Читать книгу Fight #1 - Deine Strafe ist der Tod - Melanie Weber-Tilse, Alisha Mc Shaw - Страница 5

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Aidan - Altbekanntes

»O’Connor! In mein Büro!«

Die Stimme Chief Goodmans donnerte über den Flur und ich zuckte zusammen. Hilflos sah ich über den Schreibtisch hinweg zu Dave, meinem Kollegen. Seit drei Monaten schon saß ich in der sogenannten Papierabteilung des Departments, Außendienst durfte ich bis auf Weiteres nicht mehr machen. Ich solle froh sein, dass ich nicht freigestellt würde, hatte man mir süffisant lächelnd mitgeteilt und mir somit durch die Blume gesagt, dass ich meine Fresse zu halten hatte.

Der Chief hatte allerdings nicht danach geklungen, als würde er mich in sein Büro bitten, um mit mir einen Kaffee zu trinken. Ich fragte mich, was ich beim Sortieren von alten Fallakten schon großartig falsch hätte machen können. Seufzend erhob ich mich und trottete langsam in Richtung seines Büros.

»Setzen Sie sich, O’Connor!«

Erstaunlicherweise lächelte mich Goodman freundlich an, was mich sofort in Alarmbereitschaft versetzte. Nicht gut, Aidan!, schoss es mir durch den Kopf. Der Chief musterte mich von oben bis unten, dann nickte er. »Sie haben Recht, Specialagent Mahony. Er ist perfekt!« Mein Kopf ruckte herum. In der Ecke hinter der Tür stand noch jemand, den ich beim Reinkommen übersehen hatte, so fixiert war ich auf den Chief.

Es war ein Kerl im schicken schwarzen Anzug, der jetzt seine Sonnenbrille zusammenklappte und in seiner Jackeninnentasche verstaute. Schweigend verschloss er alle Jalousien und nahm damit jedem draußen die Sicht ins Büro hinein. Ich musste schlucken und der Schweiß brach mir aus. Der Typ war vom FBI.

Was zur Hölle konnte ich verbrochen haben, und wieso erinnerte ich mich an kein Vergehen? Mein letzter Ausrutscher war drei Monate her und hatte mich in die Papierabteilung gebracht. Da ich meinen Job eigentlich mochte, hatte ich mich seitdem am Riemen gerissen und mit zusammengebissenen Zähnen jede noch so erniedrigende Arbeit ausgeführt, ohne aufzumucken. Mich ebenfalls von oben bis unten betrachtend kam der Agent auf mich zu, nachdem er jegliche Sicht nach draußen - oder nach drinnen – verhindert hatte und nickte mir zu.

»Aidan O’Connor, 23 Jahre alt, aufgewachsen in Philadelphia. Als 13-Jähriger beim Gammeln in einem Abbruchhaus aufgegriffen und in ein Sozialprojekt für Straßenkids aufgenommen. Es zeigte sich schnell, dass Sie Talent zum Boxen haben. In den nächsten vier Jahren gelang es Ihnen, einige Jugendtitel zu erringen, und Sie hätten vermutlich ein Großer im Boxen werden können, wenn Sie sich nicht selbst im Weg gestanden hätten. Mit 17 Jahren wurden Sie vom Verband rausgeworfen, weil Sie mal wieder eine Prügelei außerhalb des Ringes mit einem Ihrer Boxgegner anzettelten.«

Ich klatschte provozierend in die Hände. »Prima, meine Akte gelesen haben Sie also schon mal!«, stieß ich sarkastisch hervor. Natürlich wusste ich, was ich jetzt zu hören bekommen würde.

