Читать книгу Emma Nielsen - Die mit dem Teufel tanzt - Teil 1 - Matthias Rathmer - Страница 7

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Seit der Zeit, in der sie denken zu können in der Lage war, hatte sich Emma nie rundum wohl gefühlt. Irgendetwas war immer. Noch schlimmer als diese Gewissheit war der Umstand, dass sie, dachte sie über sich und die Welt um sie herum nach, für ihre ständigen Zweifel und seelischen Verkrümmungen nur bedingt selbst verantwortlich war. Emma war es gewohnt, mit ihren vielen Fragen allein und ohne Antworten zu bleiben. Was sie allerdings an diesem Tag im Spätsommer erlebt hatte, überstieg ihre Zweifel und Zerrissenheit um ein überirdisches Maß. Ihr Unterbewusstsein hatte seinen Dienst gleich schon mit Beginn der Ereignisse völlig versagt. Menschliche Vernunft und Phantasie, die Säulen jeder schlüssigen Erklärung, waren erstmals tatsächlich unmöglich geworden. Dabei war der Grund für diesen niemals zuvor so empfundenen Ausnahmezustand ihres aktuellen Ungleichgewichts durch und durch real. Er besaß zwei Beine, zwei Arme, zwei Hände, einen Kopf und zwei herrlich glänzende Mokkaaugen. Dazwischen lagen die verlockenden Merkmale eines Mannes, die, genauso simpel, ihre Hormone in Wallung gebracht hatten. Ein Unbekannter hatte es fürwahr geschafft, ihre Sinne zu reizen und mit seinem Auftreten für die genauso ungewohnten wie prickelnden Schwankungen in ihrem chemischen Haushalt gesorgt.

„Emma! Da bist Du ganz alleine selbst Schuld!” Sie griff eines der Kissen vom Kopfende ihres Bettes und vergrub genauso ratlos wie enttäuscht ihr Haupt. Am Morgen dieses Tages, der ihre Erlösung bringen sollte, hätte sie wie gewöhnlich die Hälfte von sich in ihrer Matratzengruft liegen lassen sollen. Das Leben war einfach nicht fair mit ihr. Wieder einmal.

Der Sommer ihres Lebens, wie sie den Abschnitt von Einsicht und Umkehr bezeichnet hatte, lag in den letzten Zügen. Die Ferien waren vorbei, das letzte Schuljahr hatte begonnen. Der Ernst des Daseins hatte sie wieder voll im Würgegriff. Alles war so, wie sie es kannte, wenn sie von der Befürchtung absah, dass sich ihr Hamsterrad fortan noch ein kleines bisschen schneller zu drehen drohte. Es ging aufs Abitur zu. Für die Zeit, die ihr bevorstand und die andere Leben nannten, hatte sie deshalb für sich selbst ein neues Konzept verfügt, das konsequent allen bisher gemachten Erfahrungen folgte.

„Ich habe mich entschieden. Weil es ganz offensichtlich nichts bringt, nach einem Sinn des Lebens zu suchen, werde ich mir fortan alle Mühe geben, ein Gefühl des Lebens zu entwickeln.”

Oskar hatte an einem der so sehnlich erwarteten leeranstaltsfreien Tage, an dem Emma ihm bei Bier und portugiesischen Tapas im Schanzenpark ihren neuen Kurs offenbart hatte, zunächst verwirrt wie nie drein geschaut, sich dann verschluckt und danach laut gerülpst. Später erst meinte er, dass es zwischen den Menschen immer schon hätte mehr geben müssen als Sex und eine gemeinsame Sprache.

Emma schlug ihre Fäuste in die Kissen. Dieser Tag, der zur Kür in der Zeit ihres Erwachens hatte werden sollen, war gründlich verlebt. Sie griff nach einem von Kaffeesatz verdreckten Handzettel, der an der Pinnwand hing und auf den sie zu schielen begonnen hatte, weil ihrer Lunge nach mehr Luft war. Ihr Urteil war gefällt. Er kam zu kitschig daher, dieser Engel. Er saß auf einer Wolke und lächelte einem so freundlich entgegen, wie es sich wohl die meisten Himmelsfahrer wünschten, wenn sie gestorben und von Gottes Personal in Empfang genommen worden waren.

„Der Mensch ist nur ein Mensch. Weil er liebt. Weil er vergibt,” las sie sich selbst zum wiederholten Male laut vor, als ginge es ihr darum, mit dem Klang dieser Buchstabenreihen ihre Bedeutung besser verinnerlichen zu können.

„Wie soll ich jemandem vergeben, von dem ich gar nicht weiß, ob es sich effektiv lohnt, ihm derart große Geschenke zu machen. Das gehört sich einfach nicht.”

Emma blinzelte angestrengt zurück auf den Diener Gottes. Die Worte des Engels standen auf einem Flyer, den sie vor dem vernichtenden Zugriff der Mutter hatte bewahren können, weil er sonst, ohne ihr Interesse, auf dem Altpapierstapel neben den Bioabfällen gelandet wäre. Immerhin hatte jemand eine Meinung und traute sich ihren öffentlichen Vortrag. Das war selten genug. Der Botschaft dieser klerikalen Hauswurfsendung allerdings konnte sie nur sehr bedingt folgen. Eitel oder narzisstisch wie die meisten im Allgemeinen um sie herum waren, hatte Emma längst aufgehört, anderen vorzugaukeln, dass es bereichernd sein könnte, sie auf ihren Irrfahrten durchs Leben zu begleiten, um entweder zu zweit oder in Ansammlungen ihrer Art doch nur wieder allein zu sein. Emma wollte nicht ungerecht sein. Doch seit langem schon bemäkelte sie den allgegenwärtigen Unsinn menschlichen Handelns. Wider jede Einsicht lebte sich die Mehrzahl scham- und skrupellos aus. Sie taten so, als ginge sie Verantwortung höchstens dann etwas an, wenn sie bezahlt wurde. Dabei kam niemand lebend davon.

„Wer sich für die Warums dieser Welt interessiert, wäre besser dumm geblieben.” Es gab Tage, da reduzierte Emma, hatte sie über die bedeutendsten weltweiten Krisenherde gelesen oder gehört, die Funktion und Daseinsberechtigung der Menschheit allein auf die Umwandlung von Sauerstoff in Kohlenstoff. Über alle anderen Ungerechtigkeiten, über den massenhaften Lug und Betrug in den unzähligen anderen Winkeln dieses Planeten wurde, wie sie mittlerweile begriffen hatte, deswegen nichts gesagt, weil die Berichterstattung darüber entweder manipuliert war, oder Spalten wie Sendeminuten für verblödende Werbung vorgesehen war.

Eine ganze Woche hatte sie in den letzten Frühjahrsferien damit verbracht, Kriege, Katastrophen, Korruption und andere Untaten aus zehn bedeutsamen Illustrierten zusammen zu tragen. Nicht weniger als einhundertzweiunddreißig Ereignisse von Belang hingen schließlich an ihrer Wand, von der einst Robbie Williams seinen Charme als lebensgroße Puzzlegestalt versprüht hatte. Das Leben machte einfach keinen Sinn. Die Menschen machten einfach keinen Sinn. Emma wusste, dass allgemeine Verurteilungen nicht wirklich etwas taugten. Sie veränderten nichts. Sie veränderte mit ihnen nichts. Weil die Defizite vieler einzelner aber in der Regel überwogen, und es keinen gab, zu dem sie hätte aufsehen können, stellte sie die Menschheit als Einheit immer häufiger in Frage. Gute Musik als Ausflug in eine kleine, heile Welt fegte diese Missstände schon lange nicht mehr aus ihrem Hirn.

„Was denkst Du gerade?” hatte sie Oskar gefragt, als sie damals, im nasskalten April, eine ganze Weile schweigend, gelangweilt und genervt nebeneinander im Auto gesessen hatten, weil sich auf der Rückfahrt der Straßenverkehr gestaut hatte. Sie waren ein ganzes Wochenende über auf einem Raverfestival im Brandenburgischen gewesen. Emma hatte diesen Trip deswegen noch so genau im Kopf, weil sie nie zuvor heftigere Ohrenschmerzen und Herzrhythmusstörungen bekommen hatte als während und nach dieser zweitägigen Dauerbeleidigung für ihre Ohren.

Beide hatten bereits in einem der ersten Gespräche, die sie geführt hatten, nachdem sie sich kennen gelernt hatten, vereinbart, dass der jeweils andere zügig und ehrlich zu antworten hatte, wenn einer von beiden diese Frage gestellt hatte. Kein Mensch dachte tatsächlich an nichts.

„Dass neunzig Prozent der Menschen dumm und blöd sind,” war Oskars Antwort gewesen.

„Mehr!” hatte sie sofort ergänzt. „Wenn ich einen schlechten Tag habe, denke ich, dass es weit mehr sind.”

„Das darf man aber um Himmelswillen bloß nicht laut sagen, um nicht ans Kamener Kreuz genagelt und öffentlich mit Katzenkot beworfen zu werden.”

„Kamener Kreuz?”

„Ist da, wo sich die erste und die zweite Autobahn unserer Republik kreuzen. Die, die Hitler einst bauen ließ. Mit all den Dummen und Blöden.”

„Es ist heute genau so,“ seufzte Emma auf. „Neunzig Prozent der Menschen sind wie Knete in den Klauen ein paar weniger. Zerquetscht von Macht und Ohnmacht. Sie sind dumm, ehrerbietig, namenlos, habgierig, zivilfeige und konsumsüchtig. Keine Revolution, kein Krieg, keine Regierung und kein Herrschaftssystem hat daran in den letzten dreitausend Jahren etwas ändern können, nicht einmal die Philosophen, die Künstler, die Denker oder die anderen Großen ihrer Zeit.”

„Stimmt! Mit ihren Büchern und Schriften könnte man im Mittelmeer eine ganze Insel aufschütten lassen, die aber niemand besuchen würde, weil sich dort auszuruhen hart und unbequem wäre.”

„Ja! Es ist zum Beispiel total sinnlos, in dieser Blechlawine nach Hause zu schleichen. Alle wissen es, aber alle tun es trotzdem. Wir gehören ganz eindeutig auch zu den neunzig Prozent. Ich hab es vorher gesagt. Und was war? Nichts war. Wir sind trotzdem gefahren.”

„Schatz! Das nächste Mal hast Du Recht. Ganz gleich, was es ist, ok?” Oskar konnte so herrlich einfach sein. Von allen Sinnlosigkeiten des Lebens, erinnerte sich Emma an dieses Ereignis zurück, war die damalige Schleichfahrt mit ihm noch einigermaßen erträglich gewesen. Sie waren wenigstens vorangekommen, im Straßenverkehr und in ihrer Freundschaft.


Seit Jahren hatte sich Emma stets ein bisschen mehr zurückgezogen. Sie war da. Sie war präsent. Sie atmete. Sie aß. Sie trank. Aber sie war dabei, nicht mehr mit den Menschen zu sein. Solange sie allein war, wurde sie nicht enttäuscht und enttäuschte andere nicht.

„Manchmal ist mir danach, alle meine Habseligkeiten samt Ausweise und Schulbücher öffentlich zu verbrennen, um im Amazonas nach den letzten verbliebenen Exemplaren der Spix-Aras zu suchen.”

„Spix-Aras? Amazonas? Mach lieber erst mal Dein Abitur! Dann sehen wir weiter.” Die Mutter war in existenziellen Angelegenheiten wie dieser ein Totalausfall.

„Spix-Aras, mein liebes Mütterchen, sind die seltenste Papageienart, die es hoffentlich außerhalb der Zivilisation noch gibt. Die Menschen haben sie in ihrem Wahn aber vermutlich schon längst vernichtet, weil sie früher oder später auf alles Schöne erbarmungslos einschlagen.”

