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2.

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„Was gibt’s denn heute bei Deinen Eltern?“, informierte sich Daniel bei seiner Frau. „Sauerbraten“, antwortete Jenna. „Sauberbraten?“, wiederholte Daniel entgeistert, „bei zweiunddreißig Grad?“ Schon beim Gedanken an warmes Essen bildeten sich Schweißperlen auf seiner Stirn. „Ihr immer mit euren Namenstagen“, murmelte er, „das kann sich doch sowieso keiner merken.“ „Doch. Spätestens seit den Zwillingstürmen“, meinte Jenna, „Helga ist jedes Jahr am elften September.“ Das Grillen, auf das sich alle meist schon seit Weihnachten freuten, waren sie inzwischen leid. Bei dem schönen Wetter der letzten Wochen hatten sich alle mehr als genug von Grillwürstchen und Salaten ernährt und Herbert wollte nun endlich mal was Anständiges essen. Schon die wenigen Minuten im Auto waren bei diesen Temperaturen eine Zumutung. Die Klimaanlage kam erst richtig auf Touren, als Jennas Elternhaus bereits in Sicht war. Zu Fuß gehen wollte in dieser Hitze aber auch niemand. Helga hatte die Kaffeetafel bereits liebevoll gedeckt. Allerdings im Haus. Im Garten würde der Kuchen weglaufen, bevor sie überhaupt die Chance hätten ihn anzuschneiden. Die neuen Gartenmöbel blieben verwaist. Unter dem sonst so schützenden Dach herrschte eine Luftfeuchtigkeit wie in einer Sauna. Wenige Minuten nach Daniel, Lukas und Jenna erschien auch Familie Hase von nebenan. Bernd hatte sich bei der Eheschließung vor zwanzig Jahren zu Christianes Glück breitschlagen lassen, ihren Namen anzunehmen. Da sie ihren Vornamen sowieso schon zu lang fand, wollte Christiane nicht auch noch Ziegelfeld hinten dran bekommen. Außerdem war Sohn Christopher bereits unterwegs und dass ihre Kinder später im Alphabet ganz hinten angesiedelt sein würden, wollte sie ihnen auch nicht zumuten. Christopher Ziegelfeld hätte wahrscheinlich auch in kein einziges amtliches Formular gepasst, da war er mit Hase schon besser bedient.

Die Kaffeetafel wurde recht schnell wieder aufgehoben. So richtig hungrig war niemand. Der Kuchen kam auf schnellstem Wege zurück in den Kühlschrank und die Familie zog es nun doch hinaus in den Garten. Auf einem steinernen Podest in der Mitte der Grünfläche stand der Pool von Familie Hase und versprach Abkühlung. Tobias hatte sich gleich wieder in sein Zimmer verzogen und auch Lukas und Christopher konnten sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, ins kalte Wasser zu springen. Jenna hatte eine Abkühlung dringend nötig und stand schon im Badeanzug bereit, während Bernd die Abdeckung vom Becken entfernte. Die Familie versammelte sich am Rand und Herbert steckte prüfend eine Hand ins Wasser. „Es ist gar nicht mehr so kalt, dann gehe ich morgen vielleicht auch mal rein“, stellte er fest und stützte die Arme gemütlich auf den Beckenrand. „Warum erst morgen?“, fragte Jenna, „heiß genug ist es doch auch heute schon.“ „Heute habe ich aber keine Lust“, erwiderte Herbert. Daniel hatte ebenfalls keine Lust und ließ sich seufzend in der Hollywoodschaukel nieder. Die stand wenigstens im Schatten. Für einen Pool konnte er sich sowieso meistens nur begeistern, wenn die Wassertemperatur allmählich an Badewasser erinnerte, während er nach heißen Tagen gerne mal kaltes Wasser in die Badewanne ließ. Warum das so war, würde für Jenna immer ein Rätsel bleiben.

Obwohl der Tisch längst abgeräumt war, wuselte Helga immer noch geschäftig in der Küche herum und kam erst in den Garten, als Jenna bereits ihre Runden im Wasser drehte. „Komm doch auch rein“, forderte sie ihre Mutter auf. „Och nö, das ist mir zu kalt“, sagte Helga zögerlich. Zumindest Christiane war inzwischen verschwunden, um sich endlich einen Bikini anzuziehen. Ehe sie im Wasser ankam, hatte Jenna schon beinahe Schwimmhäute. Aber was nutzte es, jetzt aus dem Pool zu steigen, wenn man in zwei Minuten schon wieder total verschwitzt wäre. Bis zum Abendessen im Kreis schwimmen konnten die beiden aber auch schlecht, und ohne Bewegung fühlte das Wasser sich irgendwann doch kühl an. Außerdem begann Helga schon wieder mit den nächsten Töpfen zu klappern. Christiane und Jenna kletterten die Leiter hoch und gingen sich umziehen. Bernd, der wegen seiner Bisswunde noch immer in Behandlung war, hatte mit der verbundenen Hand sowieso nicht ins Wasser gedurft und kümmerte sich jetzt darum, das Becken wieder abzudecken.

