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Kapitel 1

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„Wie lange bleibst du weg? Wird es spät werden?“ Der alte Mann schaute sie sorgenvoll an.

„Grandpa, nur eine kleine Party bei Milow, das wird nicht spät. Du weißt doch, dass ich eigentlich nur wegen Sarah hingehe.“ Melody sah den alten Mann, der für sie wie ein Großvater war, liebevoll an.

Dabei war beiden klar, dass sie weit älter war als er. Er war 83 Jahre alt und sah auch so aus. Sie sah wie 25 aus, war aber 138 Jahre alt.

Ja, die Welt war ungerecht. Und doch behandelte er sie immer noch wie ein kleines Mädchen … wie sein kleines Mädchen.

„Dass ihr jungen Leute immer noch auf Partys gehen müsst. In meinem Alter, da waren wir mit Mitte zwanzig verheiratet und hatten schon eine kleine Familie. Wobei Gott es leider mit meiner Familie nicht gut gemeint hat.“

„Du weißt, dass Gott sich schon lange von den Menschen abgewandt hat, Grandpa.“ Melody wusste, wie sehr ihr Opa litt. Seine Frau war nicht schwanger geworden und dann war sie auch noch in jungen Jahren verstorben. Darüber war er nie hinweggekommen. Als er dann Melody nach ihrem Fall aufgegriffen hatte, war er für sie da gewesen und hatte sie gepflegt.

Das war jetzt fast 50 Jahre her. Seitdem lebte sie bei ihm und er fand es nicht müßig, immer wieder umziehen zu müssen. Wenn sie könnte, würde sie ihm von ihrer Lebensenergie etwas abgeben. Sie alterte nicht, sie lebte ewig. Seine Zeit dagegen war begrenzt und heute wurde ihr wieder vor Augen geführt, dass diese Zeit bald abgelaufen war.

Seine müden Augen schauten sie traurig an. „Ich weiß. Aber ich hoffe, dass ich zu meiner Marta komme, wenn ich sterbe.“

„Ich weiß es nicht, wirklich.“ Zu gerne hätte sie ihm darauf eine befriedigende Antwort gegeben. Aber leider wusste sie nicht, was mit den Menschen geschah, wenn sie starben.

Ob sie es gewusst hätte, wenn sie dort geblieben wäre? Wäre sie in die Geheimnisse eingeweiht worden? Viel zu oft hatte sie sich diese Fragen gestellt und natürlich nie eine Antwort finden können. Vor allen Dingen zermarterte sie sich den Kopf, ob sie mit dem Wissen eventuell Graham, ihrem Großvater, helfen konnte.

Es brachte aber nichts. Sie hatte sich für diesen Weg entschieden und musste mit allen Konsequenzen leben.

Sie umarmte ihn, packte ihre Tasche und ging hinaus in den lauen Abend. Sarah stand schon mit dem Jeep vor dem Gartentor und wartete auf sie.

„Da bist du ja endlich, Mel.“ Sarah war total aufgeregt und aufgedreht. Sie freute sich auf die Party. Denn dort würde sie endlich wieder Milow anschmachten können, in den sie schon Jahre verliebt war. Obwohl Sarah auch schon Mitte zwanzig war und kein Teenager mehr, so hatte sie sich immer noch nicht getraut, Milow endlich klar zu machen, dass sie mehr für ihn empfand als nur reine Freundschaft.

„Ist ja gut, wir können los.“ Melody sprang in den Jeep und verdrehte die Augen.

Kaum saß sie, schon gab Sarah Gas und der Wagen schoss nach vorne weg.

„Sachte Sarah, wir wollen doch lebend auf der Party ankommen“, rief Melody über den Motorenlärm hinweg und krallte sich am Wagengestänge fest.

Sarah lachte laut auf. Auch sie wusste, wer Melody war und dass bei einem Unfall nur einer von ihnen sterben würde.

Sie reduzierte die Geschwindigkeit und der Wind blies den beiden Frauen die Haare aus dem Gesicht. Während Melody groß und schlank war und blonde, lange, gelockte Haare hatte, war Sarah klein, zierlich und mit kurzen braunen Haaren.

So wie ihr Aussehen war auch ihr Charakter absolut gegensätzlich. Während Melody ruhig und besonnen war – und das lag nicht nur an ihrem Alter – war Sarah ein Wirbelwind. Immer gut drauf und Power ohne Ende.

Kein Wunder, dass sie Personaltrainerin im hiesigen Fitnesscenter war und bis auf Jahre ausgebucht war.

Melody dagegen arbeitete als Krankenschwester im Krankenhaus. Natürlich hätte sie auch locker studieren können, aber sie hatte keine Lust, immer wieder neu das Studium anzufangen, wenn sie umzog und eine neue Identität annahm. Als Krankenschwester war die Ausbildung für sie schnell und meist auch mit Auszeichnung fertigzubringen.