Gerne hätte Emma etwas erlebt, was ihrem Wagemut und ihrer Neugierde entsprach, statt sich ständig einer Wirklichkeit stellen zu müssen, die, da war sie sich sicher, oft nicht mehr war als eine Maskerade aus Ängsten und Gewohnheit. Jeder Tag brachte neue Probleme, von denen sie drei bis fünf dieser Unstimmigkeiten mitunter bereits vor dem Aufstehen ereilten. Das Leben war einfach zu kompliziert. Die Welt, in der sie lebte und vermutlich auch die, in der sie leben wollen würde, gab sich jeden Tag mehr Mühe, Realitäten zu verdrängen. Im Verkennen von Wahrheiten waren die Menschen wahrhaft meisterlich.

Auf ihrem schier endlosen Leidensweg musste sie immer wieder an den Rat denken, den ihr Oskar, der mittlerweile zum einzigen wahren Vertrauten in ihrem Leben aufgestiegen war, gegeben hatte. „Tu einfach so, als wärest Du glücklich. Das machen alle so.”

Doch Emma konnte, wenn es um eine gesunde Selbstreflexion ging, weder heucheln noch lügen. Ihr fehlten ganz eindeutig ein paar nützliche Eigenschaften, die ein Mensch scheinbar entwickeln musste, um nicht als sozialer Unrat der Gesellschaft verstoßen zu werden. Wenn Oskar so auf sie einredete, hatte er vorher meistens gekifft. Emma mochte es nicht, wenn er seine Sinne deswegen benebelte, weil er sich selbst für das entschädigen wollte, womit ihn sonst das Leben bestrafte. Abgesehen davon hatte er Recht.

Tagaus, tagein umgab sie eine Wolke der Unzufriedenheit. Sie kannte sich selbst so wenig. Ihre Bedürfnisse blieben ihr meistens ein Rätsel. Deswegen, so mutmaßte sie, war sie auch so leicht zu kränken. Sie war einfach noch nicht bei sich angekommen. „Aber Pst! Das ist ein heiliges Geheimnis. Im Grunde habe ich keine Ahnung, was wir wollen.”

„Wir?” hatte Oskar während einer ihrer unzähligen Unterredungen über Emmas Zustand wissen wollen.

„Na! Ich, so wie Du mich siehst und erlebst, und ich, so wie ich wirklich bin.”

Emma war ehrlich. Vor allem zu sich selbst. Sie besaß mitunter das Selbstwertgefühl eines kleinen Mädchens, aber das durfte niemand wissen. Sie gehörte zur Generation der Verlorenen und Beschwiegenen und war ein Opfer der Revolution, mit der die Frau, die sie geboren hatte, zwar einst die eigene Befreiung gefeiert hatte, als sie sich entschloss, Emmas Erzeuger den Laufpass zu geben. Doch in Wahrheit beklagte die Mutter fortan, so wie sie selbst, den permanenten Verlust von Sicherheit. Mamas ständige Lover schafften auch bei Emma so wenig Vertrauen.

Immer häufiger prägte Müdigkeit Emmas Dasein, ähnlich dem Gefühl, das sie kannte, wenn sie vom Schwimmen kam, alle Glieder schwer wie Blei wogen, weil sie zu lange durchs Wasser geglitten war, um leichter zu sein, als sie tatsächlich war. Die ganze Welt wartete auf den nächsten Hüftschwung. Alle wollten in ihren Spaß- und Spießgesellschaften gleichzeitig ständig etwas erleben und verdrängen. Emma aber hatte lieber ihre Ruhe. Konnte sie träumen, war sie bei sich angekommen. Sie erkundete fremde Landschaften und erlebte aufregende Geschichten, von denen einzig zu beklagen war, dass sie Verlauf und Ausgang stets viel zu schnell wieder vergaß. Hatte sie derart phantasiert, fühlte sie sich anschließend meistens als Heldin, der etwas anzuhaben unmöglich gewesen war. Sie erlebte Momente der Angst, der Qualen aber auch des Glücks und der Stärke.

Schlafforscher hatten keine Erklärung dafür, wenn ihre Hirnzellen im Traum derart verwirrend Informationen austauschten, neue Verknüpfungen eingingen und Reize umwandelten. Ihr Körper entspannte zwar, und ihre Muskeln erschlafften. Ihr Gehirn aber fuhr alle seine Windungen entlang Achterbahn. Schlief Emma, war dieser Zustand allemal erträglicher als die Sinnlosigkeiten um sie herum. Was auch immer elektrische Impulse in ihrem Kopf anstellten, Emma konnte der Welt, wie sie wirklich war, beruhigt den Rücken kehren. Nichts ging sie dann mehr etwas an.

„Möchtest Du vielleicht lieber beten?” hatte Oskar sie einmal gefragt, als sie ihm ihre ständigen Zweifel über das Leben und die Menschen offenbart hatte.

„Beten? Ich habe nicht einmal leidenschaftlich geliebt!”

Mittlerweile war Einsamkeit für Emma ein normales Gefühl geworden. Einzig ihr unerwartetes Eintreten war eine Klage wert. Sie hatte aufgehört, jammrig in ihrem Selbstmitleid zu zergehen. Ihr leichtes Übergewicht hatte Emma in den Griff bekommen. Jede Frau wog zu schwer, hatte Conny ihr, der Erzeuger, wiederholt mit auf dem Weg gegeben. Dafür, dass er sie zusammen mit der Mutter, die nicht wirklich eine war, in die Welt gesetzt hatte, zahlte er Schmerzensgeld. Wenigstens stellte er keine dummen Fragen, die, gleich von wem der beiden Akteure ihrer Zellteilung geäußert, zu beantworten Emma grundsätzlich seit Jahren schon verweigert hatte. Die meiste Zeit verbrachte Emma auf dem Bett und las. Oder sie schlief und träumte in den Tag. Oft döste sie auch nur so vor sich hin und dachte darüber nach, was die Welt brauchte, damit es sich lohnen könnte, ein anständiger Mensch zu sein. Dann hegte Emma einen Verdacht. In ihren Träumen schrie das um Hilfe, was sie im Leben verdrängte.

Emma hätte vermutlich ihr ganzes Leben so langweilig und unerfüllt verbringen können, bis zu jenem Tag im Sommer, der verrückter kaum geraten konnte. Eine Leidenschaft namens Begierde machte gerade das Leben noch komplizierter. Ein außergewöhnlicher Mann war in ihr Leben getreten. Reichlich verwirrt, was ein männlicher Schwellkörper mit ihr anstellen konnte, starrte sie immer noch auf das Antlitz dieses Engels, der auf dem Gemeindebrief in ihre Wohnung geflattert war und zwischen den dicken, weißen Kumuluswolken einer billigen Fotomontage auf sie herunterschaute. Im Himmel war seit geraumer Zeit die Hölle los, schien er ihr sagen zu wollen, je intensiver Emma visionierte, wie es so weit weg von allen Ungereimtheiten auf der Welt bei ihm auf seinem puscheligen Ruhekissen wohl wäre.

Hals über Kopf hatte sie sich in einen Jüngling verknallt, von dem sie wenig bis gar nichts wusste. Sie fühlte sich verflucht. Selbst wenn sie sich eine solche Begegnung immer gewünscht hatte, die sie aus ihrem Muff herausziehen konnte, waren die Ereignisse des Tages so wenig geeignet, sich vertrauensvoll in seine Hände zu begeben. Die Liebe durfte sie einfach nicht blind machen. Nicht, weil etwas schwierig war, wagten viele Menschen es nicht. Weil sie es nicht wagten, geriet es schwierig. Deswegen war sie ihm gefolgt, deshalb hatte sie an diesem Tag die Initiative ergriffen. Wer sich nicht bewegte, bewegte nichts. Und doch waren die vergangenen Stunden völlig ganz anders verlaufen, als sie es sich in ihren Wünschen ersehnt und in ihrem Engagement vorgenommen hatte. So waren sie eben. Die Menschen. Uneinsichtig und unberechenbar.


„Na, was denn? Komm jetzt bloß nicht auf dumme Gedanken!” Weil sie eine für sie unvorteilhafte Reaktion in Betracht ziehen musste, schob Emma mit vorgespielter Souveränität rasch nach. „Ich kratze, beiße und spucke. Außerdem. Ich bin bereits vergeben.” Sie schätzte ihr Gegenüber kritisch ab.

Ron stand regungslos, das rechte Ohr an das Türblatt gedrückt, ein paar Schritte entfernt. Nur kurz hatte er ihre Worte mit abstrafendem Blick als unangebrachtes Geplapper gewürdigt. Etwas anderes interessierte ihn weitaus mehr.

Emmas Irritation wuchs. Sie wusste weder genau, was geschehen war, noch besaß sie eine Vorstellung, wo sie war. Sie hatte zwar keine Angst, dafür hatte sie Ron in den letzten Wochen zu lange beobachtet, als dass zu befürchten war, ein wie auch immer geartetes Unheil fiel nun mit angehend mannhafter Statur über sie her. Die größten Zweifel an der Behaglichkeit ihrer augenblicklichen Situation hegte Emma eigentlich nur, weil sie sich an einem durch und durch ungemütlichen Ort befand, in einem echten Drecksloch nämlich, das Ekel in ihr aufkommen ließ, je länger sie sich mit kurzen Blicken umschaute.

Das Zimmer besaß die Größe einer Hundehütte, wie sie die beklemmende Enge empfand. Alle Wände waren mehrfach laienhaft mit schwarzer Farbe gestrichen. Statt eines Fensters war ein Ventilator in einer der Wände eingelassen worden, der aber schon seit längerem den Betrieb versagte, wie ein gebrochenes Rotorblatt verriet. Eine Glühbirne hing an ihrem Stromkabel von der Decke. Mottenmuff drang widerlich miefend in ihre Nasenlöcher. Staubwolken glitten an den Stuhlbeinen bei jeder Bewegung tänzelnd auf dem Boden hin und her. Auf dem Bett lag nur eine Decke, und die Matratze wies ekelige Flecken unbekannter Art und Herkunft auf. Dazu war es ungenehm heiß. Emma kannte diese gestaute Wärme von der alten Frau Winkler, die in ihrem Haus wohnte. Öffnete sie ihre Wohnungstür, gleichgültig, zu welcher Jahres- oder Tageszeit, wurde man, ging man gerade daran vorbei, von jenen Hitzewallungen förmlich erschlagen. Emma blickte auf ein paar Zeichnungen und das einzige Regalbrett an der Wand gegenüber. Neben ein paar arg verschlissen, uralten Schulheften standen genau drei Bücher standen nebeneinander: das Satanische Manifest, eine Biographie über Karl Marx und ein Lehrbuch der großen Philosophen aus der Antike.

Als sie Ron an diesem Tag gefolgt war, bestand ihre größte Sorge darin, dass er möglicherweise aus dem Osten der Republik stammen könnte, so wie er gesächselt hatte, als sie ihm und einem seiner eigenartigen Kameraden einmal heimlich gefolgt war. Hatte Oskar Recht, drohte genau jetzt dieses Unheil, befürchtete Emma.

Oskar nämlich maß seine Beurteilung über Menschen an dem Besitz ihrer Bücher. „Zeig mir Deine Bücher, und ich sage Dir, wer Du bist.”

Emma wollte sich ihre Bedenken nicht anmerken lassen, und so tat sie, was sie in Situationen wie dieser immer tat, wenn sich Dinge für sie nachteilig gestalten konnten. Sie ging in die Offensive. Immer noch wartete sie auf eine Reaktion, die sie beruhigen konnte.

„Ich habe lediglich bemerkt, dass Du in einem Alter sein dürftest, in dem Du alles für möglich halten solltest,” bemerkte Ron, schloss die Tür und zog sein Shirt aus. Während ihrer Beobachtungen hatte er mehrfach links wie rechts auf den Flur gelinst, zu seiner Beruhigung aber nichts Auffälliges feststellen können. Noch blieben sie unter sich.

„Was ist? Damenbesuche sind hier verboten, wie?”

Ron ignorierte ihre Provokation abermals.