Für den Sauerbraten fand Herbert es an diesem Abend viel zu warm. Das Einzige was am Ende der Mahlzeit wirklich geleert war, war die Salatschüssel.

Die Aussicht auf die nächsten Tage blieb laut der Wettervorhersage ziemlich warm und Helga entschied, für die nächsten Tage lieber wieder auf kalte Kost umzusteigen.

„Sollen wir ein paar Feigen mitnehmen?“ schlug sie Herbert am Montagmorgen im Supermarkt vor und legte die Früchte gleichzeitig schon mal in den Einkaufwagen. Gewogen wurde so etwas ja heute erst an der Kasse, da brauchte man sich in der Obst- und Gemüseabteilung nicht mehr dran aufzuhalten. Nachdem alle Lebensmittel für die nächsten Tage eingesammelt waren, stellten Herbert und Helga sich in der Schlange an der Kasse an. Endlich waren sie an der Reihe. Misstrauisch begutachtete die Kassiererin die Früchte in der durchsichtigen Tüte. Irgendeine Nummer musste sie jetzt in ihr Kassensystem tippen, damit der Computer den richtigen Preis ausspuckte. Nur hatte sie keine Ahnung was sie da vor sich hatte. „Wie heißen die?“, raunte sie Helga leise zu. Helga wechselte einen unsicheren Blick mit Herbert. Sie hatten ja schon viel erlebt, aber dass sie beim Einkaufen an der Kasse ihren Namen nennen mussten, das war ihnen noch nie passiert. „Hase“, antwortete Helga schließlich zögernd. Noch einmal drehte die Kassiererin unschlüssig den Beutel hin und her. „Nee, so heißen die nicht“, entschied sie dann. „Wir werden doch wohl noch unseren Namen wissen“, flüsterte Helga Herbert zu. „Annemie, weißt Du wie die heißen?“, rief die Kassiererin einer Kollegin über die Köpfe der Kunden hinweg zu. Hebert schnaufte empört. Ein Benehmen was das. Erst als die Frau hinter der Kasse ihrer Kollegin Annemie fragend mit dem wippenden Klarsichtbeutel winkte, dämmerte Helga, dass es nicht um ihren Familiennamen ging. Nur mit Mühe konnte sie sich das Lachen so lange verbeißen, bis sie zusammen mit Herbert durch die Schiebtüren des Supermarktes ins Freie gelangt war. Draußen prusteten sie gleichzeitig los. „Ein bisschen gewundert habe ich mich ja schon“, gab Helga zu, „aber manchmal fragen sie an den Kassen ja auch nach der Postleitzahl.“ „Jeden Kunden nach dem Namen zu fragen würde dann aber doch zu weit gehen“, amüsierte sich Herbert. „Es hätte sich ja auch um ein Gewinnspiel handeln können“, überlegte Helga weiter, „der millionste Kunde, oder etwas in der Art.“ „Jedenfalls müssen wir das unbedingt gleich den Kindern erzählen“, grinste Herbert. Die unschuldigen Feigen hatten in Familienkreisen ab sofort einen neuen Namen.

Draußen auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt stieg gerade Helgas Freundin Emma aus ihrem Auto. Helga winkte, um die Freundin auf sich aufmerksam zu machen. Da konnte sie Emma ja gleich erzählen was sie gerade an der Kasse erlebt hatten. „Ach hallo, guten Morgen“, rief Emma von Weitem und winkte mit den Autoschlüsseln. Herbert und Helga eilten ihr bereits entgegen. „Na Helga, alles gut?“, fragte Emma und drückte den Arm ihrer Freundin. Dann wandte sie sich Herbert zu. „Hallo Uschi. Wie geht’s?“ Vor Erstaunen blieben Helga und Herbert die Münder offen stehen. Auch ein paar Passanten auf dem Parkplatz hatten den kurzen Monolog verfolgt und bemühten sich jetzt um Fassung. Wie eine Uschi sah Herbert eigentlich gar nicht aus. Außerdem kannten sie Emma und ihren Mann Klaus-Günther schon seit vielen Jahren. In letzter Zeit sahen sie sich zwar nicht ganz so häufig, aber Emma musste Herbert doch wiedererkennen. „Uschi???“, wiederholte Helga staunend. „Ach Du lieber Himmel, Herbert, bitte entschuldige“, beeilte sich Emma zu sagen. „Ich bin ganz durcheinander. Gestern habe ich einen Ausflug mit der Gymnastikgruppe gemacht. Da bin ich doch immer den ganzen Tag mit der Uschi zusammen. Die hat ja auch so graue Haare“, versuchte sie ihren Patzer zu erklären.

