Читать книгу Jugend eines Volkes. Ehrenhafter Untergang - Meinrad Inglin - Страница 4

Ursprung

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Im Grauen der ersten Frühe zogen Menschen von Mitternacht her durch die tropfenden Wälder, gebräunte bärtige Männer im Fell von Rind und Wolf, die Axt im Gurte, die Faust am Spieß, den linken Arm im Schild, die hellen Augen voll der kindhaft dringlichen Neugier, die hinter jedem Gehölz und Hügel das Wunder erwartet. Zwei Schwertbewehrte wählten den Weg, die regellos Folgenden schürften Weismale in die Rinde alter Tannen. Hoch am Rand einer queren Flußrinne hielten sie zögernd an, die Sonne stieg aus den Nebeln, Hirsche horchten regungslos am fließenden Wasser.

Sie waren Alemannen, vom Stamm des edelsten Suebenvolks, der Semnonen, und sie hatten nach der Fahrt aus mitternächtlichen Wäldern die überfüllte Siedlung am See, die im Munde der Väter Turic hieß, mit Weib, Kind, Vieh und aller Habe wieder verlassen. Begierig waren sie dem See entlang weiter gezo­gen, doch als das Ufer nach Aufgang bog, ihm nicht gefolgt, sondern nach Mittag abgewichen, in rauheres Land, aber nach Mittag.

Jetzt hielten sie und wurden uneinig. Etliche wollten hier den Troß erwarten, dem sie vorangezogen, und dann weiter, den Fluß hinauf oder hinüber, andere wollten zurück, die Schwertbewehrten selber, edler Abkunft beide, stritten darüber. Der Edle Swen forderte, indes er mit dem Schwerte spielerisch ein Tännchen schändete, daß man wohl dies ganze Waldland bis zum Gebirge unter Bot zu nehmen habe, aber die Siedlung zurückverlegen müsse an das Seeknie, weil nur ein Tor noch bergwärts ziehen könne. Da stand der andere auf, Swit, und sagte, daß er denn ein Tor sein und mit allem Anhang bergwärts fahren werde, aber niemand hindern wolle, umzukehren. Er warf sich die mit Marder und Fuchs verbrämte Wolfshaut über, nahm die Waffen und suchte am Fluß nach der nächsten Furt, um weiter zu fahren, aus Aberwiz vielleicht, doch voll geheimer Neugier und dem Herzen folgend, mittagwärts.

Swen verlor darob die Lust zur Umkehr und fügte sich murrend.

Nach Mittag spießten sie in den Riedern des kleinen Flusses, dem sie quellwärts folgten, zwei Sauen. Danach wurde das Tal beschwerlich, der Boden stieg, gestürzte Tannen und Geröll versperrten den geraden Weg, und unversehens berührte wie ein dunkler Flügel der Abendschatten die Wildnis. Jetzt standen auch die Willigen still und hofften kaum, daß ihnen in solcher Fremde ein guter Gott noch nahe sei. Auf Swits Geheiß aber blieben sie, wo sie standen, schlugen Tannen um, bereiteten mit Mü­he den La­gerplatz und zündeten ein Feuer an; darauf gingen sie bis auf zwei zurück dem Troß entgegen, halfen ihm zum Lager und erfuhren voller Unmut, daß schon um Mittag alles umgekehrt sei, was nicht zu den Männern der Vorhut gehöre. Die Söhne der Edlen schlugen die Zelte auf, die Frauen molken und kochten das späte Mahl, die Knechte umzäunten das Vieh. Die gewohnte Fröhlichkeit der Abendlager erwachte nicht.

Die Nacht war unruhig, das Schmelzwasser der Bachschlucht rauschte, donnerte, murmelte ohne Unterbruch, die Eulen riefen nah und dringend, ein mächtiger Vogel strich lautlos über das Feuer hin. Am Feuer stand der Wächter mit dem Spieß aufrecht da und horchte erschrocken in das gespenstige Dunkel hin­aus.

Um Mitternacht erhob sich Swit von der Ruhstatt, trat zum Wächter hinaus und hörte, daß ein großer Nachtvogel das Lager überflogen habe. Er schwieg, sein offenes, klares Gesicht wurde hart, seine Augen wurden klein und glühend. Er ging bergwärts durch die Dunkelheit, kehrte um, ging wieder und kehrte abermals zurück. Da trat ihm sein jüngster Sohn Wernher entgegen, brachte ihm Schild und Waffen, lachte und war selber zum Auszug gerüstet. Er nahm es an und begann mit Wernher den Aufstieg durch die dunklen Wälder, nachdem er heimlich geopfert und den Wächter berichtet hatte.

Mühsam drangen sie zwischen Blöcken und gestürztem Holz bergan und sahen, so oft der Ausblick frei war, verschneite Felsen und Kuppen dicht vor sich auf dem besternten Grunde des nahen Himmels. Als der Wald lichter wurde, gewahrten sie zwei kämpfende Bären, die bald aufgerichtet gegeneinander stürzten, bald verknäuelt und ingrimmig knurrend sich wälzten. Regungslos und strahlenden Gesichtes schauten sie zu, bis die Tiere sich kämpfend entfernten, dann setzten sie den Aufstieg fort. Nun aber sahen sie ringsum alles wie verzaubert, über den Höhen hinter ihnen wandelte der halbe Mond aus dem Randgewölk und wirkte sein mildes Licht in den durchsichtigen Nebeldampf, der die eben noch klare Luft zwischen Himmel und Erde jetzt erfüllte, während der Felsenwall vor ihnen drohend in die Breite wuchs. Eine weiße Eule flog lautlos über sie hin und zog eine leuchtende Spur schräg durch den Tann hinauf. Dieser Weisung folgten sie und kamen aus dem Walde heraus durch niederes Holz auf alte Schneedecken; doch wenige Schritte höher lag der Schnee so, daß sie mühsam knietief waten mußten und lieber einem apern Hang zustrebten, der seitwärts lag, aber mit dem Rückengrat doch auch gegen Mittag hinaufstieg.

Auf diesem Grate gewahrten sie das erste leise Morgengrauen so frohen Herzens, als hätten sie in dieser Bergwildnis kein Ende der Nacht erhofft, und während zugleich der Nebel sank, der Halbmond silbern bleichte und im Aufgang die vertraute Helle stand, hob in ihrer Nähe ein Birkhahn leise und zögernd zu balzen an, ein anderer höher oben gurrte schon mit voller Kehle, ein dritter folgte dem, und alsbald hörten sie erstaunt dasselbe, wohin sie nur lauschten, ein ganzes Volk von Hähnen. Sie stiegen weiter, immerfort dem innigen Gurren lauschend und dem zärtlich kirrenden Endruf, dem das Gurren atemlos und dringend folgte. Bald sahen sie auch etliche der brünstigen Werber selber vor dem bläulich dunklen Himmel springen, tanzen und streiten, indessen da und dort ein Huhn lautlos durch die fahle Frühe strich.

