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Zweites Kapitel.

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»Sein Wort ist gut wie Schrift, sein Eid Orakel; In Liebe echt, im Denken mackellos.«
Die zwei Herren aus Verona.

Nicht leicht war's, den Rathsherrn Beverout in seiner philosophischen Gemüthsruhe zu stören, indessen hätte man sich nicht geirrt, wenn man das Spiel der unteren Muskeln seines Gesichts als Selbstgefälligkeit über seinen Sieg, und die zusammengezogenen Theile um die Stirn als ein klares Bewußtseyn der eben bestandenen Gefahr auslegte. Die linke Hand wühlte in der Tasche unter kleinen spanischen Geldmünzen, von welchen unser Kaufmann, wenn er ausging, stets einen Vorrath bei sich hatte; und mit einem Rohr in der rechten schlug er taktmäßig und kräftig das Pflaster; eine Aeußerung seines entschlossenen Wesens. So setzte er noch einige Minuten seinen Gang fort, und trat bald aus den niedriger gelegenen Straßen in eine, welche am Rande der an diesem Theile der Insel sich erhebenden Felskrone entlang lief. Hier machte er bald vor der Thür eines Hauses Halt, das in jener Provinzialstadt ganz das Aussehen der Wohnung eines Patriciers hatte.

Zwei falsche Giebel, mit eisernen Wetterhähnen auf den Spitzen, bildeten Felder im Dach, und der länglich enge Eingang war aus den rothen Quadersteinen des Landes gebaut. Das Material des übrigen Gebäudes bestand, wie gewöhnlich, aus kleinen, harten, holländischen Backsteinen, und war mit einer zarten Milchfarbe angestrichen.

Ein einziger Schlag mit dem gewichtigen glänzenden Klöpfer brachte einen Bedienten an die Thür. Die Schnelligkeit, mit welcher dem Rufe entsprochen ward, bewies, daß der Alderman, ungeachtet der frühen Stunde, kein unerwarteter Gast war. Auch zeigte sich keine Ueberraschung auf dem Gesichte des schwarzen Thürstehers, als er den Eintritt Begehrenden erblickte; vielmehr deutete jede seiner Bewegungen darauf hin, daß man auf den Empfang des Besuchs vorbereitet war. Der Alderman nahm indeß die Einladung, einzutreten, nicht an, lehnte sich an das eiserne Gitter des Stoop, und ließ sich mit dem Neger in ein Gespräch ein. Dieser war wohlbetagt, hatte ein graues Haupt, eine Nase, die fast auf gleicher Ebene mit dem übrigen Gesicht lag, Runzeln in den verworrenen Zügen, und eine sich unter der Last der Jahre krümmende, obgleich noch immer feste Gestalt.

»Grüß' dich wacker, alter Cupido;« hob der Bürger an, in jener aufrichtig herzlichen Weise, mit welcher damals die Eigenthümer Sklaven, die sie leiden konnten, anzureden pflegten. »Ein reines Gewissen ist eine gute Nachtmütze, und du siehst ja freundlich aus, wie die Morgensonne! Hoffentlich hat mein Freund, der junge Patroon, nicht minder gut geschlafen, und zum Beweis schon sein Gesicht gezeigt.«

Der Neger antwortete in jener langsamen, abbrechenden Weise, die ältlichen Sklaven so eigen ist:

»Er viel wacht, Masser Alerman. Ich glaube, er nicht schläft seine halbe Zeit, kürzlich. Alle seine Thätigkeit und Lebhaftigerei fort! und er nicht thut etwas, als rauchen. Ein Gentlum, der raucht allezeit, Masser Alerman, wird ein melarcholischer Mann, am Ende. Ich wirklich glaub, es muß geben in York eine junge Frauenzimmer, die sein Tod seyn wird, einmal.«

»Wir wollen schon Mittel finden, ihm die Pfeife aus dem Munde zu nehmen,« sagte der Andere, den Schwarzen pfiffig anschauend, als wenn er seine Meinung mehr andeuten als äußern wollte. »Romane und hübsche Mädchen machen was sie wollen mit unserer Philosophie, so lange wir jung sind, wie du aus Erfahrung weißt, alter Cupido.«