Wenig später kündigte Jennas Telefon eine Nachricht von Helga an. „Wir haben Emma heute getroffen. Sie hat Uschi zu Papa gesagt“, las Jenna vom Display ab. Das war aber sehr merkwürdig. Jenna verstand erst gar nicht, was Helga ihr da mitteilen wollte. Sie selbst hatte Emma schon ziemlich lange nicht mehr gesehen, aber dass die in der Zwischenzeit geistig so abgebaut hatte, konnte doch gar nicht möglich sein. „Das klingt aber besorgniserregend“, tippte Jenna zurück, und dann gleich hinterher „hat sie Alzheimer?“ „Nein, sie hat sich nur vertan“, schrieb Helga. Jenna fand das trotzdem seltsam. Irren konnte sich ja jeder mal, aber einen Herbert mit einer Uschi zu verwechseln war schon ein starkes Stück, und dann angeblich nur auf Grund der gleichen Haarfarbe.

Helga hatte prompt entschieden, dass sie und Emma schon viel zu lange nichts mehr gemeinsam unternommen hatten. Sie lud die Freundin zu einem gemeinsamen Stadtbummel ein. Bei der Gelegenheit konnte sie Emma auch gleich ein bisschen auf den Zahn fühlen. Wenn irgendetwas mit ihrem Gedächtnis nicht ganz in Ordnung war, würde Helga das im Laufe des Tages schon herausfinden. Aber eigentlich müsste das auch Klaus-Günther längst aufgefallen sein. Oder sollte der am Ende selbst schon ein bisschen verwirrt sein? Helga nahm sich vor, das beim Bummeln durch die Geschäfte auf jeden Fall herauszufinden.

„Helga, sieh mal“, freute sich Emma, „diese rote Strickjacke würde Dir ganz wunderbar stehen.“ Seit mehreren Stunden liefen die beiden Frauen nun schon durch die Innenstadt und hatten bisher nur eine einzige Kaffeepause eingelegt. Bisher war Helga nichts Ungewöhnliches an Emma aufgefallen. Auch an deren sicheres Gespür für Kleidung schien sich nichts geändert zu haben und die Strickjacke gefiel Helga tatsächlich sehr gut. Dass Emma bei ihren Ausflügen immer Helga zum Kauf verführen wollte, während sie selbst nie etwas kaufte, war eine alte Marotte, mit der Helga längst vertraut war. Meistens blieb sie standhaft und ließ sich von Emma nicht zu Spontankäufen überreden. Nachdem sie die rote Strickjacke aber erst einmal anprobiert und im Spiegel an sich selbst bewundert hatte, konnte Helga nicht mehr anders, als die eigentlich viel zu teure Jacke mit zur Kasse zu nehmen. Sie musste es Herbert ja nicht gleich auf die Nase binden. Zu Hause würde sie die neue Anschaffung gleich in den Schrank räumen und erst wieder hervorholen, wenn sich eine passende Gelegenheit zum Tragen bot. Bis dahin würde Herbert ihren Stadtbummel längst vergessen haben.

Die Gelegenheit bot sich schneller als gedacht. Daniel und Jenna wollten mit Lukas unbedingt ein Restaurant ausprobieren und luden Helga und Herbert gleich mit ein. Zwar würde eine längere Autofahrt nötig sein, um das angestrebte Restaurant zu erreichen, dafür sollte es aber wirklich etwas ausgefallenes sein. Man sollte sich dort fühlen, wie auf einer bayrischen Alm und entsprechend bot das Etablissement auch bayrische Küche an. „Ein Dirndl muss ich aber nicht anziehen, oder?“, erkundigte sich Helga telefonisch bei Jenna. „Ach was“, antwortete Jenna, „zieh einfach an was Du willst.“