Der Agent ließ sich davon nicht stören, sondern fuhr unbeeindruckt fort. »Nachdem Sie vom Verband rausgeworfen wurden, versuchten Sie sich einige Zeit als Straßenkämpfer, bis bei einem dieser Kämpfe Ihr bester Freund Jonathan Leary ums Leben kam. Ihr Glück war, das Sie damit nichts zu tun hatten. Aber zu diesem Zeitpunkt scheint es bei Ihnen zumindest teilweise zu einer Einsicht gekommen zu sein, denn Sie absolvierten die Tests der Policeacademy.«

Wut machte sich in mir breit, ich sprang auf. »Können wir bitte«, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, »von etwas anderem sprechen als meiner Vergangenheit? Ich war dabei, ich kenne sie!« Die Dinge, von denen der Agent da sprach, suchten mich bis heute noch oft genug nachts heim, er musste nicht deutlicher werden.

»Setzen Sie sich, O’Connor!«, fuhr Goodman mich an. Ich raufte mir die Haare und ballte meine Hände zu Fäusten, aber ich setzte mich. »Specialagent Mahony ist nicht hier, um Sie mit Samthandschuhen anzufassen, Aidan, sondern, weil wir Ihre Hilfe brauchen.«

Ich horchte auf. Jetzt wurde es interessant. Mit hochgezogener Augenbraue verschränkte ich die Arme vor der Brust und lehnte mich zurück. »Ich höre?«

Der Agent schob sich einen Stuhl zurecht und ließ sich darauf nieder. Dann glitt sein Blick erneut musternd zu mir, so als ob er feststellen wollte, inwieweit er mir vertrauen konnte. »Officer O’Connor, sagt Ihnen der Name Juri Pastrow etwas?« Ich runzelte die Stirn. Sollte das eine Fangfrage sein? Wer kannte den russischen Paten New Yorks nicht?

»Natürlich«, murrte ich.

»Dann wissen Sie sicher auch, dass er illegale Kämpfe abhält?«

Ich schnaufte vernehmlich. Auch das war mir bekannt. Bevor das mit Jonathan passiert war, hätte ich die besten Chancen gehabt, einer dieser Kämpfer zu werden. Aber wenn Mahony das mit Jon wusste, würde ich ihm das sicher nicht erzählen müssen. »Specialagent«, seufzte ich, »reden Sie nicht um den heißen Brei. Sie wissen genauso gut wie ich, dass ich selbst an solchen Kämpfen schon teilgenommen habe.«

Mahony nickte. »Womit wir beim Grund meines Hierseins wären. Officer, könnten Sie sich vorstellen, erneut zu kämpfen?«

Meine Kinnlade fiel runter und ich starrte zwischen Mahony und Chief Goodman hin und her. Das hier müsste doch jetzt der Punkt sein, wo einer von beiden lachen und mir auf die Schulter klopfen würde, um mir zu sagen, dass ich einem Scherz aufgesessen war? Aber keiner der Beiden lachte.

Goodman beugte sich vor. »Glauben Sie mir, O’Connor, es wäre niemandem lieber als mir, wenn das ein schlechter Scherz wäre. Aber gerade aufgrund Ihrer Vorgeschichte sind Sie ...«, er seufzte, »leider die beste Alternative, die wir haben.«

Na, danke für die Blumen. Ich warf dem Chief einen finsteren Blick zu, ehe ich vehement den Kopf schüttelte. »Ihnen sollte klar sein, dass ich keinesfalls in der körperlichen Verfassung dazu bin, an solch einen Kampf auch nur zu denken!«

»Das wäre kein Problem. Sie haben zwei Wochen, um sich vorzubereiten.«

Ich sagte keinen Ton, blickte nur zwischen den beiden Männern hin und her. Dann legte ich meinen Kopf in den Nacken und fing an zu lachen.

»In meiner Verfassung könnte ich genauso gut vom Empire State Building springen, meine Herren. Die Überlebenschancen bei diesem Sprung dürften in etwa meine Chance beschreiben, die ich hätte, wenn ich versuchen würde, gegen einen dieser Leute in den Ring zu steigen!« Meine Stimme hatte jeglichen Humor verloren, während ich das sagte und ernst in die Runde blickte.

»Was und wie lange würden Sie brauchen?« Mahony schien nicht im Geringsten beeindruckt zu sein.

