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Das Geschäftsjahr 1993/94

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JENS THELE 1993 war es nicht einfach, Platten in die Charts zu kriegen. In den Läden gab es Charttipper, die für Media Control die Top 100 bestimmten und die jeweiligen Verkäufe auf einem Formular erfassten. Dabei waren 90 Plätze bereits vorab von Media Control vergeben und zehn Freifelder für Neueinstiege. Heute werden die Charts natürlich digital direkt beim Titelkauf erfasst. Natürlich nutzten wir damals die Kanäle, auf die wir direkten Zugriff hatten. Ich meine: H.P. und ich haben unsere eigene Platte am Telefon verkauft. Wir haben die Kunden angerufen und sie gebeten: „Schreib doch mal ‚Hyper Hyper‘ mit auf die Liste.“ Dafür gab es sogenannte Tippergeschenke, T-Shirts mit „Hyper Hyper“-Aufdruck, die wir 800-mal durch Deutschland geschickt haben, um auf die Platte aufmerksam zu machen. Eine lupenreine Bestechung. So wurden damals Platten vermarktet. Es wurde ein Riesenrad gedreht, um die Nummern in die Charts zu kriegen. Zugleich habe ich in der Firma keinen Neid gespürt.

Für die Bravo wurden wir zu den Repräsentanten der Technobewegung

JENS THELE Das Gegenteil war der Fall und das hat Michael Haentjes auch mit einem Stoßseufzer der Erleichterung freudig zur Kenntnis genommen. Als „Hyper Hyper“ in die Charts ging, sind wir alle zusammen zum Griechen feiern gegangen. Da haben wir die Geschichten an uns vorbeiziehen lassen: Kaum einer hatte vergessen, dass wir zunächst sehr wohl große Probleme hatten, „Hyper Hyper“ in die Charts zu drücken. Wir hatten verschiedene Remixe in Auftrag gegeben und veröffentlicht, darunter absurderweise sogar eine Version mit einem spanischen MC – ein ganz schlimmes Video inklusive. Und wir erinnerten uns an den Zusammenhalt, als sich alle einig waren, dass diese Nummer jetzt endlich ein Hit werden musste – auf welchem Wege auch immer. Ächzend schafften wir mit rund 50 000 verkauften Exemplaren den Chart­einstieg auf Platz 43. Davon angefeuert arbeitete sich die Nummer langsam nach oben. Und schließlich wurde „Hyper Hyper“ tatsächlich zum großen Hit. Weihnachten 1994 feierten wir dann die Verleihung der Goldenen und Platin-Schallplatte im Albers-Eck auf St. Pauli.

Die Bravo war die auflagenstärkste und einflussreichste deutsche Musik­zeitschrift

STEFAN BEUTLER Ich bin seit 1994 dabei. Ich habe den ersten Vertrag zwischen Scooter und Edel ausgehandelt. Sie hatten mit „Hyper Hyper“ gerade 600 000 Singles verkauft und der Vertrag war noch nicht mal richtig unterschrieben. Sie waren dankbar, dass ich das Juristische in die Hand nahm.

H.P. BAXXTER Als es mit „Hyper, Hyper“ losging, hatten wir sofort eine Anfrage der Bravo. Ich erinnere mich, wie Frank Lothar Lange von der Bravo zu mir ins Büro geführt wurde, wo ich mit all den anderen Hardsellern Platten verkaufte. Und dann gab es die erste Bravo-Story. Auf dem Bravo-Steckbrief habe ich mich erst mal um zwei Jahre jünger gemacht. Ich dachte: Es ist blöd, endlich in der Bravo stattzufinden und da steht, du bist 30 Jahre alt.

FRANK LOTHAR LANGE Die Bravo war die auflagenstärkste und einflussreichste deutsche Musikzeitschrift. Wenn also eine Single wie „Hyper Hyper“ plötzlich durch die Decke ging, mussten wir wissen: Wer sind diese Scooter? Es war für uns Redakteure und Fotografen Pflicht, dass wir solche Phänomene sofort vor Ort begutachteten, um herauszufinden, ob sich das Publikum dieser Acts oder Strömungen mit der Leserschaft der Bravo deckte. Sobald wir aus unserer Sicht Bravo-kompatibles Publikum erkannten, stellten wir den Künstler vor.

H.P. BAXXTER Frank hat Scooter viele Jahre sehr eng begleitet. Wir haben ihm vertraut und nicht zuletzt viel Spaß zusammen gehabt. In der Anfangsphase war die Bravo für uns enorm wichtig. Nur so haben wir auch bei dem ganz jungen Publikum stattgefunden. Obwohl wir nie eine Teenieband mit fünf Schönlingen waren, sondern eine wilde Technotruppe, gab es ständig Liveberichte und sogar Poster. Für die Bravo wurden wir zu den Repräsentanten der Technobewegung. Denn wenn es zu sehr in den Underground geht, können die Kids damit nichts mehr anfangen. Außerdem war „Hyper Hyper“ mit über 800 000 verkauften Exemplaren und Platin ein Riesenhit. Wenn du so weit oben bist, berichtet die Bravo ohnehin über dich. Egal was du machst. Frank kannte die demografische Zusammensetzung unserer Fans: Scooter begeisterten in der Bravo vor allem die kleinen Jungs. Die Mädchen hingegen hatten ihre Boy- und Girlgroups – Take That, Spice Girls, die Backstreet Boys. Das ging bis Ende der Neunziger. Dann waren auch wir definitiv zu alt für die Bravo. Bis dahin aber war Frank bei vielen Discoauftritten dabei. Die meisten Artikel, die er fotografierte, waren Liveberichte, meistens Doppelseiter. Wer mit wem geknutscht hat und so weiter.