Emma nahm ihn weiter argwöhnisch in den Blick. „Wenn Du glaubst, dass ich auf Entführung, Höhle und Urmensch stehe, muss ich Dich enttäuschen. Außerdem. Ich sagte doch. Ich bin bereits vergeben!”

„Vorsicht! Je höher der Affe klettert, desto mehr sieht man von seinem Hintern!” Ron ging zum Schrank und griff ein neues Shirt. Der eigentlich einfache Vorgang kam einem Jonglier- und Kraftakt gleich, denn der klapprige Holzspint kippte zunächst sowohl nach vorne wie auch zu beiden Seiten bedrohlich zunächst von links nach rechts, dann auf und ab und obendrein noch ein weiteres Mal zurück von der rechten auf die linke Seite.

Emma war abermals verblüfft, aber nicht etwa, weil sich ein Junge vor ihr entblößte. Da hatte sie schon ganz anderes gesehen. Peinlich sorgfältig und geglättet lagen dutzende identische Shirts übereinander gelegt. Alle waren noch neu verpackt. Genauso viele Jeans stapelten in gleichem Zustand daneben. Unzählige Paare schwarzer Socken lagen auf dem Schrankboden griffbereit.

„Jeden Tag trägst Du diese Klamotten. Immer die gleichen. Aber hip ist ganz eindeutig etwas anderes.”

Ron ließ sich nicht stören. „Hip?”

„Ja! Hip!”

„Was bitte meint hip?”

„Wie, was meint hip?”

„Wie, wie, was hip meint?”

Eine neue Irritation machte sich in ihr breit. Wollte er sie allen Ernstes mit seiner vorgeschobenen Unwissenheit necken? Jeder Mensch jenseits des Kindergartens wusste, was dieser Ausdruck bedeutete. Ron aber schaute sie derart glaubhaft tief fragend an, dass zumindest der begründete Verdacht bestand, ihm zuzugestehen, tatsächlich nicht zu wissen, was hip meinte. Außerdem war es weise und vorausschauend, etwaigen Handgreiflichkeiten gegen Leib und Seele dialogreich zuvorzukommen. „Angesagt. In. Hip eben.”

Er schüttelte verständnislos den Kopf. „Mit diesen Klamotten, wie Du sie nennst, bin ich in der Lage, mich zu entmaterialisieren. Mich aufzulösen.”

„Sicher! Geht klar. Das verstehe ich! Was sonst?” Emma inspizierte noch einmal das Zimmer mit seiner kargen Einrichtung, ohne dabei Ron auch nur für eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Ihr Blick fiel auf die Graphiken, die alte Damen im englischen Ambiente zeigten und wenigstens einen Hauch Wertschätzung für persönlichen Besitz vermittelten, auch wenn geschmackvoll etwas anderes war.

Ron hatte ihr Interesse an der Kreidezeichnung vernommen. „Das einzige, was mir geblieben ist. Von meiner Mutter. England, achtzehntes Jahrhundert. Siebzehnhundertneunundfünfzig, um genau zu sein.”

Emma pflichtete ihm bei, so, als war seine Erklärung das Selbstverständlichste auf der Welt.

Immer mal wieder beobachtete auch Ron sie aus den Augenwinkeln heraus, was Emma ihrerseits genau registrierte. „Nichts ist, wie es scheint. Wenn Du das erkannt hast, hast Du keine Probleme mehr.” Er genoss seine Überlegenheit, wie Emma vermutete, verharrte aber wieder für einen kurzen Moment aufs Neue, um zu hören, ob sich hinter der Zimmertür nicht doch etwas tat.

„Moment! Ich habe kein Problem. Aber sollte ich eins bekommen, hast Du auch eins.” Sie bespitzelte ihn weiter eindringlich. „Und jetzt mal das Schnitzel aufs Brötchen. Wo sind wir hier wirklich?”

Ron verharrte plötzlich, lauschte angestrengt ins Nichts und entzog seinem Körper erneut jede Anspannung. „Wie ich schon sagte. Du befindest Dich im sechsten Agententrakt der Unterwelt. Und ich sagte, dass Du leise sein sollst!” Er stand vor ihr und taxierte sie derart von unten nach oben und wieder zurück, als suchte er nach einem Makel an ihr.

Emma rutschte nervös zurück. Sie lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. „Richtig! Ich vergaß,” entgegnete sie im Flüsterton und legte mit leichter Ironie nach. „Die Schwellenwächter dürfen ja nicht wissen, dass ich hier bin.”

„So ist es! Aber bitte! Nimm es nicht persönlich!”

Sie verfolgte, wie er Hose, Socken und Schuhe wechselte. Sie blickte auf einen tätowierten Dreizack, der Rons Oberarm zierte. Als er sich zu ihr setzte, verspürte sie eine ungewöhnlich starke Körperwärme, die von ihm ausging. Emma wurde noch unbehaglicher. Dieser Typ würde sich nicht wirklich an ihr vergehen, oder doch? Hatte sie sich derart getäuscht? Ron legte den Zeigefinger auf seinen Mund. Von draußen waren Schritte zu hören, die sich aber zu seiner Beruhigung wieder von dem Zimmer entfernten.

Um die Stille zu durchbrechen, mehr aber, um ihren vermeintlichen Mister Right von möglichen Übergriffen abzuhalten, fasste Emma in bestem Oberlehrerton zusammen. „Ok! Du erzählst mir die Geschichte, dass ich in der Hölle bin. Dass wir durch ein Zeitfenster hierher sind. Und weil niemand wissen darf, dass ich hier bin, hast Du mir, galant wie Du bist, eine Decke über den Kopf gezogen und mich in dieses zauberhafte Gemach überführt.”

Ron wusste, wie unwahrscheinlich es war, dass sie ihm auch nur einen Hauch Glauben schenkte. „So ist es!”

„Ups! Ein Heiratsantrag geht irgendwie anders.”

„Es war schon dumm genug von Dir, mir bis in den Tunnel zu folgen,” bemerkte er beiläufig. „Glaub nicht, ich hätte nicht gemerkt, dass Du schon seit Längerem wie eine Schlange um mich herumschleichst.”

„Ach ja? Wer hat denn mit diesem blöden Versteckspiel angefangen? Oder glaubst Du wirklich, ich wollte meinem Leben tatsächlich in einem schäbigen Bahnschacht ein Ende setzen? Allein und ohne jedes Publikum. Auch noch Deinetwegen?” Emma stieß salopper nach. „Nicht mein Stil.”

„Du glaubst mir nicht. Noch eingebildeter ist, dass Du es nicht einmal versuchst.” Ron kramte einen Siegelring aus der alten Hose hervor und steckte ihn auf den Ringfinger seiner rechten Hand. Das Abbild einer umgekehrten Pyramide blitzte Emma für einen Moment funkelnd entgegen.

„Mal ehrlich! Wie würdest Du reagieren, wenn Dir jemand erzählt, er ist ein Agent des Teufels, der sich und den Körper anderer auflösen kann, der auf der Erde ist, um Böses zu stiften, weil das seine unliebsame Mission ist, miese Filme verleiht und die Kids aus Deiner Straße mit noch viel mieseren Spielen im Netz versorgt, die neben Mord und Totschlag nur Mord und Totschlag kennen?” Wieder schob sie rasch nach. „Nein! Ron Gallagher. Ich glaube Dir in der Tat kein Wort.”

„Solltest Du aber,” antwortete Ron gelassen in einer Sprache, die für Emma wie Englisch klang.

Plötzlich drang ein lautes Schnauben vom Flur ins Zimmer. Ein Fauchen folgte.

Emma blickte zunächst fragend auf die Tür, dann auf Ron, der angespannt verharrte.

Er sah auf seine Uhr. Rasch umgriff er ihre Hüfte und zeigte ihr energisch ein zweites Mal an, still zu sein.

Momente später, als Emma erneut seine ungewöhnlichen Hitzewallungen verspürte und einen endgültigen Versuch befürchtete, sich ihr doch noch unangenehm zu nähern, lag sie allein daheim in ihrem Zimmer auf ihrem Bett. Sie war ohnmächtig geworden, kam nur langsam wieder zu sich und schreckte schließlich verstört hoch.

Der ersten Erleichterung, unversehrt an einem ihr bekannten Ort zu sein, folgte zunehmende Verwunderung. Was um Himmelswillen war geschehen? Von Ron war weit und breit weder zu sehen noch zu hören, unter dem Bett nicht, im Kleiderschrank nicht. Nirgendwo.


„Und? Wie war Dein Tag so?” Die Mutter schob ihren Kopf durch die Zimmertür, als sie von der Arbeit gekommen war, erst nach Emma gerufen hatte und dann, ohne anzuklopfen, wie sie das immer tat, unverschämt gedankenlos in Emmas Privatsphäre eindrang.

Emma lag auf ihrem Bett und starrte an die Decke. „Ging so! Und Deiner?”

„Ging so.” Die Mutter schritt ins Bad.

Emma vernahm neben der belanglosen Frage nach der Schule, wie ihre Mutter kundtat, dass sie nach dem Yogakurs ihre Freundin Betty treffen werde. Ihr war klar, dass ihre verbliebene Erziehungsberechtigte in Wahrheit einen neuen Lover daten würde. Die arme Betty, eine angeblich alte Freundin, die Emma aber schon seit Monaten nicht mehr gesehen hatte, musste für derlei Vertuschungen der mütterlichen Bedürfnisse schon seit geraumer Zeit herhalten.

Ihre Mutter war einfach nur Mutter, ohne Namen also. Emma selbst bemäkelte innerlich diese so unpersönliche Bezeichnung ihrer hauptsächlichen Erziehungsberechtigten. Sie tröstete sich damit, dass es allgemein üblich war. Wurden Kinder älter, benannten die meisten ihre Eltern in der Regel nach ihrer biologischen und sozialen Funktion. Das Recht auf einen Vornamen war ihnen damit ein Leben lang genommen. Emma kam es so vor, als führte ihre Mutter als Christiane ein zweites, ihr völlig fremdes Leben.

Wie vieles andere auch, hatte es Emma am Ende ihrer Auseinandersetzungen irgendwann einmal unbewegt gelassen. Heute erst recht. Nachdenklich schritt sie durch das Zimmer. Sie hatte die Überlegungen verworfen, dass Ron ihr vielleicht etwas verabreicht hatte, ein Medikament oder eine Droge sogar. Sie konnte sich nicht daran erinnern, also musste es etwas anderes gewesen sein. Emma schmiss sich zurück auf das Bett und konnte immer noch nicht begreifen, was geschehen war. Hatte sie einen dieser hässlichen Tagträume gehabt? Hatte sie Halluzinationen? War sie auf dem besten Weg, endgültig verrückt zu werden? Ein Typ namens Ron Gallagher hatte sie vor einer einfahrenden Untergrundbahn gerettet. Ein Typ namens Ron Gallagher hatte sie anschließend in eine Art Verlies verschleppt, und der gleiche Typ hatte ihr diese wirre Geschichte erzählt, er sei seit Jahrhunderten schon ein Agent des Teufels samt dieses ganzen anderen Klamauks zwischen Witz und Wahnsinn.

Emma schloss die Augen. Sie rang mit ihrer Konzentration, sich in ihren Erinnerungen sorgsam genau den Ereignissen des Tages zu nähern, denn dass etwas Außergewöhnliches geschehen war, lag genauso auf der Hand wie nicht einschätzen zu können, wer dieser Bursche namens Ron Gallagher wirklich war. Ernüchterung stellte sich sogleich ein, denn würde sie, wem auch immer, von dieser Begegnung erzählen, hätte sich ihre kleine Liebelei vermutlich rasch erledigt. Jede Frau, gleichgültig welche Stärken und Schwächen sie selbst besaß, schätzte die Kunst des Verführens, die charmante Eroberung, den Kniefall von Stärke. Von allem war ihr Auserwählter jedoch noch weiter entfernt, als es das Leben bislang gut mit ihr gemeint hatte. Das passte, dachte Emma. Für ihr kleines Glück musste sie wieder einmal hart und ausgiebig kämpfen.