Der meinte das echt ernst! »Mindestens sechs Wochen. Ich boxe regelmäßig, aber natürlich nicht in dem Maß, das ich benötigen würde, um mithalten zu können. Des Weiteren müsste ich klein anfangen. Und wenn ich klein sage, meine ich klein. Es würde Monate dauern, bis ich überhaupt auch nur in die Nähe einer Möglichkeit käme, dass Juri Pastrow mich überhaupt kämpfen sehen will.«

Ich überlegte. »Ich würde nicht nur eine Trainingsmöglichkeit brauchen, sondern auch Geld. Viel Geld. Einen Trainer, der was vom Fach versteht. In diesem Metier kommt man nicht weit, wenn man keinen Gönner hat. Und das Wichtigste haben Sie dabei noch außer Acht gelassen.«

»Was?« Mahony kniff die Augen zusammen.

»Ich bin ein verdammter Cop!«

»Wenn Sie sich auf dieses Ding einlassen, sind Sie kein Cop mehr, O’Connor. Dann sind Sie auf sich allein gestellt«, mischte sich Goodman ein. »Pastrow hat seine Männer überall. Wir werden einen Background vorbereiten, der glaubhaft genug sein sollte. Vor allem, wenn man Ihre bisher wenig rühmliche Karriere im Department kennt.«

Ich schnaubte. Wem erzählte er das? Ich verdankte es vermutlich nur der Tatsache, dass ich mich bereit erklärt hatte, einen dieser bescheuerten Therapeuten aufzusuchen, dass ich noch nicht arbeitslos war. Was konnte ich dafür, dass auf den Straßen New Yorks so viele Vollpfosten herumliefen, die es nicht vertrugen, wenn man ihnen die Wahrheit ins Gesicht sagte?

Gut, der letzte Vollpfosten war Bürgermeisterin Cooper gewesen, aber sie war nun mal ein eiskaltes Miststück! Ich verengte die Augen. »Was genau wäre meine Aufgabe?«

»So dicht wie möglich an Pastrow herankommen. Wir wollen ihn drankriegen.«

Ich schloss meine Augen und massierte mir mit den Händen die Schläfen. So langsam wurde mir klar, warum man mich für diese Aufgabe gewählt hatte. Es lag nicht nur an meiner Vergangenheit, sondern auch an der Tatsache, dass ich allein war. Es würde niemanden geben, der um mich weinte, sollte das Ding schiefgehen. Das war keines der Spielchen, die ich früher gern gespielt und aus denen ich glücklicherweise immer als Sieger hervorgegangen war.

Das hier war der fucking Ernst des Lebens und ich würde genau das riskieren. Mein Arsch würde metertief in der Scheiße stecken, wenn ich das versaute, und niemand – wirklich niemand! – würde kommen, um mich da rauszuholen.

»Ich mach’s.« Goodman holte Luft, doch ich hob meine Hand, um ihn am Sprechen zu hindern. »Zu meinen Bedingungen: Ich suche mir die Leute, mit denen ich zusammenarbeite, selbst aus. Mein Leben, mein Vertrauen. Dass ich Geld brauche, sollte klar sein. Ich werde einiges brauchen, hier ist nix mit Taschengeld, ich brauch richtig Kohle.« Meine Finger machten die entsprechende Handbewegung.

Goodman wechselte einen Blick mit Mahony. Dann nickte er.

»Eins noch«, redete ich weiter. Wenn der Chief schon mal in Geberlaune war, musste ich das ausnutzen.

»Was?«, knurrte er. »Reizen Sie es nicht aus, O’Connor!«

»Ich trainiere seit zwei Jahren Straßenkids im Boxen. Wenn mir was passiert, dann ... versprechen Sie mir, das sich jemand um die Kids kümmert. Und wenn ich kümmern sage, dann meine ich nicht, dass einmal in der Woche jemand schaut, ob sie noch alle leben. Ich spreche von wirklichem Kümmern«, ich sah Goodman abwartend an.

Dieser streckte mir die Hand entgegen, so etwas wie Anerkennung blitzte kurz in seinen Augen auf.

