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Herzklopfen

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„Was ist neur heute mit dir los?“

Ertappt zuckte ich zusammen. Etwas brauner Tee ergoss sich auf die Untertasse.

„Ich habe mich anscheinend verliebt!“, gestand ich errötend die Wahrheit.

„Wie wunderbar!“

Bella sah mich mit ihren warmen Augen inniglich an. Die Hübsche wähnte sich am Ziel ihrer Wünsche. Aufgeregt kratzte ihr abgespreizter kleiner Fingernagel in den langen Haaren. Sie war eine hellhäutige Schönheit und der Traum eines jeden Mannes. Ihr Anblick brachte mein Blut zum Kochen.

Der sinnliche Busen meiner Besucherin sprengte fast die Enge der weißen Bluse. Bella wusste um ihre erotische Ausstrahlung, gab sich für gewöhnlich jedoch züchtig und naiv. Heute indes ließ sie die Hülle schalkhaft in manchen Momenten fallen und verdeutlichte so, welche reizvollen Möglichkeiten sie bieten konnte. Das wirkte bei ihr liebevoll unschuldig, wie das Natürlichste auf der Welt. Bella war ein Kind des Glückes. Dieses lief ihr förmlich nach.

Ich fühlte mich in ihrer Nähe ausgesprochen wohl, weshalb ich jeden Augenblick unseres inzwischen vertrauten Beisammenseins genoss. Zugleich hoffte ich, der Einzige zu sein.

Da erhob sich mein Täubchen und trat ganz nah an mich heran. Ihr Parfüm erfüllte die Umgebung. Sacht berührten die weichen Finger meinen Arm.

„In wen?“, fragte sie. Die Neugierige wollte die Wahrheit unbedingt wissen.

„Sie ist einfach vollkommen!“, erklärte ich mit verzücktem Blick.

Die Schöne kam noch näher. Ihr Atem roch leicht nach Kaviar. Sogar das wirkte bei ihr nicht unangenehm, obwohl ich Fisch nicht mochte. Außerdem war es nur eine kleine Brise, so als stände man am Rand des Ozeans und ließe dessen erhabenen Odem auf sich wirkten.

„Wer ist sie denn nur?“, flüsterte sie sinnlich und hoffte einen ganz bestimmten Namen zu hören. Ihren Namen.

Ich entfernte mich, holte ein Blatt von meinem Schreibtisch und reichte es ihr.

Bella sah sich das Papier mit einem äußerst verblüfften Ausdruck an. Sie verstand rein gar nichts. Mathematik gehörte nicht zu den Dingen, mit denen die Hübsche sich gern beschäftigte.

„Was ist das?“ Ihre blauen Augen musterten unverständig die Zahlenreihen.

„Das ist der Beweis, dass es sie geben muss.“

„Wen?“ Meine Besucherin war schockiert und riss ihre großen Augen noch weiter auf. Diese schienen fast aus den Höhlen zu fallen.

„Die Beste, die Vollkommenste!“, stieß ich hervor.

„Das sind doch alles nur blöde Zahlen!“, widersprach Bella entnervt.

Ich merkte, dass sie maßlos von mir enttäuscht war. Sie hatte etwas anderes erwartet, ein Geständnis meiner unendlichen Liebe. Doch ich wollte sie keinesfalls belügen oder ihr Hoffnungen machen. Mit uns konnte es leider nichts werden, obwohl sie manchen Schmetterling in mir zum Fliegen brachte. Ich überlegte, wie ich sie trösten könnte, doch einer solchen Wahrheit musste man einfach ins Gesicht sehen.

„Das sind mehr als Zahlen“, erklärte ich bestimmt. „Es ist der Pfad zu meiner Herzenspartnerin.“

„Du musst vollkommen verrückt sein!“ Brüskiert warf sie das Blatt auf die Erde und brachte demonstrativ ihre weibliche Figur in Pose. Sie reckte ihre prallen Brüste vor und schien auf eine Tätigkeit zu warten, wie Hormone sie in einem jungen Mann auslösten.

„Fühlst du denn gar nichts?“ In ihren Augen standen Tränen. Das Gesicht wirkte fassungslos.

„Du siehst wundervoll aus!“, gestand ich ihr zu.

