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Drittes Kapitel.

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»Der Kerl gereicht mir zu großem Trost; mir däucht, er sieht nicht nach dem Ersaufen aus: er hat ein ächtes Galgengesicht!
Der Sturm.

Wie gesagt, die Pirogue war schon in Bewegung, ehe noch unsere zwei Abenteurer an Bord derselben zu gelangen vermochten. Die Ankunft des Patroon von Kinderhook und des Stadtraths Van Beverout wurde erwartet, und der Schiffer hatte genau in dem Augenblick, wo die Ebbe eintrat, abgestoßen, bloß aus jenem hochfahrenden, Leuten seines Gewerbes so wohlthuenden Unabhängigkeitsgefühl, um zu zeigen, daß ›Zeit und Fluth auf keinen Menschen warten.‹ Inzwischen trieb er seinen Trotz nicht zu weit, sondern trug Sorge, daß die Bewegung des Bootes einen so wichtigen und beständigen Kundsmann als den Rathsherrn, keiner erheblichen Unbequemlichkeit aussetzte. Als er und sein Freund eingestiegen waren, wurden die Bindseile an Bord geworfen, und die Mannschaft gab sich nun ernstlich daran, ihrem Fahrzeuge die gehörige Richtung nach der Mündung der Bucht zu geben. Während die Bootsleute so beschäftigt waren, saß ein junger Neger auf dem Bug der Pirogue, und ließ auf jeder Seite des Schafts ein Bein baumeln, so daß er eine Figur des Gallions ganz entbehrlich machte. Er setzte jetzt eine Muschel an, und mit seinen glänzend schwarzen Backen, angeschwollen wie die des Aeolus, mit einem Paar dunkler, leuchtender Augen, welche das Vergnügen aussprachen, das ihm die Muscheltöne machten, blies er in einemfort das Signal zum Absegeln.

»Steck' deine Muschel ein, du Schreihals!« rief der Alderman, und versetzte mit seinem Rohr dem Burschen im Vorbeigehen einen solchen Streich auf die entblößte Scheitel, der selbst einen minder auf's Lärmmachen Versessenen aus aller Harmonie bringen konnte. »Tausend trompetende Winde sind die Stille selbst gegen so ein Paar Lungen! Ihr da, Meister Schiffer, ist das Eure Pünktlichkeit, abzustoßen, ehe Eure Passagiere zusammen sind?«

Ohne sich irre machen zu lassen, oder die Pfeife aus dem Munde zu nehmen, wies der Bootsmann auf die schon zur Bucht hinausfließenden Wasserblasen – ein zuverläßiges Zeichen, daß die Ebbe bereits eingetreten war.

»Was kümmert mich Euer Ein und Aus, Eure Ebbe und Fluth,« erwiederte der Alderman mit Hitze. »Fuß und Auge eines pünktlichen Mannes sind die besten Zeitmesser. Abfahren ehe man fertig ist, und zögern nachdem nichts mehr zu besorgen bleibt, ist gleich beschwerlich. Laßt Euch was sagen, Meister Schiffer, Ihr seyd nicht der einzige Bootseigner in dieser Bai, auch sind schon schneller segelnde Fähren vom Stapel gelaufen als die Eurige. Seht Euch vor; obgleich ich nachsichtiger Natur bin, so findet wetteifernde Opposition doch Unterstützung bei mir, wenn es das öffentliche Beste erfordert.«

Gegen den Angriff auf sich behauptete der Schiffer eine stoische Gleichgültigkeit, aber die Eigenschaften der Pirogue konnte er nicht ruhig verunglimpfen hören, da er sich als ihren von Natur bestallten Wortführer betrachtete. Er nahm daher jetzt die Pfeife aus dem Munde, und mit jener Unumwundenheit, mit welcher die barschen Holländer jeden Beleidiger zu behandeln pflegten, gleichviel welchen Rang, welche persönliche Vorzüge er haben mochte, brummte er im Landesdialekt dem Rathsherrn die Entgegnung zu:

»Hol' die Windsbraut alle Rathsherren! Das Boot in der Vorker Bai möcht' ich sehen, welches der ›Milchmagd‹ sein Hinterkastell weisen kann! Der Bürgermeister und die Rathsherren sollten lieber befehlen, daß die Ebbe sich nach ihrem hohen Belieben einstelle, da würde dann jeder sein eignes Belieben haben, und statt Ebbe und Fluth hätten wir Strudel an Strudel im Hafen!«

Nachdem der Schiffer solchergestalt seine Meinung von sich gegeben hatte, nahm er seine Pfeife wieder vor, wie Jemand, welcher fühlt, daß er den Siegeslorbeer verdient hat, er mag ihn nun bekommen oder nicht.

»Mit einem Eigensinnigen rechten, ist verlorne Mühe,« sprach der Alderman zwischen den Zähnen und bahnte sich durch Gemüsekörbe, Butterfässer und allerhand andere Frachtgegenstände eines Marktschiffs einen Weg nach der Stelle, welche seine Nichte im Spiegel einnahm. »Guten Morgen, liebe Alida! frühes Aufstehen wird deine Wangen zu einem Blumengarten machen, und wenn du erst die reine Luft zu ›Lust in Ruhe‹ athmest, werden deine Rosen wo möglich noch üppiger blühen.«

Aber seine Bemerkung brachte jetzt schon tiefere Gluth auf die Wangen, die der wieder gutherzig Gewordene mit einer Innigkeit küßte, welche bewies, daß es ihm nicht an wahrer Seelenwärme fehlte. Den tiefen Bückling des bejahrten europäischen Lakaien, in einer ziemlich abgetragenen aber reinlichen Livrée erwiederte er mit einer Berührung des Huts, und mit einem freundlichen Kopfnicken den Gruß einer jungen Negerin, deren erborgter Anstand sogleich die Zofe der reichen Erbin erkennen ließ.

Was letztere anbelangt, so war ein zweiter Blick kaum nöthig, um sich zu überzeugen, daß sie nicht von Eltern gleicher Nation abstammte. Als Erbtheil von ihrem normannischen Vater, einem Hugenotten aus dem niedern Adel, hatte Alida de Barbérie das Rabenhaar, die großen, schwarzglänzenden, feurigmilden Augen, das rein klassische Profil und die schlanke Gestalt – deren Linien wellenförmiger waren, als sie den holländischen Damen in der Regel zu Theil werden. Von ihrer Mutter hatte ›Barberie die Schöne‹, wie man das Mädchen oft vertraulich nannte, eine Farbe der Haut erhalten, weiß und fleckenlos wie Frankreichs Blume, und eine Röthe, welche mit den reichen Tinten eines Abendhimmels in ihrem Vaterlande wetteiferte. Von dem Embonpoint, welches die Schwester des Rathsherrn in ziemlich reichlichem Maaße besessen hatte, war etwas auf ihre schönere Tochter übergegangen, in welcher es sich aber zur reizenden Jugendfülle gestaltete, und, ohne der Leichtigkeit und Anmuth der Gestalt etwas zu nehmen, ihren Umrissen nur noch mehr Weiches und Abgerundetes verlieh. Diese persönlichen Vorzüge wurden noch mehr hervorgehoben durch den netten, bescheidenen Reisehabit, durch einen kleinen, mit herabwehenden Federn geschmückten Biber, vor allem aber durch ihre äußere Haltung, die, ungeachtet der etwas verlegen machenden Lage für eine Dame, glückliche Mitte zwischen Selbstvertrauen und Befangenheit hielt.

Als der Alderman sich dieser Holden nahete, die so sehr die warme Theilnahme rechtfertigte, welche er in den vorhergehenden Scenen geäußert, fand er sie in einem höflichen Gespräch mit dem jungen Mann begriffen, welcher, nach der allgemeinen Meinung, unter den zahlreichen Bewerbern um ihre Gunst, die meiste Wahrscheinlichkeit des Erfolges hatte. Schon dieser Anblick allein würde hingereicht haben, die gute Laune Beverouts herzustellen. Die Unterredung konnte, so hoffte er, nur mit dem von ihm beabsichtigten und gewünschten Resultat endigen; er hütete sich also sie zu unterbrechen, und machte sich Platz, indem er François, den Bedienten seiner Nichte, kaltblütig aus dem seinigen wegschob.

