Unterhaltung beizuwohnen«, sagte der diensthabende Offizier auf der INSTRUCTOR noch.

»Ach, fick dich!« Sie fuhr ihren Sitz zurück, so dass er eine schmale Liege bildete, und drehte sich auf die Seite.

»Das will ich jetzt nicht gehört haben«, kam es aus den Lautsprechern. »Trotzdem eine gute Nacht, Team 12.«

In den nächsten Tagen arbeiteten sie sich langsam weiter vor. Sie waren das letzte von zwölf mobilen Teams und folgten einem annähernd geraden Vektor nach Süden. Team 1 bewegte sich nach Südwesten, die anderen strahlenförmig dazwischen, so dass ihre Gruppe einen allmählich länger und breiter werdenden Fächer aufspannte. Im Angelpunkt saß die INSTRUCTOR. Sie kartierten das Gebiet optisch, geodätisch, mineralogisch und über seismische Sprengungen auch tiefengeologisch. Daneben nahmen sie Gesteinsproben, analysierten die Atmosphäre, vor allem im näheren Umkreis der Fumarolen, und sie stellten über Funk- und Laserverbindungen mit den jeweiligen Nachbarteams auch Werte wie die Staubkonzentration, die elektrische Leitfähigkeit oder das Magnetfeld fest.

So warfen sie einen Kartenausschnitt von bald einigen hundert Quadratkilometern Fläche auf die sandige und vulkanische Kruste des Mondes Tawri. Gebirgszüge und trügerische Staubebenen verhinderten immer wieder, dass sie die Richtung akkurat einhielten. Andererseits ermöglichten es diese Abweichungen auch, dass die Teams einander auf Sichtweite nahe kamen. So experimentierten Norton und Ladana einen Vormittag lang mit dem von Kurtz geführten Team 11, indem sie einander Codes über optische und suboptische Laser zumorsten.

Sie setzten Drohnen aus, die als fliegende Relais dienten und die auch schicke Bilder von den chromglitzernden Fahrzeugen lieferten, wenn sie die leuchtend ockerfarbene Staubfahnen über das erdbraune oder zinkoxidrote Land schleppten.

In ihrem Rücken arbeiteten sich die Bodenteams hinter ihnen her. Diese Mannschaften waren größer, meist vier bis sechs Rekruten, bewegten sich aber langsamer, da sie zu Fuß oder mit schweren Scootern unterwegs waren, die auf Agrav-Schlitten große Materialmengen hinter sich herzogen. Die Pioniere errichteten umfangreiche Basen, die volle Autarkie herstellten und deren wissenschaftliche Maßnahmen ins Detail gingen, wo die mobile Teams nur im Vorbeifahren ein paar Sprengungen vornahmen und ein wenig Regolith von einer Felskruste kratzten.

Ab und zu kam es zu kleineren Unfällen – jemand verbrühte sich die Hand, jemand verstauchte sich den Fuß oder schnitt sich beim Reinigen eines der komplexen Geräte –, aber insgesamt verlief der Einsatz während der ersten Tage störungsfrei. Und gerade diese kleineren Komplikationen waren es ja, weswegen man das Ganze abhielt. Auch wenn das nicht allen in derselben Deutlichkeit klar zu sein schien.

»Was suchen wir hier eigentlich?«, fragte Ladana eines Abends, als sie es sich wieder einmal im Cockpit ihres Stallion gemütlich machten und die Synthetisatoren anfuhren.

Norton starrte sie an. Dann gluckste er. Ihm war schon während der Briefings aufgefallen, dass sie vor sich hingedöst und nicht richtig aufgepasst hatte. Sie trug Innenohr-Implantate, über die sie gerne und viel und vor allem laut Musik hörte. Offenbar hatte sie gar nicht mitbekommen, worum sich der Einsatz drehte!

»Das weißt du nicht?«, fragte er amüsiert.

»So ungefähr«, sagte sie ausweichend. »Wir suchen doch hier irgendwas!«

Ihr Blick flackerte unsicher. Aber ihr drohend vorgeschobener Unterkiefer signalisierte, dass sie bereit, sofort loszuschmollen, wenn er anfing, sie zu belehren.

»Wir tun so, als ob wir etwas suchen«, sagte er schmunzelnd.

»Wir tun nur so?«

»Ladana.« Er ignorierte das gefährliche Blinzeln ihrer schönen Augen. »Das ist eine Trainingsexpedition. Wir simulieren das Prozedere einer Explorermission. Nebenbei testen wir die Ausrüstung. Das meiste sind Prototypen. Hast du während der gesamten Einweisung geschlafen?«

»Nein, schon klar.« Sie schmollte.

