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Оглавление2. Mich selbst respektieren
Es gibt Menschen, die sind so gesund und zufrieden, dass sie dieses Kapitel nicht zu lesen brauchen. Sie haben ein gesundes Selbstbewusstsein und kein Problem mit dem Respekt gegenüber sich selbst. Es gibt aber auch viele, denen das nicht geschenkt ist. Es sind vor allem solche, die schon einmal Respektlosigkeit oder Missachtung erfahren haben. Für sie ist wichtig, dass sie zuallererst sich selbst mit Respekt begegnen.
Das gilt überhaupt für alle Werte. Bevor ich sie anderen entgegenbringen kann, sollte ich sie auf mich selbst anwenden. Mich selbst lieben, um andere lieben zu können, mir selbst gerecht werden, um andere gerecht zu behandeln, geduldig mit mir selbst sein, um für andere Geduld zu haben.
Wenn ich mich in einer Situation oder einem Gefühl der Missachtung wiederfinde, ist ein erster, hilfreicher Schritt, mit mir selbst respektvoll umzugehen.
»Mein Sohn, meine Tochter, in Demut ehre dich selbst.« (Jesus Sirach 10,28)
Respekt hilft gegen Respektlosigkeit. Wenn mich jemand abwertet: »Du bist hässlich«, dann ist es wichtig, darauf zu schauen, dass ich doch schön bin. Ich darf mich vor meiner eigenen Schönheit verneigen. Wenn jemand meint, mit mir könne man nicht reden, dann darf ich respektvoll darauf schauen, wie oft ich schon den Faden der Kommunikation aufgegriffen habe. Wenn jemand meine Leistung nicht sieht oder mein Engagement nicht anerkennt, dann sollte ich der Erste sein, der meine Leistung würdigt und mein Engagement wahrnimmt.
Das Schädliche der Respektlosigkeit liegt darin, dass ich durch die Missachtung, die mir vom anderen widerfährt, meinen eigenen Wert und meine eigenen Fähigkeiten nicht mehr richtig einzuschätzen weiß – den Respekt vor mir selbst verliere. Dass ich selbst aufhöre, mich zu lieben, dass ich mir selbst nicht mehr vertraue. Daher ist es so wichtig, sich selbst diese Achtung zu geben. Wie kann ich das tun? Es ist oft nicht ausreichend, mir das selbst nur zu denken oder zu sagen, ich muss es erfahren. Daher kann ich für mich die Grundgebärde des Respekts nutzen, die Verneigung.
• Stell dir vor Augen, was deinem Gefühl nach zu wenig an dir respektiert wird.
• Stell dich innerlich dieser deiner Eigenschaft gegenüber. – Dann verneige dich
vor dieser Eigenschaft!
• Verneige dich vor dir selbst, so wie du bist.
Du wirst dabei spüren, dass auch du schön bist, auf deine Weise. Du wirst merken, dass deine Leistung, dein Engagement gut ist. Wenn alles auch noch zu verbessern ist, gibt es da dennoch genug Gutes an dir, das zu würdigen ist.
Menschen, die sich selbst nicht respektieren, werden schnell Opfer anderer. Sie bieten sich geradezu an, ausgeschlossen, übergangen oder missbraucht zu werden. Der beste Schutz dagegen ist: Verneige dich vor dir selbst! Erweise dir selbst den Respekt! Wenn es andere nicht tun, dann tu du es wenigstens selbst.
Oft hilft auch, mit jemandem zu sprechen, von dem du weißt, dass er dich respektiert. Das ist dann wie Balsam für die Seele. Man spürt sich selbst wieder und weiß, dass man im Grunde o.k. ist. Missachtung ist immer auch eine Verletzung der Seele, die einer Heilung bedarf. Bei einem Erwachsenen heilt eine solche Wunde schnell. Falls ich die Wunde oder das Trauma in der Kindheit oder Jugend erlebt habe und der andere sozusagen in die alte Kerbe haut, dann braucht es mehr, um eine Heilung zu erreichen.
Es gibt noch andere kleine Heilmittel. Wenn du missachtet wurdest, dann ziehe dich schön an. Lass den Kopf nicht hängen. Wasche dich, mach dich schön, schminke dich oder leg ein Parfüm auf. Geh zum Friseur und lass dir eine schöne Frisur machen. Koch dir etwas Gutes und iss etwas Gutes. So stellst du den Respekt vor dir wieder her. Der Respekt, den du dir selbst erweisen kannst, ist wie eine Burg, deren Mauern dich umgeben. Sie macht dich stark und schützt dich. Und sie macht dich wieder ruhig, lässt dich das Leben wieder spüren.