»Ich jetzt nicht mehr gut bin zu nichts dererlei, gar nichts,« erwiederte ruhig der Schwarze. »Hab' mal Zeit gelebt, wo wenig farbige Mensch in York, hat gehabt mehr Hochachtung beim schönen 'Schlecht, aber das schon lange her. Nun, die Mudher von ihrem Euclid, Masser Alerman, war ein hübsches Frau, obschon ihre Aufführung nur mittelmäßig war. Dazumalen war ich selbst jung, un ich pflegte in Alermans Vater sein Haus zu besuchen, eher die Engländer ankamen un wie oller Patroon noch eine junge Mann war. Golly! ich sehr lieb den Euclid, obschon das junge Hunt nimmer zu mir kommt.«

»Das ist ein Schlingel! Kaum kehr ich den Rücken um, so sitzt der Schelm schon auf einem der Wallache seines Herrn.«

»Er sehr jung ist, Masser Mynert; Nimmand kriegt Einer Weisheit bevor ein graues Haar.«

»Er hat volle vierzig, und der Spitzbube wird unverschämter, je älter er wird. Das Alter ist ein ehrwürdiger und achtbarer Stand, wenn es Ernst und Ueberlegung mitbringt; aber wenn ein junger Laffe Langeweile macht, so ist ein alter Narr verächtlich. Ich steh dafür, du warst nie so unbesonnen oder so herzlos, Cupido, ein abgemattetes Thier des Nachts zu reiten.«

»Gutt, ich wer' ziemlich alt, Masser Mynert, un nicht alles mehr weiß, was ich hab gethan, als ich war noch jung. Doch hier ist der Herr Patroon, welcher versteht dem Alerman dererlei zu sagen, besser als ein armer Sklav.«

»Wünsch wohl aufgestanden zu haben und einen glückbringenden Tag!« rief der Alderman, indem er einen hohen, langsam einherschreitenden, vornehm aussehenden jungen Mann begrüßte, der fünf und zwanzig Jahr alt seyn mochte, aber mit der Gravität eines Fünfzigers herannahte. »Die Winde schweigen, als wären sie besprochen, und kein schönerer Tag hat je am Himmel geglänzt, weder in der reinen Atmosphäre Hollands, noch in Alt-England selbst. Potz Colonien und Gönnerschaft! wenn das Volk jenseits des Meers mehr Vertrauen zu Mutter Natur, und eine geringere Meinung von sich selbst hätte, es würde das Athemholen in den Plantagen erträglich genug finden. Aber die eingebildeten Spitzbuben sind wie der Balgentreter, welcher glaubt, er bringe die Musik hervor, und der allerbucklichste Kauz unter ihnen hält sich für gerader und gesünder als den Besten in den Colonien. Sieh einmal dort unsere Bai, so glatt als wenn sie von zwanzig Dämmen umschlossen wäre; gewiß, die Reise kann auf einem Kanal nicht sicherer seyn.«

»Das sehr gutt ist, wenn die Reise sicher,« murmelte Cupido, der sich aus Anhänglichkeit zu seinem Herrn allerhand um dessen Person zu thun machte. »Ich halte es für besser allzeit zu reisen auf dem Land, wenn ein Gentlum besitzt so viel wie Masser Oloff. War 'ne Zeit, wo ein Fährboot ging unter mit Leuten, eine Menge; und Niemand jemals ist heraufgekommen, um zu sagen, wo er ist gefallen hinab.«

»Hier steckt ein Irrthum!« unterbrach der Rathsherr, seinen jungen Freund beunruhigt anblickend. »Ich zähle vierundfünfzig Jahre, und kann mich keines solchen Unglücks entsinnen.«

»'Sis doch sehr zunderbar, wie leicht vergißt der junge Volk! Sechs Leute in jenem Boot ertrunken sind. Eine zwei Yankih, ein Franzos aus Canada, und ein armer Frauenzimmer von Jarseys. Alle jemande waren sehr leid über den armen Frauenzimmer!«

