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Bellas Tagebucheintrag – Der Plan

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Manchmal suchen meine Augen die Umgebung nach einer versteckten Kamera ab – und nach Schauspielern, die das verrückte Geschehen mit dem Ruf „Reingelegt!“ endlich auflösen. All die kuriosen Ereignisse können jedoch keine Show sein, dafür ziehen sie sich schon zu lange hin.

Meine beste Freundin Cassy und ich hatten uns für heute Nachmittag mit den Indianerbrüdern verabredet. Sie mussten erneut eingeweiht werden, denn sie bildeten einen Bestandteil unseres Planes. Ich weiß nun, dass Lex mich mit seiner heimlichen Hypnose beeinflusst, vielleicht sogar steuert. Zudem bin ich mir durch den Kuss mit Cassy absolut sicher, dass ich eine echte Hexe bin. Wir hatten ja ausprobieren wollen, ob die Legende stimmt und mir ein Kuss wirklich etwas über den anderen verrät. Die Vision war so schockierend, dass ich sie verschwieg. Cassy warf darin Holz auf einen glühenden Scheiterhaufen, über dem ich an einem hölzernen Kreuz festgebunden war. Voller Panik habe ich in der Hitze des Feuers gezuckt. Würde unsere Freundschaft verbrennen? Das alles machte mir Angst, schnürte mir die Brust zusammen, der Boden gab unter mir nach und ich drohte in ein unendlich tiefes Loch zu fallen.

Offen blieb auch, was Lex eigentlich wollte und warum er das alles tat. Er durfte keinesfalls merken, dass wir ihm durch das Handyvideo bereits auf die Schliche gekommen waren. Hatte er mich tatsächlich während seiner Hypnose geküsst? Fehlte ihm der Mut, dies zu einem anderen Zeitpunkt zu tun? In meinem tiefsten Inneren wusste ich nicht, ob ich seinen Kuss nicht doch wollte. Noch immer empfand ich etwas für ihn, trotz seines Betruges. Irgendetwas band uns aneinander.

Während ich auf dem Weg zu unserem geheimen Treffen war, lief mir Lex leider auch noch über den Weg. Hatte er mich vielleicht sogar abgepasst? Bestimmt spielte er nur mit mir. Mein stark pochendes Herz zeigte mir, dass er mir keinesfalls gleichgültig war. Ich fühlte mich wie eine hin und her gerissene Närrin. Wem sollte ich glauben? Nicht einmal den eigenen Gefühlen konnte ich trauen. Das war alles seine Schuld!

Und dieser verfluchte Lügner tat, als wäre nichts geschehen. Frech griff er sich sogar meine Hand und bedeckte sie mit Handküssen. Ich war so perplex, dass mich diese altmodische Geste im ersten Atemzug richtig rührte. Doch eine innere Stimme warnte mich: Pass auf, Bella. Alles, was er tut, ist Kalkül. Er will sich so fest um dein Herz wickeln, bis es nicht mehr schlagen kann.

Zum Glück befreiten mich die Zwillinge aus der delikaten Situation.

„Gleich alle zusammen?“, begrüßte meine Freundin uns leicht ersaunt, als wir zu dritt vor ihrer Tür standen.

Wyatt schaute missmutig auf seine teuren Schuhe. Sie waren ganz durchnässt, denn die Ledersohlen saugten sich bei Regen wie Schwämme voll.

„So ein Mistwetter!“, schimpfte er und trat zähnefletschend von einem Fuß auf den anderen. Nur seine mit Gel behandelten Haare wirkten noch feuchter. Aus Eitelkeit verzichtete er zumeist auf eine Mütze.

Cassy lachte über seinen Missmut und gab ihm mit spitzen Lippen einen Kuss. Sie war perfekt geschminkt und roch, als wäre sie geradewegs einer rosengefüllten Badewanne entstiegen.

„Mein tapferer Wolfsbursche wird doch ein paar Tröpfchen ertragen!“, säuselte sie.