»Deal!«

***

Der Schweiß lief mir in Strömen den Rücken hinunter und ich konnte mich selbst riechen. Jeder Muskel meines Körpers tat weh. Vier Wochen waren seit meinem Gespräch mit dem Chief und Mahony vergangen, und es war viel passiert.

24 Stunden nach dieser Zusammenkunft hatte man mich gefeuert. Ein fingierter positiver Drogentest und der Fund von einigen nicht erlaubten Substanzen hatten hoffentlich äußerst glaubwürdig dafür gesorgt, dass ich für die Öffentlichkeit als Schande der New Yorker Polizei gefeuert und von der Presse zerrissen wurde.

Bürgermeisterin Cooper musste es ein innerer Triumph gewesen sein, in ihrer Pressekonferenz von Inkompetenz und dem besten Beispiel für fehlgeschlagene Re-Integration zu sprechen. Eines Tages würde ich diesem Miststück ...

Ich hämmerte auf meinen Boxsack ein, als stünde Cooper vor mir.

»Aidan, lass den Sack in Ruhe, er kann nichts für deine Aggressionen!« Mein Trainer Dario, von allen nur Dog genannt, zog mich ein Stück zurück. Auch er kannte den wahren Grund nicht, warum ich wieder kämpfen wollte. Er war, wie halb New York, ebenfalls der Meinung, dass ich wegen der Drogen gefeuert worden war und nun auf anderen Wegen mein Geld verdienen wollte.

Es fiel mir schwer, einen der wenigen echten Freunde, die ich aus Kindertagen zurückbehalten hatte, so zu belügen, aber zu meiner eigenen Sicherheit war es besser, dass so wenig Personen wie möglich die Wahrheit kannten. Neben Chief Goodman und dem Agent des FBI gab es nur eine Handvoll Leute, die wussten, wie es wirklich war.

Ich hatte eine Tasche voll mit Geld bekommen, wirklich viel Geld - die ich in einem Schließfach meiner Bank deponiert hatte und eine Telefonnummer, die ich mir einprägen musste. Diese Nummer war nicht nur dafür gedacht, sollte ich erfolgreich sein, sondern auch mein einziger erlaubter Kontakt zur Polizei. Nur unter diesen Zahlen würde ich jemanden erreichen, der die Wahrheit kannte, den ich informieren und der mir dann helfen konnte. Ansonsten war ich vollkommen auf mich allein gestellt. Ich, Aidan O’Connor, die aktuell schlimmste Schande der Polizei.

Es gab einen Vertrag, den nicht nur ich, sondern auch der Chief und Mahony unterschrieben hatten. In diesem war klar festgelegt, dass ich als Undercoveragent auch Dinge würde tun müssen, die nicht mit dem Eid einhergingen, den ich als Polizist geschworen hatte. Hierfür wurde mir absolute Straffreiheit garantiert, und dieser Vertrag beinhaltete wirklich alles. Ich wusste aus Erfahrung, dass ich mit großer Wahrscheinlichkeit auch würde töten müssen – auf der Straße überlebten nur die Harten.

Das Töten war auch der Punkt gewesen, bei dem ich am längsten gezögert hatte. Ich war damals nur knapp mit dem Leben davongekommen, während mein bester Freund Jonathan nicht so viel Glück gehabt hatte. Ich hatte dabei zugesehen, wie er elendig verreckt war, während unsere sogenannten Freunde mit wehenden Fahnen flüchteten. Aber ich war geblieben. Ich hatte ihn gehalten und leise mit ihm geredet, bis seine Augen vor meinen brachen. Denn so tragisch das damals auch alles war, für mich stand fest, dass Jon mir mit seinem Tod das Leben gerettet hatte.

Als er beerdigt wurde, kam die ganze Gang auf den Friedhof. Ich stand an seinem Grab und konnte die Scheinheiligkeit dieser Bastarde nicht glauben. Sie hatten ihn liegenlassen wie Vieh, und nun standen sie hier und taten so, als sei nichts passiert? Ich weiß nur aus Erzählungen, was an diesem Tag passierte. Für mich sind die Ereignisse bis heute hinter einem Nebel verborgen, und darüber nachzudenken bereitete mir nur Kopfschmerzen.