»Deine Rechnung stimmt ja nicht, Meister Cupido,« versetzte der Alderman, der nirgends mehr zu Hause war und nie geläufiger, als in arithmetischen Dingen. »Zwei Yankihs, ein Franzose und dein Frauenzimmer aus Jersey, machen nur vier.«

»Gutt, kann seyn, 's war nur eine Yankih, ich aber ganz gewiß weiß, daß alle ertrinken, denn der Gubbenör seine schönen Pferde auch hat verloren, in jenem Fährboot.«

»Wahrhaftig, der alte Knabe hat doch Recht, denn nun erinnere ich mich des Unglücks mit den Pferden, als wenn es erst gestern geschehen wäre. Indeß, der Tod ist der Monarch der Erde, und Niemand von uns darf hoffen, seiner Sense zu entwischen, wenn die bestimmte Stunde da ist! Doch Pferde gibt es heut keine zu verlieren, wir können also immerhin unsere Seereise mit heiteren Gesichtern und leichten Herzen antreten, Patroon. Gehen wir?«

Oloff Van Staats, oder der Patroon von Kinderhook, wie man ihn aus Höflichkeit in der Kolonie gewöhnlich nannte, besaß viel persönlichen Muth. Gleich den meisten Nachkommen der Holländer, zeichnete ihn bei Gefahren Festigkeit, und da, wo es Widerstand galt, ausdauernde Gegenkraft aus. Der Grund zu dem kleinen, eben vorgefallenen Wortkampf zwischen seinem Freund und seinem Sklaven, war daher nicht etwa, daß sie ihn für zaghaft gehalten hätten, sondern daß der Eine zärtlich wie ein Vater um seine Sicherheit besorgt war, der Andere seinerseits besondere Ursache zu wünschen hatte, daß der junge Mann das Vorhaben, die Seefahrt mitzumachen, nicht aufgeben möchte. Der junge Mann machte dem Streit ein Ende, indem er dem Knaben, welcher den Mantelsack trug, ein Zeichen gab und sich bereit erklärte, mitzukommen.

Cupido zögerte an dem Eingang, bis sein Herr um die Ecke war, schüttelte dann den Kopf, voll von den Ahnungen, welche Unwissenheit und Aberglaube einzugeben geeignet sind, trieb hierauf die junge Brut von Schwarzen, welche sich an die Thür gedrängt hatten, ins Haus zurück und schloß endlich alles mit scrupulöser Genauigkeit und Sorgfalt hinter sich zu. Wiefern die Ahnungen des Negers durch die That gerechtfertigt wurden, wird sich im Laufe der Erzählung zeigen.

Die breite Gasse, in welcher Oloff's Wohnung lag, war nur einige hundert Ellen lang. An dem einen Ende stand das Fort, am andern zog sich eine hohe Verpallisadirung entlang, welche man mit dem Namen, die Stadtmauer, beehrte, und die als Schutzwehr gegen plötzliche Einfälle der Indianer diente, denn die niedriger liegenden Bezirke der Colonie wurden damals nicht blos stark, der Jagd wegen, von Wilden besucht, sondern viele Indianer hatten dort auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt.

Man muß mit dem allmähligen Anwachs der Stadt sehr vertraut seyn, um in dieser Beschreibung die herrliche Straße wieder zu erkennen, die sich heut mehrere englische Meilen hin durch den Mittelpunkt der Insel zieht. Von dieser Allee, damals wie noch jetzt »der breite Weg« genannt, stiegen unsere Abenteurer, im Gespräch begriffen, in den tiefer gelegenen Theil der Stadt hinab.

»Bei so einem Neger, wie der Cupido, bleibt das Dach auf dem Hause, wenn der Herr abwesend ist, Patroon;« bemerkte der Aldermann, als sie die Stoop verlassen hatten. »Er sieht aus wie ein Hängeschloß, und es muß sich schon ohne störende Träume schlafen lassen, wenn man einen solchen Wächter in der Nähe hat. Hätt' ich doch meinen Stallschlüssel mitgebracht und ihn dem ehrlichen Kerl eingehändigt!«

»Ich hörte meinen Vater immer sagen, daß die seinigen unter seinem Kissen am sichersten lägen,« erwiederte mit unerschütterlichem Gleichmuth der Eigenthümer der hunderttausend Morgen.