Der gegenwärtige Versuch mißlang ihm jedoch. Menschen beiderlei Geschlechts, welche zum erstenmal eine Reise zur See machen, fühlen sich von einer Empfindung durchdrungen, die ihnen den Mund schließt und sie zum Nachdenken aufgelegt macht. Aeltere fühlen sich dann zum Beobachten und Vergleichen hingezogen; in jüngeren und mehr reizbaren Personen gestaltet sie sich zum Sentimentalen. Wir wollen uns nicht dabei aufhalten zu untersuchen, welches bei dem Patroon und Barbérie der Schönen Ursache und Folgen jener Empfindung gewesen seyn mögen, sondern bemerken nur, daß sie von beiden gefühlt ward; der gute Alte, der die träge Bucht zu oft beschifft hatte, um ähnlichen Anwandlungen noch ausgesetzt zu seyn, bemühte sich vergebens; die jungen Leute wurden immer stiller, gedankenvoller. Der kleine Gott stiftet sein Unheil eben so oft durch's Schweigen, als durch andre Mittel; diese Wahrheit durfte Myndert, wenn er auch selbst ein Hagestolz war, nicht jetzt erst lernen, daher nahm er auch zum Schweigen seine Zuflucht, und legte sich auf's Beobachten der langsamen Fortbewegung der Pirogue, was ihn so sehr zu beschäftigen schien, als wenn er seinen eigenen Schatten im Wasserspiegel verfolgte.

So, in dieser charakteristischen und, wie man schließen möchte, angenehmen Art, ging die Fahrt eine Viertelstunde, wo das Boot die Mündung der Bucht erreichte. Durch eine mächtige Gewalt ward es hier in die Linie der in Fluth begriffenen Wogen gerissen, und trat, im eigentlicheren Sinne, die Seereise an. Schon setzten die Schwarzen, aus denen die Mannschaft bestand, die Segel, schon war alles Andere zur wirklichen Abfahrt in Bereitschaft, da erscholl eine Stimme vom Ufer, ihnen, mehr im Tone des Befehls als Ersuchens, zurufend, daß sie Halt machen möchten.

»Hilloh, Pirogue!« rief's. »Holt Euer Obersegel an, und klemmt die Ruderpinne in den Schooß des behaglichen alten Herrn dort. Heran, lustig! meine Brummbären! sonst nimmt Euer Rennpferd von Fahrzeug das Gebiß auf die Zähne und läuft mit Euch auf und davon.«

Diese Aufforderung brachte die Leute zum Stocken in ihren Manövern. Erst sahen sie überrascht und verwundert sich einander an, dann vierten sie wirklich das Obershot, drückten das Ruder, ohne jedoch den Schooß des Rathsherrn zu incommodiren, luvabwärts, so daß das Boot einige Ruthen vom Ufer zum Stehen kam. Während der neue Passagier sich anschickte, in einer Jolle abzustoßen, hatten die im Boot, welche seine Bewegungen beobachteten, Muße, sein Aeußeres näher zu untersuchen, und über seinen Charakter ihre verschiedenen Vermuthungen zu machen. Wir brauchen wohl Keinem zu sagen, daß er ein Sohn des Oceans war. Er hatte einen kräftiggebauten, gelenkigen Körper, und maß in den Strümpfen genau sechs Fuß. Die Schultern waren gedrängt, obgleich breit, die Brust gewölbt und hoch, die Glieder gerundet, voller Muskelkraft und von reinen Umrissen, und die ganze Gestalt deutete auf das genaueste Verhältniß von Kraft und Kraftaufwand. Ein kleiner, runder Kopf bewegte sich mit Sicherheit auf seiner breiten Basis, und war umdunkelt von einem reichen Wuchs braunen, schon etwas graugesprenkelten Haares. Das Gesicht, das eines Dreißigers, war eines solchen Körpers würdig, männlich, kühn, entschlossen und fast schön zu nennen, obgleich im Ausdruck desselben wenig mehr lag, als Unternehmungsgeist, hohe Besonnenheit, etwas Starrsinn und ein gewisser Grad von Geringschätzung gegen Andere, welche der Fremde sich nicht immer viel Mühe gab zu verbergen. Ein reiches, starkes, überall sich gleichbleibendes Roth, überzog das Gesicht, wie es bei Menschen der Fall zu seyn pflegt, die von Natur eine helle und blühende Farbe besaßen, aber viel Strapazen ertragen haben.