Am weitesten war Emma de facto von der Wahrheit entfernt. Und hätte sie auch nur geahnt, welches Abenteuer für sie an diesem Tag begann, sie hätte ganz sicher einen großen Bogen um diesen Ron Gallagher samt seinem Laden gemacht. Sicher. Sie war von vielem um sie herum oft gelangweilt. Eigentlich sogar von allem und so ziemlich jedem, wobei es Emma selbst für krankhaft gestört hielt, dafür nicht einmal eine plausible Erklärung zu haben. Ihre Neugier war ihr wohl schon ins Ökobettchen gelegt worden, wobei Emma nicht klar war, von welchem Elternteil sie dieses ausgesprochen ausgeprägte Gen in sich erworben hatte. Na, und Angst. Angst hatte Emma schon lange nicht mehr gehabt. Bei allen Missständen in ihr und um sie herum hatte Emma sich selbst und ihr Leben recht passabel im Griff. Das jedenfalls dachte sie. Bis zu diesem Tag.

Wann genau dieser Ron Gallagher in ihrem Wohnviertel aufgetaucht war, wusste Emma nicht mehr. Unversehens war er plötzlich da gewesen, so überraschend wie ein nicht gewollter Pups ins Höschen in völlig unangebrachter Situation, mit dem Unterschied, dass er sich nicht gleich wieder nach wenigen Momenten verflüchtigt hatte. Die vulgäre Sprache ihrer Freundin Maike, mit der sie Rons Auftauchen damals beschrieben hatte, missfiel Emma oft genug. Doch dieser Vergleich war durchaus treffend. Das, was sie wusste, war ihr dagegen sofort klar. Sie hatte sich mit dem ersten Blick in ihn und seine dunklen Augen verknallt. Das und nur das war der Grund, warum sie diesen Burschen endlich näher kennen lernen wollte. Außerdem war Eile geboten. In der Schule und auf der Straße sprachen immer mehr ihrer geifernden Konkurrentinnen über ein Geschenk namens Ron. Fabelhafte Jungs fielen nun mal nicht jeden Tag vom Himmel.

An diesem Tag war im Grunde alles so, wie es immer gewesen war. Emma hatte verschlafen, was zur Konsequenz hatte, dass sie zu spät in der Leeranstalt war und die erste Stunde vor der von innen verschlossenen Tür des Unterrichtszimmers verbrachte, weil der Kunstlehrer diese Sanktion für pädagogisch wertvoll hielt. Vielleicht war es das, wessen Emma seit geraumer Zeit so genervt und gleichzeitig gelangweilt war. Ihr ganzes Leben war mit eben diesen Sanktionsprinzipien belegt. Was sie hingegen gut verrichtete, war selbstverständlich, wurde wenig gelobt und blieb folgenlos. Machte Emma aber auch nur einen kleinen Fehler, wurde sie dafür sofort bestraft, unabhängig ob Zuhause, in der Schule, im Straßenverkehr oder im Umgang mit den Jungs ihrer Jahrgangsstufe. Die benahmen sich ihr gegenüber bisweilen unausstehlich, auf jeden Fall stets seltsam.

Schüchterne schickten ihr diffuse Kurzmitteilungen oder verkappte Freundschaftsanfragen. Muntere luden sie zu einem Eis oder ins Kino ein. Wirrköpfe drückten ihr auch schon mal in der großen Pause einen Kuss auf die Lippen und rannten davon, und die Unverschämten bepöbelten sie, sie bereits gehabt zu haben. Allen war gemeinsam, dass sie sich Emma in mehr oder weniger peinlicher Manier nähern wollten. Stil besaß keiner von ihnen. Noch konnte sie sich standhaft erwehren. Doch Emma wusste. Es war an der Zeit, sich einen Freund anzuschaffen, schon allein, um alle diese Attacken schlagartig zu unterbinden. Zu dumm nur war, dass ihr in ihrem Umfeld noch keiner dieser Jungs so gefallen hatte, wenigstens zum Schein mit einem dieser post-pubertären Jünglinge zu gehen, um sich zusätzlich dem dämlichen Gerede ihrer angeblichen Freundinnen zu entziehen. Ohnehin hatte sie weitsichtigere Pläne. Sie wollte einen richtig coolen Kerl an ihrer Seite, einen Mann, um den alle sie bis in alle Ewigkeit beneideten, einen, der selbst dann noch zum aufregendsten Gesprächsthema geriet, wenn aus ihnen senile und schrumpelige Greisinnen geworden waren.

Vor ihrer gewohnt vormittaglichen Leere hatte die Mutter zu einem ihrer üblichen Rundumschläge gegen Emma ausgeholt, zugeschlagen und getroffen. Seit langem schon stritt sich ihre Mutter, wie Emma sich selbst zu erklären versuchte, am liebsten mit ihrer Tochter, um die eigenen Defizite im Leben diskutieren zu wollen, weil sonst niemand da war. Emma hatte ihren Widerstand auch dagegen irgendwann aufgegeben. Sie war die ständigen Vorwürfe schlichtweg leid geworden. Emma kam ihren Pflichten nicht nach, auf sie war kein Verlass. Emma half nicht im Haushalt, Emma machte keine Schulaufgaben, Emma war nie pünktlich. Emma hielt keine Ordnung, Emma träumte ständig vor sich hin. Das mütterliche Zeugnis über die alltäglichen Belange im Zusammenleben mit ihrer Tochter ergab ein ziemlich vernichtendes Urteil, seit Monaten ständig lauter und vehementer vorgetragen.

Nicht alle diese und viele andere Vorwürfe mehr nervten Emma. Sie hatten ja durchaus die eine oder andere Berechtigung, wenngleich Emma für jede Verfehlung auch immer eine wichtige Erklärung oder Entschuldigung abgeben konnte. Es waren die Beschränkungen der Mutter, also wieder jene Sanktionen, die stets dem großen Ärger der Mutter folgten und in einem krassen Missverhältnis zu ihrem Alter und Geist standen. Das Handy war plötzlich weg oder die Tastatur des Computers versteckt. Kam es ganz schlimm, strich die Mutter das Taschengeld. Kam es richtig schlimm, verbrachte sie das ganze Wochenende ohne jede Pause mit Emma und versuchte, mit laienhafter Psychologie Phänomene zwischen Gewohnheiten und Ängsten zu enttarnen, Unternehmungen, die genauso unausstehlich wie zwecklos waren, weil die Mutter zuallererst selbst an allem litt. Strengere Strafen verstärkten den Protest und Widerstand Emmas, mit der Folge, dass die Mutter ihrerseits noch aufgebrachter reagierte. Irgendwie konnte oder wollte sie nicht akzeptieren, dass Emma kein kleines Mädchen mehr war, sondern eine moderne und junge Frau, die seit geraumer Zeit ihr Leben selbst in die Hand genommen hatte.

Emma jedenfalls hatte sich schon lange damit abgefunden, der Sündenbock in der untersten Gruppe aller Kleinfamilien zu sein. Sie war unverschuldet Einzelkind und dazu das Ergebnis nicht gewollter Familienplanung, ein echtes Problemkind eben, wie sie ihrer selbsternannten Erziehungsbeauftragten ihre Sicht auf Geburt und Prägung zu erklären versucht hatte. Dass sie seit nunmehr fast achtzehn Jahren allein von ihrer Mutter auf alle Prüfungen des Lebens, also auch auf diese ständigen Vorwürfe selbst, vorbereitet worden war, und dass auch die dabei den einen oder anderen Fehler gemacht hatte, war anzumerken wiederum genauso zwecklos wie zermürbend.

„Was soll ich tun? Soll ich mich etwa umbringen?” Emma hatte wie so oft erbost die Wohnungstür hinter sich zugeknallt. Natürlich zog Emma diese letzte Konsequenz auf all die vielen Missstände, Entbehrungen und Sehnsüchte nicht wirklich in Betracht. Aber es war nun mal ihre Art, die finalen Ergebnisse ihrer vielen Dispute auch beim Namen zu nennen, was an diesem Morgen bedeutet hatte, der Mutter klar zu machen, dass es in ihrem Fall der ewigen Streitereien vermutlich keine andere Lösung gab. Zwei war einer zu viel. Emma und ihre Mutter sprachen schon lange nicht mehr eine Sprache. Das Ende ihrer einstigen Vertrautheit war längst schon erreicht.

Einmal hatte Emma ihr einen Zeitungsartikel aus dem Altpapierstapel auf den Tisch gelegt. Als die Mutter darin über eine dreizehnjährige Schülerin las, die beim Oralverkehr mit einem Mitschüler gefilmt wurde, und diese Aufnahmen im Internet zu verfolgen waren, saß sie eine Woche später ihrem Schuldirektor gegenüber. Dass Sexualdelikte und Gewalt neben dem Webphänomen Cyber Mobbing in den meisten Leeranstalten unentwegt führend an der Tagesordnung waren, wollten oder konnten beide nicht verstehen. Happy Slapping verwechselten ihre Mutter und Lehrer doch allen Ernstes mit einem Modetanz, als Emma sie danach fragte. Tatsächlich schlugen sich die Kids unter diesem Namen immer noch regelmäßig die Köpfe und mehr ein.

Sex, Drogen und Peinigung jeder Art in einer zwölften Klasse – Exzesse dieser Art waren vielen Eltern und Pädagogen genauso fremd wie die Vorstellung vieler Schüler, ihre Erziehungsberechtigten könnten sie und ihre wirklichen Probleme irgendwann einmal verstehen. In Emma reifte so mehr und mehr die Einsicht, dass in Leeranstalten wie der ihrigen all jene Probleme offen zu Tage traten, die daheim in den Wohnzimmern ihren Ursprung hatten, jedem Sinn zum Trotz an beiden, für die gelungene Sozialisierung eines jungen Menschen so wichtigen, Orten aber verschwiegen wurden. Daran war nichts zu ändern, genauso wenig, wie zu hoffen, Leeranstalten und ihr Personal könnten die familiären Defizite kurieren. Töchter und Söhne wuchsen so, auch dank der elterlichen Dummheit und Ignoranz, im sexuellen Niemandsland auf, und auch die vielen anderen Dinge des wahren Lebens färbten nicht irgendwie auf sie ab. Emma blieb, wie viele ihrer Leidensgenossen, mit den meisten ihrer Fragen allein. Dafür stritt die Mutter über Hausaufgaben, Haushaltshilfe und Unpünktlichkeit.

In der Schule war es an diesem Tag gleichfalls so gewesen, wie es jeden Tag war. Langweilig. Eigentlich war Emma eine gute Schülerin. In Mathe und Deutsch stand sie glatt auf zwei. Ihr Französisch war befriedigend. Nur Englisch machte Emma Mühe. Gehörige Mühe. Für Emma aber war klar, dass dieser Missstand, wenn er denn tatsächlich zu diesem frühen Zeitpunkt im neuen Schuljahr einer werden sollte, einzig und allein an diesem Leerkörper lag, der vor ihr gestanden und sie gefragt hatte, was Erkenntnis auf Englisch hieß. Wie peinlich, derart vorgeführt zu werden, hatte Emma gedacht und beschlossen, wie ihr ein paar Schulfreundinnen bereits erfolgreich vormachten, zum nächsten Englischunterricht ebenfalls eine Bluse zu tragen, die mit zwei oder drei Knöpfen zu weit geöffnet war. Das vermied die neuerliche Auswahl beim Abfragen der Vokabeln für mindestens zehn Schulstunden und garantierte obendrauf, eine halbe bis ganze Note höher zu klettern, je nach Brustumfang. Auch so waren sie, die Menschen. Every sex sells.