Ich habe sie platt gemacht. Einen nach dem anderen. Jeden einzelnen habe ich ins Krankenhaus geprügelt, wie ein Berserker gewütet – so wurde es mir später erzählt. Man sperrte mich für vier Wochen in den Jugendarrest. Und dann geriet ich an eine Richterin, die offenbar hinter den Aggressionen, hinter denen ich mich versteckte, das Kind sah, das ich tief in meinem Inneren noch war.

Sie steckte mich nicht zurück in den Knast, wie es jeder erwartet hätte. Nein, sie schickte mich auf die Sozialstation im Krankenhaus. Dort musste ich Ärsche abwischen und alten Leuten stundenlang dabei zuhören, wie sie mir Dinge aus ihrem Leben erzählten, die mich nicht im geringsten interessierten. Alles, was ich wollte, war, meine Zeit abzusitzen.

Aber du musst aus Stein sein, wenn dich das, was du in solch einer Station erlebst, nicht irgendwie berührt. Und so begann ich, mich zu verändern. Es ging nicht von heute auf morgen, aber es passierte stetig. Sechs Monate nach Jonathans Tod stellte ich mich zum ersten Mal der Prüfung der Polizei. Ich hatte es der Richterin zu verdanken, dass ich überhaupt eine Chance bekam, denn durch die Sozialstunden verhinderte sie, dass ich eine echte Akte bei der Polizei besaß. Vor dem Gesetz war ich dank ihr ein unbeschriebenes Blatt, auch wenn mein Gewissen das bis heute anders sah.

Sie ließen mich drei Mal durchfallen, aber kurz vor meinem 19. Geburtstag hatte ich offensichtlich auch die letzten meiner Kritiker überzeugt, und ich durfte die Polizeischule besuchen. Mein aufbrausendes Wesen kam mir seither zwar immer wieder in die Quere, aber nichtsdestotrotz hatte ich mein Ziel erreicht, und war nie wieder kriminell geworden.

Bis heute.

Denn heute Abend würde ich meinen ersten Kampf bestreiten. Es war eine kleine Klitsche, und das Preisgeld würde gerade eben dazu reichen, die Unkosten zu decken, aber es war ein Anfang. Dog war nicht begeistert davon, dass ich heute schon auf die Matte wollte, aber ich ließ mich nicht davon abbringen. Er glaubte, dass ich während meines aktiven Dienstes so viel auf die Seite gelegt hatte, dass ich die ersten Kämpfe selbst finanzieren konnte.

Sollte heute etwas dabei rausspringen, würde die Kohle komplett an Dog gehen. Das war ich ihm schuldig. Er hatte mich aufgenommen, ohne Fragen zu stellen. Wortlos hatte er mich angesehen, als ich vor seiner Tür stand und mir jene weit geöffnet. Er kam wie ich von der Straße. Was ich bei ihm nicht lernte, würde ich nirgends lernen.

***

Das Adrenalin pumpte durch meine Venen, Schweiß stand auf meiner Stirn, verursacht nicht zuletzt durch die Scheinwerfer, die irgendwer aufgestellt hatte. Wir befanden uns im Hafen von New York in einer riesigen Halle, die extra für diesen Zweck hergerichtet worden war. Ich wusste, dass ich es nur Dogs Kontakten zu verdanken hatte, dass ich überhaupt von diesem Ort wusste. Mir gegenüber hätte niemand auch nur das geringste Wort darüber verloren. Vor den Toren standen ein paar Schränke von Männern, die mit finsterem Blick und verschränkten Armen wohl für Ordnung hier sorgen sollten.