Er lächelte nachsichtig. »Letztlich geht es um ein paar schöne Bilder!«

»Drehen wir einen Film?«

»Die Mission wird in einem professionellen Breitband-Holo dokumentiert. Das ganze wird dann zu einem Werbevideo geschnitten. Reklame für die Enthymesis-Flotte! Und für die Firmen, die die Ausrüstung liefern. Schon mal was von Drittmittel-Sponsoring gehört?«

»Ja, Herr Klugscheißer!«

»Na also, dann weißt du ja bescheid.« Er streckte die Hand aus und zupfte an ihrem Haar, das allmählich strähnig wurde, wie viel sie auch an den langen Abenden daran herumkämmte. »Immer schön in die Kamera lächeln!«

Sie senkte die Stimme. »Meinst du, unsere Ringkonferenzen beim Essen schneiden sie auch mit?«

»Auf alle Fälle. Solche Sachen kommen immer gut. Sympathische und attraktive Leute, die gut gelaunt spannende Abenteuer auf exotischen Randwelten erleben!«

»Ich bin Modell in einem Clip?« Sie schlug seine Hand weg, aber nur um selbst ihre verfilzten Haare durch die Finger gleiten zu lassen. »Ich meine, wenn wir draußen sind und uns meinetwegen die Drohnen filmen, haben wir ja wenigstens die Helme auf. Aber hier drin ...«

»Hier drin sieht man alles.« Er zwinkerte ihr zu. »Fast alles.«

Darauf ging sie nicht ein. »Hätte man da nicht unsere Einwilligung einholen müssen? Oder machen sie das noch, bevor sie das Material ausstrahlen?«

»Weder, noch«, sagte er traurig. »Mit der Rekrutierung hast du einer Einschränkung deiner Persönlichkeitsrechte zugestimmt. Wenn sie dich nicht gerade beim Pinkeln filmen, können sie mit dem Material machen, was sie wollen.« Er legte den Kopf schief und betrachtete ihre Verblüffung. »Du bist Soldatin, Private Zol!«

»Scheiße.«

»Pssst.« Norton legte den Finger auf den Mund.

»Was?«

»Feind hört mit.«

Erschrocken sah sie zur Konsole, über die sie mit der Zentrale verbunden waren. Dann zeigte sie dem Gerät den Finger. »Scheiß drauf«, knirschte sie zwischen den Zähnen.

»Ihr Teamleiter hat recht«, kam es prompt aus dem Lautsprecher. »Ich möchte Sie noch einmal bitten, Ihren Ton zu mäßigen, Rekrutin Zol.«

Ladana stöhnte.

»Im übrigen«, fuhr der Wachhabende auf der mittlerweile fünfzig Kilometer entfernten INSTRUCTOR fort, »hat Norton durchaus recht. Es ist eine Trainingsmission. Was aber nicht heißt, dass beispielsweise Lagerstätten, falls Sie welche finden sollten, nicht erfasst und der späteren Ausbeutung vorbehalten werden.«

»Danke für die Belehrung«, sagte Ladana.

»Gern geschehen!«

»Noch was?«

»Nein, das wars schon!«

Mit einem Knacksen erlosch die Übertragung. Die Statusanzeige ging wieder auf passiv.

Norton zuckte mit den Schultern. »Sieh es doch mal so. Es kann nichts passieren. Keine Aliens, keine Sprengfallen oder Hinterhalte. Das Gefährlichste auf Tawri sind vermutlich die Fumarolen, und die haben wir drei Kilometer im voraus in der Infrarotabtastung. Wir qualifizieren uns an schickem, modernen Equipment. Und hinterher haben wir zwei Wochen Sonderurlaub.«

»Das ist aber noch eine Weile hin«, seufzte sie.

»So ist das eben. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.«

Ihr Blick glitzerte listig, als sie die Hand wie unabsichtlich zwischen ihre Schenkel legte und mit den Lippen unhörbar die Worte formte: »Ich bin schon ganz schön scharf!«

»Interessant, Rekrutin«, sagte Norton laut. Ein scheinbar banaler und belangloser Wortwechsel würde in der Zentrale weniger auffallen als plötzliches Verstummen und verschwörerisches Flüstern. »Dann schlage ich vor, dass wir morgen einige neue Ausrüstungsgegenstände aus dem Fundus dieser Expedition ausprobieren.«

Sie senkte einen Blick in ihn. Er drückte die Schultern nach hinten in die gepolsterte Lehne und blies den Bauch auf, wie er es immer nach dem Essen machte.

»Fertig?« Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ er Einmalgeschirr und Speisereste im Recycler verschwinden und rief die Sesselprogrammierung für die Nacht ab.