Emma hielt sich im Unterricht meistens zurück. Sie mochte es nicht, sich aufzudrängen, wenn Lehrer ihre Fragen stellten und alle, die die Antwort wussten, wie irregeworden mit ausgestrecktem Arm die Finger knipsten, oder gruppendynamischer Unterricht mit Kompetenzrastern einfach nur nervte, weil meistens Emma die ganze Arbeit erledigte. Mit Mona und Maike war sie befreundet. Kalle wollte mit ihr schon seit einem Jahr gehen und schrieb die zweihundertneunundachtzigste Kurzmitteilung, um Emma auf diese einmalige Verbindung vorzubereiten. Das nervte genau so, wie der ewige Gossip-Girl-Talk der anderen Mädchen über Lady Gaga und die Stars der Republik, die in den Verdummungsshows diverser Privatsender nicht wirklich welche waren und wegen ihres Stumpfsinnes auch niemals welche würden werden können.

Alles in allem aber, abgesehen von diesem Hohlkopf von Englischlehrer, der stets die unmöglichsten Socken zu noch unmöglicheren Billigjeans trug, genoss Emma, wie sie für sich reflektierte, bei allen anderen Leerkräften in dieser Anstalt ein ordentliches Ansehen. Sie war seit ein paar Wochen im letzten Schuljahr. Bis zum Abi war also noch Zeit, sich zu bessern. Auch für diesen Englischlehrer.

Kalles Bemühungen um sie kamen Emma im Grunde ganz recht. Länger schon zog sie in Betracht, sich das eine oder andere Mal mit ihm in aller Öffentlichkeit sehen zu lassen, dann aber sofort wieder den Rückzug anzutreten, um den ihn in eine endlose Warteschleife zu schicken. Emma hätte endlich vor den vielen anderen Kerlen ihre Ruhe. Zum Glück aber war Ron in ihr Leben getreten, hatte Emma zwischen Tucholsky und Integralrechnung beseelt geschwelgt und vor sich hingeträumt, wie es sich wohl anfühlte, in seinen Armen zu liegen. Allein der Stundengong war in der Lage gewesen, sie aus ihren süßen Träumen zu reißen.

Emma war wieder einmal pleite. Die Mutter hatte die neue Haushaltssperre verfügt, weil sich Emma am vergangenen Wochenende bis tief in die Nacht auf dem Hamburger Kiez herumgetrieben hatte, obwohl sie die Ausgaben dieses Amüsiertrips für die Anschaffung neuer Schulbücher benötigte. Deswegen und nur deswegen war es nötig gewesen, sich nach der Schule einem Nerv der besonderen Art auszusetzen, der wieder einmal ausschließlich ihre Geduld erforderte.

Conny hieß in frühren Jahren eigentlich Cornelius, und er besaß zwei ihm wichtige Dinge. Eine kleine Tischlerei in einem Hinterhof in der Nachbarschaft war ihm genauso eigen wie ein alter rehbrauner Porsche aus den Siebziger Jahren. Emma nannte dieses Vehikel Frauenstaubsauger, denn immerzu saßen andere Frauen auf dem Beifahrersitz, vornehmlich Blondinen. Wegen dieser Karre samt jener anderen kurvenreicher Schönheiten steckte er ständig knietief im Dispokredit seiner Bank. Wenigstens seinen Unterhaltungszahlungen kam er regelmäßig nach. Seinem Sperma nämlich, herausgeschleudert in einer Nacht ohne echte Liebe, verdankte Emma ihre Existenz.

„Schön, wenn man die Frau fürs Leben getroffen hat. Besser, wenn man ein paar mehr kennt.” Als Conny seine Tochter vor ein paar Monaten im Vertrauen mit dieser seiner Lebenseinstellung konfrontiert hatte, war Emma alles aus dem Gesicht gefallen. Jetzt wusste sie, dass einiges doch ganz gut war, so wie es war. Dass er irgendwann einmal nicht mehr mit ihrer Mutter klar gekommen war, konnte sie dabei durchaus nachvollziehen. Zwei- oder auch dreimal im Monat traf Emma ihren Vater, je nach dessen Auftragslage und Kontostand. Dann gingen sie meistens Einkaufen oder Essen. Längst schon hatte Emma erkannt, dass sich ihr Vater damit nicht nur ihre Gunst und gute Laune erkaufen wollte. Es war sein schlechtes Gewissen, für das er zahlte, und unter allen Umständen blechte er dafür gar nicht mal schlecht. Ab und an arbeitete sie in dem kleinen Blumenladen in der Straße, wenn die väterlichen Engpässe seinen Geldfluss beeinträchtigten. Materiell war in der Summe so meistens alles im Lot. Sie besaß ein hippes Telefon, ausreichend Paar Schuhe, eine eigene Flatrate für die Kommunikation mit der Welt, gefiel meistens in allen angesagten sozialen Netzwerken und zwängte ihren Hintern in die Jeans eines französischen Designers, die zwar neuerdings wieder zu zwacken begann, aber immer noch besser saß als bei vielen anderen Tussen.

Emma hatte sich im Laufe der Zeit abgewöhnt, darüber nachzudenken, wem sie für ihre Zeugung übler sein sollte. Der Mutter, die betrunken war, kurzzeitig an einer Schilddrüsenfehlfunktion litt, was beträchtliche Hormonschwankungen verursachte, so dass die Anti-Emma-Pille nicht richtig wirkte. Oder Conny, der an diesem Abend vermutlich nur ein paar Bier trinken wollte, weil im Fernsehen kein Fußball lief und, als er, ebenfalls betrunken, Emmas Mutter traf, einfach nur ein bisschen Spaß zur Entschädigung haben wollte. Beide jedenfalls waren in Emmas Urteil einfach nur eins, nämlich verantwortungslos. Der Begegnung verdankte sie ihr Leben, doch Emma war weder geplant noch gewünscht. Sie war das Ergebnis zweier vereinsamter Großstadtseelen, die sich gegenseitig schön trinken mussten, nur weil beide mal kurz auf den Arm wollten.

„Das zu wissen, macht das Leben erst richtig hart.”

Als Mutter und Vater ihr ihre Zeugungsgeschichte berichtet hatten, es war an einem Wochenende im letzten Sommer, verlor Emma vor beiden endgültig etwas. Respekt. Sicher. In ruhigen Momenten erlebte Emma auch so etwas wie ein harmonisches Zusammenleben. Dann aber spielte sie ein braves Mädchen. Dass Emma selbst der ständigen Auseinandersetzungen vor allem mit der Mutter müde und lustlos geworden war und deswegen immer öfter auf Widerworte und provozierende Verbalattacken verzichtete, wurde weder entdeckt noch gefördert. Die Entfremdung von Mutter und Vater hatte längst begonnen. Es war wie ein Zug, der auf Schienen gesetzt und angefahren nicht mehr aufzuhalten war. Bis zum nächsten Bahnhof. Den niemand kannte.

Der Besuch bei Conny war wie immer schnell erledigt. Emma bekam Geld, und Conny ein Lächeln samt Lob, wie bereichernd es war, einen Vater zu haben, der keine dummen Fragen stellte. Wieder daheim, war Emma einem Wutanfall nahe. Mister Smith hatte der Mutter tatsächlich, wie angedroht, einen Brief geschrieben. Mister Smith hieß eigentlich Herr Kowalinsky. Aber so hieß kein Englischlehrer, jedenfalls kein cooler Englischlehrer. Herr Kowalinsky war Pole und in so vielen Belangen so unscheinbar, dass man sich im Kurs sehr schnell auf seinen Spitznamen verständigt hatte. Zu Beginn des neuen Schuljahres hatte Mister Smith einen Test schreiben lassen, um den Leistungsstand seiner Schüler besser einschätzen zu können. Emma war mit einer satten Fünf ordentlich durchgefallen und für die Nachhilfegruppe nominiert worden. In seinem Brief nun beklagte Mister Smith, dass Emma nicht ein einziges Mal an diesem zusätzlichen Unterricht teilgenommen hatte, wo doch ihre Leistungen darauf deuteten, einen Unterkurs zu riskieren, und damit die Zulassung zum Abitur gefährdet war. Wie konnte nur ausgerechnet ein Pole zu diesem frühen Zeitpunkt des Schuljahres ein derart unverschämtes Urteil fällen?

„Gut so! Weiter!” Mit souveränem Blick hatte Emma ins Leere gesprochen, was in ihrem Kopf als Antwort auf diese Kriegserklärung gereift war. „Teile ich Ihnen also mit, dass ich die Dringlichkeit Ihres Anliegens vernommen habe und unverzüglich reagieren werde.”

Sie hatte Oskar Ortega getroffen, der, mit einer Kippe im Mundwinkel, Emmas Worte in die Tasten seines Rechners eingegeben hatte. Emma kannte Oskar seit gut einem Jahr. Könnte man Namen knutschen, hatte sie sofort gedacht, als er sich vorgestellt hatte, sie wäre augenblicklich über ihn hergefallen. Oskar Ortega wurde nur noch von der markigen Vorstellung eines Ron Gallaghers übertroffen.

Oskar war zwanzig Jahre alt und Stammgast in jener Szenebar, die ein paar Meter weiter um die Ecke ihrer Wohnung lag. Er wohnte nur drei Straßenzüge entfernt. Die Bar war tagsüber geschätzter Treffpunkt zum Abhängen. Abends trafen sich dort bevorzugt die, die dem anderen Geschlecht nachstellten. Die meisten Gäste verlegten dieses Verhalten aber auch schon auf den Tag, vor allem im Sommer, wie Emma immer wieder amüsiert bei mal mehr oder weniger gelungenen Manövern feststellte, wenn sie selbst Gast war und bei einem Cafe beobachtete, wie sich die Gäste gegenseitig beschnupperten und meistens daran scheiterten, im allgemeinen Hormonalarm die Souveränität zu behalten. Das Lokal war ein tauglicher Ort, um aus dem Paarungs- und Balzverhalten vieler Großstadtzombies zu lernen.

Oskar war Emma gleich aufgefallen. Er hatte ständig gelesen und damit, wie sie auch, stundenlang an einem Glas Milchcafe nippend, unmissverständlich angezeigt, mit der Welt, wie sie war, nichts zu tun haben zu wollen. Das Beste aber an Oskar war, dass er Student der Anglistik war und dazu jede romanische Sprache beherrschte. Er war belesen, und seinen Lebensunterhalt erwarb er sich damit, im Internet Backgammon zu spielen. Intuitiv war Emma klar, gut daran zu tun, frühzeitig ihren Bekanntenkreis um genau solche Größen zu erweitern.

Mittlerweile hatte sie in dieser Bar einen Rechtsanwalt, einen Handwerker, einen Werber und einen Diplom-Ingenieur kennen gelernt, wozu auch immer diese Kontakte einmal nützlich sein konnten. Wer konnte das heute schon wissen? Manchmal dachte Emma darüber nach, dass sie auf Männer scheinbar eine besondere Wirkung besaß. Wenn sie sich in Szene setzte, wurden die meisten Typen irgendwie auf sie aufmerksam. Das war beruhigend, wusste Emma doch mit dieser korrekten Selbsteinschätzung schon in jungen Jahren, dass sie mit dem anderen Geschlecht später einmal keine Probleme haben würde.

Oskar hatte schnell und sicher übersetzt, jedenfalls nach Emmas Ermessen. „Bitte ich Sie abschließend, zukünftig mit etwaigen weiteren Schreiben, meine Tochter betreffend, die oben genannte Emailadresse zu verwenden. Mit freundlichen Grüßen.” Das Zweitbeste an Oskar war, dass er keine dummen Fragen stellte, und ob das an seinem lethargischen Wesen oder an seinem häufigen Cannabisgenuss lag, war Emma nie wichtig gewesen. Das Problem des Tages, so ihre Einschätzung, war gelöst. In Wahrheit erwartete sie bereits ein anderes Dilemma mit bislang nie erreichter Qualität.