„Wir haben Bella beim Händchenhalten mit Lex erwischt“, lenkte Wladimir ab. „Da haben wir sie lieber mitgenommen!“

Ian grunzte zustimmend und warf mir einen anklagenden Blick zu. Ich rollte genervt die Augen. Glaubte der wirklich, er hätte eine Chance? Andererseits war seine dümmliche Verliebtheit irgendwie putzig. Vorsicht, Kleines, geh nicht zu nah ans Feuer, sonst verbrennst du dich …

Unsere Mitverschwörerin musterte verblüfft mein Gesicht. „Du hältst plötzlich Händchen mit Lex? Gehört das zum Plan?“

„Der Mistkerl hat sie sogar abgeleckt!“, ergänzte Wyatt und klopfte seinem Zwilling tröstend auf die Schulter. Dabei machte er ein mitleidiges Gesicht, als wünschte er ihm zum Ausgleich zehn Flaschen besten Whiskys.

Cassy legte sich eine Hand ans Ohr, als hätte sie sich verhört. „Wie?“, fragte sie und stierte mich noch erstaunter an. „Er hat dich so richtig abgeschlabbert?“

„Nur die Hand!“, erklärte ich. „Lex hat sie plötzlich genommen, ich konnte nichts tun und irgendwelchen Quatsch dahergeredet. Kann sein, dass er mich wieder hypnotisieren wollte!“, log ich etwas dazu.

„Hypnotisiert? Kann mich mal einer aufklären?“, mischte Wyatt sich ungeduldig ein. Er kraulte sich mit seinen schwarz lackierten Nägeln das Kinn wie ein Maler, der darüber nachsinnt, welche Farbe der nächste Pinselstrich haben sollte.

Cassy schenkte ihm gut gelaunt einen weiteren Kuss. „Geduld, Liebster! Eins nach dem anderen. wir klären euch gleich auf.“

Sie ging voran. Im Gegensatz zur Straße war es hier gemütlich warm. Vom Winter traten wir direkt in den Sommer.

Nachdem wir unsere Mäntel wie Maulwurfshügel im Zimmer verteilt hatten, fläzten wir uns in die Sessel und auf das Sofa. Aus Vorsicht nahm ich einen der gepolsterten Einzelsitze, damit sich Ian nicht „rein zufällig“ neben mich quetschte. So viel Nähe zu ihm war mir nicht geheuer.

Cassys Zimmer präsentierte sich sehr originell, wie in einem Landhaus eingerichtet. Es könnte glatt der Serie Vampire Diaries entsprungen sein. Die Couch und die Sessel waren mit edlem rotem Samt bezogen und an der Wand hing ein riesiges uraltes Gemälde, welches sie in einem Antiquitätenladen aufgestöbert hatte. Der hier in der Gegend typische Holzfußboden und zwei Geweihe an der Wand fügten der Einrichtung eine archaische Note hinzu.

„Was gibt es denn so Geheimnisvolles?“, fragte Wyatt nach, kaum dass er im Sessel saß. Cassys Freund kam als ungeduldiger Geradeausdenker gleich zur Sache. Alles musste sofort klar sein, am besten idiotensicher geteilt in Schwarz und Weiß.

„Wir brauchen eure Hilfe!“, begann Cassy unseren Plan aufzudecken.

„Aber sicher doch!“, sagte er jovial und knabberte genüsslich an seinen langen Nägeln. „Wozu sind echte Freunde denn da?“

Sein wortkarger Zwilling nickte bedeutungsvoll und beäugte mich mit gierigen Augen. Wahrscheinlich zog er mich gedanklich aus. Ein Schauer rieselte über meinen Rücken. Stellten sich meine Nackenhaare auf?

„Doch jeder Freundschaftsdienst hat natürlich seinen Preis“, präzisierte Wyatt in gewohnter Manier. „Und diesen wollen wir endlich einfordern.“

Er bleckte die Zähne in Cassys Richtung. Wir alle wussten, um was es ihm ging. Er war ein erwachsener Mann und bei denen reagierten die biologischen Bedürfnisse über jede Vernunft. Die beiden ausgewachsenen Kerle gingen einzig deshalb mit uns in eine Klasse, weil sie bei ihrem wahren Alter gewaltig gelogen hatten. Sie nutzten jeden Vorteil gnadenlos aus.

„Erzähl du!“, wies Cassy mich an.

„Nein, du kannst das besser!“ Mir war es peinlich, erneut eine Verschwörung gegen Lex anzuführen, der ja seit frühesten Kindertagen mein bester Kumpel war.