Nicht minder merkwürdig als die Person, war der Anzug des Fremden. Er trug eine kurze, eng anliegende und geschmackvoll geschnittene Jacke, eine kleine, niedrige, nachläßig schief sitzende Mütze, weite Beinkleider, Alles von schneeweißem Segeltuch, ein Zeug, das der Jahreszeit und dem Klima am besten entsprach. Da die Jacke keine Knöpfe hatte, so erhielt dadurch ein reicher, indischer Shawl, der seinen Körper umgürtete, das Ansehen eines nothwendigen Kleidungsstücks, obgleich er mehr zur Zierde diente. Durch die Oeffnung am Busen schaute fleckenlos klare Leinwand hervor, und ein Kragen von demselben Stoffe fiel vom Halse über das bunte Seidenband, welches nachläßig einmal herumgewunden war. Dieses Band, von einer damals in Europa wenig gekannten Arbeit, war fast ausschließlich nur von den sogenannten Matrosen der langen Seereise getragen. Das eine Ende ließ man im Winde spielen, das andere hingegen war sorgfältig an der Brust angelegt, und daselbst an den elfenbeinernen Griff eines kleinen Messers befestigt, dessen Klinge die Brustleinwand verbarg – eine Art Tuchnadel, die selbst heutzutage noch bei Seeleuten nicht ungewöhnlich ist. Erwähnen wir nun noch, daß die Fußbedeckung in leichten Pantoffeln aus Kanevas bestand, auf deren Spannen »unklare« Anker eingewebt waren, so ist der Anzug des Fremden so vollständig angegeben, als es hier nöthig ist.

Die Erscheinung eines Menschen, von einem Aeußern wie wir es so eben beschrieben, erregte bei den Negersklaven, welche die Stoops und das Straßenpflaster scheuerten, nicht geringes Aufsehen. Vier oder fünf Müßiggänger darunter folgten ihm auf der Ferse, bis zu der Stelle, wo er die Pirogue anrief, und beobachteten seine Haltung und Bewegungen mit der, den Negern eigenthümlichen Bewunderung, wenn sie auf Menschen stoßen, denen es anzusehen ist, daß sie viel Abenteuer, Strapazen und Gefahren im Leben bestanden haben. Einem dieser Herumtreiber winkte der Held vom Indischen Shawl, ihm zu folgen, stieg in ein leeres Boot, das er losmachte, und stieß die leichte Jolle nach dem ihn erwartenden Fahrzeug. Wahrlich, das ungebundene Wesen, die Entschlossenheit und die männlichen Bewegungen eines so musterhaften Seemannes, würden auch die Aufmerksamkeit von Menschen auf sich gezogen haben, die mehr von der Welt gesehen, als die Paar Neger, welche in einem Haufen am Ufer standen und ihm voller Bewunderung, mit aufgerissenen Augen nachschauten. Durch das ungezwungene Spiel seines Handgelenks und Ellenbogens bewegt und rasch vorwärts gleitend, nahm sich die Jolle wie ein ausruhendes, mit den Wogen treibendes Seethier aus, und während er so, auf jedem Dollbord einen Fuß gepflanzt, fest wie eine Bildsäule dastand, erzeugte seine schwankenlose Haltung ungefähr dasselbe Vertrauen, welches man gewinnt, wenn man lange den Künsten eines sicheren Seiltänzers zugesehen hat. Als das leichte Boot an die Pirogue herangekommen war, warf er dem Neger eine kleine spanische Münze in die offene Hand und sprang mit solcher Muskelkraft in das größere Schiff, daß das kleinere von dem erhaltenen Stoß den halben Weg nach dem Ufer von selbst zurückflog, und der erschrockene Schwarze in dem schaukelnden Gefäß sich so gut festzuhalten suchen mußte, als es gehen wollte.

