Читать книгу Doula-Wissen rund um die Geburt - Melanie Schöne - Страница 8
Оглавление1 | Die Doula |
Doulas wollen zusammen mit Hebammen einen Frauenkreis bilden, der es sich zur Aufgabe macht, aus Solidarität und Mitgefühl andere Frauen bei dieser zentralen Lebenserfahrung zu unterstützen.
Es ist in unserem Interesse, deutlich zu machen, dass Geburtshilfe ein traditionelles Frauenhandwerk ist.
Hebammenzeitung 09, „Die Mutter bemuttern“ von Kristina Wierzba-Bloedorn, Doula
Die Tradition der Doula ist uralt und ihre Anwesenheit und Unterstützung bei Geburten ist keineswegs eine neue Entwicklung. Die gebärende Frau wird zusätzlich zur Hebamme von einer ihr vertrauten, geburtserfahrenen Frau begleitet. In vielen Kulturen war es üblich, dass eine Gruppe Frauen zusammenkam, um die Gebärende zu unterstützen und zu umsorgen.
Ebenso ist diese Unterstützung bei Geburten von Elefanten und Delfinen zu beobachten, wo die Weibchen einer Gruppe einen Kreis um die Gebärende bilden und sie und ihr Neugeborenes beschützen. Bei Delfinen bringt die „Doula“ das Neugeborene zum ersten „Luftschnappen“ über Wasser, damit sich die Mutter noch kurz ausruhen kann.
Wie kam es zum aktuellen Trend der Doulas in den deutschsprachigen Ländern?
Seit den 1950er-Jahren gibt es bei der Geburtshilfe in den zivilisierten Industrieländern eine stark medizinisch-technisch orientierte Entwicklung. Dies führte zu einem immensen Anstieg der Kaiserschnittraten und der Wunschkaiserschnitt kam in Mode, seit diese Operation nur noch sehr selten mit dem Tod der Mutter oder des Kindes endete. Mittlerweile gilt der Kaiserschnitt in vielen Ländern als sicherste Methode, sein Kind zu entbinden.
Ich glaube nicht, dass Frauen sich ihrer ureigenen Kompetenz, zu gebären, berauben lassen wollen. Es gibt heutzutage für Frauen leider viel zu wenig Ermutigung, ihrem Körper zu vertrauen und ihn für seine Leistung zu feiern. Alles, was nicht kontrollierbar ist, scheint gefährlich zu sein.
1.1Die Aufgaben einer Doula
Sie haben sich vielleicht bereits entschieden, dass Ihr Partner zur Geburt mitkommt und fragen dann: „Wozu brauche ich eine Doula und was genau macht sie?“
Eine geburtserfahrene Frau ist für die Zeit während der Schwangerschaft bis zum Wochenbett eine Vertrauensperson, mit der Sie über alle Themen rund um Schwangerschaft und Geburt reden können. Die Doula bietet Ihnen eine persönliche Begleitung während der Schwangerschaft, individuelle Vorbereitung auf die Geburt und kontinuierliche Unterstützung während der gesamten Geburt an. Sie spricht mit Ihnen ausführlich über Ihr Geburtserlebnis und unterstützt Sie darin, den Beginn eines neuen Lebensabschnitts als Mutter positiv zu erleben. Sie ist Ihnen eine vertraute Person, die sich nur um Ihre Bedürfnisse kümmert. Dies kann nachweislich die Geburtsdauer verkürzen und hat zur Folge, dass es zu weniger medizinischen Interventionen und Kaiserschnitten kommt.
Eine Doula gibt Ihnen während der Wehen kein „richtiges“ Verhalten und auch keine bestimmten Atemmuster vor. Sie unterstützt jeden Atemrhythmus, den Sie in Ihrer Vorbereitung gelernt haben und den Sie während der Wehen anwenden möchten. Die Doula übernimmt keinerlei medizinische Aufgaben und weiß aus den Vorgesprächen um Ihre Wünsche und Bedürfnisse, aber auch um Ihre Sorgen und Ängste. Sie wird sich um Ihr Wohlbefinden sorgen, Sie ermutigen und trösten.
Durch in der Doula-Ausbildung erlerntes Wissen und ihre eigene Erfahrung als Gebärende hat die Doula ein Gefühl dafür, was eine Frau in der Zeit der Schwangerschaft, während der Geburt und im Wochenbett bewegt. Umfassende Kenntnisse u. a. über den natürlichen Geburtsvorgang verhelfen der Doula zu innerer Ruhe und Zuversicht. Da sie keinerlei medizinische Funktion hat, kann sie sich ganz auf die Bedürfnisse der schwangeren, gebärenden Frau konzentrieren.