Emma besaß Streitkultur. Gab es einen Konflikt, gab es immer auch eine Lösung. Die Frage nur war, wie viel Zeit einem dafür blieb. Sie hatte aus zwei Gründen auf den Brief ihres Englischlehrers reagiert. Erstens, um sich dem Ärger der Mutter zu entziehen. Zweitens, um sich der Strafe der Mutter zu entziehen. Sie hatte sogar auf Englisch geantwortet, mit dem Kalkül, dass Mister Smith davon sicher sehr beeindruckt war, erst einmal Ruhe geben würde und mögliche weitere Schreiben ähnlichen Inhalts per Email versenden würde. Die konnte Emma treffsicherer abfangen, denn alle Emails an die Mutter liefen zuerst bei ihr auf. Nach sorgfältiger Prüfung verteilte sie dann weiter. In Sachen webgestützter Datenübertragung war Emma den mütterlichen Kenntnissen hoffnungslos überlegen.

Emma hatte also diesem Trottel von Englischlehrer via Email zurückgeschrieben und beim Türken von gegenüber Obst und Gemüse eingekauft. Dessen zweitklassiges Angebot war nur dann einigermaßen genießbar, wenn er beim Großmarkt gewesen war. Emma kannte seine Zeitpläne auswendig. Im Kiosk erstand sie eine Fernsehzeitung und überlegte auf dem Rückweg, dass endlich mal jemand kommen müsste, um eine Bierkiste aus dem Stapel zu ziehen. Das bestimmt wäre ein gelungener Spaß. Der Besitzer des Getränkeladens auf der Ecke nämlich häufte die Leergutkisten als angeblichen Ausdruck seines kommerziellen Erfolgs wie eine Mauer um seinen Laden herum auf. Emma wusste auch um diesen billigen Trick. Tatsächlich verkaufte er nicht mehr als ein Dutzend Kisten pro Tag, was die Vermutung zuließ, dass allen in ihrer Straße seine peinliche Geschäftspraktik bekannt war. Nur der Besitzer selbst war davon überzeugt, mit diesem zweifelhaften Turmbau seine Potenz und einen hohen Umsatz zu dokumentieren. Jeden Tag stapelte er, wie einst Sisyphus Steine rollte, diese Mauern wieder auf und ab. Für Emma hatte diese Beständigkeit in ihrem Umfeld auch etwas Beruhigendes.

Der Getränkehändler war ebenfalls Türke, verstand sich aber mit dem Obst- und Gemüsehändler so gar nicht. Ständig stritten sie sich. Dabei stammten beide aus Anatolien. Emma kam die Clanwirtschaft vor wie die Abartigkeit zweier deutscher Familien, die sich während ihrer Pauschalreise nach Mallorca jeden Abend am Hotelbuffet um das erste Stück Fleisch zankten. Arbeiteten tagsüber ihre Frauen nicht, war beiden Händlern ebenfalls gemeinsam, dass sie Emma wie eine Prinzessin hofierten und sich bei ihr über die Unmöglichkeiten des jeweils anderen beschwerten. Zumindest diese Integration war geglückt, musste Emma immer dann denken, wenn die Anmachen der beiden Oberhäupter allzu direkt ausfielen, und sie ihr türkisches Blut in Rage redeten.

Im Haus war es ruhig gewesen, als Emma zurück in die Wohnung gekommen war. Die alte Frau Winkler hielt ihr Nachmittagsschläfchen, die zwei kleinen Kinder von Junges waren auf dem Spielplatz, die Älteste beim Klavierunterricht. Auch Emma hatte bis vor kurzem noch zwei Jahre lang versucht, das Spiel mit den Tasten zu erlernen. Vergeblich. Irgendwann hatte sie keine Lust mehr, weil zum Üben das Klavier fehlte, und sie der ständigen Warterei in der Musikschule auf freie Plätze überdrüssig geworden war. Unter ihnen wohnte Elmar, ein klassischer Werbeyuppi mit eigentlich ruiniertem Leben. Jedes Wochenende bekam Elmar Besuch von seinem sechsjährigen Sohn Max, in der Woche gaben sich vornehmlich die jungen Praktikantinnen aus seiner Agentur die Klinke in die Hand. Schauertes, ein Paar ohne Kinder und Allüren, waren auf der Arbeit. Doch selbst wenn sie daheim waren, vermisste man sie nicht. Sie waren so unauffällig wie die Slips ihrer Mutter.

Emma wusste selbst nicht, warum ihr das eine oder andere Mal derart wirre Vergleiche durch den Kopf schossen. Möglicherweise lag der Grund in ihrer Vergangenheit. Früher, als Kind, hatte sie ihre Wenn-dann-Spielchen gemocht und sich zum Beispiel vorgestellt, wenn sie in der nächsten Minute jemanden auf dem Bürgersteig traf, den sie kannte, dann die gerade geschriebene Klassenarbeit mindestens mit gut bestanden zu haben. Ein Päckchen auf dem obersten Treppenabsatz veranlasste sie nun, die unauffälligen Lebensgewohnheiten ihrer Mitbewohner mit der Unterwäsche ihrer Mutter zu vergleichen. Der Postbote hatte wieder einmal eine Sendung auf die Treppe gelegt, weil er sich sicher war, dass es niemand klauen würde. Ein Versandhaus hatte erotische Höschen an Fräulein Sabrina geschickt. Die junge Dame mit Nasenpiercing wohnte unter dem Dach und arbeitete als Verlagskauffrau. Sie war stets nett und freundlich, wenn Emma sie traf. Von ihr wusste Emma neben ihrer Vorliebe für Samt und Seide eigentlich nur noch, dass sie während des Beischlafes grunzte wie eine Kuh und zwar so laut, dass es Emma schon fast peinlich war, um diese Eigenart Fräulein Sabrinas in ihren Momenten des höchsten Glücks zu wissen. Emma nahm sich fest vor, in den Momenten ihrer Flüge zu den Engelchen zu schweigen. Wann und wo auch immer das sein würde.

Alles Essenzielle im Leben einer Siebzehnjährigen also berücksichtigt, hatte sich Emma arrangiert. Sie war, wie die meisten Nachkommen der Lost-Generation, unter allen Umständen einigermaßen gut schlecht erzogen worden. Sie hatte ihren Platz in einer Familie, die noch nie eine war, und sie ging in eine Schule, in der sie zwar beträchtliches Wissen erlangte, ihr doch aber auch immer öfter zeigte, wie man aus Dingen lernen konnte, wenn man sie falsch machte. Daneben gab sie sich alle Mühe, für das Leben ohne Lehrer zu lernen.

Emma betrachtete Familie und Schule zunehmend wie zwei Systeme. Systeme waren starr. Sie zu verändern, war nur dann sinnvoll, wenn man selbst Bestandteil dieser Ordnungsprinzipien wurde. Sie von außen mit Dauerfeuer zu beschießen, war Anarchie, dumm und sinnlos. In Emma war außerdem der Gedanke gereift, dass Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene wie sie ganz grundsätzlich ein eigenes Leben führten, völlig losgelöst von den Problemen, die ihre Eltern hatten. Eltern gingen nun mal nicht in die Schule und Kinder nicht zur Arbeit. Es galt, sich genau diese Unabhängigkeit im Rahmen aller für heranwachsende Teens zur Verfügung stehender Möglichkeiten zu erwerben.

„Und je früher sie damit anfangen, desto besser ist es, vor allem in so schwierigen Zeiten wie diesen.”

Nach dem Besuch bei ihrem Vater hatte Emma ungewohnt lange im Badezimmer verbracht. Bei Vorhaben der Art, die sie zu wagen bereit war, konnte ein ausgiebiger Blick in den Spiegel durchaus von Nutzen sein. Sie hatte sich die Augenbrauen gezupft, kleinere Pickel ausgedrückt und Rouge aufgelegt. Lippenstift mochte sie nicht. Ihr schien es, als waren ihre Brüste kurz vor ihrem Monatszyklus’ wie gewohnt ein wenig gewachsen. Der Umfang dieser ihrer körperlichen Weiblichkeit, wie ihre Mutter den Prozess des Frauwerdens bezeichnete hatte, hatte ihr noch nie zugesagt.

Von ihrem Vater wusste sie, dass sich ausnahmslos alle Männer zuallererst für die Oberweite von Frauen interessierten, dann für ihre Brüste und schließlich für ihre Titten. So also hatte sie sich widerwillig ein paar Kosmetiktücher in den Büstenhalter gestopft, den sie sich von ihrer Mutter ausgeliehen hatte. Der Blick auf sich selbst, derart dümmlich aufgedonnert, genau so, wie es ihre Mutter auch immer tat, wenn sie sich ins Getümmel der Großstadt warf oder auch nur eine ihrer angeblichen Freundinnen wie Betty traf, wie es also schlimmer nicht ging, hatte ihr letztlich gehörig widerstrebt. Entweder dieser Kerl mochte sie, so wie sie war, oder er ließ es, Mitesser und kleine Brüste eingeschlossen. Abgeschminkt und ganz Emma, also ohne Vortäuschung gewisser weiblicher Reize, hatte sie sich, endlich ausgehfertig, neuerlich lange im Spiegel betrachtet. „Vielleicht, ich meine. Emma! Denk genau nach! Bist Du wirklich schon bereit für die erste große Erfahrung? Was, wenn’s schief geht?”

Sie hatte ihren leisen Selbstzweifeln Minenspiele folgen lassen. Charmant, verführerisch, lasziv. Emma hatte in den vergangenen Jahren viel durch ihre heimlichen Beobachtungen von den Frauen ihrer Umgebung gelernt. Letztlich hatte sie tief durchgeatmet, sich die letzten Bedenken aus dem Gesicht gequetscht und sich an einen Ausspruch ihrer Mutter erinnert, mit dem sie vor ein paar Jahren die Tochter aufzuklären versuchte, in sexueller Hinsicht. Es war schlimm gewesen, nahezu lächerlich, denn Emma war dank Internet und Leeranstalt bereits Jahre zuvor über alle wesentlichen Dinge diesbezüglich informiert. Damals war sie zwölf Jahre alt gewesen und hatte ihre erste Packung Tampons in einem Tankstellenshop erworben. Jedenfalls hatte die Mutter gemeint, dass man niemanden anderen lieben konnte, bevor man sich selbst nicht wenigstens ein bisschen lieben gelernt hatte.

„Na schön! Ich mag mich. Das muss reichen.”

Molle, die treuste aller ihrer Weggefährtinnen, hatte leise aufgeheult, schien sie doch irgendwie die Tragweite dieser Worte erahnt zu haben, die Emma fast pathetisch zu sich selbst in den Spiegel gesprochen hatte. Molle war Emmas allerbeste Freundin. Sie hörte stets aufmerksam zu und gab nie Widerworte. Vor allem aber stellte sie keine dummen Fragen. In früheren Jahren war Molle ein richtiger Fernsehstar gewesen. Gut. Sie spielte in einer eher billigen Serie, in keiner besonders erfolgreichen Produktion, aber immerhin lief sie damals einmal pro Woche über die Mattscheiben dieser Republik. In die Jahre gekommen, blieben die Anfragen für weitere Rollen schließlich aus. Blitzgescheit und mit allerlei Talent für verschiedene Kunststückchen ausgestattet, fristete sie nun allzu oft ein ähnliches Dasein wie Emma. Ihr war einfach viel zu oft viel zu langweilig. Das verband, auch ohne große Worte.

Molle also hatte ihren Unmut artikuliert. Erst eine ausgiebige Streicheleinheit hatte sie wieder besänftigen können.

„Na, komm! Was willst Du mir mit Deinem Der-Superstar-sucht-Deutschland-Blick sagen, hä?”

Molle war eine Hündin, ein gelungene Mischling aus Golden Retriever und Collie. Sie gehörte der Geschäftsführerin aus der Szenebar. Bis auf Schulbesuche teilten Emma und Molle ein gleiches Schicksal. Sie waren oft allein, obwohl man sie einmal aus ganz anderen Gründen angeschafft hatte. Das verband noch mehr.

