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Es ist was passiert!

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Ich spürte, wie jemand an mir zog und zerrte. Aber ich war tief in einen Traum verstrickt und wollte gern wissen, wie er weiterging, deshalb drehte ich mich zur Wand und zog die Decke über den Kopf.

„Ollie, du mußt aufwachen“, nörgelte die Stimme hartnäckig und zerschlug schließlich den Traum in tausend Stücke.

Etwas stimmte nicht. Es war nicht Mamas Stimme. Es war Tessas. Langsam, langsam kriegte ich die Augen auf. Hoppla, ich hatte wohl mit den Kleidern geschlafen! Der heftige Liebesroman lag noch neben dem Bett. Aber das Komischste war, daß die Sonne durch die Rollos schien. Da mußte es ja später als sieben Uhr sein.

„Es ist was passiert!“ flüsterte Tessa ernst. „Komm mit in die Küche, damit wir reden können. Und was immer du tust, weck nicht Jesper auf!“

Verschlafen rollte ich aus dem Bett. Ich stand total auf dem Schlauch. Warum roch es nicht nach Kaffee und frischem Toast? Plötzlich sah ich, wie spät es war. Viertel vor neun! Wo war Mama? Warum hatte sie uns nicht geweckt?

In der Küche stand alles so, wie wir es am Abend verlassen hatten. Die Fischstäbchen, die wir für Mama übriggelassen hatten, waren zusammengeschrumpft, und die Kartoffeln vertrocknet.

Das, was mich gestern stutzig gemacht hatte, dieser neue Blick bei Mama, tauchte wieder auf, aber jetzt viel stärker.

„Wo ist Mama?“ fragte ich ängstlich. „Ist sie krank?“ „Nicht so laut!“ mahnte Tessa. „Wir dürfen Jesper nicht wecken. Ich brauche noch etwas Zeit, um das Problem zu rempeln.“

Sie klang, als ob es um ein Eishockeyspiel ging. Aber Tessa hat nun einmal ihre eigene Art, sich auszudrücken.

„Was heißt hier rempeln?“ zischte ich. „Was für ein Problem? Was ist passiert? Ist sie krank?“

Ich spürte, wie die Angst in mir hochkletterte.

„Sie ist doch nicht tot?“

„Sei doch nicht albern!“ fauchte Tessa zurück. „Es ist schon schlimm genug. Sie ist weg! Abgehauen! Dieser Zettel klebte mit Tesa an der Klotür, als ich aufgewacht bin. Lies doch selbst! Und laut, denn das raff’ ich nie ...!“

Ich las mit zitternder Stimme:

„Ich kann nicht mehr. Ich bin am Ende. Muß mich ausruhen und nachdenken. Bin total verwirrt. Ich bin sicher, daß du, Tessa, und du, Ollie, auch eine Weile ohne mich klarkommt. Aber paßt bitte gut auf Jesper auf. Er ist ja noch so klein. Es tut mir leid, daß ich so was tun muß. Aber ich weiß nicht, was ich sonst machen würde ... verzeiht mir.

Kuß, Mama“

„Ohne sie klarkommen?“ wiederholte ich entsetzt. „Und wie lange? Und übrigens bin ich auch noch klein!“

Tessa zuckte die Schultern.

„Ich pack’ es nicht“, sagte sie.

„Eine Mutter von drei armen kleinen Kindern ... haut einfach ab!“

„Ihr hättet euch gestern nicht so aufführen sollen“, sagte Jesper, der mit seinem Schlafaffen im Arm in der Türöffnung stand und alles mitgehört hatte. „Du hättest nicht übers Essen meckern sollen, Tessa. Und du hättest dich nicht über unser Zimmer beschweren sollen, Ollie.“

„Und du hättest nicht mit der Tür schlagen und mit deinen dreckigen Stiefeln eintreten oder darüber schimpfen sollen, daß du nicht abgeholt worden bist. Du bist genauso dran schuld. Du bist überhaupt ein ganz großer Dreckskerl“, kotzte ich heraus.

Jesper fing auf der Stelle an zu heulen, und da lockerte sich der Weinkloß, der auch bei mir im Hals saß.

„Wenn es nur um unseren Zoff gegangen wäre, wäre sie ja schon längst weg“, meinte Tessa. „Nein, ich glaube, da steckt noch mehr dahinter. Etwas, was sie uns nicht erzählt hat.“

„Aber was sollen wir tun?“ schluchzte ich.

„Sie vertraut darauf, daß wir zurechtkommen. Also müssen wir uns zusammenreißen, uns Gedanken machen und Pläne schmieden“, sagte Tessa. „Und da wir schon verschlafen haben, finde ich, daß wir heute zu Hause bleiben.“

„Wir können ja immer behaupten, daß wir Darmgrippe haben“, ergänzte ich. „Das steckt an, das können wir voll bringen, alle drei.“

„Ich möchte, daß Mama jetzt zurückkommt, und ich will in die Schule, denn wir gehen heute ins Schwimmbad, und dann will ich in den Hort, weil Lotta heute Geburtstag hat, und wir wollen ihr eine Torte backen“, heulte Jesper.

„Wir backen dafür eine Torte für Mama, wenn sie heimkommt“, tröstete ich und bereute jetzt schon, daß ich ihn angebrüllt hatte.

„Ich gehe für uns alle anrufen, bevor sie sich in der Schule Gedanken machen“, sagte Tessa. „Ihr könnt ja so lange ein bißchen Frühstück machen.“

Aber keiner von uns hatte Hunger, und mittendrin teilte Stümmel entschieden mit, daß er hinausmußte. Tessa bat Jesper, sich anzuziehen und mit ihm eine Runde zu drehen.

„Aber geh nur um den Block, und nur ein Mal“, bat sie. „Und wenn dich jemand anquatscht, sag nur, daß du Darmgrippe hast und ganz schnell nach Hause aufs Klo mußt. Sag nichts von mama: Das ist total wichtig, jesper!“

„Was sollen wir tun?“ fragte ich immer wieder, sobald Jesper sich auf den Weg gemacht hatte.

„Keine Ahnung“, seufzte Tessa. „Aber ich glaube, daß wir besonders an zwei Dinge denken müssen. Zum ersten sollten wir doch so tun, als ob Mama hier sei. Wenn jemand erfährt, daß sie abgehauen ist, weiß man nie, was passieren kann. Vielleicht jagt uns sogar jemand die Fürsorge ins Haus, und wir landen alle drei bei Pflegeeltern. Zum zweiten müssen wir uns natürlich bemühen, sie wiederzufinden, und ihr klarmachen, wie sehr wir sie lieben und daß wir ohne sie weder leben können noch wollen.“

Als Tessa vom Lieben sprach, traute ich mich endlich das Schreckliche auszusprechen, an das ich die ganze Zeit gedacht hatte, seitdem ich den Zettel gelesen hatte.

„Glaubst du, daß sie sich irgendwas angetan hat ..., ich meine, ob sie ...“

„Nein“, antwortete Tessa ernst. „Ich glaube ganz einfach, daß sie sich davongemacht hat, damit so etwas nicht passiert. Daß sie müde war und total down und daß vielleicht etwas Besonderes dazugekommen war, womit sie nicht klarkam und deshalb ihre Ruhe haben wollte, um abzuschalten und nachzudenken. Genau wie sie auf dem Zettel geschrieben hat.“

„Du meinst also, auch wenn wir sie nicht finden, kommt sie zurück?“

„Ja, das glaube ich“, sagte Tessa so bestimmt, daß es mir wenigstens ein bißchen besser ging.

Mama zieht Leine!

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