Ob auch nur einer von denen ahnte, dass ich sie mit Leichtigkeit würde ausknocken können, wenn ich denn wollte? Sie waren allesamt größer und breiter als ich, aber in Sachen Schnelligkeit machte mir keiner etwas vor. Damals nicht und heute auch nicht. Dennoch hatte ich nur breit gegrinst, als mir einer der tumben Typen lang und breit heruntergeleiert hatte, wie der Abend abliefe.

Nachdem ich die Teilnahmegebühr entrichtet hatte, erhielt ich ein kleines, eingeschweißtes Kärtchen mit einer Nummer und wurde hineingelassen. Die Halle war, obwohl es noch mehrere Stunden dauern würde, bis die Kämpfe begannen, bereits gut gefüllt. Ich sah und ich roch es. Es stank nach Arbeiterschweiß, Alkohol und diversen Marihuana-Mischungsverhältnissen, die die gesamte Luft schwängerten. Das Grinsen, das sich in meinem Mundwinkel zusammenzog, konnte ich nur mit Mühe verhindern. Das hier auffliegen zu lassen wäre ein Traum für jeden Polizisten, eine Beförderung dann nur noch Formsache.

Gelassen schob ich meine Hände in die Hosentasche und schlenderte am Rand entlang, um mir einen Überblick zu verschaffen. Die Veranstalter hatten Bauzäune in einem circa 4 x 4 Meter großen Quadrat aufgestellt, die am unteren Ende jeweils nur in schweren Betonblöcken steckten, und oben mit Eisenketten und Vorhängeschlössern zusammengehalten wurden. Das war der Ring. Um den Zaun herum waren Absperrgitter aufgestellt, an deren Stangen sich die Menschen bereits drängten. Lediglich von einer Ecke aus führte ein schmaler, ebenfalls durch Absperrgitter begrenzter Gang nach hinten. Von hier aus würden die Kämpfer vermutlich starten.

Überall in der Menge sah ich Männer mit gelben Sicherheitswesten, die sich durch das Gedränge zwängten. Aber sie waren mitnichten Securitys, die für Ordnung sorgten. Bei ihnen handelte es sich um Buchmacher, die die Wetten annahmen und verbuchten. Bei ihnen konnte man, bevor der Kampf begann, auf seinen Favoriten setzen und im besten Fall hatte man Glück und gewann einen Batzen Geld.

Ob ich wollte oder nicht, die Situation hier ließ mich nicht kalt. Das Adrenalin, welches mich schon den ganzen Tag über in Schach gehalten hatte, machte sich jetzt noch deutlicher bemerkbar. Das Summen der Gespräche in meinen Ohren, ja, sogar der abgestandene Geruch in der Halle trugen nur ihren Teil dazu bei, dass ich mich heimisch fühlte. Vorfreude machte sich in meinem Inneren breit, ebenso wie das Gefühl, ein Stück Kindheit nachzuholen.

Nicht, dass ich das Töten guthieß. Nein. Ich freute mich auf den Kampf an sich. Darauf, die anderen zu beobachten und zu analysieren, wo ihre Schwachpunkte lagen. Es würde mir ein Vergnügen sein, herauszufinden, wie ich sie möglichst schnell und energiesparend auf die nicht vorhandenen Bretter schicken konnte.

Ums Töten würde es hier und heute auch nicht gehen. Dafür waren die Gebühren ebenso zu niedrig wie die Preisgelder. Hier ging es darum, dass die Leute sehen wollten, wie die Männer im Ring sich mehr oder weniger gepflegt aufs Maul hauten und dabei so blutig wie möglich vorgingen.

Ums Töten würde ich versuchen, so lange wie möglich herumzukommen. Ich hoffte sogar, dass ich es gar nicht müssen würde. Aber dennoch waren Orte wie diese perfekt dafür, mir einen Ruf zu erarbeiten. Es würde seine Zeit dauern, bis die ersten Einladungen zu den wirklich rentablen Veranstaltungen eintrudelten. Bis dahin würde ich mich damit begnügen müssen, mich hinter provisorisch zusammengesteckten Zäunen mit anderen zu prügeln.