Die Röte des nahen Tages im Rücken betraten sie den Rand der Kuppe, Wernher bebend vor wundersüchtiger Neugier, aber der Vater gefaßt, weil hier vielleicht die eisige Öde unerbittlich höher steigend ihren Anfang nahm oder auch nach mancher Sage hier die mitternächtliche Welt mit einem Abgrund endete. Doch sprachen sie über die Hähne; hier oben hatte einer getanzt, nun wies er leise fauchend die ungewohnte Störung ab. Jetzt schwieg er ganz. Halblaut rieten sie, ob er abgeflogen sei oder noch verweile. Aber sie sahen ihn nicht mehr. Sie betraten den Scheitel der Kuppe und verstummten.

Hier war kein Abgrund und starrte kein Eis. Mit blumigen braunen Halden sank die Woge der Erde hier wieder gelassen hin­ab, mit silbernen Rinnsalen, Riedern, Erlengebüschen und Kiefern hinab in grünlich schwarze Wälderbreiten, auf immer sanfteren Hängen hinab in den weiten Talgrund und zu freundlicher Ruhe in zwei Seen; aber gegen Untergang und gewaltiger noch gegen Aufgang schäumte sie mit verschneiten Kämmen über Gipfel und Kerben weiter mittagwärts und schloß sich hinter der Mulde hoch aufstürmend wieder zusammen.

Mit leisen dringenden Rufen begann bald Wernher vorlaut auf das hinzuweisen, was ihm in die Augen stach, auf die höchsten, goldenes Licht ausstrahlenden Wände und Firsten des unermeßlichen Gebirges im Mittag, auf die rings geschlossene nahe Wölbung des Himmels und auf die enge Bresche gegen Untergang, durch die allein man über mäßige Höhen wohl wieder in die Welt gelange; doch der Vater schwieg, den Blick in der großen dämmerigen Mulde, auf Riedern der Seeufer, auf freien Wiesen im obern Talgrund und kleinen Schwänden im Wäldergürtel. Auch als der Sohn sich anerbot, die Verbliebenen herauf zu holen, schwieg er noch; aber endlich steckte er da, wo er stand, den Spieß in die Erde, legte Schild und Schwert ab, setzte sich aufrecht dazwischen und antwortete laut, unwiderruflich: «Ja!»

Wernher rannte jauchzend den Rückhang hinab, den Spieß immer wieder auf rasch gewählte Ziele vor sich herwerfend, und sah von weitem schon die Rauchsäule des Lagerfeuers einsam, weiß und schlank dort unten im Gewoge der Wälder stehen.

Swit aber setzte sich wiederum hin, schaute in die Mulde hinab und nahm vom Ganzen wie von Jedem ein genaues Bild so in sein Inneres, daß er unten Schwand, Ried und Wiese, die Bäche, den Lauf des Flusses und manches andere anzuzeigen wüßte. Für ein kleines Volk war da Raum genug, vielleicht reichte auch der Wille des Herzogs nicht hierher, und nachdrängenden wilderen Völkern von Aufgang war man hier entrückt. Ein Traum von Wohlstand, Ordnung und Ruhe umspielte sein reifes Herz, und nur in seinem Untersten, wo er nicht viel älter war als sein jüngster Sproß, wachte noch die Zuversicht, daß man da sein ­Lager an eine Torschwelle zum sagenhaften Reich des Mittags hefte.

An die Menschen, die schon da unten wohnen mochten, dachte er kaum, das waren Fremde, die man noch nie der Achtung wert befunden, doch gedachte er freilich der Gottheit dieses Landes, fromm und willig genug, ein Zeichen hinzunehmen oder einen Wink der eigenen Götter. Zögernd erhob er die Schicksalsfrage vor einem mächtig beschwingten Vogel, Aar oder Geier, der in gelassenen Runden das Tal überflog; stieg er über das Gebirge hinauf oder strich durch die Bresche abendwärts, flog er zurück nach Mitternacht oder schoß auf Beute hinab in den Talgrund, so sollte darin ein Künftiges angedeutet sein.

Indessen strahlte der goldene Morgenglanz gewaltiger von den Firnen her, eine himmlische Heiterkeit ward lautlos über die Berge gebreitet, und der fahrende Mann, der nie desgleichen erlebt, ahnte froh erschrocken Heimdall, den die älteste Kunde auf den Himmelsbergen bezeugte. Fromm und sicher hielt er ihn im Herzen fest, den Sohn Odins, der dort über die Welt hin glänzend sein Roß mit goldener Mähne auf der Brücke vom Himmel zur Erde ritt, den Gott der Frühe, den Gott des Anfangs.

Ein Wärmeschauer traf ihn in den Rücken, er wandte sich um, stürzte mit dem Blick in die volle Sonnenlohe und sprang auf, erstaunt, daß er den Aufgang versäumt hatte. Nun also war es Tag, herrlicher als über Strömen und Ebenen, das große Gestirn erhob sich auch über diesem Lande. Rundum blickend sah er die wild erhobene Erde hell und ohne Schrecknis. Doch war über der Talmulde der kreisende Vogel ihm unbemerkt entschwunden. Er deutete es nicht schlimm, da er ganz frohgemuten Herzens war, er warf seine oberen Pelze ab und blieb, den Troß erwartend, still und bis zur Lende nackt im steigenden Lichte.

Swen war zur Umkehr gerüstet und drängte das freie Ge­fol­ge der Männer finster gelaunt zum Abzug, als der junge Bo­te mit der Kunde wie ein Wirbelwind aus den Wäldern herab ins Lager fuhr. Nun verzerrte er das Gesicht, schoß unbändig schimp­fend einen Spieß in den nächsten Wurzelstock und rief, da rings um ihn schon alles ungeheißen bergwärts aufbrach, Blitz und Donner auf die ganze Fahrt herab; dann fügte er sich, doch nicht zu stiller Folge, schweigend oder murrend, sondern wie ein Hengst, welcher inmitten der vorstürmenden Reiterei widerspenstig und zornwichelnd auf den Hinterbeinen getanzt hat, dann, über die vergebliche Mühe ergrimmt, plötzlich mitstürmt und schnaubend alles drängt, überholt und fortreißt. Frauen, Kinder, Träger und Vieh blieben in den Mühsalen der Auffahrt bald hinter ihm zurück, aber zornig keuchte er mit seinem Gefolge bergan, als wollte er, da nichts mehr zu wenden war, dem wahnhaften Ziele nun auch rasch und gründlich verfallen.

So kam er auf die Höhe, riß das Gesicht empört nach allen Winden und schrie Swit an, ob es nun genug sei oder wohin man denn in aller bösen Geister Namen noch ziehen wolle.

Swit lachte laut ob solcher Entrüstung, aber dann deutete er, ohne eine Hand zu rühren, mit Kinn und Bart in die Mulde hinab.

«Was?» rief Swen höhnisch erstaunt. Damit sei doch nicht dies Loch, diese Mausefalle, dieser Wäldersack gemeint?

Freilich meine er das, erwiderte der Gefragte, und beteuerte, daß er da unten gründen werde.

«Gut, vorwärts!» schrie Swen ingrimmig, rief seinen Leuten und schritt bergab der Talmulde zu, als gälte es nun vollends dem letzten Verderben, wofür die Schuld den andern treffen müßte.

Swit rief die Männer erbost zurück; mit so bärenhafter Willkür war man noch nie ins Unbekannte gezogen. «Illo!» rief er. «Sorno! Locholf!»