»Oh, der Fluch Kain's! Auf einem Katzenrücken soll man doch nie einen Marderpelz suchen; aber, Herr Van Staats, als ich diesen Morgen zu Ihnen ging, wollte es mein Geschick, daß ich den gewesenen Gouverneur antreffen mußte, den seine Gläubiger in den Frühstunden, wo er sich von unbequemen Mahnern ungesehen glaubt, frische Luft schöpfen lassen. Sie haben hoffentlich das Glück gehabt, Patroon, Ihr Geld zurückbezahlt zu bekommen, ehe das königliche Mißfallen den Menschen heimsuchte.«

»Ich habe das gute Glück gehabt, ihm nie welches anzuvertrauen.«

»Das war noch besser, denn es wäre eine unfruchtbare Auslage gewesen; große Gefahr des Kapitals und keine Zinsen. Inzwischen sprachen wir von allerhand Angelegenheiten, und unter andern erdreisteten wir uns auch, ein Wort über Ihre Liebesbewerbung um meine Nichte fallen zu lassen.« »Weder die Wünsche von Oloff Van Staats, noch die Neigung der schönen Barbérie, sind Gegenstände für den Gouverneur und seinen Rath,« sagte trocken der Patroon.

»Sind auch nicht als solche behandelt worden. Der Viscount gab gute Worte, und wäre er nicht gar zu unbillig gewesen, so würden wir uns wohl verständigt haben.«

»Es freut mich, daß die Unterredung mit einiger Zurückhaltung geführt wurde.«

»Der Mensch übersprang allerdings alle Vernunftgrenzen, denn er verlor sich in persönliche Anspielungen, die kein kluger Mann billigen konnte. Inzwischen gab er Hoffnung, daß die Coquette doch noch nach den Inseln wegbeordert werden dürfte.«

Wir haben schon erwähnt, daß Oloff Van Staats ein hübscher junger Mann war, der eine ansehnliche Person, hohen Wuchs und die Manieren eines gebildeten Mynheer hatte; ein Britte blos als Unterthan, war er in seinen Gefühlen, Sitten und Ansichten ganz Holländer. Bei der Anspielung auf die Gegenwart seines anerkannten Nebenbuhlers stieg ihm das Blut in's Gesicht: ob aber dieser Aufwallung Stolz oder Aerger zum Grunde lag, war mehr, als sein Gefährte zu entdecken vermochte.

»Wenn Kapitän Ludlow eine Küstenfahrt in den Westindien dem Dienste in diesen Gewässern vorzieht, so wünsche ich ihm Glück in seinem Bestreben,« lautete die zurückhaltende Antwort.

»Er macht den Liberalen, hat aber weiter nichts, als einen hochtönenden Namen und leere Koffer,« bemerkte der Alderman etwas kurz. »Meines Dafürhaltens müßt' er es uns Dank wissen, wenn wir den Admiral ersuchten, daß er einen so verdienten Offizier dahin schicken möchte, wo er Gelegenheit findet, sich auszuzeichnen. Die Freibeuter machen ja den Zuckerhandel zu einer wahren Teufelsjagd, und weiter im Süden fangen selbst die Franzosen an, lästig zu werden.«

»Er hat allerdings den Ruf eines wachsamen Kreuzers.« »Hol' der Blixum diese philosophische Kälte! Wenn Sie bei Alida Glück machen wollen, Patroon, so müssen Sie die Affaire mit mehr Lebendigkeit betreiben. Das Mädchen hat etwas vom Franzosen in ihrem Temperament, und mit Ihrem besonnenen und schweigsamen Wesen werden Sie den Tag nicht gewinnen. Dieser Besuch nach ›Lust in Ruh‹ ist Amor's eigenes Machwerk, und ich hoffe Euch Beide so einverstanden zurückkehren zu sehen, wie der Statthalter und die General-Staaten, wenn sie nach einem tüchtigen Zank wegen der jährlichen Geldbewilligung, die Sache freundschaftlich ausgeglichen haben.«

»Der Erfolg dieser Bewerbung liegt mir mehr als alles, am ....« Der junge Mann, gleichsam über seine eigene Geschwätzigkeit verwundert, brach kurz ab, stieß die Hand in die Weste, die er in der Eile beim Anziehen nicht ganz zugeknöpft hatte, und bedeckte mit der breiten Fleischmasse denjenigen Theil des menschlichen Körpers, welchen die Dichter keineswegs als den Sitz der Liebe zu bezeichnen pflegen.