FRANK LOTHAR LANGE Die Technoszene Anfang der Neunziger war alles andere als Bravo-affin. Die lasen die Zeitschrift einfach nicht. Das änderte sich erst mit dem Auftauchen von Scooter. Erst Scooter ermöglichte es Bravo, regelmäßig über Techno zu schreiben. Im Übrigen waren Scooter immer für gute Fotos gut.

H.P. BAXXTER Wir haben in Großraumdiscos mit halbstündigen Auftritten und zwei Tänzerinnen angefangen. Von der ersten bis zur letzten Minute waren die Leute wie von den Ketten. Egal wo wir waren, gab es eine unglaubliche Euphorie. Die Leute sind völlig ausgeflippt. Wir haben das manchmal selbst nicht verstanden. Es war ein totaler Hype. Und bei VIVA liefen unsere Videos in Rotation. Scooter waren auf allen Kanälen.

FRANK LOTHAR LANGE Kennengelernt habe ich Scooter im Zuge eines Auftritts in der Diskothek E-Dry in Geldern, ganz nah an der holländischen Grenze. Zuallererst fiel mir Rick auf – er trug einen Kasten Bier aus dem Auto in die Diskothek. Das ist insofern erwähnenswert, als es für einen ganz wichtigen Aspekt dieser Band steht: Die Jungs hatten zur Sicherheit immer ihre eigenen Getränke mit an Bord.

Nach und nach wurde alles größer

HOLGER STORM

Wir haben anfangs auch Tänzerinnen dabeigehabt, die zwar einigermaßen aussahen, aber gar nicht richtig tanzen konnten.

H.P. BAXXTER Obwohl es regelmäßig Anfragen von Raves gab, traten wir am Ende doch meist in Discos auf. Denn diese allgegenwärtige Feindseligkeit gegenüber Scooter führte dazu, dass einige Künstler gesagt haben: „Wenn Scooter auftreten, spielen wir nicht.“ Und so haben wir bei Raves keinen Fuß in die Tür gekriegt. Wobei ich mir sicher bin, dass die Leute auf der Mayday im Angesicht unseres Sounds genauso durchgedreht wären wie die Leute in der Großraumdisco.

FRANK LOTHAR LANGE

Mit der Bravo kommunizierten die Fans damals mittels Leserbriefen. Und die sprachen eine klare Sprache: Unsere Leser wollten mehr wissen über Scooter, es gab einen regelrechten Bedarf an immer neuen Storys. Also blieben wir dran.

HOLGER STORM Es wurden immer mehr Auftritte. Wir waren bald nicht mehr bloß freitags und samstags unterwegs, sondern von Donnerstag bis Sonntag. Manchmal gings auch schon mittwochs los. Die erste Zeit habe ich mich immer mittwochs mit H.P. getroffen, um die Termine und Verträge für das Wochenende zu bringen. Das Geld wurde dann bar vor Ort abkassiert, das wir dann Anfang der Woche abgerechnet haben, wobei ich meine Provision bekam. Wir sind damals mit einem Kombi gereist, hatten hinten die Keyboards drin, sind zu den Diskotheken gefahren, haben alles aufgebaut und ein paar Songs gespielt.

RICK J. JORDAN Am Anfang sind wir zu dritt in einem grünen, gemieteten Ford Mondeo zu den Gigs gefahren. Ferris ist gefahren, H.P. saß neben ihm und ich hinten zwischen den Tänzerinnen.

HOLGER STORM So wurde aus einem Kombi eben ein größerer Wagen. Nicht dass sie dann gleich mit Limousinen fuhren, aber schon mit einem Chrysler Voyager oder so, einem größeren Van, den wir übers Wochenende buchten. Und dann auch schon mit Fahrern, sodass Scooter sich auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren konnten.

RICK J. JORDAN Nach und nach wurde alles größer – wir begannen mit einem Tontechniker zu reisen. Bei längeren Reisen sind wir Economy geflogen, dann in die Businessclass gewechselt. Inzwischen fliegen wir wieder Economy, weil es eben günstiger ist und man nicht einen so hohen Anteil der Gage ins Fliegen stecken will.

HOLGER STORM Ich habe neulich einen Vertrag von damals gefunden, den ich mit einer Diskothek abgeschlossen hatte. Da steht geschrieben: „Die Diskothek XY verpflichtet die Gruppe Scooter (fünfzehn oder zwanzig Minuten Auftritt) und DJ Jens Thele (anderthalb Stunden) für 1.600,– DM.“


„Hyper Hyper“-Platin-Verleihung im Hamburger Hans-Albers-Eck. Im Bild links der Edel-Boss Michael Haentjes. Bild: arcpic/public address


H.P.s Kalendereintrag der Goldverleihung. Bild: privat


Bravo erklärt das Phänomen Scooter. Bild: Frank Lothar Lange (Fotos), mit freundlicher Genehmigung der BRAVO/Bauer München Redaktions GmbH

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