Tritt und Stellung des Fremden, sobald er das Halbdeck der Pirogue gewonnen hatte, waren ächt seemännisch und sicher bis zur Verwegenheit. Mit einem einzigen Blick schien er es heraus zu haben, daß Mannschaft und Passagiere auf der See nur halb zu Hause wären, und jene Ueberlegenheit über seine Schiffsgenossen zu fühlen, welche Leute seines Gewerbes zu jener Zeit nur zu oft gegen Personen hegten, deren Ehrgeiz sich vom festen Lande beschränken ließ. Er wandte das Auge hinauf nach dem einfachen Tau- und dem anspruchlosen Segelwerk der Pirogue, wobei er unwillkührlich die Oberlippe etwas aufwarf und eine Kennermiene annahm. Nachdem er hierauf die Vorderschotten freigestochen und den Segeln den Wind gegeben hatte, schritt er über die Butterfässer, und, ohne anzustehen, auch über einen ihm im Wege sitzenden Bauern hinweg, und gewandt und unerschrocken wie ein geflügelter Merkur, trat er auf's Heck mitten unter die Gesellschaft des Rathsherrn. Hier angekommen, war das Erste, was er unternahm, den erstaunten Schiffer mit einer ruhigen Befehlshabermiene vom Steuer wegzuschieben, und so gelassen, als träte er blos seinen täglichen Posten an, ihm die Pinne aus der Hand zu nehmen, um sie selbst zu lenken. Erst als er sah, daß das Boot in gehörige Bewegung gesetzt war, fand er Muße, von seinen Reisegefährten einige Notiz zu nehmen, und sein kühner, nicht zu verblüffender Blick fiel zunächst auf François, Alida's Bedienten.

»Ihre breite Flagge, Herr Commodore,« bemerkte der Aufbringung, auf den Haarbeutel des aufpassenden Franzosen hinzeigend, dabei aber so unerschütterlich ernst, daß der arme Teufel halb irre wurde, »wird Sie belästigen, wenn wir Sturm bekommen sollten. Doch ein so erfahrener Offizier ist gewiß nicht ohne Sturmstange gegen schlechtes Wetter in See gestochen.«

Der Lakai verstand die Anspielung nicht, oder that, als wenn er sie nicht verstünde, und behauptete eine vornehme Miene stiller Ueberlegenheit.

»Der Gentleman ist in fremden Diensten und versteht einen englischen Seemann nicht. Na, wenn zu vieler Windfang da ist, so haut man ihn im schlimmsten Fall weg, und läßt ihn mit den Wellen treiben. – Darf ich so frei seyn, Herr Richter, Sie zu fragen, ob die Behörden seit Kurzem in Betreff der Freibeuter auf den Inselgewässern etwas gethan haben?«

»Ich habe nicht die Ehre, ein Beamter I. Majestät zu seyn,« erwiederte kalt Van Staats von Kinberhook, an welchen die Frage gerichtet war.