„Irgendwann im Leben einer jungen, attraktiven, intelligenten, modernen und heranwachsenden Frau wird es Zeit, bestimmte Dinge ganz alleine selbst in die Hand zu nehmen. Deswegen kannst Du nicht mit, verstehst Du?”

Molle hatte die Abfuhr mit einem sanften Jaulen quittiert und ihren Kopf zwischen den Vorderpfoten vergraben.

Draußen vor dem Wohnhaus hatten sich ihre Wege getrennt. Alles war so gewesen, wie Emma es kannte. Kunden feilschten mit dem Türken um niedrigere Preise für schlechte Ware, die Bierkisten stapelten sich auf dem Gehweg, und Frau Schauerte kam von der Arbeit, parkte ein und verursachte damit wie immer eine minutenlange Verstopfung der ganzen Straße. Je weiter Emma jedoch vorangeschritten war, desto nervöser war sie geworden. In ihren Handflächen hatte sich ganz allmählich ein leichter, unangenehmer Schweißfilm breit gemacht.

„Bloß nicht Händeschütteln, bloß nicht! Denk dran. Und erst recht nicht Haare drehen.”

Emma redete immer dann leise mit sich, wenn sie nervös war, oder ihre Erregtheit an die Schwelle von Angst gereichte. An diesem Tag hatte sie gleich beide Regungen gleichzeitig besessen, obgleich ihr klar gewesen war, wie hinderlich ihre Empfindungen einer gelungenen Vorstellung im Wege stehen konnten. Immer kleiner waren ihre Schritte geworden. Ihr Magen hatte sich verknotet, und nur mit Mühe hatte sie einen Hustenreiz überwinden können, der ihre Lunge befallen und dafür gesorgt hatte, dass ihre Kehle immer noch brannte. Nahezu unausstehlich waren die Adrenalinschübe geworden, wo sie doch dabei war, ihr Glück zu machen. Dann hatte sie vor einem Laden gestanden, seinem Laden, der in erbärmlichen und so wenig marketingdienlichen, unregelmäßig aufblinkenden Lettern einen Filmverleih anpries und ins Internet einlud.


Ron war um die zwanzig Jahre alt, wie Emma schätzte, und je länger er in diesem Laden in der Straße bleiben würde, desto sicherer war sie sich, dass er zum Frauenheld avancieren würde. Es wurde also höchste Zeit, auf sich aufmerksam zu machen. Dunkle Haare, trainierter Body, smartes Lächeln. Und dann diese Augen. Mokkaaugen. Lässig trug er Jeans und T-Shirt. Emma wunderte sich zwar, denn immerzu trug er die gleichen Klamotten, aber diese Einfältigkeit war ihm früher oder später bestimmt abzugewöhnen.

Als Emma den Laden betreten hatte, stockte sie. Zwei Tussen hatten sich derart waffenscheinpflichtig aufgetakelt, dass sie kurzzeitig erwog, ihren Frontalangriff wegen Ungleichheit in der Auswahl weiblicher Kampfansagen zu verschieben. Sie stöberten in den Regalen und kicherten reichlich albern immer dann, wenn sie ein einigermaßen anstößiges Cover in Händen hielten. Emma war sofort klar, dass die beiden nicht wirklich da waren, um Rons diffuse Angebote filmischer Unterhaltung wahrzunehmen. Sie waren hier, um sich selbst in Szene zu setzen. Sie waren aus dem gleichen Grund zur gleichen Zeit an diesem Ort, an dem auch sie jetzt war. Verfluchter Zufall, dachte sie. War sie vielleicht schon zu spät? Eine der beiden, mit Sommerkleid und tiefem Ausschnitt zugegebenermaßen durchaus verführerisch ausgestattet, wie Emma argwöhnisch beobachtet hatte, lächelte immerzu übertrieben in Rons Richtung. Und Ron lächelte stets unverschämt charmant zurück.

„Also gut! Krallen raus! Du kleines Miststück!” murmelte sie sich selbst zu und dachte doch so anders. Den Mut zu entwickeln, sich einer solchen Erniedrigung unterwerfen zu müssen, war ihr zutiefst zuwider.

Ron saß auf einem Hocker hinter einem kleinen Kassentresen und aß aus einer Plastikschüssel, als Sommerkleidchen aufgesattelt hatte, um ihre erste Attacke zu reiten. Sie hielt ein Cover in Händen. Die Luft brannte. Emma stockte. Sie ging unauffällig ein paar Schritte in Richtung des Tresens, um wenigstens noch zu hören, wo sich die beiden ein paar Stunden später treffen würden. Lud er diese kleine Schlampe zu was auch immer ein, durfte sie ihn getrost abschreiben und vergessen.

„Was kostet die? Die Ausleihe, meine ich. Für einen Tag und eine Nacht.” Sommerkleidchen, ganz große, feine Dame von Welt, wedelte mit einer Ausgabe des Romantikstreifens „Titanic” vor Rons Nase und grinste ihn dabei wie ein Honigkuchenpferd unaufhörlich an.

Emma verschloss fremdbeschämt ihre Augen. Frauenauftritte konnten so dämlich sein, dachte sie.

Ron sah für einen kurzen Moment auf, aß dann aber weiter genüsslich an seinem Salat.

Respekt! Der Typ achtete schon in jungen Jahren auf eine gesunde Ernährung, dachte Emma anerkennend.

„Früher mal drei Euro pro Tag. Aber die verleihe ich nicht mehr.”

„So? Und warum nicht?” wollte Sommerkleidchen wissen und setzte schon wieder ein Lächeln auf, das ihm signalisieren sollte, wie empfänglich sie für jede Eroberung war. Ihre Schleimspur war gelegt.

„Aus religiösen Gründen,” antwortete Ron kurz und knapp und, wie Emma vergnügt feststellte, mit ausgesprochen gelangweiltem Unterton dazu.

„Ich will sie aber ausleihen. Kennst Du die Szene in dem Auto. Unten im Frachtraum? Einmal nur so genommen werden und dann sterben,” seufzte sie in der Qualität einer miesen Kantinenschauspielerin.

Es hieß zu werden. Und es hieß zu sterben. Infinitiv immer mit zu, dachte Emma und hoffte, dass auch Ron diesen Beleg fehlender Sprachintelligenz als Disqualifikation vernommen hatte.

Er führte langsam seinen Kopf hoch zu ihr, nahm Sommerkleidchen ins Visier, versprühte einen Stoß Charme und winkte sie zu sich heran. „Gib her!”

Sommerkleidchen nutzte ihre Chance eiskalt. Sie beugte sich derart tief zu ihm vor, dass sie ihre prallen Brüste gleich auf den Tresen hätte ablegen können und überreichte ihm werbespottauglich das Cover.

Zum Erstaunen aller jedoch wanderten DiCaprio und seine Kate geradewegs in den Mülleimer.

„Hey! Was machst Du? Ich will sie ausleihen.”

Ron stierte demonstrativ in ihren Ausschnitt, grinste breit, um sie Momente später mit mosaischem Blick unerwartet abzustrafen. „Bist Du taub?” zischte er genervt. „Ich verleih sie nicht mehr. Ist doch ganz einfach, oder?”

Sommerkleidchen protestierte sofort pikiert auf. „Ich bin Kunde hier. Und ich will diesen Film. Also erwarte ich...”

Ron hob energisch seine rechte Hand und stoppte ihren ersten Anflug von Protest.

Starr vor Spannung verfolgte Emma jede seiner Regungen und Worte.

„Schweige sie!” Er winkte Sommerkleidchen näher zu sich heran. Wie magisch angezogen tat sie, was er wollte und trat zwei Schritte vor, nachdem er der barschen Aufforderung eine kleine Geste seines Wohlwollens hatte folgen lassen. Er deutete auf die Schüssel.

Sommerkleidchen blickte irritiert auf den Salat.

„Was ist das?”

„Ein Salat,” antwortete sie noch verschüchterter.

„Nein, meine Liebe! Das ist ein Chefsalat. Ein Salat für große Bosse also. Ein olympischer Salat. Und jetzt liebe Valery...”

„Ute. Ich heiße Ute.”

„Und jetzt, meine liebe Ute, frage ich Dich. Warum essen wir Gewinner gerne Chefsalat?”

Sommerkleidchen schaute noch verwirrter drein und suchte Hilfe bei ihrer Begleiterin, die nicht minder verblüfft mit den Achseln zuckte. „Ich... ich weiß nicht...”

Emma indes lächelte innerlich auf. Ihre Freude wuchs noch mehr, als Ron ihr, unbemerkt von Sommerkleidchen und ihrer Begleiterin, ein Auge zuzwinkerte.

„So, so! Du weißt es nicht. – Nun! Wir essen Chefsalat, weil wir die Last der Welt auf unseren Schultern tragen. Wir essen Chefsalat, weil wir das Universum regieren.”

Emma beobachtete Ron genau. Sie gönnte Sommerkleidchen diese Abfuhr, doch Rons Gestik und seine Worte – entweder folgte seiner kleinen Show jetzt ein großes Finale, oder der Bursche war doch irgendwo hängen geblieben. Er besaß etwas, das Emma nicht genau deuten konnte, etwas, das sie als abschreckend empfand.

„Die eigentliche Frage aber lautet, liebe Ute! Was braucht man, um das Universum zu regieren?”

Sommerkleidchen stand nun vollends verstört vor ihm und wusste gar nichts mehr zu antworten.

„American Dressing! Ganz viel American Dressing!” stieß er ihr erhellt entgegen, verharrte und machte große Augen, um seine Worte zu unterstützen.

„Und vielleicht noch ein Knoblauchbrot dazu?” Emma wunderte sich über sich selbst, als sie wie selbstverständlich ins Gespräch eingestiegen war. Sie spürte ihr Herz im Hals schlagen, während sie auf seine Resonanz wartete.

Ron blickte sofort zu ihr herüber, entspannte seine kriegerischen Gesichtszüge und lächelte sie so charmant an, dass Emma augenblicklich dahinfloss. „Ich kenne da einen Banker in New York. Der nimmt auch noch ein bisschen Mais dazu. Aber das ist ein ganz schräger Typ.”

„Wenn er darauf achtet, dass er keinen frischen Erntemais bekommt, ist nichts dagegen zu sagen.”

Rons Lächeln geriet spitzbübischer.

„Erst mit zunehmender Lagerdauer wandelt sich nämlich bei Mais, wie wir alle wissen, der Zucker in Stärke.” Emma hatte seine Vorlage treffsicher aufgenommen, ausgeholt und seine Metapher mit der richtigen Betonung des letzten Wortes gekrönt. Die Belohnung für ihr gemeinsames Wechselspiel mit der deutschen Semantik war eine tiefe Verbeugung Rons. Zufrieden streckte sie ihr Kreuz durch, stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihre Brüste hervor.

„Aber ich weiß jetzt immer noch nicht, was...” Sommerkleidchen hatte den Rest ihres Mutes zusammengekratzt.

Ron streckte ihr augenblicklich eine Hand entgegen und unterbrach sie erneut unwirsch. „Was ein Chefsalat ist?”

„Doch, aber wie Du...”

„Wie ich heiße? Du bist noch mal die...”

„...Ute.”

„Also doch nicht die Valery?”

„Nein! Und ich muss sagen...”

„Also, liebe Valery! Sei ein braves Mädchen! Und bring mir einen Chefsalat, ja? Und zwar einen richtigen! Und dann, bitte! Verschwinde aus meinem Leben! Du hast Hausverbot. Lebenslang. Es ist nur zu Deinem Schutz, glaub mir!”

Sommerkleidchen war endgültig sprachlos geworden und schnappte mit offenem Mund nach Luft. Kujoniert und gedemütigt plusterte sie sich auf, nahm die Nase in die Höhe und war doch nur tief beleidigt. „Also so was! Was bildest Du Dir ein.” Sie warf den Kopf in den Nacken und tippelte mit dem Rest ihrer gekränkten Eitelkeit zur Tür. „Idiot! Bastard!”