Die Gerufenen zögerten und rieten Swen, nun doch mit allen hier zu warten. Aber der wütige Edle schritt ohne zu halten oder zu antworten störrisch allein mit seinem Sohn Walram bergab und verschwand im Walde.

Um Mittag erschienen die erhitzten Knechte mit der Fahrhabe, die Frauen traten an den Rand der Höhe vor und blickten schweigend in das weite Tal hinab. Von Untergang wehte ein feuchter Wind, aus der Bresche wuchs eine Wolkenwand in die leuchtende Bläue hinauf.

Den Regen liebten die Fahrenden nicht und brachen nach einem kurzen Imbiß alle zugleich schleunig auf. Swit führte sie nach seiner inneren Richtung talwärts durch den Wald hinab. Entwurzelte oder gebrochene Tannen und Unterholz aber hemmten sie hier so, daß alle Männer mit der Axt zu schaffen hatten und das Krachen, Splittern, Fluchen, Rufen auf der ganzen Abfahrt nicht verstummte.

Als sie einer Bachschlucht entlang auf freien, sumpfigen Riedhängen hurtiger abwärts kamen, stieg neben ihnen unverse­hens mit zerzaustem Haar und Bart Swen aus der Schlucht herauf und schritt, vom Sohn begleitet, wortlos an die Spitze des Zuges.

Auf immer sanfteren Hängen und vom Wall der Berge nun hoch umschlossen drangen sie gegen die Mitte des Tales vor und nahmen begierig die ersten Spuren menschlicher Hände wahr, einen überwucherten Pfad, eine begonnene, aber verlassene Ro­dung, ein zerfallenes Hüttchen. Hier ließen die Männer den Troß zurück und folgten gespannt und leise dem Pfad, den Spieß wurfbereit in der Faust, den Schild zur Abwehr eingehängt, rauflustig wie vor einem Kampf, obwohl hier nur ein Spaß zu erwarten war.

Swit lächelte über sie wie über junge Hunde, die sich vor einem Wurzelgewirr drohend zum Sprunge ducken, und rief, daß man es ohne Lärm und Blut ankehren wolle. Als sie aber vor sich mitten in einer Wiese Haus und Gaden erblickten, stachelte Swen die Männer plötzlich auf, stürmte mit dem gellenden kriege­rischen Jauchzen, mit dem sie anzugreifen pflegten, gegen das fremde Gut und riß fast die ganze dröhnend aufjauchzende Rotte mit.

Eine gezähmte Wölfin zerrte sich beim Blockhaus tobend von der Kette und floh dem Walde zu, ein Weib auf der Türschwelle griff wankend mit beiden Armen nach den Pfosten und verschwand.

Swen brach ins Haus ein, riß lärmend alle Türen auf und fand das Weib mit einem Mann verkrochen unter dem Dache. Er jagte sie barsch hinaus. Draußen rief er die lachenden Männer zusammen, schlug ihnen vor, hier über Nacht zu lagern, schickte einen Boten zum Troß und hing seinen Schild an die Türe. Die zwei überfallenen Menschen standen ratlos abseits, gelähmt vor Schreck und zugleich erstaunt, daß sich von der wilden Rotte niemand mehr um sie bekümmerte.

Swit aber kam, hing seinen Schild ruhig auch an die Tür und trat zu den Fremden. Der fette, bartlose Mann trug einen römischen Überwurf, hatte einen kahlen Kopf, vorquellende dunkle Augen und einen schlaffen Mund. Das Weib, braunhaarig, mit gelben Augen und magerem Gesicht, schien nicht von seiner Art. Beide aber waren so klein, zahm und wohl bekleidet, daß neben ihnen die Männer in Waffen und Tierfellen riesigen Wilden glichen. Auf Swits Fragen antwortete bald der Fettwanst in einem hohen näselnden Ton, der alle zum Lachen brachte, bald in einer anderen, rauheren Sprache das Weib, aber sie verstanden einander nicht. Locholf, ein Schalk, trat ans das Männchen heran und blickte ihm, Mund und Augen aufreißend, mit gespieltem Entsetzen auf den kahlen Scheitel hinab.

Die Männer zerstreuten sich, einige forschten neugierig, wie Haus und Gaden gebaut waren, was sie enthielten und wie das Werkzeug aussah, andere prüften die Wiese und das fremde Vieh, zwei Rinder und eine Kuh.

Indessen kam ein fremder Mann mit einem Jüngling aus dem unteren Wald über die Wiese hinauf, ein Römer dem Aussehen nach. Er mußte das Geschrei vernommen haben, er kam, als wüßte er schon alles, und trat ohne Zögern unter die wilden Leute, nicht ängstlich, nur am Ende verwundert, weil niemand ihn beachten wollte. Er blickte aber alle an, ging an Swen vorbei und blieb mit einer leisen Neigung des schönen, schwarzhaarigen Hauptes vor Swit stehen. Swit sah schweigend mit kleinen Augen auf ihn herab, bis ihn der Fremde durch Haltung, Gebärde und verständliche Worte auch zu Gebärden und Worten bewog, und da verstanden sie einander.

Der Römer erfuhr, daß alemannisches Volk das Land bis zum Gebirge in Besitz genommen habe, daß nun auch dies Gehöft einem neuen Herrn gehöre und seine Bewohner zu gehen oder zu dienen hatten.

Swit erfuhr, daß dieser Schwarzhaarige, Antonius mit Namen, und der Kahle, Rufus, freilich römische Bürger seien, daß auf diesem Gehöft aber dauernd nur das Weib mit einem Jäger vom alten eingeborenen Stamme wohne. Auf die Frage nach dem Jüngling nannte der Römer den Namen Bervidin. Der Genannte, ein schlanker Braunhaariger, schaute den mächtigen Mann unverwandt mit dunklen staunenden Augen an.

Vom Wald her zog der Troß, das müde Vieh brüllte, die Treiber schrien, zwei Mädchen sangen. Die Knechte warfen vor dem Haus ihre Lasten ab, entluden die Ochsen und betreuten das Vieh. Ein Feuer begann in die Dämmerung zu lodern, die Zelte wuchsen dunkel auf, die Menschen wurden laut und übermütig.

Swit führte seine Frau und alle Kinder, die erwachsenen und kleinen, zur Haustür, aber Swen stand breit auf der Schwelle, und hinter ihm waren die Kammern erfüllt vom Lärm der Seinen. Die Männer standen mit dem Anschein kalten Gleichmuts ge­geneinander, doch nach den ersten kargen Lauten begannen sie ein verschmitztes Wortspiel, das eben noch die offene Wut verhielt. Da trat Swits Frau dazwischen, schüttelte mahnend das mütterliche Haupt, rief die Frau des andern heraus und fand bei ihr verständige Hilfe; sie riet gegen die Härte der Männer, man möge noch nicht entscheiden, wer hier wohnen solle, sondern über Nacht den Kindern und schwangeren Frauen dieses Obdach gewähren; den Fremden aber, die hier gewohnt hatten, solle man die Hälfte des Gadens überlassen.

Die Männer gingen ohne Frieden auseinander, aber die Mütter ordneten alles nach ihrem Sinne.