Ich schulterte meine Tasche erneut und machte mich dann auf den Weg in den abgesperrten Bereich, der für die Kämpfer da war. Vor den Paravents, die diverse chinesische Muster auf sich trugen, standen zwei Männer, die besonders grimmig dreinsahen. Ihnen zeigte ich meine Karte und nach einer kurzen Musterung wurde ich durchgelassen. Das hämische Grinsen von einem der beiden war mir nicht entgangen, aber ich war mir sicher, dass er mich am Ende dieses Abends anders ansehen würde, also beließ ich es dabei.

Etwa 20 Männer tummelten sich hinter der Absperrung, und während ich meine Tasche auf einer der Bänke abstellte, nutzte ich die Gelegenheit, mir jeden einzelnen genau anzusehen. Ich hatte mir nicht nur eine bequeme Hose eingepackt, sondern auch genug Material, um mir nicht nur die Hände, sondern auch meine Füße vernünftig tapen zu können. Außerdem hatte ich frische Straßenkleidung eingepackt, denn auf diesen Low-Budget-Veranstaltungen gab es in den seltensten Fällen eine Dusche.

So konnte ich zwar nicht verhindern, dass ich nach den Kämpfen aussehen würde wie ein abgeschlachtetes Schwein und sicherlich auch annähernd so roch, aber wenigstens würde ich mir in den Toiletten das Gesicht waschen und saubere Kleidung anziehen können, um auf dem Heimweg nicht aufzufallen. Meine Jacke besaß eine Kapuze, die ich notfalls tief ins Gesicht ziehen konnte, falls auch dieses in Mitleidenschaft gezogen würde, womit ich rechnete.

Ich zog mein Shirt aus und schlüpfte in die Tarnfleckhose, die mir einerseits genügend Beinfreiheit lassen würde, um beweglich zu sein, die aber andererseits dafür sorgen sollte, dass ich weniger schmerzhaft brennende Cuts an den Oberschenkeln davontrug. Während ich sorgfältig damit begann, meine Hände zu tapen, beobachtete ich die Männer, von denen zumindest ein Teil heute zu meinen Gegnern zählen würde.

Wie ich selbst, waren die meisten von ihnen tätowiert und einigen konnte man im Gesicht ansehen, dass sie schon oft gekämpft hatten. Von Narben und breit geschwungenen Nasenrücken über bereits verblassende blaue Augen war alles dabei. Jedoch erschien mir keiner von ihnen als ernst zu nehmender Gegner. Es waren viele Muskelpakete dabei und ich würde aufpassen müssen, dass mich kein Schlag ernsthaft traf, aber was ich an Muskeln weniger besaß als die anderen hier, machte ich durch meine Schnelligkeit allemal wett.

Ein Mann mit einem Megafon in der Hand ging herum und sprach mit den Kämpfern. Mein Herz machte einen Satz, gleich würde es losgehen. Dieser Kerl war ein sogenannter Einheizer. Er würde nicht nur die Meute anpeitschen, sondern jeden Kämpfer ansagen. Gerade, als ich das letzte Stück Tape um meinen Fuß gewickelt hatte, kam der Kerl, der mehr Zahnlücken besaß, als ich Tattoos hatte, auf mich zu.

Monoton und leiernd teilte er mir mit, dass ich der Erste war, der in den Ring musste. Mein Gegner war einer von der Sorte, der sich bei der Verteilung des Hirns besonders weit hinten versteckt hatte, der aber sicher einige seiner Defizite mit den Bergen an Muskeln, die er besaß, wettmachte. Ich nickte knapp und setzte an, mich auf den Weg zu dem Gang zu machen, von dem aus wir den Ring besteigen würden.

»Ey du!«, rief der Kerl mir nach und ich blieb stehen. Langsam drehte ich mich um und sah ihn fragend an. »Namen«, keifte er. »Ich brauche einen Namen, mit dem ich dich ansagen kann!« Ein Lächeln machte sich auf meinem Gesicht breit.

»Du kannst mich Mir nennen.«

Fight #1 - Deine Strafe ist der Tod

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