»Der beste Schifffahrer wird zuweilen durch eine Dunstgestalt irre geführt, und schon mancher alte Seemann hat eine Nebelbank für festes Land gehalten. Uebrigens wünsche ich Ihnen Glück, Sir, daß Sie nicht zu den Gerichten gehören, denn man fährt dort zwischen Untiefen, sey's als Richter, oder als Kläger. Man befindet sich nie in recht sicherem, landumschlossenem Hafen in der Gesellschaft eines Juristen, und doch kann der Teufel selbst sich nicht immer in gehöriger Ferne von diesen Hayfischen halten. – Ein schön Stück Wasser, Freunde, ist diese Yorker-Bai; für verfaulte Taue und widrige Winde kann man es sich nicht besser wünschen.«

Der Patroon glaubte, diese Gelegenheit benutzen zu müssen, um Alida zu zeigen, daß er sich mit dem Fremden im Aufziehen messen könne, und versetzte daher: »Sie sind ein Matrose von der langen Reise.«

»Lang oder kurz; Calcutta oder das Cap Cod; blinde Fahrt, klare, oder Sternguckerei, dem echten Delphin ist alles gleich. Die Gestalt des Gestades zwischen Fundy und Horn ist meinem Auge so was Gewöhnliches, wie dieser jungen Dame ein Anbeter, und was die andern Küsten betrifft, so hat der Commodore da seine Flagge nicht so oft aufgesetzt, als ich bei schönem wie bei schlechtem Wetter daran entlang gefahren bin. Eine Fahrt wie die gegenwärtige, ist ein Sonntag in meinem Schiffsleben, obgleich ich mir zu sagen getraue, daß Sie das Testament noch einmal durchsahen, vom Weibe Abschied nahmen, den Kindern Ihren Segen ertheilten und sich selbst den des Priesters ausbaten, ehe sie diesen Morgen an Bord stiegen.«

»Nun, solche Vorkehrungen würden die Gefahr gerade nicht vermehrt haben,« sagte der junge Patroon, begierig einen verstohlenen Blick auf die schöne Barbérie zu werfen, aber so schüchtern, daß er ihn neben ihr vorbeistreifen ließ. – »Man ist darum der Gefahr nicht näher, daß man auf ihr Herankommen gefaßt ist.«

»Wahr; wir müssen alle sterben, wenn die Rechnung geschlossen ist. Hängen oder Ersaufen – Galgen oder Kugel säubert die Welt von einer großen Menge Schutt, sonst würde sich das Verdeck mit so viel im Wege liegenden Zeug anfüllen, daß es unmöglich wäre, das Schiff zu regieren. Die letzte Fahrt ist die längste, und richtige Schiffspapiere mit einem reinen Gesundheitsschein, helfen einem in den Hafen, wenn man die offene See nicht mehr halten kann. – Wie geht's, Schiffer? Was für Lügen schwimmen diesen Morgen in den Schiffswerften umher? wann hat sich der letzte Albanyfahrer mit seiner Tonne davon gemacht, den Fluß hinab? Wessen Wallach ist auf der Jagd nach einer Hexe todtgeritten worden?«

»Teufelsjungens!« brummte der Alderman; »an Taugenichtsen, die armen Thiere zu quälen, fehlt es freilich nicht.«

Der Seemann vom Indischen Shawl, ohne auf die Wehklagen des Bürgers zu achten, fuhr in seinen Fragen fort: »Haben sich die Boucaniers auf's Beten gelegt, oder machen sie hier im Rücken des Krieges glänzende Geschäfte? Die Zeiten sind schlimm für Leute vom echten Kaliber, wie sich an dem Kreuzer dort sehen läßt, der sein Ankertauwerk abnutzt, statt die offene See zu versuchen. Möge mir jede Spiere am Leibe zerspringen, wenn ich das Boot nicht noch vor morgen in's Freie nähme und ihm eine Auslüftung verschaffte, wenn die Königin geruhen wollte, Eurem ergebenen Diener den Befehl darüber anzuvertrauen. Liegt nicht der Lümmel dort vor Anker, als wenn er eine gute Fracht echter holländischer Leinwand in seinem Raume hätte, und auf einige Ballen Biberhäute wartete, um sie gegen seinen Branntwein einzutauschen.«

Während der Fremde so ganz unumwunden seine Meinung von dem königlichen Schiff, die Coquette, äußerte, durchlief sein Auge die Mitglieder der Gesellschaft, und weilte einen Augenblick mit vielsagender Heimlichkeit auf dem unabgewandten Antlitz des Rathsherrn.