Sich selbst zu respektieren bedeutet, sich so zu akzeptieren, wie man ist. Ich muss nicht alles gut an mir finden. Und trotzdem soll ich mich respektieren, die eigenen Stärken genauso wie die Schwächen. Eigenartig, dass man manchmal nicht einmal die eigenen Stärken würdigt. Besonders schöne Menschen beispielsweise finden sich oft selbst gar nicht so schön. Besonders sportliche Menschen halten sich für nicht sportlich genug. Es ist sinnvoll, einmal eine Liste anzufertigen, in der ich alle Stärken festhalte, die ich an mir sehe. Ihnen soll ich mit Respekt begegnen. Sie sind mir geschenkt, für mich und für andere. Ebenso aber darf ich auch meine Schwächen respektieren. Die Schwächen sind es, auf denen von mir selbst oder von anderen besonders herumgehackt wird. Sie brauchen unseren Respekt am nötigsten. Der erste Johannesbrief der Bibel hat für diese Situation ein besonders ermutigendes Wort: »Klagt uns unser Herz auch an: Gott ist größer als unser Herz« (vgl.
1 Johannes 3,20).
Respekt bedeutet, von mir selbst Abstand zu nehmen und einmal aus einer größeren Perspektive zu schauen. Gottes Herz ist größer als unser Herz. Er ist barmherziger, als wir es oft selbst mit uns sind. Er beurteilt die Dinge anders. Eine Auffassung der Mönche lautet, der Mönch solle als Erstes unterlassen zu urteilen, andere und sich selbst zu verurteilen. Die alten Wüstenväter hatten in der Wüste viel Zeit zu grübeln. Sie sollen aber gerade nicht grübeln und schon gar nicht sich selbst oder andere vor ein inneres Gericht zerren, sondern schlicht das Urteilen unterlassen. Es gibt Menschen, die verurteilen dauernd die anderen. Vielleicht urteilen sie zum Teil wirklich richtig, aber dieses Urteilen ist zersetzend und nicht aufbauend. So ein Tribunal kann es auch in uns selbst geben. Darum gilt: Ein wichtiger Schritt zum Respekt gegenüber mir selbst ist, dass ich es unterlasse, über mich selbst zu urteilen. Gott soll ich das Urteil überlassen.
Auch meine eigenen Bedürfnisse darf ich respektieren. Manchen ist es peinlich, dass sie jetzt schon wieder essen oder so lange schlafen müssen, dass sie nur so kurz durchhalten, bis sie die Toilette aufsuchen müssen. Egal, welches körperliche, seelische oder geistige Bedürfnis ich in mir spüre: Ich sollte es respektieren. Respektieren ist noch nicht gleich annehmen oder gutheißen. Aber ich sollte es sehen und so sein lassen, wie es ist, und nicht daran herumzerren und mich dafür verurteilen, dass ich es habe. Ich bin ein Mensch, ich habe Grenzen und konkrete Bedürfnisse. Besonders religiöse Menschen mit einem hohen moralischen Anspruch geraten in die Gefahr, ihre eigenen Bedürfnisse zu überspringen. Ihre Bedürfnisse gehören aber zu ihnen, so wie Gott sie geschaffen hat.
Eine junge Frau, die nach schwerer Kindheit und Jugend einen ehrlichen und intensiven Weg der Heilung ging, kam eines Tages zu dem Ergebnis, dass sie viel »gesehen« werden muss, weil sie als Kind immer übersehen wurde. Nun gesteht sie sich dieses Bedürfnis zu. Sie hat mit jemandem vereinbart, dass sie schnell, auch unangekündigt, einmal bei ihm auftauchen kann, damit er sie anschaut. Einen kurzen Moment angesehen zu werden ist für sie schon heilsam. Natürlich wäre die Frau froh, wenn sie diese kurzen Momente nicht mehr brauchte, aber sie gesteht sich zu, dass sie da einen Nachholbedarf hat. Sie respektiert sich selbst in ihrer Schwäche. Das ist ein guter, heilsamer Weg.
»Respekt« hat mit Schauen und Sehen zu tun. Ich soll gut und liebevoll auf mich schauen. Ja, ich soll mich überhaupt sehen und nicht übersehen und übergehen. Wenn ich den Respekt mir selbst gegenüber üben will, dann gibt es eine einfache Möglichkeit, indem ich mich selbst anschaue:
Schaue in den Spiegel und sage zu dir:
Du bist o. k.!
Das ist eine schöne Übung. Ich schaue in den Spiegel und beurteile mich nicht. Ich sage zu dem, was ich sehe: »Es ist o. k.« Ich sage zu mir selbst: »Du bist o. k.«