„Also warum?“, schluchzte sie. Noch immer hoffte sie, dass alles ein Scherz war. „Ich mag dich wirklich, besonders deinen Humor! Und wir haben so viel zusammen erlebt!“

Nun wurde es mir etwas peinlich.

„Tut mir leid, ich liebe eben eine andere!“, zog ich den Schlussstrich. Gerade weil wir Freunde waren und ich Bella schätzte, musste ich ehrlich sein. Eine Trennung ist immer schwierig, wenn die eine Seite Gefühle entwickelt, die andere jedoch nicht. Das war mir klar. Bloß was sollte ich tun?

Aufgelöst nahm Bella ihre Jacke. Sie fühlte sich sehr gekränkt und ihrer Würde beraubt.

„Was für ein Reinfall. Ich verliere gegen eine Zahlenreihe!“ Ohne Gruß schmetterte sie die Tür hinter sich zu.

Erschrocken wachte ich auf. Mein Gott, war dieser Traum lebendig gewesen! Sicherheitshalber rieb ich mir noch mehrmals die Augen, doch mein Zimmer sah aus wie immer. Es war Samstag und ich hatte lange geschlafen.

Auch nach reichlich Blinzeln konnte ich nicht fassen, dass ich alles bloß geträumt hatte. Wenigstens hatte mein Herzblatt mich im Traum begehrt. Bella war das Mädchen auf der ganzen Welt, welches mich am meisten, geradezu magisch anzog. Wie gern hätte ich sie jetzt in meine Arme genommen, ihr Haar bewundert, ihre Lippen berührt, ihrem Herzschlag und dem Rauschen ihres Blutes gelauscht. Wenn ich die Augen schloss, erblickte ich ihr wundervolles, vollendetes Gesicht mit der hellen marmornen Haut, das wenige Sommersprossen zierten. Der blumig frische Geruch, den sie ausströmte, fesselte meine Sinne zusätzlich. Ihre Augen zwinkerten kess und ihre Haare waren traumhaft lang.

Mich verlockte aber keineswegs nur Bellas faszinierendes Aussehen, ihr Hexenschmuck oder ihr Tattoo auf der Schulter. Da gab es etwas Magisches und Tieferes, unterbewusste Empfindungen, die man nicht benennen konnte, ein Sehnen, das hinter Worten und Eindrücken stand, ein übersinnliches Band.

Ich wusste nicht, was es genau war. Dieses Phänomen blieb vor dem gewöhnlichen Verstand verborgen. Bella zog mich an, wie ein Magnet das Eisen. Mein Puls beschleunigte in ihrer Nähe, als bereitete sich ein Läufer auf den Startschuss für seinen Sprint vor. Die Wangen begannen zu glühen. Zum Glück wurden sie nur einen Hauch farbiger. Ich hatte mich davon wiederholt in einem Spiegel überzeugt, da ich anderen nicht als verliebter Narr erscheinen wollte. Selbst in den Fingerspitzen gewahrte ich bei unseren Begegnungen ein sanftes Summen. War es die wahre Liebe? Mir fehlte leider die Erfahrung, um das korrekt einzuschätzen.

Geküsst hatte ich Bella noch immer nicht. Eine innere Stimme hatte mich aufgehalten. Ich wollte ihren Kuss erst, wenn sie ihn mir von sich aus gab und nicht durch eine Hypnose. Darauf wollte ich warten. Das war mein Hoffen und mein Ziel.

Ich war mir im Inneren gewiss, aus einer vergangenen Zeit zu stammen. Wahrscheinlich hatte mein Unterbewusstsein mir deshalb diesen lebendigen Traum beschert. Seit meinem Erwachen in Bellas Armen am Fluss verfügte ich über ein fotografisches Gedächtnis, mathematische Superintelligenz, erstaunliche körperliche Kraft, die Fähigkeit, andere zu hypnotisieren, meine Gefühle zu steuern und vieles mehr. Hatte ich das alles aus meiner früheren Existenz mitgebracht?

Ein Teil von mir glaubte sogar gegen jede Logik, ich wäre ein echter Vampir, zumindest in meinem früheren Leben. Egal wie oft ich die Nacht von Halloween in meinem Kopf durchlebte, sie war nur verrückt! Es gab wissenschaftlich betrachtet keine Vampire und Werwölfe! Oder doch? Lag über uns tatsächlich ein Fluch, der die Zwillinge bei Vollmond in Werwölfe und mich und Cassy in Vampire verwandelte? Und wieso mochte ich Blutwurst so gern?