Die Begleitung einer Doula wird in Deutschland nicht von den Krankenkassen getragen. Das Honorar für eine Doula variiert von 300 bis 600 € und beinhaltet meist folgende Leistungen:
Ein unverbindliches Kennenlernen, drei (oder mehrere) Treffen vor der Geburt, Rufbereitschaft (Tag und Nacht) rund um den errechneten Geburtstermin (meist 14 Tage vor und 14 Tage nach dem errechneten Termin), telefonischer Kontakt und die kontinuierliche Geburtsbegleitung unabhängig von der Dauer der Geburt. Alle vereinbarten Leistungen werden vertraglich festgehalten. Weiterhin enthalten sind 2 bis 3 Treffen nach der Geburt und ein persönlicher Geburtsbericht mit Fotos.
1.2Die Mutter bemuttern
Die Doula ist mit dem Geburtsgeschehen vertraut, sie hat die Kraft und Ausdauer, auch bei manchmal langen und schweren Geburten an der Seite der werdenden Mutter zu sein und diese zu umsorgen, zu massieren, zu streicheln, ihr ein Glas Wasser zu reichen, sie zu ermuntern, sie zu trösten, mit ihr zu weinen oder zu beten. Die Doula berührt, hält die Hand an den schmerzenden Rücken während der Wehen, nimmt die Gebärende in die Arme und geht liebevoll auf deren Wünsche ein. Die Gebärende erhält von der Doula Tipps und Anregungen, eine andere Körperhaltung einzunehmen, sie kennt die natürlichen Methoden der Schmerzlinderung und ermutigt die werdende Mutter darin, sich vertrauensvoll auf den natürlichen Geburtsverlauf einzulassen.
Die Unterstützung der Doula hilft, dass sich die unbeschreibliche Kraft, die Frauen unter der Geburt zur Verfügung steht, entfalten kann.
Manche Frauen sind so im Einklang mit ihrem Körper und ihren Wehen, dass es ihnen vollkommen genügt, dass ihre Doula anwesend ist. Andere Frauen wiederum brauchen das tröstliche Gefühl von Sicherheit und positiver Bestärkung, das von einer Geburtsbegleiterin ausgeht.
1.3Die Doula und der werdende Vater
Das wichtigste Anliegen der Doula ist es, die Intimität der werdenden Eltern zu schützen und zu respektieren. Sie hat viele Möglichkeiten, dem werdenden Vater zu zeigen, wie er seiner Frau wirkungsvoll helfen kann. Die Doula wird bei seiner Frau bleiben, wenn er eine Pause benötigt, und sie gibt dem werdenden Vater Sicherheit und den Raum, die Geburt für sich selbst als etwas Großartiges zu erleben. Ihre beruhigende Wirkung ist auf ihn oft ebenso stark wie auf die Gebärende.
In den Geburtsvorbereitungskursen erhalten Paare manchmal den falschen Eindruck, dass das Ausführen einiger leichter Übungen schon ausreicht, den Vater zur hauptsächlichen Quelle der Unterstützung und der fachlichen Kompetenz für die gesamte Geburt zu machen, wenn die Hebamme gerade nicht zur Verfügung steht.
Dies mag auf eine kleine Anzahl von Männern zutreffen – für die meisten Väter gibt es an den Kursabenden nicht ausreichend Gelegenheit zum Beobachten und Üben. Und für die Hebammen wiederum ist es oft schwierig, die Väter zu einer intensiven Teilnahme an den Übungen zu bewegen und ihnen ein Verständnis dessen zu vermitteln, was tatsächlich auf sie zukommen wird. Hier wäre ein Kurs für werdende Väter von geburtserfahrenen Vätern eine Marktlücke und sicherlich hilfreich, da die meisten Männer bestimmte, für sie peinliche Fragen wohl lieber im Kreis von Gleichgesinnten oder „Leidensgenossen“ stellen als an die Hebamme im Beisein ihrer eigenen Frau und fremder Personen.
Während der Geburt bindet die Doula den werdenden Vater mit in das Geburtsgeschehen ein, indem sie ihm Tipps gibt, wie er zu dem jeweiligen Zeitpunkt seiner Frau helfen kann. Er bekommt jederzeit Antworten auf seine Fragen, da die Doula kontinuierlich anwesend ist und den Geburtsverlauf einschätzen kann.
Tipp
Suchen Sie eine Doula nach Ihrem Bauchgefühl aus; Sympathie auf den ersten Blick ist wichtig für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Fragen Sie die Doula nach ihrer Ausbildung, ihrer Erfahrung und nach ihren individuellen Leistungen.
