Читать книгу Die Shoah im Distrikt Krakau - Melanie Hembera - Страница 16
1.2.2 Generalgouvernement und Kreishauptmannschaft Tarnów – Gebiet und Bevölkerung
ОглавлениеDas „Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete“ wurde am 26. Oktober 1939 proklamiert. Es avancierte zu einem „Nebenland des Deutschen Reiches“ mit einem kolonieähnlichen Status.54 Geographisch umfasste es 95.743 Quadratkilometer, was 24,6 Prozent des polnischen Vorkriegsterritoriums entsprach.55 Verwaltungstechnisch gliederte man das neugeschaffene Gebiet zunächst in die vier Distrikte Warschau, Krakau, Lublin und Radom. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion im Sommer 1941 wurde Galizien als fünfter Distrikt dem Generalgouvernement zugeschlagen, das nun aus einer Gesamtfläche von insgesamt 145.180 Quadratkilometern bestand. Die Einwohnerzahl des Generalgouvernements betrug im März 1940 12,1 Millionen; im Februar 1942 lebten dort einschließlich des Distrikts Galizien 17,8 Millionen Menschen. Im März 1943, nachdem der Großteil der jüdischen Bevölkerung ermordet worden war, lag die Einwohnerzahl nunmehr bei 14,9 Millionen. Von der Gesamtbevölkerung des Gebietes waren zirka 65 Prozent auf dem Land und 35 Prozent in den Städten beheimatet. Die Mehrheit der jüdischen Bevölkerung allerdings, 80 Prozent, lebte in größeren Städten. Im Juni 1940 setzte sich die ethnische Struktur der Bevölkerung wie folgt zusammen: Sie bestand aus 81 Prozent ethnischen Polen, 11,5 Prozent Juden, 5,7 Prozent Ukrainern sowie 0,82 Prozent Deutschen. Der übrige Teil der Bevölkerung waren Weißrussen und andere Minderheiten.56
Der Distrikt Krakau, in welchem Tarnów lag, befand sich im südwestlichen Teil des Generalgouvernements und hatte eine Fläche von rund 27.000 Quadratkilometern. Das Territorium umfasste beinahe die gesamte ehemalige Wojewodschaft Krakau, Teile der Wojewodschaft Kielce sowie große Gebiete der früheren Wojewodschaft Lemberg.57 Nach der Einführung der deutschen Verwaltungsstruktur wurde der Distrikt zunächst in die Stadthauptmannschaft Krakau sowie in zehn Kreishauptmannschaften gegliedert: Debica, Jaroslau, Jaslo, Krakau-Land, Miechów, Neumarkt, Neu-Sandez, Reichshof, Sanok sowie Tarnów. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion errichtete man zusätzlich die Kreishauptmannschaften Krosno und Przemyśl.58 Die Bevölkerung im Distrikt war heterogen. Es lebten hier nicht nur ethnische und jüdische Polen, sondern auch Ukrainer, Goralen59 sowie Deutschstämmige. Während Letztgenannte in geschlossenen Siedlungen vor allem in den Kreisen Neu-Sandez und Debica ansässig waren, lebten Ukrainer hauptsächlich in den Grenzregionen um die Gegend von Jaroslau, Przemyśl und Sanok.60 Heinz-Peter Seraphim, deutscher Ökonom und „Sachverständiger für Juden“ im Institut für Deutsche Ostarbeit in Krakau, schätzte die Zahl der Bevölkerung im Jahr 1941 auf rund 3,4 Millionen.61
Aus ökonomischer Sicht nahm die Landwirtschaft im Distrikt einen hohen Stellenwert ein. Mehr als 70 Prozent der Bevölkerung, in der Hauptsache ethnische Polen, waren in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigt.62 Rohstoffvorkommen wie Salz und Holz bildeten weitere Grundlagen der Wirtschaft.63 Handwerkliche Arbeiten wurden häufig in Heimarbeit ausgeübt. Große Zentren der Heimindustrie ließen sich in Krakau, Reichshof und Tarnów finden. Hier gab es zahlreiche Tischlereien, Schmieden, Schlossereien, Schuhmanufakturen und Bürstenbindereien.64
Die Kreishauptmannschaft Tarnów umfasste das Gebiet der einstigen Landkreise Tarnów, Brzesko, Dąbrowa sowie den Stadtkreis Tarnów.65 Sie erstreckte sich zwischen der Weichsel im Norden und den Gebirgsausläufern der Beskiden im Süden und grenzte an die Kreishauptmannschaften Debica, Jaslo, Neu-Sandez, Krakau-Land und Miechów. Neben der Kreisstadt Tarnów und rund 300 Landgemeinden zählte die Kreishauptmannschaft noch fünf weitere Landstädte wie Dąbrowa Tarnowska und Brzesko im Norden sowie Tuchów im Süden des Kreises.66