»Nun gut,« fuhr er fort, »wenn die Schaluppe zu weiter nichts taugt, so dient sie wenigstens zu einer schwimmenden Wetterfahne, die Richtung der Fluth anzuzeigen; und bei der Schifffahrt eines Herrn von Eurem Scharfsinn, Bootsmann, der Ihr eine so sorgsame Acht gebt auf die Art, wie sich die Welt herumdreht, ist das schon kein zu verschmähender Beistand.«

Der Eigenthümer der Pirogue, der den Spott nicht verstand und sich daher auch nicht beleidigt fühlte, antwortete: »Wenn es wahr ist, was man sich in der Bucht erzählt, so kriegt Kapitän Ludlow und die Coquette was zu thun, ehe viele Tage vergehen.«

»Aha! der Kerl hat sein Fleisch und Mehl aufgegessen, und wird sich umsehen müssen, sein Schiff mit neuem Proviant zu versorgen! 's wär' Schade, wenn ein so thätiger Herr in einem Meereskanal, wo die Fluth sich so munter regt, sollte fasten müssen. Na, und wenn nun wieder was in seinem Küchengeschirr ist, und er sein Mittagessen gehörig verzehrt hat, woran wird er sich dann zu machen haben, meinst Du?«

»Unter den Bootsleuten der Südbai läuft das Gerede, daß sich auf der Langen-Insel, nach der Meeresseite hin, gestern Nacht etwas gezeigt hat.«

»Die Wahrheit dieses Gerüchtes kann ich selbst bestätigen, denn ich bin mit der Abendfluth heraufgekommen und hab' es mit eignen Augen gesehen.«

»Was alle Teufel! nun, wofür hältst Du's?«

»Für den atlantischen Ocean; wenn Ihr meinem Wort nicht glauben wollt, so fragt nur den wohlbeballasteten alten Herrn hier, der, als ein Schulmeister, Euch die Länge und die Breite zur Bestätigung meiner Aussage angeben kann.«

»Ich bin der Rathsherr Van Beverout,« brummte der Gegenstand dieses neuen Angriffs zwischen den Zähnen, so daß man merken konnte, es kam ihm schwer an, von Jemandem, der seiner Zunge so freien Lauf ließ, Notiz zu nehmen.

»Bitte tausendmal um Vergebung!« erwiederte der unbekannte Seefahrer mit einer gravitätischen Verbeugung. »Das Solide in Ew. Gestrengen Gesicht hatte mich getäuscht. Ja freilich, erwarten, daß ein Rathsherr die Lage des atlantischen Meeres kenne, ist zu viel verlangt. Aber in der That, meine Herren, ich versichere Sie, auf die Ehre eines Mannes, der in seinem Leben viel Salzwasser gesehen hat, die See, von der ich spreche, ist wirklich dort. Befindet sich etwas auf oder in ihr, was von Rechtswegen nicht auf oder in ihr seyn sollte, so wird uns der würdige Commandeur der Pirogue hier das Uebrige zu wissen thun.«

»Ein Holzboot aus den Landbuchten hat ausgebracht, daß der Streicher durch die Meere kürzlich längs der Küste gesehen worden ist,« berichtete der Fährmann, mit imposantem Tone, wie Jemand, welcher überzeugt ist, daß er etwas allgemein Wichtiges mittheile. »Es sind doch echte Seehunde, wahre Wundermännchen, die Holzboote der Landbuchten.!« bemerkte gelassen der Fremde. »Sie können Euch des Nachts sagen, ob das Wasser roth oder grün aussieht, und steuern ewig grad' auf den Wind los, um Abenteuer aufzusuchen. Ich wundere mich nur, daß man ihrer nicht eine größere Anzahl als Kalendermacher anstellt; in dem, den ich zuletzt kaufte, war ein Gewitter unrichtig angegeben, alles aus Mangel an gehöriger Wissenschaft. Und, bitte, Freund, wer ist dieser »Streicher durch die Meere«, der seinen Lauf nach der Nadel nehmen soll, wie ein Schneider nach der löcherigen Rocktasche seines Nachbars?«