„Okay!“, übernahm die Angesprochene doch wieder das Wort und trank sich mit einem Schluck aus der Bierbüchse etwas Mut an. „Lex ist nicht der, der er zu sein vorgibt“, erklärte sie den Brüdern. „In seinem Körper steckt jemand anders und er macht heimlich Sachen mit Bella.“

„Welche Sachen?“, Ian machte argwöhnische Augen wie eine Kuh. Er glaubte ja, ein Vorrecht auf mich zu haben.

„Na ja, Hypnose und so“, ergänzte Cassy.

„Der Hypnotiseur aus den Black Hills!“ Lachend öffnete Wyatt den Verschluss seines Getränks. Er goss sich die Hälfte des Bieres direkt in den Rachen und rülpste. „Entschuldigung!“

Das war natürlich ironisch gemeint, denn eher fand man die Kronjuwelen der Queen auf der Straße als Scham bei diesem Rüpel. Er hatte sich noch nie in seinem Leben für irgendetwas geschämt und betrachtete seine Halsgeräusche als ausgezeichnete Witze. Womöglich glaubte er, damit selbst ein Konzert von Mozart untermalen zu können.

„So in etwa“, murmelte ich, sein widerliches Benehmen übergehend. Wir waren das einfach gewohnt. Zwar hieß es im Mainstream überall, dass Vorurteile nicht stimmten und Lakota-Jungs nicht anders wären, aber Wyatt und sein Bruder bewiesen jeden Tag das Gegenteil. Sie entsprachen genau dem ungehobelten Bild, das Mama mir von jungen indianischen Männern gezeichnet hatte – und sie waren sogar selbst stolz darauf.

Beide Brüder musterten mich mit vorquellenden Augen. „Das ist nicht dein Ernst!“ Zwei Atemzüge lang sahen sie einander symbolträchtig an. Schließlich schielte Wyatt schräg zu seiner Cassy, mit blanken Zähnen eine Antwort fordernd.

„Findet ihr es nicht auch komisch, dass Bellas Zauberei wirklich funktioniert hat?“, erklärte sie, ohne sich von dem Wolfsbruder einschüchtern zu lassen. „Wir denken, es liegt irgendwie an Lex. Er verbirgt ein Geheimnis vor uns.“

Wyatt lachte. „Vielleicht haben wir an Halloween einfach zu viel gekifft. Ich kann bis jetzt nicht glauben, was da gelaufen ist. Das war voll krass!“ Er wies auf seine Kopfwunde. Mittlerweile hatte sich auf der Narbe brauner Schorf gebildet.

„Es steckt viel mehr dahinter, als wir ahnen!“, ereiferte sich seine Freundin. „Bestimmt verfügt Lex über besondere Kräfte. Er hypnotisiert Bella und womöglich auch uns!“

Die Russenzwillinge wirkten schockiert und tauschten wieder diese merkwürdig wissenden Blicke.

„Mistkerl!“, brummte der wortkarge Ian. Das wollte schon etwas heißen.

„Vielleicht ist er tatsächlich der angekündigte Jäger“, meinte sein Bruder.

„Jäger?“ Ich verstand gar nichts. Scheinbar hatte ich mich geirrt und nicht Wyatt, sondern ich war die Dümmste im Bunde.

„Ach, das ist so eine verrückte Geschichte, die in unserer Familie erzählt wird“, winkte er ab. „So ein Märchen der Lakota-Indianer halt.“

„Erzähl es uns!“, forderte ich.

Der Indianer rang etwas mit sich und schielte erneut zu Cassy. Ich fragte mich, was das sollte. Suchte er eine Erlaubnis? Wartete er auf ein Nicken oder auf ein Kopfschütteln?

„Na gut, wir sind ja fast eine Familie“, sagte er. „Darum sollt ihr auch das Familiengeheimnis erfahren.“

Gespannte Stille breitete sich aus. Nun ja, zumindest war ich gespannt und die anderen rülpsten nicht.