Die Nacht brach an, die entsprungene Wölfin strich ruhlos um das Lager, die Ohren vom Geheul und Gelächter raufender Knaben erfüllt, die Nase voll vom Duft des bratenden Fleisches. In der Nacht begann es zu winden und vom Himmel zu tropfen, die Wälder rauschten, Regen stürzte durch die Finsternis.

Es regnete Tage und Nächte hindurch, Gewölk deckte den feuchtkalten Talkessel zu, und als die graue Decke sich endlich hob, waren alle Höhen bis zum oberen Rand der Wälder verschneit. Aber unversehens strahlte die Wölbung wieder im reinsten Blau, ein warmer Wind stürmte von den mittäglichen Bergen herab, der Schnee zerfloß wie Nebel, die Wiesen grünten und das eingewanderte Volk lief erregt im singenden Sturm herum.

Die Mädchen bekränzten den Zuchtstier mit frischem Laub, die Söhne der Edlen führten ihn, von jauchzendem Gefolge umringt, zu einem der erbeuteten Rinder auf die Weide. Die Männer schlossen einen schweigenden Kreis um die Tiere. Der Stier erhob sich, den ungeheuren Nacken rundend, über das einheimische Rind und ritt es fast zusammen.

In der Nacht darauf fiel neuer Regen ins Tal und wiederum regnete es Tage und Nächte hindurch, bis abermals von Mittag her ein Wind mit lauen Atemstößen die schwingende Bläue aus den Wolken schälte.

Swit sah den Antonius über die Wiese kommen und weiter außen den schönen Jüngling, der bald lockend, bald gewalttätig die widerstrebende Wölfin hinter sich herzog.

Antonius trat zu Swit und deutete lächelnd zurück. Bervidin dort, sagte er, frage durch ihn den edeln Herrn an, ob er in seine Dienste treten und ihm das Tier schenken dürfe.

Als Bervidin die Beiden reden sah, umschlang er die wi­derspenstige Wölfin mit den Armen, rannte mit ihr herbei und zwang sie, ein Knie beugend, vor dem Herrn platt auf die Erde.

Swit heftete seinen festen Blick auf die bösen Augen des Tieres, das ihm knurrend die Zähne wies, dann hieß er den Knienden aufstehen.

Bervidin erhob sich. Die Wölfin blieb unter dem Blick erst eingeschüchtert liegen, dann zog sie gepeinigt den Grind zurück, warf sich jäh herum und jagte mit eingekniffenem Schwanz dem Walde zu. Sogleich suchte Bervidin sie einzufangen, er rannte laut rufend hinter ihr her, in so rasenden schlanken Sprüngen, daß neugierige Zuschauer bei den Zelten vor Anerkennung zu lärmen begannen.

Swit fragte wohlgelaunt nach der Herkunft des Jünglings. Antonius erzählte, es sei ein Sohn des Rufus und des eingebo­re­nen Weibes. Rufus habe, von der römischen Sittenverderbnis angefault, als junger Verwalter in dieser Provinz ungestört seinen Lastern gefrönt, dann sei er wegen eines Vergehens hieher verbannt worden. Der Mann hier, der Jäger, habe nicht gewagt, ihm sein Haus zu verweigern.

Swit erwartete, daß Antonius auch von sich aussage, wer er sei, was er hier treibe, doch erfuhr er nichts, er begehrte auch nicht zu fragen und verließ ihn schweigend.

Der eingeborene Jäger kam zögernd vom Waldrand her, wälz­te auf der Wiese ein Tier von den Schultern und blieb mißtrauisch oder verwundert stehen. Er war in Felle gekleidet, trug drei Wurfspieße seitlich an einem Riemen und schien von geschmeidiger Kraft. Antonius schritt rufend auf ihn zu. Auch ein paar Männer gingen hin, langsam, doch mit einer Neugier, die sie sonst vor keinem Fremden zeigten; aber mehr als dem Jäger galt sie der Beute, einem rauhhaarigen, dem Reh oder Hirsch verwandten Tiere mit kurzem, zurückgebogenem Gehörn.

Der Jäger hörte die Auskunft seines römischen Gastes an, wandte lebhaft den runden braunen Kopf nach den Männern und verharrte in einem finstern Schweigen. Danach hob er beide Arme, ließ sie fallen und blickte seitlich zur Erde, mit der schicksalsergebenen Bereitschaft, die er als Abkömmling eines zwischen zwei fremden Welten zermalmten Volkes mit den letzten zerstreuten Eingeborenen seines Landes teilen mochte.

Vom nächsten Morgen an begleitete er auf Swits Geheiß die Männer auf täglichen Kundschaften und Jagdzügen durch die Wälder des Tales, er zeigte ihnen den Wechsel der Hirsche, die Lager der Bären, verlassene Hütten, Weideplätze, und mied nur die wenigen noch von Genossen seines Stammes bewohnten Orte. Auch nannte er in seiner Sprache manches mit Namen, und die künftigen Siedler, dem ordnenden inneren Triebe folgend und aus einer immerwährenden leisen Angst vor der Gewalt des Namenlosen, wiederholten sie eifrig. Den Fluß im Talboden nannte er Muota; auf die Felsberge zu Häupten des Tales weisend, sagte er: «Mitun». Die Männer blickten zu den kahlen, menschlichen Sinn und Zweck starr überragenden Felsgebilden hinauf und wiederholten leise: «Mitun».

Als der Mond zum erstenmal vollgerundet über den dämmernden Bergrand stieg, umgrenzten die Edlen schweigend einen Platz vor dem Hause mit Stecken des geweihten Haselbusches; auf diesem Platz ließen sich alle freien Männer beim Anbruch derselben Nacht zur Beratung nieder, und es sollte die letzte Beratung sein, bevor jeder Freie mit den Seinen auszog, um Haus und Hof zu gründen. Es waren außer Swen und Swit sechs freie Männer, Illo, Rimher, Locholf, Ingo, Heß und Sorno mit ihren Söhnen, alle in Waffen und festlich erwärmt. Auf drei Schilden dampfte vor ihnen das Wildbret, das sie noch gemeinsam erbeutet, und in Darmschläuchen lag das Bier da, das sie auf dem Zuge mitgeführt hatten. Mit bedächtig gezügelter Gier griffen sie zum Fleische und verzehrten allein soviel wie sonst die ganze Sippe, und noch gieriger schlürften sie den gebrauten Saft, indessen das gesamte Lager sie trinkend, essend, singend und lärmend umgab.

Swen riet, daß man zur Fahrt in ein milderes Land aufbrechen möge, doch fand er nur bei den abenteuerlustigen Jungen Gehör. Die Väter hatten sich schon vorher still geeinigt, wo hier jeder gründen wollte; dem mußte sich fügen, wer nicht gemeinsame Rechte verlieren wollte. Da sprach sich Swen das Gut zu ei­gen, auf dem sie lagerten, aber ruhig erhob auch Swit Anspruch darauf. Der vorsichtige Sorno verlangte, man möge, bevor dies entschieden werde, das allen Gemeine festsetzen. So wollten es auch die andern. Sie kamen überein, daß jedem soviel Land zu eigen werde, als er reute, daß aber der Wald und alle Weiden darüber Gemeingut bleiben sollen. Versammlungen und Feste wollten sie nach überliefertem Brauche halten. Die Fragen der Botschaft an den Herzog, der Kriegsfolge und der Gerichtsbarkeit aber entzweiten ihre Stimmen; einige hielten zu den alten Satzungen des Volkes, andere wollten mit dem leidenschaftlichen Eigenwillen der frei Geborenen, frei Aufgewachsenen, in diesem entlegenen Tal nur mehr den Göttern, der Erde und dem eigenen Herzen folgen.