Am Nachmittag beschloss ich, ein wenig durch die Stadt zu bummeln. Draußen war es kalt und erster Schnee lagerte schon hauchdünn auf dem Asphalt. Hier in den Black Hills begann die dunkle Jahreszeit früher als im Flachland. Ein paar weitere Schneesterne fielen sacht vom Himmel herab. Die Luft fühlte sich frostig an. Wenige Meter vor mir lief ein Mädchen. Es war in eine dicke Jacke gehüllt und hatte das Haar zum größten Teil unter einer Mütze verborgen. Trotzdem kam es mir bekannt vor.

„Bella?“, rief ich ihr unsicher hinterher.

Die Angesprochene ging weiter, als hörte sie mich nicht.

Das musste sie sein. Ich war mir sicher. Ihr Parfüm verriet die Wahrheit.

„He, Bella!“, sprach ich sie nochmals lauter an, sodass sie mich keinesfalls überhören konnte.

Sie drehte sich scheinbar erstaunt um.

„Da bist du ja!“, begrüßte Bella mich erstaunlich heiter.

Mir fiel ein Stein vom Herzen. An meine neuerlich Hypnose erinnerte sie sich offenbar nicht. Ich hatte ihre Erinnerungen erfolgreich gelöscht. Wenigstens das hatte funktioniert. Nun musste ich nur noch noch bei den anderen die fehlerhafte Hypnose von Halloween beenden. Sonst bestand die Gefahr, dass sich der Wahn daraus verfestigte.

„Wo gehst du hin?“, wagte ich zu fragen und tat so normal es nur ging.

„Zu Cassy! Wir wollen ein wenig zusammen lernen!“ Sie lächelte und einige weiße Flocken ließen sich zart auf ihren Schultern und der Kapuze nieder.

„Und was?“, hakte ich unschuldig nach, nur um ein wenig zu plaudern.

„Dies und das!“, wich sie mit unruhigem Blick aus. „Ein richtiger Mädchennachmittag halt!“

Ein Stachel des Misstrauens bohrte sich in meine Gedanken. Schlossen die beiden mich vielleicht extra aus? Auf der anderen Seite hatte der alte Lex auch nicht jeden Tag mir ihr verbracht.

Vielleicht sollte ich besser so tun, als wäre sie für mich eine ganz normale Klassenkameradin. Das wirkte schicklicher. Nein, sie sollte doch wissen, wie ich zu ihr stehe!, rebellierte ein Teil von mir. Dem Mutigen gehört die Welt! Alle Tapferkeit aufbringend, zu der ich fähig war, griff ich einer plötzlichen Eingebung folgend kess nach ihrer kühlen Hand. Ich hob sie an meine Lippen und setzte einen zarten Handkuss darauf.

Die so Geküsste errötete und sah mit großen Augen auf das unvermutete Geschehen. Verblüffung stand in ihrem Gesicht.

Ein vorbeigehender bärtiger Mann drehte sich lachend nach uns um. „So etwas habe ich schon lange nicht mehr gesehen! Galant, galant…“

Scheinbar galt meine Herzensgeste heutzutage als antiquiert.

Meine Angebetete wollte mir ihre Finger entziehen, aber kühn, wie ich war, führte ich ihre Hand nochmals langsam an meine Lippen und wisperte: „Meine Bella, du bist alles für mich.“

Ich wollte ihr mit ganzer Seele zeigen, dass mein Herz nur für sie schlug und sie so unendlich begehrte, verehrte, ja als vollkommen empfand. Mit verliebten Augen voller Leidenschaft sah ich in die ihren.

„Lex!“, hauchte sie und blickte sich verschreckt um. „Was machst du denn da schon wieder für verrückte Sachen? Das ist doch jetzt nicht dein Ernst?“

Genau in diesem Moment tauchten leider die beiden Zwillinge auf. Sie waren im nahen Einkaufsmarkt gewesen und jeder trug eine Whiskyflasche bei sich, obwohl es verboten war, diese öffentlich zu präsentieren. Wyatt hob übertreiben jovial grüßend die Hand, während Ians Wolfsaugen mich zornvoll anfunkelten.