„Zwei unserer Vorfahren waren ebenfalls Zwillinge“, begann Wyatt. „Sie hatten damals Streit mit einem Schamanen. So nennt man unsere Zauberer. Der belegte sie glatt mit einem Werwolffluch. Und als sie kamen, um sich an dem Alten zu rächen, mischte sich ein blutsaugender Dämon ein, den sie ordentlich bissen. Normalerweise stirbt ein Vampir an einem solchen Biss. Der Schamane wollte deswegen irgendwie den von ihm gemachten Fluch zurücknehmen, damit der Blutsauger überlebt. Aus irgendeinem Grund konnte er es jedoch nicht.“

„Und weiter?“, fragte ich.

„Keine Ahnung. Ich bringe das auch nicht so zusammen. Unser Vater erzählt immer nur im Suff davon. Jedenfalls schickte der Zauberer die Seele des Blutdämons in die Zukunft. Der soll alle Nachkommen der Werwölfe töten und irgendwie so den Fluch lösen.“

Wie bitte? Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ravenhort hatte etwas Ähnliches erzählt.

„Klingt sehr verrückt!“, wandte ich ein und Cassy nickte. Schließlich musterte sie ihren Freund eindringlich. Ich hatte das Gefühl, dass sie mir etwas verschwiegen. Wusste hier jeder mehr als ich?

„Wenn man alles zusammenrechnet, was so passiert ist, erscheint es aber gar nicht so unlogisch“, wog Cassy ab. Da hatte sie recht. Die Dinge hingen alle plötzlich irgendwie zusammen. Wir waren Puzzleteile.

„Ach, das ist letzlich sicher alles Scheiß!“, wiegelte Wyatt ab und goss den Rest des Bieres in seinen Mund. „Ich hätte dieses Märchen nicht erzählen sollen.“

„Ja, das ist bestimmt Schrott!“, stimmte Ian zu. Wieso redete der plötzlich so viel? Ich blickte zu ihm. Er sah tief in meine Augen und ein merkwürdiges Lächeln umspielte seinen Mund. Schnell schaute ich weg. Sein offensichtliches Begehren machte mir Angst. Ojemine, der grobschlächtige Kerl stand wirklich auf mich! Wie brachte man einem Hund bei, nicht aufs Bett zu springen?

„Geht die Geschichte noch weiter?“, fragte ich, um ihn abzulenken.

„Na …“, fing Ian an.

„Still!“

Ich zuckte zusammen. Das Wort war grausig gezischt. Aus irgendeinem Grund wollte Wyatt nicht, dass sein Bruder mehr erzählte. Eine bedrohlich kalte Stille breitete sich aus.

„Na, der Kerl soll sehr gefährlich sein“, setzte sich Ian über seinen Bruder hinweg. „Er will uns alle töten!“

„Lex?“ Ich spürte es in meiner Kehle beben. Das konnte einfach nicht stimmen. Er benahm sich weniger gefährlich als Ian.

„So wird es von Mund zu Mund weitergegeben!“, schloss Wyatt gewichtig.

„Auf jeden Fall müssen wir herausbekommen, wer er wirklich ist“, nahm ich das Heft wieder in die Hand. Gleichzeitig war ich schockiert, welche Wendung das Drama genommen hatte. Zuerst hätte das seltsame Ding im Fluss Lex fast getötet, dann verhielt er sich derart sonderbar, dass ich ganz neue Gefühle für ihn entwickelte, und schließlich verwandelten sich die Zwillingsbrüder, Ravenhort und Cassy in der Halloweennacht. Zwar hatte mich Lex vor Ian als Werwolf gerettet, doch jetzt erfuhr ich, dass er aus der Vergangenheit stammen könnte, um die Werwolfbrüder zu töten. Wo war dann aber der richtige Lex?

Mir wurde eines klar: Die alten Mythen und das, was gerade geschah, hingen miteinander zusammen. Bloß wie? Es wurde Zeit, in die Fußstapfen von Abraham Lincoln dem Vampirjäger zu treten. Wir mussten das Rätsel lösen, damit er uns den echten Lex wiedergab.

Die Tage des Versteckspiels waren gezählt. Wer jagt hier wen? Ich würde Lex’ Köder sein. Doch eine Beute benötigte nun einmal einen außergewöhnlich intelligenten Plan, um ihren Verfolger zur Strecke zu bringen. Zum Glück hatten wir den und Lex wusste nicht, dass wir schon von seinem falschen Spiel wussten. Das verschaffte uns einen Vorteil.

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