»Magen? Wenn das Ihre Meinung ist, Sir, so werden Sie Ihre Hoffnung nicht getäuscht finden.« versetzte der Alderman etwas beißender als sich mit seiner Behutsamkeit vertrug. »Die Erbin von Myndert Van Beverout wird keine Braut ohne Mitgift seyn, und auch Monsieur Barbérie hat seine Lebensrechnungen nicht geschlossen, ohne für die Bilanz gehörig Sorge zu tragen – aber was zum Teufel! dort stoßen die Schiffer vom Kai ab ohne uns. Trab' voraus, Brutus, und sag' ihnen, sie sollen die gesetzliche Minute abwarten. Die Halunken sind nie präcis; bald fahren sie ab, ehe ich fertig bin, bald lassen sie mich in der Sonne stehen und warten, als wenn ich ein getrockneter Klippfisch wäre. Pünktlichkeit ist die Seele der Geschäfte: ein Mann von meinen Gewohnheiten liebt es nicht, der Zeit zuvorzulaufen, noch hinter ihr zurückzubleiben.«

Mit diesen und ähnlichen Worten machte der gute Städter, welcher das Thun und Lassen Anderer gern überall nach dem seinigen eingerichtet hätte, seinem Unmuth Luft, und eilte dabei mit seinem Reisegefährten vorwärts, um das langsam bewegte Boot, das sie aufnehmen sollte, noch einzuholen. Eine gedrängte Schilderung der Scene hat vielleicht einiges Anziehende für eine Generation, die, verglichen mit jener Zeit, eine späte genannt werden kann.

Eine tiefe, schmale Bucht drang an diesem Punkt eine Viertelmeile weit in die Insel. An beiden Ufern standen Häuserreihen, so daß das Ganze das Ansehen eines holländischen Kanals gewann. Da man sich nothwendig nach dem natürlichen Laufe des Einschnitts richten mußte, so hatte die Straße eine dem Neumond ähnliche Biegung genommen. Die Häuser waren im strengsten holländischen Styl, niedrig, winkelig, reinlich bis zum Aengstlichen, und alle mit Giebelfronten. Keinem fehlte der unschöne und unbequeme Eingang, die sogenannte Stoop, noch die Fahne oder der Wetterhahn, noch die Dachfenster, noch endlich die abgestuften Mauern mit Zinnen. Von der Spitze einer dieser Mauern ragte ein mäßiger eiserner Krahn in die Straße herüber, an dessen Ende ein kleines Boot von demselben Metall sich hin und her schaukelte, zum Zeichen, daß dies das Schifferhaus sey.

Wahrscheinlich hatte die angeborne Liebe zur Künstlichkeit und Umschränkung in der Schifffahrt die Bürger einen solchen Fleck zum Abfahrtsort so vieler Fahrzeuge wählen lassen; denn allerdings boten die beiden Flüsse, mit ihren breiten, freien Kanälen, mehr als einen Punkt dar, welcher zweckmäßiger gewesen wäre.