Während sie dies berieten, erregt von Trank, Rede, Widerspruch und künftigen Geschicken, vernahmen sie den hellen Lärm des übrigen Volkes, Gelächter, Schreie, Gesang, Kreischen der Mädchen, verstellte Stimmen närrischer Burschen und schreckhaft nachgeahmte Tierlaute. Zwei Glühhaufen lagen an einem Rain, wenig voneinander entfernt, wie rote Augen, mit denen die Erde in die mondhelle Nacht hinausstarrte. Schattenhaft beweg­ten sich tanzende, rauschig trollende, schleichende, rennende ­Ge­stalten durcheinander.

Bervidin sah erstaunt und neugierig vom Waldrand her­über, von Zeit zu Zeit die Wölfin anlockend, die sich bald eingeschüchtert an seine Schenkel schmiegte, bald erregt davontrab­te. Manchmal erreichte ihn eine Welle des festlichen Sturmes beinah, oder unversehens erhob sich ein Wirbel fremder Laute in seiner Nähe. Ein Fangspiel trieb eine zerstreute Rotte junger Leute vorüber. Als sie verschwunden war, ließ er die Wölfin, die er indessen mit beiden Armen gehalten hatte, wieder frei. Aber da lief in raschen, weichen Sprüngen ein Mädchen, das zurück­geblieben war, an ihm vorbei hinter den Verschwundenen her; das überraschte Tier duckte sich gereizt, setzte der Springenden lautlos nach und warf sie beim Anprall um. Bervidin rannte ­erschrocken hinzu und riß es mit aller Kraft von ihr weg. Die Überfallene hatte sich gewehrt; dennoch schien sie jetzt schweratmend wie aus einer Betäubung zu erwachen und erst allmählich zu merken, daß nicht mehr die funkelnden Lichter des Tieres, sondern zwei menschliche Augen über ihr waren, und statt der kralligen Pfoten die hilfreichen Hände des fremden Jünglings ihren Leib berührten. Die Wölfin hatte ihr das lose Gewand von Rücken und Brust gerissen; an der rechten Schulter, wo sie leise stöhnend hingriff, sickerte es aus einer Bißwunde schwärzlich über die braune Haut.

Bervidin bettete ihren Kopf auf seinen Arm, legte seine Lippen auf die blutende Wunde und verharrte so, regungslos, aber in einem inneren Taumel, als ob er sich mit feurigem Wein betränke, bis die Hand des Mädchens leise über seinen Scheitel fuhr.

Der feiste Römer lief neugierig durch die blaugoldene Dämmerung und roch grinsend in jedem Spiel und Tanz den dumpfen Aufruhr des barbarischen Blutes. Ein herumspringender ­höriger Knecht, dem er in die Quere kam, ein Riese mit Hörnern auf dem vermummten Kopf, überrannte ihn schweigend, doch er stand nur gruchsend wieder auf und trieb sich weiter. Er strich einem jungen Mädchen nach in den Schatten des Hauses und bot ihm dort eifrig nickend getrocknete Weintrauben an; das Mädchen drehte ihm hell auflachend den Rücken. Als er dar­auf schnüffelnd wieder im Mondlicht über die Wiese ging, fielen etliche Burschen über ihn her, kehrten ihn um und stellten ihn mit dem kahlen Schädel in den nächsten Kuhfladen; während er mit den kurzen dicken Beinen gegen den Himmel fuchtelte, drehten sie ihn unter dem dröhnenden Gelächter der Zuschauer auf dem Fladen immerzu rundum wie einen Mahl­stock.

Aber die Mütter gingen in dieser Nacht herum, sie allein mit dem gesicherten inneren Maß, heimliche Hüterinnen des stummen Gesetzes, sie allein mit dem schmerzlich erworbenen Wissen, daß die vom Kreis der Götter und der alten Sitten nicht mehr ganz gebändigte, nur durch die Not noch manchmal gebannte Kraft in solchen Nächten bis an die Schluchtränder der Rohheit und des Unmenschlichen vorschoß. Mahnend traten ihrer drei zu den Burschen, die den Römer drehten, und versuchten, als keine Mahnung fruchtete, sie fortzudrängen; folgsam entfernten sich die Quäler, doch nahmen sie den Römer mit.

Die Mütter liefen zu den Männern, um ihnen dies Affenspiel anzuzeigen; aber unter den Beratenden herrschte ein Aufruhr, der aus dem harten Groll der Worte jetzt so laut und ungezügelt ausbrach, daß keiner ihr Anliegen auch nur beachtete. Nicht mehr einer sprach, alle schrien oder riefen durcheinander und keiner hörte auf den andern, niemand saß, alle standen oder liefen erregt umher. Die Mütter holten schon nach der kargsten Auskunft hastig die Frauen des ganzen Lagers zusammen. Als aber die Frauen ihre Stimme erhoben, hatten die Männer den inneren Platz geräumt und um den Haselzaun einen Ring gebildet, durch den sie keine Frau einließen.

Im festlichen Lärm ringsum entstanden Lücken, wo das auslaufende Gerücht hindrang, von den fröhlich Lauten und Be­wegten schien sich einer nach dem andern zu verstecken, bis der letzte Jodel plötzlich abbrach, ein Fragen, Flüstern, Rufen dumpfer durch die Runde drang, und die Verstreuten in Gruppen zusammenkamen. Alle merkten jetzt, wie dunkel es geworden war, und sahen den Mond groß, rötlich, ohne Goldschein über einem Berg gegen Untergang stehen. Aber die Glühhaufen am Rain flammten auf; eine Gestalt, die alle erkannten, lief mit mühseliger Hast zwischen Feuern hin und her, ein gesondertes, von Spott, Scheu oder heimlicher Furcht umgebenes altes Mannswesen, das sie den Runer nannten.

Das dumpfe Gemisch der Stimmen dauerte, solange die Mahnrufe der Mütter beim Ring es übertönten, aber als diese verstummten, kam von dorther das erschrockene Schweigen rasch über jeden menschlichen Laut. Alle hörten die Feuer knistern.

Da fuhr das harte, helle Klirren des Zweikampfes mit Schwertern durch die Stille, einmal, zweimal, kurz, eisern, dann in einer ununterbrochenen heftigen Folge, die eine tödliche Stille zurückließ, und plötzlich wiederum Schlag auf Schlag. Die Menschen standen gebannt, keiner hegte einen Wunsch an das Schicksal des einen oder andern kämpfenden Führers. Swen galt als der stärkere, unbarmherzigere Krieger, der Ruhm gab ihm mehr erschlagene Feinde, das Gerücht sagte, daß er ein miß­ge­borenes Mädchen mit seinen eigenen Händen erwürgt, und nach einem alten schonungslosen Brauche mit denselben Händen seinen vergreisten Vater von der Brücke in den Fluß gestoßen habe. Den Edlen Swit umgab der Kriegsruhm minder laut, doch war er stärker als jeder Freie, auch war er gerecht, den Göttern ergeben und ganz reinen Herzens.