„Valery!”

Sommerkleidchen stoppte ihren Rückzug und drehte sich noch einmal zu Ron herum, in freudiger Erwartung, dass er sich zu seiner Rettung doch noch für sein unflätiges Benehmen entschuldigen würde.

Ron aber lächelte sie breit an. Er schob seinen rechten Zeigefinger an die Lippen. „Pst! Ich weiß, wo Du wohnst.” Er fauchte beweiskräftig wie ein Kater.

Patsch. Emma atmete tief durch. Seine Klatsche saß. Aber so richtig.

Sommerkleidchen und ihre Begleiterin eilten aus dem Laden. Sie liefen an dem kleinen Schaufenster vorbei, würdigten Ron hochroten Kopfes und wild gestikulierend keines Blickes mehr und belegten ihre Abfuhr mit allerlei Flüchen, die umso ordinärer gerieten, je weiter sie sich entfernten.

Ron, amüsiert über sich selbst, grinste immer noch über beide Wangen, als er seinen Blick zurück auf Emma gerichtet hatte. „Und? Was kann ich für Dich tun?”


Molle saß auf ihrem Schoss und winselte mehrfach auf. Emma kraulte ihren Nacken, als beide auf der Schaukel des Kinderspielplatzes in der Straße hockten.

„Was für ein Auftritt,” sprach Emma ins Leere. „Was für ein irrer Typ.”

Die Art und Weise, wie Ron der Anmache von Sommerkleidchen begegnet war, löste in Emma zweierlei aus. Zunächst war sie erfreut darüber. Ganz offensichtlich besaß Ron keine Schwäche für die zu albern und naiv geratene Präsentation der weiblichen Verführungsvorträge dieser Welt. Er könnte jede Frau haben, wenn er sie wollte. Auch Sommerkleidchen wäre leicht zu haben gewesen, spielerisch leicht, da war sich Emma sicher. Seine Abfuhr aber hatte auch etwas Verachtendes. Ron konnte unangenehm böse werden. Dann wieder zweifelte Emma daran, ob ihr Auserwählter wirklich so selbstgefällig und arrogant war, oder ob er diese Rolle nur gespielt hatte. In diesem Fall war er brillant aber trotzdem auch irgendwie ein Unhold gewesen, weil er damit eine berechnende Qualität besaß, die sie an Menschen so wenig schätzte. Emma seufzte tief durch. Sie wusste einfach gerade nicht, was sie denken sollte. Was sie wusste – schleunigst hatte sie den Laden nach seiner Frage verlassen. Schadensbegrenzung war erste Pflicht im Geschlechterkampf. So viel Verstand ging noch.

Emma aber wäre nicht Emma, wenn sie sich von einmal formulierten Zielen abbringen ließe. Sie hatte Vorbehalte, sie war unsicher. Letztlich aber siegte der Wunsch in ihr, diesem Ron Gallagher weiter auf den Zahn zu fühlen, ihn weiter kennen zu lernen. Er war außergewöhnlich. Er war anziehend. So viel war klar. Außerdem hatten sie ja jetzt ein gemeinsames Erlebnis, über das sie mit ihm reden konnte, und weil Emma diesen Ron samt seinem Laden schon seit längerem im Visier hatte, wusste sie auch, was zu tun war. Sie musste für eine rein zufällige Begegnung sorgen. Am besten heute noch. Ein wenig haderte Emma mit sich selbst. Sie war unachtsam gewesen, denn in der spannenden Phase der Eroberung ihres zukünftigen Partners durfte sie, dem Rat vieler Psychologen in ihren Hochglanzmagazinen folgend, die Freude und den Genuss dieser einmalig aufregenden Zeit nicht vergessen. Im Bemühen darum blieb sie konsequent bei der Umsetzung ihres wochenlang zuvor sorgsam entwickelten Annäherungsversuchs.

„Folgen, bitte! Und keine dummen Fragen, bitte!” Als Ron um Punkt sieben Uhr den Laden verschloss und in einen Kleinbus einstieg, saß Emma schon seit zwei Minuten in einem Taxi, bereit, ihm zu folgen. Der Taxifahrer fixierte Emma durch den Innenspiegel. Klassische Musik drang aus den Boxen. „Das Requiem. Mozart.”

Emma nahm seinen Hinweis wortlos zur Kenntnis. Sie war genervt von all diesen Kutschern, die den Fahrgästen ihren schlechten Musikgeschmack zumuteten. Vor allem aber wurde sie nervöser, je näher es dem Ziel ging. Weil sie nicht antwortete, pegelte der Taxifahrer die Musik lauter. Gut so, dachte Emma. Bloß keine dummen Fragen.

Jeden Tag um diese Zeit wurde Ron nach stets gleichem Muster abgeholt. In dem Kleinbus saßen ein halbes Dutzend weiterer Burschen, und das Schauspiel erinnerte Emma an eine polnische Drückerkolonne, in der Jungs wie Ron beim Verkauf von Zeitschriften gnadenlos ausgepresst und drangsaliert wurden. Immerzu verlief der Transport gleich. Der Kleinbus hielt an verschiedenen Bahnstationen. Einer der Jungs stieg aus, während der Transporter weiterfuhr und an der nächsten Station wieder stoppte, um einen weiteren dieser armseligen und verlorenen Söhne auszuspuken.

Emma kramte einen kleinen Taschenkalender hervor. Nach ihren Aufzeichnungen müsste Ron heute eigentlich an der Bahnstation Christuskirche aus dem Kleinbus aussteigen. Das war aber keineswegs sicher. Eine Konstante des Routen- und Absetzplans hatte sie noch nicht ausmachen können. Jede Fahrt hatte bisher immer um die sechs Euro gekostet, als sie überschlug, fast ein Dutzend Mal schon in ähnlicher Situation gewesen zu sein. Allein deshalb schon war es an der Zeit, Klarheiten zu schaffen.

Ron stieg tatsächlich an der Haltestelle Christuskirche aus. Zähneknirschend reichte Emma dem Taxifahrer sein Fahrgeld und eilte, Ron beobachtend, auf den gegenüberliegenden Treppengang zu. Das oberste Ziel ihrer geplanten Zufälligkeit war klar. Sie musste zuerst an den Gleisen stehen. Als Emma aber die Schienen erreicht hatte, war von Ron, der gerade eben noch nach ihr die andere Treppe betreten hatte und nur Sekunden später den Bahnsteig hätte erreichen müssen, weit und breit nichts zu sehen. Die Bahn stadtauswärts fuhr in vier Minuten, die Bahn stadteinwärts hielt in drei Minuten. Emma blickte verdutzt umher. Bis hierher war sie Ron noch nie gefolgt. Sie spürte, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann, wie erregt sie den Moment ersehnte, wenn er vor ihr stehen würde, um dann zu lächeln, um dann eine Souveränität vorzuspielen, die sitzen musste und die doch samt ihres Blutmotors schon längst in die Hose gerutscht war.

„Oh, Mann! Emma Nielsen! Was tust Du hier bloß?” Sie drehte sich herum und suchte weiter nach Ron. „Ganz klar! Du läufst einem Typen nach. Einem Typen, der sich gerade prächtig darüber amüsiert, wie dumm Du bist.” Genervt marschierte Emma wieder den Treppenstufen entgegen. „Also! Geordneter Rückzug, Handy raus und so tun, als ob Dich gerade ein wichtiger Anruf erreicht hat.”

Plötzlich hörte sie, wie eine Eisentür leise ins Schloss fiel. Das Geräusch kam aus Richtung des Gleistunnels stadteinwärts. Sie überlegte. Ein paar Minuten blieben noch, und so weit konnte es bis zu dieser Tür nicht sein. Emma sprang auf die Gleise, lief in den Tunnel und suchte nach einem Zugang. Immer weiter folgte sie den Schienen, die Gefahr verkennend, die sich ihr unaufhörlich zu nähern begann. Als sie den Luftstrom verspürte, den Züge vor sich her drängten, wenn sie durch einen Tunnel fuhren, als sie die Lichter der Lok erblickte, die in hohem Tempo auf sie zu raste, als sich das schrille Quietschen und Gekrächze der Stahlräder immer widerlicher in ihre Ohren fraßen – Emma stand starr vor Schreck. Weder zur linken noch zur rechten Seite konnte sie ausweichen und Schutz suchen. Gelähmt vor Todesangst schloss sie die Augen. Es war zu spät. Aus heiteren Himmel, Momente später, verspürte sie völlig unerwartet eine warme Hand an ihrem Arm, gefolgt von einem festen Griff um ihre Hüften. Alles wurde schwarz um sie herum. Sie war ohnmächtig geworden.

Als sie wieder zu sich gekommen war, fuhr sie Fahrstuhl. Sehen konnte sie nichts. Jemand hatte ihr eine Decke über den Kopf gestülpt. Als der Fahrstuhl hielt, und der Unbekannte sie mit einer nie zuvor erfahrenen Leichtigkeit einen halben Meter über den Boden hochhob und sie an sich drückte, vernahm sie Geräusche. Peitschen knallten, Musik spielte, Frauen sangen. Emma befürchtete, dass an diesem Ort bestimmt eine wilde Party gefeiert wurde, und sie unfreiwillig eingeladen war. Oder sie war Opfer einer Entführung geworden, was sie noch sorgenvoller stimmte, denn wer bitteschön sollte für sie zahlen? Emma hatte große Angst, und dieses Gefühl kannte sie schon lange nicht mehr.

Der Unbekannte hatte es eilig. Hastig schritt er einen Gang entlang. Emma hielt es für besser, sich nicht zu regen. Widerstand in ihrer Lage war aussichtslos. Die Stimmen und Geräusche verstummten. Ein Fahrstuhl fuhr hoch. Eine Tür wurde geöffnet. Der Unbekannte legte Emma auf ein Bett. Langsam zog er Emma die Decke vom Kopf. Ron Gallagher stand zu ihrer großen Verwunderung vor ihr, und Emma fand sich in seinem Zimmer wieder.


Emma schnellte aus ihrem Halbschlaf hoch. Die Erinnerungen an diesen Tag hatten an Dramatik und Verwirrung nichts verloren. Molle jaulte leise auf. Beruhigt stellte Emma fest, dass sie auf ihrem Bett lag, in ihrer Wohnung und nicht mehr in diesem kargen Zimmer an unbekanntem Ort, den Ron ihr allen Ernstes als Agententrakt einer höllischen Unterwelt verkaufen wollte. Sie war in Sicherheit. Sie war unversehrt. Emma blickte ins Leere. Was für ein Tag! Was für eine Begegnung! Sie war aus ihren Gedanken an einen Tag erwacht, nach dem in ihrem Leben nichts mehr so sein sollte, wie sie es kannte. Es war mittlerweile zwei Uhr in der Nacht geworden. Emma tapste in die Küche und trank Milch, viel Milch. Sie vernahm ein unangenehmes, weil besonders lautes Schnarchen. Als sie die Schlafzimmertür öffnete, lag ein ihr und vermutlich auch für ihre Mutter unbekannter Mann im Bett. Unberührt von diesem nächtlichen Besucher schlich sie wieder in ihre eigene Schlafstätte zurück. Molle legte sich ans Fußende. Emma war irgendwie erleichtert. Plötzlich streckte sie Molle noch einmal ihren Kopf entgegen. „Was bitteschön bildet sich dieser Bursche eigentlich ein?”

Mindestens zweimal hatte Ron sie heute gehörig verwirrt, verkappt ihre Nähe gesucht und irgendwie an Orte gebracht, sie vorgeführt, mit ihr gezaubert. Genau das aber war mindestens zweimal zu viel seiner Spielereien. Gleich am Vormittag würde sie ihm deutlich sagen, was sie davon hielt. Molle maulte ein letztes Mal auf, als Emma sich in ihre Kissen verkroch und das Licht ausknipste.

Emma Nielsen - Die mit dem Teufel tanzt - Teil 1

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