Am nächsten Tag erreichten sie die Randberge des riesigen Mare Inconcussum. Es war eine uralte Landschaft. Die Höhenzüge waren stark verwittert. Sie lagen wie Inseln in diesem Ozean aus Sand. Ein Weg zwischen ihnen hindurch war daher rasch gefunden. Aber dann stellten sie fest, dass die Verbindung zur Zentrale zusammenzubrechen drohte, wenn sie im Funkschatten des Massivs weiterfuhren. Nicht, dass sie etwas dagegen gehabt hätten, auf sich gestellt zu sein. Aber von der INSTRUCTOR aus schaltete sich sofort General Rogers in die Diskussion mit dem Wachhabenden ein und forderte sie auf, einige leistungsstarke Relais zu setzen. Seufzend stiegen sie aus, erklommen einen der wenige hundert Meter hohen Berge aus knirschend braunem Regolith und brachten einen Router an, der den Kontakt via Lokale Kommunikation aufrecht hielt. Eine Stunde später passierten sie einen weiteren Höhenrücken, auf dem sie das Spiel wiederholten.

Ladana vollführte eine Pantomime, als wolle sie das Gerät mit einem schweren Feldwerfer unter Feuer nehmen. Die allgegenwärtige Kontrolle durch die Zentrale ging ihnen inzwischen gewaltig auf die Nerven. Aber da war nichts zu machen. Sie mussten sogar sauber und präzise arbeiten, um sich nicht den Vorwurf vorsätzlichen Unterlaufens einer Dienstanweisung auszusetzen. Diese würde als Sabotage geahndet und hätte das Ende ihrer Ausbildung bedeutet.

Dann lag das ringförmige Gebirge, dessen Durchmesser über einhundert Kilometer betrug, hinter ihnen, und sie rollten in eine schweigende, schwefelgelbe Ebene hinaus. Ghesa Zochs Atmosphäre lenkte weiterhin genügend Licht der verdeckten Sonne auf den Mond und bereicherte den Himmel mit seinem schwermütigen Farbenspiel. Sie testeten noch eine Reihe von Geräten und suchten sich dann einen Platz für das Nachtlager.

Da sie sich beim Fahren in regelmäßigen Abständen abwechselten, war es diesmal Ladana, die den Stallion zum Stehen brachte und das Aggregat herunterfuhr.

»Feierabend.« Ihr Blick wanderte unwillkürlich zum Synthetisator, der gleich wieder das gleiche langweilige Zeug ausspucken würde.

Norton fing ihre Hand ab, die nach dem Menü tasten wollte.

»Zentrale«, sagte er.

»Ich höre Sie, Team 12«, kam die ernüchternd klare und verzögerungsfreie Antwort des Wachhabenden auf der INSTRUCTOR.

»Erbitte Erlaubnis, das Zelt aufzubauen.«

»Erlaubnis erteilt.«

»Das Gelände scheint mir hier besonders gut geeignet. Ich würde gerne einige Einstellungen testen. Wir haben noch eine Stunde bis zur Nachtdefinition.«

»Erlaubnis erteilt«, wiederholte der Offizier mit einem Schmunzeln in der Stimme. »Ihnen ist hoffentlich klar, Team 12, dass auch das Zelt permanent und in Echtzeit online auf der Lokalen zu sein hat. Wenn es Ihnen also nur um ein wenig Privatsphäre geht ...«

»Ist klar«, fiel Norton dem Mann ins Wort. »Das Zelt ist die einzige größere Einheit, die wir noch nicht ausprobiert haben. In einer Stunde sind wir wieder im Stallion. Im übrigen, wenn wir Privatsphäre haben wollen, warten wir einfach, bis Sie eingeschlafen sind!«

Ladana war in der Bewegung eingefroren. Nur ihre schön geschnittenen Augen zuckten zwischen Norton und dem Empfangsgerät hin und her.

»Ich schlafe nie«, gab der Wachhabende empört zurück. »Zumindest nicht im Dienst. In zwei Stunden werde ich abgelöst, dann ...« Er brach ab, als ihm klar wurde, dass Norton einen Scherz gemacht hatte. Unterdrücktes Glucksen auf der offenen Frequenz der Lokalen Kommunikation verriet, dass die anderen Teams zugehört hatten. »Wie auch immer.« Der Offizier räusperte sich. Obwohl nur die Audioleitung aktiv war, sahen sie vor sich, wie er rot wurde. »Testen Sie das Zelt. Ich verlange umgehend Meldung, wenn es steht.«

Norton nickte Ladana grinsend zu. Sie strahlte ihn an und stemmte sich aus dem Sitz.

Sie stiegen aus und gingen um den Stallion herum. Das Zelt war auf dem Anhänger untergebracht. Ein unscheinbar wirkendes dunkelblaues Bündel, das dem Packmaß und dem Gewicht nach einem Standardrucksack entsprach. Auf Normalwelten, deren Schwerkraft nicht höher als 1,2 G war, musste ein Infanterist es tragen können.