Der Mond stand noch rötlich über dem Bergrand und die Menschen schauten auf ihn, ob er warte, um die Seele eines Erschlagenen mit hinab zu nehmen. Von den Nachtvögeln schrie nur einer im Hochwald aus Mitternacht.

Gemurmel drang von der Walstatt aus, die Schwerter klirrten nicht mehr, der Mond tauchte hinab. Sechs Männer, von klagenden Frauen umlaufen, trugen beide Führer ins Haus. Die zwei Feuer erloschen. Das Volk stand schweigend in der tiefen Dunkelheit.

Aber durch die Dunkelheit kam der Runer mit glühenden Scheitern zur Walstatt hinab, ließ Holz aufwerfen und entfachte, mit geblähten Backen vor dem Stoße hockend, ein neues Feuer. Das Volk blieb, bis die Flammen loderten, dann wandelte es auseinander und verlor sich in den Zelten.

Der Morgen graute, die höchste Bergrunde tauchte frührötlich leuchtend aus der Dämmerung in die Bläue und die Sonne stieg herauf wie jeden Tag, zum goldenen Bogen über das Tal herauf, doch die Menschen, die da eingewandert waren, lagen von den Träumen der Nacht bestürzt im Schlafe. Nur zwei Knech­te auf der Weide molken, und vor dem erblaßten Feuer hockte der Runer.

Um Mittag erwachte alles Volk und umstand das Haus, bis es die begehrte Kunde erhielt. Swen war erschlagen. Swit lebte, aber mit Not und schweren Wunden.

Abends war auf der verlassenen Rodung im Walde, wo sie zuletzt gelagert, ein drei Mann hoher Pfahl in die Erde gerammt und halb hinauf mit Holz umhäuft. Auf diesem Holze saß der Tote mit verschnürten Beinen, den Rücken an den Pfahl gelehnt, auf den Knien Schild und Schwert. Er saß die Nacht hindurch, von kleinen Feuern und dumpf lärmenden vermummten Wächtern umgeben. In der ersten Frühe kam die bewaffnete Mannschaft, der Runer legte Feuer an den Holzstoß, Rauch umschleierte den Toten. Swit stand vor ihm, die Stirn mit Tüchern bedeckt, den verwundeten Leib im Bärenfell, die verhüllten Arme schwer um die Schultern der zwei Männer gelegt, die ihn hergeführt hatten; kein Laut, keine Regung verriet seinen wütenden Schmerz; mit verschlossenem Antlitz stand er da, zum Gotte betend, dem er sich kämpfend geweiht, er wie der Brennende.

Die Väter zogen am dritten Tag danach mit allem, was ­ihnen allein gehörte, auseinander zu den gewählten Siedelstätten. Sorno zog mit seiner schwangeren Frau, fünf Söhnen, drei Töchtern, zwei hörigen Knechten und einer Magd über zwei ­Bäche hinweg gegen Untergang auf die Schwand eines Einge­borenen. Aus seiner Familie waren zwei Söhne und eine Tochter mit an­derem Volk am See von Turic zurückgeblieben. Ingo zog mit elf Söhnen, von denen drei erwachsen waren, fünf Töchtern, drei hörigen Knechten und zwei Mägden auf einen Bühl am See­ufer gegen Mittag. Sein Ältester war beim Herzog geblieben. Mit ähnlichem Anhang zogen auch die andern, Hesso, Illo, Locholf, Rimher durch den Wald auf natürliche oder von Menschen gereutete Weidegründe. Dem Erbe und den Hinterlassenen Swens stand Walram vor.

Die den reichsten Ertrag verheißende wohnliche Mitte im Kreis der Siedler blieb das Land Swits. Vier Söhne Swits leisteten dem König Dienste, drei dem Herzog, fünf waren dem Vater gefolgt. Von den Töchtern hatten ihn drei begleitet. Zehn hörige Knechte und einige Mägde gehörten ihm zu. Auf seinem Gute blieben der Runer, das eingeborene Paar, Bervidin und Antonius. Den Rufus schickte der Herr verächtlich von dannen, da er nicht selber ging.

Die Lebenszeichen des eingewanderten Volkes erfüllten Tag für Tag das vordem einsame Tal. Unaufhörlich dröhnten Stämme unter den Schlägen der Axt, Tannen stürzten mit knappem Gerausch und Krach, Rauchsäulen überstiegen das dunkelgrüne Geäst, Rinder und Kühe brüllten, die Menschen jodelten früh und spät oder grüßten einander weithin über den Talgrund mit gellenden Jauchzerstößen. Als der Sommer begann, standen geräumige Hütten aus Stein und Holz auf jeder Siedlung.

Mit dem Sommer kamen Gewitter über das Tal, wie noch keiner sie gesehen hatte. Sie wälzten sich von Mittag und Untergang herauf, oft zwei oder drei am selben Tag und neue jeden nächsten oder übernächsten Tag, grollend, feuernd, und es blieb den Menschen keine Hoffnung, daß sie vorüber zögen, sie verfingen sich im Talkessel und tobten mit Blitzen und lang widerhallenden Donnerschlägen gegen die Bergwände. Von den Hütern, die zum erstenmal Vieh auf der Alpweide über den Wäldern vergaumten, trieben zwei ihre Herden erschrocken wieder hinab. Das Volk spürte die Gegenwart des alten Gottes. Der Rauch, der zu dieser Zeit von den Heimwesen aufstieg, war Opferrauch. Als aber nach manchen ruhigern Tagen das gute Gras gesichelt und gedörrt war, opferten sie zusammen am Herbstfest auf dem Gute Swits ein Rind. Danach zogen sogleich alle Freien mit ihren Söhnen auf die Jagd, und dies taten sie lieber als alles andere, auch gebot es die Not. Tage und Nächte blieben sie in den Wäldern und wollten nimmer heim, außer wenn sie Beute zu bringen hatten, oder für des einen und andern Kuh die Zeit herankam, da sie kalbte. Sie erlegten viele Hirsche, die Frauen räucherten das Fleisch und hingen es in die Speicher.

