Читать книгу Der Astrofriseur - Max Höhn - Страница 15
STIER
Оглавление21. April bis 21. Mai
Stieren ist etwas sehr Wesentliches zu eigen. Männer wie Frauen dieses Sternzeichens denken erst mal immer: »Es steht mir zu.« So kommen sie auf die Welt und so beschreiten sie ihren Weg.
Eine Freundin von mir, Nancy, hat sich in ihr Studium gemogelt, weil sie nicht den nötigen Numerus clausus hatte. Aber deshalb mehrere Semester auf einen Studienplatz zu warten, kam für sie als Stier nicht infrage. Sie wollte diesen Studienplatz und war davon überzeugt, dass sie ein angeborenes Recht darauf habe. Mit dieser Haltung behauptete sie stets, sie würde die entsprechenden Unterlagen nachreichen. Das war in der Zeit, bevor Unis Computer nutzten – so kam sie tatsächlich damit durch. Später überzeugte sie mit ihren Leistungen und irgendwann fragte eben niemand mehr nach den Zeugnissen.
»Es steht mir zu.« Für den Stier ist dieser Satz ein innerer Antrieb. Man sagt diesem Sternzeichen nach, dass es sehr stur sei. Das beinhaltet aber auch ein immenses soziales Bewusstsein. Und interessanterweise trägt der Stier sein eigenes soziales Bewusstsein in sich. Das bedeutet: Natürlich orientiert er sich an moralisch-bürgerlichen Wertvorstellungen. Gott sei Dank ist er mit so viel Erdverbundenheit beschenkt, dass er hier in der Regel doch einen umsichtigen, Werte schaffenden Weg einschlagen kann. Er handelt aus Überzeugung so, damit es den Menschen um ihn herum gut geht.
Ich hatte als sehr junger Mann einmal Gesangsunterricht bei einer Opernsängerin. Diese Stier-Frau wirkte eher konservativ, aber sie sagte zu mir: »Weißt du, Konventionen sind doch dazu da, dass man sie regelmäßig umgeht. Oder sich über die Grenzen hinausbegibt, um sie neu abzustecken. Was denkst du, du bist doch auch ein Stier?« Mich hat dieses Statement sehr beeindruckt. Auf den zweiten Blick hat man es ihr auch angesehen, dieses sich Sich-selbst-treu-bleiben und trotzdem immer ein bisschen weiter Hinauslehnen. Sie trug gern Hüte – Opernsängerinnen trugen Ende der achtziger Jahre ja auch noch Hüte. Die bei ihr waren immer etwas zu groß. Der Schal war auch eher eine Art Stola. Eigentlich wirkte das recht madamig. Aber es war eben auch sehr geschmackvoll und stilsicher. Wenn auch vielleicht ein bisschen zu viel des Guten, hatte es aber doch das gewisse Etwas.
Stiere gelten mitunter als eifersüchtig und neidisch. Wie stark das wirklich ausgeprägt ist, hängt von der individuellen Planetenkonstellation ab. Die meisten Stiere, die ich getroffen habe, würden, wenn ihnen etwas bei jemand anderem gefällt, zum Beispiel sagen: »Das ist toll, dass du das hast. Das freut mich wahnsinnig für dich.« Oder: »Ach, das hätte ich auch gern.« Und dann entwickeln sie einen Plan, wie das realisierbar ist. Das kann manchmal einfach nur ein Kleidungsstück sein oder auch ein schönes Auto. Jedoch ist der Stier in seinem starken Sicherheitsbedürfnis so aufgestellt, dass er das teure, schicke Auto nur dann braucht, wenn er das dafür nötige Kleingeld überhat.
Grundsätzlich geben Stiere nicht gern Dinge aus der Hand. Sie wollen zu allem und jedem ihre Meinung äußern. Delegieren müssen auch sie – so, wie ihre Erdzeichen-Schwester Jungfrau – erst lernen. Damit sie sehen, wie wunderbar es ist, einfach auch mal loszulassen und zu entspannen. Besitzergreifend ist der Stier also durchaus. Er selbst wird das damit erklären, dass doch nur er weiß, was richtig ist – und was dem anderen guttut. Stiere verfolgen beharrlich ihre Projekte bis zum Ziel. Ihre Sturheit ist deshalb genauso eine Stärke wie sie eine Schwäche sein kann.
Zurück zu Nancy: Nach ihrem Studium ist sie nach Los Angeles gezogen, weil sie sich entschieden hatte, dort eine Schauspielausbildung zu machen. In Deutschland wäre sie schon zu alt dafür gewesen. Sie mietete sich eine Wohnung und nahm mehrere Jobs an, um die Miete zahlen zu können. Sie begann ihre Ausbildung. Als ich sie zehn Jahre später wieder traf, erzählte sie mir, dass sie relativ schnell eine Greencard bekommen hatte (so, wie Stiere ihren Weg immer konsequent gehen), in einem Broadway-Musical mitwirkte, eine kleinere Rolle in einer Serie übernommen hat, nochmal angefangen habe, Kunst zu studieren, und mit ihrem Leben sehr glücklich sei. Ihr neuestes Projekt war nun die Familienplanung: den richtigen Mann zu finden, zwei Kinder zu bekommen und ein Haus zu kaufen. Ich bin sehr gespannt, was ich noch von ihr hören werde.