Freudig holte Helga die neue rote Strickjacke aus dem Kleiderschrank und legte sie für den Abend auf dem Bett bereit. Genau wie ihre Tochter liebte sie es, in ein Restaurant zu gehen und einmal nicht selbst kochen zu müssen. Bayrisch entsprach zwar nicht so ganz ihren Vorlieben, aber irgendwas würde sich auf der Speisekarte schon finden. Inzwischen war auch Herbert aus dem Garten hereingekommen. „Am besten Du gehst Dich gleich waschen“, ordnete Helga an, „die Kinder kommen uns gleich abholen.“ Brummend stapfte Herbert die Treppe rauf. Neuen Entdeckungen stand er immer eher skeptisch gegenüber und statt feiner Hose und Hemd hätte er jetzt lieber gleich einen Schlafanzug angezogen, um es sich vor dem Fernseher gemütlich zu machen. Außerdem wurden die Abende allmählich kühl. Auch wenn es tagsüber immer noch warm und sonnig war, brauchte man am Abend eine Jacke. Als Herbert das Schlafzimmer betrat, stellt er fest, dass Helga ihm zum Glück schon eine bereit gelegt hatte. Die Jacke kannte er noch gar nicht, musste neu sein. Aber Helga hatte ihm ja immer schon vorgeschwärmt, wie gut ihm rot stehen würde. Allerdings hatte auch ein Hemd in zartem rosa bereit gelegen. Nun ja, Helga musste es ja wissen. Wahrscheinlich war rosa zusammen mit rot gerade der letzte Schrei. Herbert griff nach der Strickjacke und steckte seinen rechten Arm in den Ärmel. Die Jacke war ganz schön eng. Ob Helga sich da wirklich nicht in der Größe geirrt hatte? Auch am Bauch spannte der Stoff ordentlich und die großen goldenen Knöpfe konnte er gar nicht schließen. Vielleicht trug man Strickjacken nach der neuesten Mode einfach nur noch offen und die Knöpfe dienten nur der Zierde. Vorstellen konnte Herbert sich das gut. Solche Knöpfe kannte er sonst nur von den Offizieren auf den Kreuzfahrtschiffen, die ihm im Urlaub begegnet waren. Wenn Helga also der Meinung war, er müsste sowas tragen, dann wollte er ihr den Spaß nicht verderben. „Hier kommt Dein persönlicher Gardeoffizier“, verkündete Herbert stolz, als er am Fuß der Treppe angelangt war. Helga starrte ihn einen Moment lang fassungslos an, bevor sie zu schimpfen begann. „Herbert bitte, damit macht man doch keinen Spaß. Du weitest mir noch die gute Jacke aus.“ „Ist das denn nicht meine?“, wunderte Herbert sich, „Ich dachte, Du hättest mir eine neue Strickjacke gekauft. Immerhin lag sie auf meiner Seite vom Bett.“ Helga hatte ihren Ärger schon fast vergessen und unterdrückte mühsam ein Grinsen. Herbert sah auch wirklich zu komisch aus. „Du ziehst jetzt sofort meine Jacke aus. Die Kinder erschrecken sich zu Tode.“ Helga hörte bereits, wie Daniels Wagen in der Einfahrt parkte und eilte zur Haustür. Jenna war noch nicht ganz ausgestiegen, als Helga nicht mehr an sich halten konnte. „Da hast Du was verpasst. Dein Vater hat doch tatsächlich geglaubt meine neue rote Strickjacke wäre für ihn gedacht“, prustete sie. „Dann haben wir ja Glück gehabt, dass Du Dich nicht doch für ein Dirndl entschieden hast“, scherzte Jenna. Herbert trat hinter seiner Frau aus dem Haus und reichte ihr die Jacke. Er selbst hatte sich inzwischen für gedecktes dunkelblau entschieden. Zwar hatten sie die Fahrzeit großzügig berechnet, aber der Tisch war für neunzehn Uhr reserviert und Daniel mahnte langsam zum Aufbruch. „Hast Du Schlüssel eingesteckt Helga?“, fragte Herbert im Türrahmen stehend. „Nein, hab ich nicht.“ Helga war nur undeutlich zu verstehen, da sich ihr Kopf bereits im Auto befand um Enkel Lukas zu begrüßen. „Hast Du oder hast Du nicht?“, hakte Herbert leicht ärgerlich nach. „Hab ich nicht“, sang Helga, inzwischen auf der Rückbank sitzend und mit dem Gurt kämpfend. „Mein Schlüssel hängt da noch.“ Herbert verschwand im Hausflur. „Hier hängt kein Schlüssel“, rief er Richtung Auto. „Wir haben doch auch einen“, mischte sich Jenna ein. „Was sucht der Mann denn da“, murmelte Helga ungeduldig, „die Schlüssel sind da wo sie immer sind.“ Vorsichtshalber warf sie aber noch einen Blick in ihre kleine Handtasche. „Komm Herbert, ich hab den Schlüssel in der Tasche“, rief sie lachend.

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