Swit litt es nicht zu Hause, er führte, die Bitten der Frau überhörend, sein Jagdgefolge an die oberen Waldränder, den Bären zu Leibe, die ihm während der Dämmerung zwei Kälber aus der Herde geschlagen hatten. Er war nicht genesen, er war grau, eingefallen, von Fiebern verzehrt, unheil an Haupt und Gliedern, aber da ihn der Winter noch weniger heilen konnte als der Sommer, wollte er endlich vom Geschick erfahren, ob er noch ein ganzer Mann sei oder nicht. Seine Hirten zeigten ihm von ferne, wo ein Bär tagsüber lag, einen vorhängenden, von kleinen Kiefern dicht umrandeten Fels, und er begann mit den Jägern das Lager sogleich von weither einzukreisen. Mit der alten Leidenschaft, die ihn seine leibliche Schwächung vergessen ließ, nahte er dem Fels. Der Bär, von allen Seiten Menschen witternd und so in die Enge getrieben, stellte sich zur Wehr. Swit ging auf ihn los und warf ihm den ersten Spieß in die Seite. Das Tier richtete sich dumpf brüllend gegen ihn auf und empfing den zweiten Spieß in die Schulter; eh er aber den dritten Spieß schleudern konnte, warf es sich auf ihn, und er hielt nicht stand und war mit dem Schwert nicht hurtig genug, der erste gewaltige Pratzenhieb auf den Schild schlug ihn wehrlos zu Boden. Von den zuspringenden Jägern bedrängt aber riß jetzt der Bär in mächtigen Sätzen aus, den einen Spieß abstreifend, den andern zerbrechend, und obwohl ihn noch zwei Würfe erreichten, entkam er und floh dem Randgehölz entlang.

Swit erhob sich finster und schickte alle Jäger dem wunden Tiere zur Verfolgung nach. Er selber folgte nicht. Er ging langsam durch den Wald ab heimzu.

Dumpf sinnend saß er manchen Tag vor seinem Blockhaus, auch unterhielt er sich mit dem klugen Antonius oder hörte dem Runer zu, dem aus uraltem verworrenem Wissen noch oft eine weise Deutung gelang.

Der Winter stob ins Tal. Am Fest der Sonnenwende deckte der Schnee schon knietief Ried und Weide. Vor den Türen brannte der Julblock, und die Jugend watete vermummt mit Fackeln und großem Geschrei von einer Hütte zur andern, aber in den Hütten war kein Reichtum, und nach dem Feste brodelte es allerorten von Flüchen, Spott und Klage. Wer das reiche sonnige Land des Mittags nicht erreiche, brauche deshalb noch nicht mit dem Kopf voran in einen Wäldersack zu fahren. Schön weiß und weich sei dies Land jetzt mondelang, und die Notdurft der vergangenen Fahrten bleibe hier trefflich aufgehoben.

Swit bat seinen ältesten Sohn Walther, eine Frau zu nehmen. Walther zeigte sich willig und nahm eine von den Töchtern Swens. Darauf wollte Swit alle Väter zusammenrufen und sie anhalten, daß jetzt aus jeder Familie wenigstens ein Sohn eine Frau nehme; dem jungen Paare solle man zur Gründung eines eigenen Heimwesens auf jede Weise behilflich sein. Er rief jedoch die Väter nicht zusammen, sondern stapfte selber durch den hohen Schnee zu jedem, um dem Anliegen das höchste Gewicht zu geben. Alle empfingen ihn mit der geziemenden Achtung und versprachen zu bewirken, was möglich sei, doch verhehlten sie die Unlust des jüngeren Volkes nicht, sie sprachen vielmehr so laut und ohne Tadel davon, als ob sie heimlich daran teilhätten. Seither trat Swit im Laufe des Winters noch manchmal unvermutet vor die Siedler, um da den guten Bau der Hütte, dort die windgeschützte Lage zu rühmen und jeden zu ergiebigem Reuten ­anzuspornen.

Als aber die ersten warmen Lanzigwinde über die stäubenden Bergrücken hereinritten, der Schnee von den Dächern rutsch­te und die Sonne auf apere Hänge schien, fuhr die alte Unruhe dem Mannenvolk durch Mark und Blut, die Jüngeren rotteten sich zusammen wie Vögel vor dem Zug und manche rüsteten offen zum Aufbruch. Am Thingtag trug Walram unter jauchzender Zustimmung der Jungmannschaft den Versammelten den Auszug an.

Swit stand mit kleinen erzürnten Augen bleich und hager im Ring. Vor seinem inneren Blick erhob sich leibhaftig die Unrast, die dieses Volk seit menschlichem Gedenken von einem Wohnsitz zum andern trieb, die Kampf- und Fahrbegier, die es nirgends wurzeln, nichts ergreifen und besitzen ließ; er endlich, den sie am stärksten besessen, erkannte darin den unseligen Geist und gespenstischen Widersacher, der diese fahrenden Sippen des alten Stammes hinderte, ein wahrhaftes Volk zu werden. Ordnung, Dienst im Heiligtum und ruhiges Gedeihen auf eigener Erde waren allein nach dem Sinne der ältesten Götter, und die halbvergessenen Sprüche weissagender Frauen, welche die Zukunft größer deuteten, wurden nicht anders erfüllt als so. Als er zu reden anhob, brachte er dies alles nicht über die Zunge, aber es stand hinter seinen Worten wie das Feuer hinter der Hitze. Er sagte, daß ein fahrendes Volk, das nie zur Ruhe wolle und nie ein Stück Erde dauernd besitze, ein Hudelvolk sei; jetzt brauche wahrlich keiner aus Not zu ziehen, dies schöne Land biete Raum und Ertrag genug für noch mehr Volk; wenn das Tal die Menschen einmal nicht mehr fasse oder nähre, sei für die Überschüssigen noch immer Zeit zu fahren und zu abenteuern.

Die Jungen hörten nicht auf ihn, die Älteren schwankten, und am Ende stimmte die Mehrzahl dem Antrag Walrams zu. Der Auszug war beschlossen.

Swit stemmte sich mit glühendem Trotz dagegen, das Gesetz mißachtend, das auch den Widerwilligen unter den Volksbeschluß ordnete. Seine äußere Kraft war gebrochen, aber seine innere war gewachsen, und mit dieser Kraft hielt er jetzt gegen den geheiligten Brauch zäh an dem fest, was er als das Rechte erkannte. Durch das erstaunte Murren und hitzige Aufbegehren rief er mit seiner noch ungebrochenen starken Stimme, daß er allein hier bleibe, wenn auch alle zögen; dies Tal sei mit Blut erkauft, er selber habe ihm seine Manneskraft geopfert, ihm sei es zugewiesen und er werde daraus nicht weichen. Wer aber mit ihm hier dauernd seßhaft werden wolle, möge es ruhig tun, dies sei eines Höheren Wille als der unselige Beschluß; auch versprach er jedem, der bleibe, einen Jährling.

Sein Reden ging unter im wachsenden Lärm, die jüngeren Männer und flüggen Burschen schlugen mit den Spießen auf die Schilde, lüfteten das Fellgewand und liefen jauchzend auseinander.

Vor dem festgesetzten Tag des Auszugs, als der Troß beisammen war und die fahrfreudige Mannschaft sich um ein Feuer für Swen versammelte, suchten Rimher, Ingo, Locholf, Sorno und Illo den Edlen umzustimmen, doch Swit blieb unbeugsam. Da gaben denn diese fünf, die Ältesten, ihren Willen kund, hier noch ein Jahr auszuharren, und danach so lang, bis von den Fahrenden einer mit der Botschaft käme, daß im Alemannischen ein reicheres und schöneres Land gefunden sei. Sie vergaben die fahrbaren Erbanteile an die ziehenden Söhne und Töchter, hielten das Ihre zurück und liefen bis in die Nacht mit Ratschlägen unter dem Volk herum.