Jetzt klingt das ja alles zunächst sehr ehrgeizig. Jedoch haben Stiere mitunter auch einen natürlichen Hang zur Trägheit. Doch die hat einen anderen Ursprung: ihre unglaubliche Sinnlichkeit. Der Stier ist das sinnlichste der Sternzeichen. Er wird vom Planeten Venus regiert, der Göttin der Schönheit und der Liebe. Er ist eben im Frühling geboren, wo alles duftet, die Welt zum Leben erwacht und sich ihm öffnet. Für ihn ist es absolut erfüllend, irgendwo zu sitzen und zu spüren, wie die Luft die Unterarme umspielt, die gerade freigelegt worden sind bei den ersten Sonnenstrahlen. Das machen andere Sternzeichen vielleicht auch, aber nicht so oft. Es ist die Art und Weise, wie Stiere ihre Lippen befeuchten, sich bewegen, es ist die Haltung ihrer Hände oder das ewig perfekte Erscheinungsbild. Stiere genießen das alles. Sie sitzen in der Sonne und zelebrieren es, wie der Wind ihre Haut streichelt.
Pure Sinnlichkeit auch hier.
Wie der kleine Stier Ferdinand, der an der Blume schnüffelt – genau das ist das passende Bild. So funktioniert der Stier und das ist der Platz, den er im Leben haben will. Stiere legen sich auf die Wiese und können schlafen, einfach so. Sie wirken, als seien sie müde, aber in Wirklichkeit spüren sie die Sonne und die Luft. Sie hören die Geräusche. Sie empfinden das alles als den reinen sinnlichen Vorgang des Lebens. Vielleicht gerade deshalb neigt er zu Polstern an den Körperregionen, an denen er es nicht möchte – selbst wenn er in anderen Bereichen sehr diszipliniert sein kann.
Es gibt diese trägen Stier-Tage, an denen die Vertreter dieses Sternzeichens morgens aufstehen und es gerade noch hinbekommen, sich einen Kaffee oder einen Tee zu machen. Manchmal klappt nicht mal das. Dann müssen sie sofort vor die Mattscheibe und schauen sich eine ganze Serie auf DVD an. Wie ein Stier auf der Weide eben: Einfach daliegen und in die Ferne glotzen. Selbst an solchen trägen Tagen genießen sie jedoch das Leben. Ihre Moralvorstellungen sorgen gleichzeitig dafür, dass es nicht zu viele solcher Tage geben darf. Werden es doch einmal mehr, ist Vorsicht geboten – also bei einem Stier, der, ohne krank zu sein, mehr als eine Woche auf dem Sofa verbringt. Denn schnell werden aus diesen sieben Tagen zwei Monate. Ja, Trägheit führt in der Quantität schnell zur Lethargie. Und die genießt der Stier mitunter sehr gern. Allerdings sind Stier-Männer hiervon deutlich stärker betroffen.
Einem Stier fällt es unendlich schwer, wenn er täglich Medikamente einnehmen soll. Wenn die Krankheit, die behandelt werden muss, nicht lebensbedrohlich ist, dann schafft der Stier es höchstens vier Wochen oder zwei Monate, alles regelmäßig einzunehmen. Stiere sind mehr als undiszipliniert bei diesen Dingen, die ihnen guttun, weil sie ja alles so sinnlich empfinden und permanent beglückt sind durch ihren Mutterplaneten, die Venus, der ihnen zuzuflüstern scheint: »Ich spüre den Wind, das Eis, den Schnee, die Luft, das Gras …« Da bleibt wenig Platz für solche mechanischen Routinen des Alltags. Überhaupt sind regelmäßige Rituale nicht ihr Ding.
Mit Freundschaften ist der Stier sehr vorsichtig. Es sei denn, jemand schafft es, ihn spontan zu begeistern. Das klappt am besten über Emotionen. Stiere sind ja stets sehr mitfühlend. Wenn auch nicht so empathisch wie die Krebse, die bei allem immer gleich mitleiden, so können die Stiere sich doch sofort alles vorstellen. Oder sie spüren einfach, dass es jemandem nicht so gut geht und sind dann auch sofort zur Stelle. Der Stier fühlt sich verantwortlich, da zu sein und zu helfen – auf ganz praktische Weise. Der Stier sagt zu antriebslosen Freunden Sätze wie: »Du, hör mal, wie wäre es denn, wenn wir jetzt zusammen in den Supermarkt fahren?« Oder: »Wollen wir nicht jetzt deinen Garten bepflanzen? Das wäre doch schön.« Das kann mitunter leicht ausgenutzt werden. Eine der Lebensaufgaben des Stiers besteht deshalb auch darin, sich nicht ausnutzen zu lassen und dafür zu sorgen, dass andere Menschen nicht auf seinen Gefühlen herumtrampeln. Eine weitere große Lernaufgabe des Stieres ist die, seine kleinen jähzornigen, rechthaberischen Ausbrüche zu zähmen. Zu denen neigt er in seiner mitunter sturen Rechthaberei in einigen Momenten seines Lebens tatsächlich – und das trotz seines Drangs, es allem und jedem immer recht machen zu wollen.