Sie finden eine Doula in Ihrer Nähe im Internet:
1.4 Statistische Untersuchungen
Marshall Klaus und John Kennell
In den 1970er-Jahren entdeckten die US-amerikanischen Ärzte sowie die Psychotherapeutin Phyllis Klaus bei Frauen, deren Geburten eine Doula kontinuierlich begleitete, dass sich die Zahl der Kaiserschnitte signifikant reduzierte, die Frauen weniger Schmerzmittel brauchten, Saugglocken- und Zangengeburten seltener vorkamen, die Stilldauer sich verlängerte und die Paarbeziehung gestärkt wurde. Die Untersuchungen wurden dem üblichen Prozess strenger wissenschaftlicher Überprüfung unterworfen. Die Ergebnisse stammen aus sechs Untersuchungen mit Zufallsstichprobe und Kontrollgruppe. Zwei Studien wurden in Guatemala durchgeführt, eine in Houston/Texas und eine andere in Johannisburg (Südafrika). Die fünfte Studie wurde in Finnland, die sechste in Kanada durchgeführt. Die Frauen waren alle gesund, erwarteten ihr erstes Kind und ihre Schwangerschaften verliefen ohne Zwischenfälle. Erklärten sich die Mütter bereit, an der Studie teilzunehmen, wurde ihnen per Zufallsprinzip entweder eine kontinuierlich anwesende Doula zugeteilt oder nicht. Bei beiden Varianten stand den Frauen zusätzlich das normale Krankenhauspersonal zur Verfügung, also Hebammen, ÄrztInnen und Krankenschwestern.
Die Situation in den Kliniken der 1970er-Jahre ist natürlich mit den heutigen Kreißsälen nicht zu vergleichen. Die Studien wurden 1989 und 2003/2004 wiederholt und brachten erstaunlicherweise vergleichbare Ergebnisse. Untersucht wurde hierbei die kontinuierliche und persönliche Unterstützung (eins zu eins) von 13.000 Frauen in 15 Studien in elf verschiedenen Ländern. Dabei ging es um den Verlauf und die Art zu entbinden (Outcome) von Geburten mit und ohne diese Unterstützung.
Die Studie „Kontinuierliche Unterstützung für Frauen während der Geburt“ wurde von der angesehenen Cochrane Collaboration durchgeführt. Diese internationale Organisation entwirft und hält aktuelle, strenge systematische Reviews über die hoch qualitativen Studien in vielen Bereichen der Gesundheitsvorsorge und Medizin fest.
Die Frauen hatten
26 % | weniger Risiko, per Kaiserschnitt zu gebären |
41 % | weniger Risiko, mit Saugglocke oder Zange zu gebären |
28 % | weniger Risiko, irgendein Schmerzmittel oder eine Anästhesie in Anspruch zu nehmen und |
33 % | weniger Risiko, unzufrieden zu sein oder ihre Geburtserfahrung negativ zu beurteilen. |
Ellen D. Hodnett, Professorin an der Universität von Toronto: „Die Organisation der Pflege in modernen Entbindungsstationen – Schichtwechsel, diverse Pflichten der Angestellten und Personalmangel – scheint den Erfolg der Geburtsbegleitung, den die Mitglieder der Klinikbelegschaft bieten, einzuschränken. Der Klinik nicht zugehörige PflegerInnen könnten imstande sein, den Bedürfnissen der Mutter größere Beachtung zu schenken.“
Zusätzlich zu der Bedeutung der Art der Pflegerin fanden die ForscherInnen auch, dass kontinuierliche Geburtsbegleitung besser funktionierte, wenn sie
• zu einem frühen Zeitpunkt der Geburt begann;
• in Situationen benutzt wurde, in denen Schmerzmittel nicht routinemäßig vorhanden waren;
• in Situationen benutzt wurde, in denen Frauen nicht von der Person ihrer Wahl (wie Partner, Freundin oder Familienmitglied) begleitet werden durften.
Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass alle Frauen Unterstützung während der gesamten Wehentätigkeit und Geburt haben sollten. Der positive Effekt ist größer mit „Nicht-Klinik-Angestellten“ (z. B. Doulas) als Geburtshelferinnen als mit angestellten Krankenpflegerinnen, selbst wenn diese eine spezielle Ausbildung in Geburtshilfe haben.
John Kennell sagte einmal:
„Wären die mit einer Doula erzielten Ergebnisse mit einem Medikament oder einem neuen Apparat zu erreichen, dann gäbe es eine ungeheure Nachfrage nach dieser Neuerung, aber leider entspricht die Doula noch nicht der medizinischen Lehrmeinung.“