Im frühesten Morgengrauen zog die kräftige kleine Vorhut jodelnd aus, und beim Tagesanbruch folgte der Troß mit Gerät, Waffen, Zelten, Gesinde und Vieh. Walram zog mit den Hinterlassenen Swens, Hesso mit der ganzen Familie, und von den bleibenden Ältesten zogen fast alle freien Söhne und viele Töchter. Wernher verließ seinen Vater. Nur Walther blieb mit seiner Frau. Der Zug ging einem unbewaldeten Uferstreifen des kleinen Sees entlang durch die Bresche gegen Untergang. Die Ältesten gaben ihm das Geleit bis auf die Schwelle des Tales, dahinter ein waldumrahmter neuer See im Licht der steigenden Sonne goldhell glänzte. Hier blieben sie, solange vom Fuß des fern verblauenden Uferhanges noch ein Jauchzer herüber scholl und der besonnte Spitz eines Spießes aus dem Tannicht blitzte, dann kehrten sie verdrossen um. Sie kehrten in ihre Hütten zurück, zu ihren Frauen und halbwüchsigen Nachkommen, zu übelgelaunten Knechten und zum Rest der Herde.

Beim Beginn des Sommers trieben sie alle Rinder auf dieselbe Alpweide und bauten dort oben gemeinsam eine Hütte. Als sie aber die Steinmauer errichtet und im Zelt die fünfte Nacht verbracht hatten, weckte sie gegen Morgen in der Dunkelheit ein Winden, Scheuern, Brüllen, sie rannten hinaus und standen erschrocken in einem dichten Schneesturm. Von den Rindern flohen manche durch den Wald hinab und verliefen, andere strichen brüllend an der Zeltwand hin. Der Tag stieg hinter jagenden Wolken herauf und hing trostlos über der Schneewüste. Mit großer Mühe und Not suchten die bedrückten Männer ihr Vieh zusammen und trieben es talwärts.

Sie warteten bis zum nächsten Neumond, eh sie wieder aufzufahren und die Hütte zu erbauen wagten. In der Hütte blieben drei Hirten zurück. Indessen wälzten sich schon sommerliche Gewitter ins Land, im Talgrund wurde die erste Mahd vielmal durchnäßt, und auf der Alp standen Mensch und Vieh im don­nernden Getöse.

Die Talleute liefen klagend zu dem Manne, der durch seinen Trotz dies alles verschuldet haben mußte. Swit sagte, es sei noch erträglich und es werde wohl allgemach bessern.

Aber es wollte nicht bessern, sondern ein Hirt kam wirr und heiß mit der Kunde von der Alp gerannt, ein Blitzstrahl habe zwei Rinder erschlagen und die Hütte mit Brandmalen gezeichnet. Da liefen sie abermals zu Swit und verlangten, daß man opfere, oder wenn es nicht mehr gelänge, die erzürnten Höheren zu versöhnen, noch jetzt das Tal verlasse.

Swit schaute sie schweigend an, dann nickte er mit dem schweren Ernst, der ihm nicht vom äußeren Dasein kam, und sagte: «Ich will es tun!» Nach einer Weile sagte er noch, ihm liege ein Opfer im Sinn, wie sie alle zusammen es nicht bringen könnten. So es aber angenommen werde, dürfe keiner mehr dies Tal verlassen, sondern müsse es bewohnen mit allen seinen Nachkommen und auf alle Zeiten.

Sie zeigten sich durch Miene und bedächtiges Nicken ihm zu Willen und gingen schweigend an die Arbeit.

Swit ließ drei Tage verstreichen, die den Schaden des Unwetters mit Licht und Wärme vergalten, aber am Morgen des vierten Tages, als schon die frühen Stunden mit schwüler Ruhe und blendendem Wolkengetürm drohten, zog er die reich verbrämte Wolfshaut an und nahm die besten Waffen. Den geflochtenen Schild in der Linken, das Schwert im Gurte, in der Rechten einen kostbaren Speer mit vergoldetem Blatt und silberner Zwinge, stieg er allein durch den Wald hinauf zum Fuß der Mitunfelsen. Aufrecht, den breiten Rücken an die Felswand gelehnt, den Blick im brauenden Gewölk, erwartete er das Gewitter. Er war alt geworden, mit keines andern Leibeskraft mehr konnte er seine messen, aber da er von den Seinen jetzt nicht zu entbehren oder zu ersetzen war, fühlte er sich des Höchsten noch wert genug; so wollte er ganz zu Ende führen, was er begonnen, und das Letzte tun, was ein Mensch tun kann, um seine irdische Tat über sich selber hinaus zu retten. Einfach und geraden Herzens, wie er gelebt, bot er sich den Göttern dar.

Das Gewitter zog heran und strich zu seinen Häupten murrend um die Felsen, doch ihm geschah nichts; Feuer fiel nur auf die höchste Mitunspitze. Er harrte aus und sah noch die Nacht von Blitzen erhellt, dann stieg er durch laue Regengüsse unverwandelten Sinnes heimwärts ab.

Als aber eine neue Hitzflut von Mittag her in den Dunst der Wälder und Seen einbrach, nahm er Speise für manchen Tag zu sich und stieg, gewandet und bewaffnet wie zuvor, in die breite Lücke hinauf, die das Felsgebirge in einen großen und drei kleinere Gipfel trennt. Hier legte er das Gewand ab und behielt nur die Waffen, dem ältesten Gesetze folgend, das keinen Menschen anders den Göttern nahen läßt, als wie ihn die Erde geschaffen. So stieg er nackten Leibes über die schräge, karg mit Heidekraut und kleinen Kiefern bewachsene Wand zum höchsten Gipfel hin­an, zu dem aus jedem Unwetter noch ein Strahl den Weg gefunden. Große schwarze Raben umflatterten ihn, er hieß sie willkommen, und am letzten steilen Felshang schwang sich vor ihm ein Aar lautlos in den nahen Gewitterdunst hinauf.

Über der weiten Erdmulde schien jedes Gewölk ein anderes zu zeugen, die Luft stand unbeweglich; das drohende Wetter kam nicht von außen, das Tal gebar es aus sich selber. Eh es grollend laut geworden, wie die vom Wind herangewälzten, schleuderte es schon den ersten Strahl aus dem brauenden Schooß und füllte die Mulde mit tosendem Donner. Noch war es Tag, aber die Erde sah den Tag nicht mehr, sie erbleichte, versank dämmernd und erbleichte immer von neuem im fahlen Schein der Blitze. Das Gewitter wich nicht von der Stelle, es leuchtete durch den Abend und zündete der Nacht, es traf mit den gezackten goldenen Speeren rundum Grat und Gipfel.

Aber der Morgen durchgraute es, das vernichtende Feuer wich dem schaffenden, die ungeheuren Strahlen der aufgehenden Sonne fuhren schräg zwischen schwebenden Dünsten in die Talmulde hinab, und die junge Erde atmete dampfend auf. In ihrem Atem gingen Menschen, ihre Sicheln blitzten im Gras, das glatte Fell ihrer Tiere schimmerte, mit ihren Schritten faßten sie Wurzel, mit ihrem Herzen ergriffen sie Besitz.

Jugend eines Volkes. Ehrenhafter Untergang

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