Stiere sind sehr stark auf der Suche nach sich selbst. Sie wollen sich verwirklichen. Die Kraft dazu suchen sie in ihrer Mitte. Meditationen sind für den Stier geradezu erfunden worden. Er probiert gern immer wieder neue Methoden aus, die ihn mit seiner inneren Kraft verbinden.
Ein Freund von mir, der ebenfalls Stier ist, veranstaltet zweimal im Jahr ein Dinner nur für Stiere: Bei ihm treffen sich großartige, kreative, bodenständige Menschen. Ja, Stiere sind in ihrer Einzigartigkeit so glamourös. Die Harmonie ist an diesen Abenden besonders groß, denn wer hätte das gedacht: Stiere wollen zwar recht behalten, sind aber in der Masse durchaus zur Meinungskonformität fähig. Hier werden tolle Geschichten erzählt, es geht um spannende neue Leidenschaften, neue spirituelle Workshops und den nährenden Weg nach innen. Es brennen Kerzen und die Töpfe werden immer leer gegessen. Der Genuss wird hier von acht bis zehn Menschen in seiner sinnlichsten, kommunikativsten und leidenschaftlichsten Form zelebriert. Hier fällt auf, dass die meisten Stiere nach ihren vielen verschiedenen anderen Berufen, in die sie vielleicht reingeschnuppert haben, Schauspieleragenten geworden sind. Warum ist das so? Sie kümmern sich hingebungsvoll um ihre Klienten, sind werte- und zielorientiert – deshalb gehören sie höchstwahrscheinlich zu den Erfolgreichen in ihrer Branche.
Stiere finden sich häufig in Berufen, die mit den schönen Dingen des Lebens zu tun haben. Das muss an ihrem regierenden Planeten Venus liegen, der ihnen das Gespür für Ästhetik schenkt. Alle schöpferischen, kreativen Berufe sind für den Stier in seiner Sinnlichkeit perfekt. So treffe ich immer wieder hochbegabte Floristen, Maskenbildner, Modeschöpfer, Friseure, Schauspieler, Kosmetiker oder Sänger mit Sternzeichen Stier – die Liste ist wirklich lang. Aber es gibt auch brillante Anwälte oder Steuerberater unter den Vertretern dieses Zeichens: Es geht ihnen immer um die Menschen und um Gerechtigkeit.
Die Erdzeichen sind grundsätzlich sehr strukturiert, aber die Stiere können diese Struktur nur umsetzen bei allem, das sie sinnlich erfasst haben und auch genießen können, weil sie es als sinnliche Inszenierung erleben. Wenn etwas nicht mit Genuss zu tun hat, dann verweigern sie sich total.
Meine beiden Lieblingsdüfte gibt es nicht mehr. Der eine ist in den neunziger Jahren oder Anfang der zweitausender Jahre eingestampft worden und der andere vor zwei Jahren. Es gibt kein Sternzeichen, das so sehr leidet, wenn es einen Duft nicht mehr gibt. Weil wir ja sinnlich alles erleben, weil wir uns damit auseinandersetzen, weil wir das sind. Wir sind der Duft. Für uns Stiere gleicht das einer Beleidigung.
Der Stier liebt auch alles, was mit Essen zu tun hat. Überall, wo es kulinarische Köstlichkeiten gibt, ist ein Stier direkt gleich vorne mit dabei. Er hält es kaum aus, vor einem Büffet zu stehen, das noch nicht eröffnet ist. Das tut ihm geradezu körperlich weh.
Der Stier riecht das alles, selbst wenn er etwas nur in seiner Fantasie entstehen lässt. Es kann gut passieren, dass ein Stier als Kellner arbeitet, weil er weiß, dass in diesem Restaurant jeden Abend ein super Essen für ihn abfällt. Er ist dann aber auch ein ganz loyaler Mitarbeiter und bleibt bis zum Schluss, freut sich über das gemütliche Feierabendbierchen mit den Kollegen und genießt zusätzlich noch den Rest vom Dessert. Vermutlich kann man die Stiere überall einsetzen, man muss es ihnen nur schmackhaft machen.
Obwohl die Stiere keine Kostverächter sind, können sie sehr diszipliniert sein, aber eben immer nur temporär. Sie können sich natürlich wahnsinnig stur auf etwas festlegen und das dann auch durchziehen. In der Regel hat diese Sturheit sowohl etwas mit den anderen zu tun als auch mit dem eigenen Inneren. Also wenn sie stur zu sich selbst sind und sich Dinge einfach verkneifen, weil sie einen berechtigten Grund dafür sehen, dann geht das. Nur bei sinnlichen Genüssen wie dem Essen klappt das eben nicht. Eine Stier-Freundin sagte einmal zu mir: „Wir Stiere sind doch wie Golden Retriever: gutmütig, treu und träge … und immer mit einem Snack zu locken.“