„Habt ihr etwa gerade miteinander rumgemacht?“, kam er gleich zur Sache. „Oder leckt er nur deine Hand ab?“

Bella wurde feuerrot und riss die Hand von mir fort, als hätte man uns bei einer intimen Heimlichkeit ertappt.

Der wieder entwandelte Werwolfsbruder grunzte leicht besänftigt und trank in aller Öffentlichkeit einen kräftigen Schluck aus seiner Pulle. Die beiden Brüder traten noch näher auf uns zu. Wyatt täuschte nicht mehr vor, ein alter Freund zu sein, sondern kehrte zu offensichtlicher Feindseligkeit zurück.

„Wir dachten, du wärest schon längst bei Cassy“, stellte er sichtlich verärgert fest. „Wir mussten noch unsere Vorräte aufstocken!“

Sein Zwillingsbruder hob symbolisch die Flasche. Er knurrte bestätigend. Da er kein Wolf der vielen Worte war, ergriff Wyatt wieder das Wort.

„Und was wäre eine Party ohne Snacks!“ Zur Bestätigung spuckte der freche Kerl seinen Kaugummni auf meine Schuhe.

Bella lief nun bleich an. Sie war beim Lügen erwischt worden. Für einige Herzschläge wankte der Boden unter meinen Füßen. Was bedeutete das? Spürte sie, dass ich kein normaler Mensch war?

„Oh, das ist doch keine Party, wir wollen zuerst ordentlich Lernen. Das ist ja mal was anderes!“, stotterte Bella unsinnig herum. „Das mit der Party könnt ihr euch abschminken“, gab Bella zurück und warf den Brüdern brüske Blicke zu, die nun nur noch entgeistert starrten.

„Oh je, wir müssen uns beeilen, Cassy wartet schon!“

Hoffnungsvoll suchte ich in ihren Augen nach einer Einladung. Mit ein bisschen Glück kam sie ja noch.

Aber mein Juwel wandte sich von mir ab.

„Tschüss Lex! Du bist viel zu klug und brauchst keine Nachhilfe in Mathe.“ Sie gesellte sich zu den Wolfsbrüdern und drängte sie mit einem herzhaften Schubs weiter.

„Mathe? Was soll das?“, streubte sich Wyatt.

Wenn mich nicht alles trog, benahm sich Bella ungewöhnlich hektisch. Ich roch den schweißigen Glanz, der ihre Stirn benetzte, und eine böse Ahnung befiel mich.

„Was erzählst du da für ein Zeug?“, zischte Wyatt Bella zu. Ich verstand auch noch aus einiger Entfernung, worüber sie sich unterhielten, da mein Gehör außergewöhnlich gut funktionierte. „Natürlich sind wir eingeladen. Du wusstest doch genau, dass wir kommen!“

„Ja, aber das konnte ich doch Lex nicht ins Gesicht sagen“, druckste Bella herum.

„Was wollte er?“, fauchte Ian und kaute aufgebracht an einem Fingernagel. „Den Kerl kann ich nicht leiden!“

„Brüderchen, gib dich nicht so eifersüchtig. Der hat keine Chance gegen dich!“, beschwichtigte ihn sein Zwilling.

„Ihr seid unmöglich!“, schimpfte Bella. „Ian hat erst recht keine Chance! Wenn, dann schon eher Lex.“

Die Dornenranke um mein Herz lockerte sich ein wenig. Es musste einen anderen Grund geben, warum ich nicht dazukommen sollte, vielleicht irgendeine Überraschung.

Voller widersprüchlicher Gedanken ging ich in den Supermarkt. Ich brauchte jetzt auch einen Snack.

„Bitte ein Kilogramm Blutwurst!“, bat ich.

Die Fleischverkäuferin strahlte mich an. Sie betrachtete mich inzwischen als einen Stammkunden. „Was denn sonst!“, scherzte sie gut gelaunt. „Die ist heute ganz frisch gekommen und besonders saftig!“

Mir war zwar nicht nach Fröhlichkeit zumute und ich hätte viel lieber ihr junges Blut getrunken, trotzdem zwang ich meinen Mund zu einem Lächeln. Die Gute konnte ja nichts dafür.

Completely - Auf immer und ewig

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