Sie sondierten die Umgebung und fanden eine wenig ausgeprägte Kuhle, zehn Meter neben dem Fahrzeug und in dessen Windschatten. Sie schoben den Sand mit den Stiefeln so lange zusammen, bis er eine ebene Fläche bildete, und schalteten das Zelt ein. Es war ein selbstaufbauendes Modell, das sich mit einer lasziven Gemächlichkeit entfaltete. Auch die Verankerung im Boden nahm es selbst vor. Dann stand es vor ihnen. Norton öffnete den Eingang, ließ Ladana den Vortritt und folgte ihr.

Das Innere war kuppelförmig und von einer blauen flüsternden Finsternis erfüllt. Die Grundfläche betrug neun Quadratmeter. In der Mitte war die Kuppel hoch genug, um aufrecht darin zu stehen. An den Seiten bildeten sich verschiedene holografische Displays aus, die die komplexe Steuerung der Unterkunft bereitstellten. Aus dem Boden wuchs ein zwanzig Zentimeter hoher, in zwei Teile segmentierter Futon hervor.

»Zentrale«, rief Norton in den Raum hinein, der von widerstandsfähigen, intelligenten Planen aufgespannt wurde. »Können Sie uns hören? Wir sind jetzt drin.«

»Laut und deutlich«, antwortete der Wachhabende sofort. »Ist es gemütlich?«

»Sehr.« Norton sah Ladana an, die mit den Augen rollte.

»Ich starte jetzt die Selbsttests«, sagte Norton noch. »Sagen Sie bescheid, wenn Ihnen an den Protokollen etwas auffällt.«

»Aye!«

Ladana setzte sich auf den Futon und spielte an den Einstellungen herum, während Norton die vom internen System bereitgestellte Routine startete.

Schweigend sahen sie einander an. Ladana nahm den Helm ab und schüttelte ihr dichtes schwarzes Haar auf.

Norton hielt ihrem verführerischen Lächeln stand. Er sah in die Luft. Plötzlich sprang er vor, trat mit dem Stiefel gegen die Steuerung und rüttelte an den Planen.

»Zentrale?«, rief er, wobei er sich die Hand vor den Mund hielt.

»Was ist los bei Ihnen, Team 12? Können Sie mich hören?«

»Was??« Norton drosch weiter auf die holografischen Module eine und warf sich gegen die Kuppelwände. »Zentrale, bitte kommen!«

»Ich höre Sie, Norton!«

»Ich kann Sie kaum verstehen!« Norton musste Ladanas Blick ausweichen, um sich nicht durch Lachen zu verraten. »Hier zieht ein Sandsturm auf. Ich fürchte, der Kontakt bricht gleich zusammen.«

»Ich sehe hier nichts von einem Sandsturm.«

»Sind Sie hier oder ich?«

»Norton, wenn das einer ihrer billigen ...«

»Zentrale, Zentrale, sind Sie noch da?«

»Ich bin da.« Die Stimme des Offiziers verriet, dass er zwischen zwei Optionen schwankte. Sollte er das ganze als Scherz auffassen und entsprechend reagieren? Aber wenn doch etwas daran war, saß er auf der falschen Seite, wenn die Sache hoch kochte. »Wäre es nicht besser, in den Stallion zurückzukehren?«, fragte er.

»Negativ«, schrie Norton in die vorgehaltene Hand hinein. »Der Sturm ist zu stark.«

»Ich versuche auf die Systeme ihres Fahrzeugs zuzugreifen, aber ich bekomme keinen Kontakt.«

»Hören Sie mir zu?«, rief Norton verbittert. »Hier herrschen starke atmosphärische Störungen. Sandsturm plus elektrische Entladungen. Wir bleiben im Zelt, bis das vorüber ist. Da sind wir sicher. Im Freien ist der Aufenthalt nicht zu empfehlen. Hier schlagen immer wieder Dinge ein, die wie Kugelblitze aussehen. Der Gang zum Stallion ... Hallo? Sind Sie noch da?«

Ohne eine weitere Antwort der Zentrale abzuwarten, schaltete er die Übertragung ab.

Ladana biss sich auf die Lippe.

Plötzlich war es ganz still im Zelt, nachdem der inszenierte Sandsturm ihnen in den Ohren gegellt hatte.

»Den sind wir los«, sagte Norton.

Ganz langsam stand Ladana auf. Den Helm hatte sie schon abgelegt. Jetzt zog sie die Stiefel aus und schälte sich elegant aus ihrem Anzug. Norton nahm den Blick nicht von ihr, während er ebenfalls den Anzug öffnete. Nach einer effektvollen Pause strippte sie das mausgraue sensorielle Unterzeug herunter.

Norton sog ihren Anblick auf wie einen ätherischen Duft.

Dann stürzte er sich auf sie.

Lombok

Подняться наверх