»Die Hexen mögen es wissen! Ich kann blos sagen, daß es einen solchen Seewanderer gibt, und daß er heute hier und morgen dort ist. Einige behaupteten, es sey blos ein Fahrzeug aus Nebel, welches über den Wellenspitzen schwebt, wie eine segelnde Seemöve; Andere halten es für den Geist eines von dem Kidd im Indischen Ocean geplünderten und beraubten Schiffes, das nach seinem Gold und seinen Erschlagenen die Meere durchstreift. Ich habe es selbst einmal gesehen, aber die Entfernung war so groß, und seine Bewegungen so unnatürlich, daß ich nicht genauer berichten konnte, wie der Rumpf oder die Takelage ausgesehen hatte.«

»So etwas kommt nicht jede Wache in's Logbuch! In welcher Richtung, in welchen Gewässern begegnetest du dem Dinge?«

»'s war auf der Höhe des großen Kanals. Das Wetter war dick, und wir waren beim Fischen; und als der Nebel sich ein wenig hob, erblickten wir ein Schiff, küstenwärts gerichtet, und wie ein Rennpferd laufend; bis wir aber unsere Anker gelichtet hatten, wars umgeschwenkt und schon eine Stunde in die See hinein.«

»Ein klarer Beweis, daß das Schiff, oder – Eure Phantasie sehr thätig war. Doch was für eine Gestalt hatte der Ausreißer, wie sah er aus?«

»Das ging in's Unbestimmte. Dem Einen schien es ein vollständig getakelter, weit einschneidender Kiel; ein Anderer nahm es für ein Bermudisches Küstenboot; mir selbst aber kam es vor, wie zwanzig Piroguen, die in ein einziges Schiff zusammengezimmert sind. So viel ist inzwischen Jedermann bekannt, daß in jener Nacht ein Westindienfahrer in See stach, und daß seit den drei Jahren – so lange ist es nun her – kein Mensch in York von ihm oder seiner Mannschaft das Mindeste gehört hat. Von jenem Tage an bin ich nie wieder bei dickem Wetter an die Sandbank gefahren, um zu fischen.«

»Daran habt Ihr wohl gethan,« bemerkte der Fremde. »Ich habe selbst viel wunderbare Gesichte auf dem rollenden Ocean gesehen, und wen sein Gewerbe nöthigt, zwischen Wind und Wasser zu liegen, wie Ihr, mein Freund, der soll sich nie einer dieser Teufelsflaggen zu nahe wagen. Ich könnte Euch eine Geschichte erzählen von einer Begebenheit in den windstillen Breiten unter der senkrechten Sonne, die allen Zuneugierigen als eine warnende Lektion dienen würde. Waghalsige Aufträge und Charakterfestigkeit sind keine Dinge für Eure bequemen Küstenfahrer.«

»Wir haben Muße, lassen Sie hören,« sagte der Patroon, der auf das Gespräch aufmerksam geworden war, und in Alidas dunkelglänzenden Augen las, daß sie die versprochene Erzählung gern hören möchte.

Aber plötzlich ward das Gesicht des Fremden ernst; er schüttelte den Kopf, andeutend, daß er starke Ursache habe zu schweigen, und nachdem er die Ruderpinne hatte fahren lassen, ging er nach der Mitte des Boots, zwang ganz ruhig einen dort sitzenden Landmann, der noch immer mit offenem Munde gaffte, seinen Platz zu verlassen, den er, nach der ganzen Länge der Athletengestalt, selbst einnahm; nun legte er die Hände kreuzweis über die Brust, schloß die Augen, und in weniger als fünf Minuten hatten Alle, die nahe genug waren, hörbaren Beweis, daß dieser außerordentliche Sohn des Oceans in tiefen Schlaf gesunken war.

Die Wassernixe

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