Schon wimmelte die Straße mit etlichen vierzig Schwarzen, die ihre Reisigbesen in die Bai tauchten, und die Haupt- und Seitenwege mit Wasser besprengten. Diese täglich wiederkehrende Arbeit, leicht an und für sich, machten sie sich noch leichter durch laute Scherze und helles Gelächter, worin die ganze Straße, wie angesteckt von der sorgenfreien, freudigen Geistesstimmung, im vollen Chor einstimmte. Die Sprache dieses leichtherzigen, lärmenden Völkchens war holländisch, aber schon durch englische Wendungen und Wörter verdorben. Und wahrscheinlich ist es dieser Gang, den der Sprachwechsel genommen, welcher viele Nachkommen der alten Kolonisten auf die Meinung bringt, daß die letztere Sprache überhaupt nur ein verdorbener Dialekt der ersteren sey. Nun geht's aber diesen guten Leuten so, wie gewissen belesenen englischen Gelehrten, welche, wenn sie anfangen die Nase in die Werke der Festländer zu stecken, gleich literarische Diebstähle riechen: sie wissen nicht, daß Englands Sprache dem in Rede stehenden Dialekt eben so viel geliehen hat, als sie je aus den reineren Quellen der holländischen Schule geschöpft.

Hier und da guckten ernste Bürger, die Nachtmütze noch auf dem Kopf, aus obern Fenstern, und lauschten den barbarischen Sprachverdrehungen und den von Mund zu Mund fliegenden Spässen mit unbezwinglicher, von keiner Ausgelassenheit des Straßenvölkchens zu erschütternder Gravität.

Da die Bewegung des Fahrboots nothwendig nur langsam war, konnte der Alderman und sein Gefährte noch einsteigen, ehe die Bindseile eingezogen waren. Die Pirogue, wie diese Gattung von Fahrzeugen hieß, hatte eine gemischte, halb europäische, halb amerikanische Bauart. Sie war lang, schmal und von nettem Bug, wie das Canoe, dessen Namen sie führte; dagegen hatte sie den Flachboden und die Lee-Planken eines, für die seichten Gewässer der Niederlande berechneten Bootes. Noch vor zwanzig Jahren war diese Art Fahrzeuge in Menge auf unsern Flüssen, und selbst jetzt sieht man sie alle Tage mit ihren zwei langen, ungestützten Masten, ihren hohen, spitz zulaufenden Segeln, wie Schilf sich vor dem Winde beugen und leichtfüßig auf den Wellen der Bai tanzen. Uebrigens gibt es von dieser Gattung eine Art, die bei weitem größer und imposanter ist, als die eben erwähnte und die einen Platz unter den groteskesten und malerischsten Fahrzeugen verdient. Wer je die südliche Küste des Sundes beschifft hat, dem muß das Schiff, das wir meinen, oft vorgekommen seyn. Es zeichnet sich durch seine große Länge und durch Masten aus, die, frei von allem Tauwerk, gerad und kühn, wie zwei hohe, fehlerlose Bäume, aus dem Rumpf emporsteigen. Wenn das Auge die waghalsige Höhe der Segel, das edle Vertrauen der Takelage erschaut, und dabei zwei unerschrockene, gewandte Seeleute die verhältnißmäßig ungeheure Maschine mit Leichtigkeit und Anmuth handhaben sieht, so gleicht die Bewunderung derjenigen, welche der Anblick eines im strengsten alterthümlichen Styl erbauten Tempels erregt. Das klare, einfache Gebäu, verbunden mit der Verwegenheit und Schnelligkeit seiner Bewegungen, verleiht ihm einen Ton des Großartigen, den man bei dem Alltagsgebrauch des Fahrzeugs nicht erwarten sollte.

Die ursprünglichen Ansiedler New-Yorks waren, ungeachtet ihres häufigen Verkehrs mit dem Wasser, bei weitem nicht solche nichtsscheuenden Seeleute wie ihre Nachkommen heutigen Tags. Eine Fahrt über die Bai war eine Seltenheit in dem geräuschlosen Bürgerleben, ja Viele mögen sich noch erinnern können, daß eine Seereise zwischen den zwei vorzüglichsten Städten des Staats als ein Ereigniß angesehen wurde, welches Verwandte besorgt und die Reisenden selbst ängstlich machte. Die Gefahren des Tappaan Zees, wie noch heute eine der breiteren Ausdehnungen des Hudson genannt wird, waren oft das Sujet der Wundermährchen im Munde der guten Hausfrauen in der Kolonie, und diejenige unter ihnen, welche sie am häufigsten bestanden hatte, galt für eine Art Wasser-Amazone.

Die Wassernixe

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