Читать книгу Die Shoah im Distrikt Krakau - Melanie Hembera - Страница 15

1.2 Die Etablierung der „neuen Ordnung“ 1.2.1 Polen unter Militärverwaltung

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Seit dem 1. September 1939, dem Tag des deutschen Überfalls auf Polen, nahm der Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst von Brauchitsch, mit den untergeordneten Armeeoberbefehlshabern die Exekutivgewalt in den okkupierten polnischen Gebieten wahr. Im besetzten Territorium waren insgesamt fünf Armeeoberkommandos eingesetzt worden. Diesen waren Chefs der Zivilverwaltung (CdZ) zugeteilt, die die Militärverwaltung bei den einzelnen Armeen aufbauen sollten.37 Nachdem Adolf Hitler die besetzten Gebiete am 25. September unter Militärverwaltung gestellt hatte, wurden diese in vier Militärbezirke aufgeteilt.38 Das Territorium des zukünftigen Generalgouvernements wurde in die Militärbezirke Łódź/Litzmannstadt (Grenzabschnitt Mitte) und Krakau (Grenzabschnitt Süd) gegliedert. Während der Grenzabschnitt Mitte aus Teilen der einstigen Wojewodschaften39 Łódź/Litzmannstadt, Kielce, Warschau Stadt, Warschau Land und Lublin bestand, umfasste der Grenzabschnitt Süd die einstige Wojewodschaft Krakau und Teile der Wojewodschaft Lemberg. Hitler ernannte den Juristen Hans Frank zum Oberverwaltungschef für das gesamte polnische Gebiet und zugleich zum Verwaltungschef des Militärbezirks Łódź/Litzmannstadt. Der Militärbezirk Krakau wurde künftig von Arthur Seyß-Inquart verwaltet.40 Frank sowie Seyß-Inquart waren dem Oberbefehlshaber Ost, Generaloberst Gerd von Rundstedt, und den Befehlshabern der jeweiligen Militärbezirke unterstellt. Als Militärbefehlshaber im Militärbezirk Łódź/Litzmannstadt wurde ebenfalls von Rundstedt, im Militärbezirk Krakau Generaloberst Wilhelm List eingesetzt.41

Nachdem die Militärverwaltung aufgebaut und die Verwaltungschefs eingesetzt worden waren, wurden die CdZ jedoch noch nicht abgelöst. Gemeinsam mit den eingesetzten Landräten führten sie ihre Arbeit teilweise bis zum Ende der Militärverwaltung fort.42 Die primäre Aufgabe der CdZ bestand im Aufbau der deutschen Verwaltung auf Gemeinde-, Stadtund Kreisebene. Hierfür wurden ihnen vom Oberkommando des Heeres reichsdeutsche Landräte mit Hilfspersonal bereitgestellt. Diese Verwaltungstrupps waren allerdings personell sowie materiell schlecht ausgestattet. Auch waren die Anweisungen der Verwaltungschefs in den meisten Fällen sehr allgemein gehalten und ließen sich aufgrund der unterschiedlichen örtlichen Verhältnisse schwer umsetzen. Daher versuchten die Landräte, Volksdeutsche als Bürgermeister, Dolmetscher oder Bürokräfte für den Verwaltungsaufbau zu gewinnen.43

Insgesamt kam während der kurzen Zeit der Militärverwaltung kein geordneter Aufbau der Besatzungsverwaltung zustande. Sowohl das Desinteresse des Generaloberst von Rundstedt, als auch des Oberverwaltungschefs Hans Frank hatten zur Folge, dass sich die deutsche Verwaltung im Generalgouvernement in einem „Schwebezustand“ befand.44 Die Militärverwaltung war von Beginn an nur für einen kurzen Zeitraum vorgesehen. Schon in Hitlers Erlass vom 25. September 1939 wurde darauf verwiesen, dass die Verwaltungschefs lediglich „für die Dauer der Militärverwaltung“ den Militärbefehlshabern untergeordnet seien.45 Die Ablösung der Militärverwaltung durch einen rein zivilen Verwaltungsapparat war in der Theorie nur mangelhaft vorbereitet.46 Frank wartete deshalb eine für ihn positive Entwicklung ab, ehe er seine Tätigkeit aufnahm, ohne das Amt als Oberverwaltungschef überhaupt wahrzunehmen.47 Die plötzliche Beendigung der Militärverwaltung war jedoch ganz im Sinne Hitlers, der sich keinen völkerrechtlichen Regeln unterwerfen wollte, die einem „Volkstumskampf“ im Wege gestanden hätten. Durch die Ablösung der Militärverwaltung sollte der Krieg gegen Polen nicht beendet, sondern besatzungspolitisch vielmehr als ein Vernichtungskrieg weitergeführt werden48, der künftig gar „keine gesetzliche Bindungen gestattet.“49 Die Zielgruppe, gegen die sich die seit Kriegsbeginn mit Hilfe der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD geführte „Volkstumspolitik“ richtete, war zunächst die polnische Führungselite, die nach Hitlers Auffassung unverzüglich ausgeschaltet werden sollte. Die Wehrmacht allerdings betrachtete die einheimische Zivilbevölkerung nicht per se als Feind. Ihr ging es vielmehr um die Ausnutzung Polens in rüstungswirtschaftlicher Hinsicht. Diese differierende Interessenlage sollte vor allem Konflikte mit dem SS- und Polizeiapparat schaffen.50

Über die zukünftige Ausrichtung des Generalgouvernements besprach man sich am 17. Oktober in der Berliner Reichskanzlei. Hitler kündigte hierbei nicht nur das Ende der Militärverwaltung an, sondern er benannte auch die Zielvorstellungen, die mit der Errichtung des Generalgouvernements verfolgt werden sollten. Die „Volkstumspolitik“, deren Hauptinhalt eine „ethnische Flurbereinigung“ sein sollte, hatte höchsten Stellenwert: „Unerwünschte Elemente“ aus dem Reich und den eingegliederten Gebieten sollten fortan in das Generalgouvernement abgeschoben werden.51 Aus militärischer Sicht hatte das Verwaltungsgebiet vor allem als „Schutzwall“ gegen die Sowjetunion zu dienen. Darüber hinaus wollte man aus dem Territorium auch ökonomischen Gewinn schlagen, indem man es in erster Linie als Arbeitskräftereservoir nutzen wollte.52 Konkrete deutsche Pläne in Bezug auf Maßnahmen gegenüber der einheimischen jüdischen Bevölkerung sind für die Zeit vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nicht bekannt. Allerdings scheint es, dass zumindest hinsichtlich der Ausschaltung der Juden aus der Wirtschaft allgemeine Richtlinien bestanden.53

Die Shoah im Distrikt Krakau

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