Nur bei Blutabnahmen und vorgeschriebenen Kontrolluntersuchungen musste sie die Menschen manipulieren, damit keiner herausbekam, dass sie nicht menschlich war.

Wie oft hatte Sarah sie schon gebeten, Milow dazu zu bringen, dass er sich in sie verliebte. Doch einerseits ließ Liebe sich nicht einfach so in die Köpfe hineinpflanzen und andererseits setzte Melody ihre Gabe so selten als möglich ein.

Auf keinen Fall wollte sie Aufsehen erregen und irgendeinen von denen erzürnen. Schon gar nicht ihn. Wegen ihm hatte sie das Paradies verlassen, um nur nicht ihn zum Mann nehmen zu müssen.

„Hör auf, ständig darüber zu grübeln.“ Sarah riss sie aus ihren Gedanken. Sie schaute zu ihrer Freundin rüber und lächelte. Sie kannten sich einfach zu gut. Und sie wusste jetzt schon, dass es ihr das Herz brechen würde, wenn Sarah irgendwann alt wurde und starb, während sie immer noch jung und unsterblich war.

Seit sie sich entschieden hatte, zur Erde zu kommen, hatten die Emotionen zugenommen. War sie immer relativ beherrscht gewesen und Angst, Wut, und Liebe nur seichte Gefühle, so hatten sie an Intensität zugenommen, die ihr oft die Luft zum Atmen nahm.

Ob Menschen auch so fühlten, oder Melody mittlerweile mehr, wusste sie nicht. Aber manchmal wünschte sie sich, sie könnte sie einfach abschalten.

Sarah legte die Hand auf ihre. Schon wieder waren ihre Gedanken abgeschweift.

„Nun hör wirklich auf. Schnapp dir endlich Dylon, der dich die ganze Zeit schon anschmachtet, und hab ein wenig Spaß. Amüsiere dich, lass dich endlich mal flachlegen. Die bist die älteste Jungfrau auf Erden, Mel.“ Sarah zwinkerte ihr zu und hielt den Jeep vor der alten Halle an.

Melody seufzte. Sie würde auch die älteste Jungfrau auf Erden bleiben, solange sie an ihn gebunden war. Sie verscheuchte die Gedanken und schaute sich um.

Milow hatte für die Party mal wieder einen total abgefahrenen Ort gewählt. Mitten in der Pampa hatte er diesmal eine alte Lagerhalle ausgewählt. Notstromaggregate würden für den Strom der Musikanlage und die Kühlgeräte der Getränke sorgen.

Wie immer wurde die Party heimlich abgehalten und nur einige der hippsten Leute aus Angle City waren eingeladen. Natürlich kamen meist mehr als eingeladen, denn letztendlich sprach es sich dann doch herum, wo mal wieder eine berüchtigte Milow-Fete stattfand.

Allerdings wurde immer penibel darauf geachtet, dass die Polizei keinen Wind davon bekam, denn die waren genauso hinter diesen Partys her, wie Leute dort eine Einladung haben wollten.

Die beiden stiegen aus und die Atmosphäre holte sie direkt ab. Die Dämmerung setzte gerade ein und tauchte die Halle in diffuses Licht. Die Tür wurde geöffnet und Milow und Dylon traten zu den Frauen.

„Hi, schön, dass ihr früher kommen konntet. Wie findet ihr die Location?“, fragte Milow auch sogleich nach, wobei er die ganze Zeit Sarah angesehen hatte. Melody musste sich ein Grinsen verkneifen, denn letztendlich interessierte er sich die ganze Zeit schon für Sarah, nur sie bekam es nicht mit.

Sie hingegen spürte die Blicke von Dylon auf sich, und als sie ihn anschaute, strahlte er über das Gesicht. Unter anderen Umständen, in einem anderen Leben, da wäre sicher aus ihnen beiden ein Paar geworden. Aber hier und jetzt musste sie Dylon immer wieder einen Korb geben.

„Du hast dich mal wieder selbst übertroffen“, lobte Sarah und hakte sich bei Milow unter. „Wo sollen wir helfen?“

Melody ging neben Dylon in die Halle und staunte nicht schlecht. Die beiden hatten hier schon ganze Arbeit geleistet. „Wow, wart ihr das ganz allein?“

Dylon zwinkerte. „Klar, Milow würde keinen anderen mithelfen lassen. Wir sind die ganze Woche schon dabei, alles vorzubereiten. Lichtanlage hängt, Musikanlage steht und jetzt heißt es nur noch die Theke befüllen. Da könnten wir eure Hilfe gebrauchen. Hinter der Halle steht der Transporter mit den Getränken. Wir tragen die Kisten rein und ihr verteilt alles in die Kühlschränke.“

„Kein Problem, das werden wir noch hinbekommen." Melody zwinkerte zurück und machte sich mit Sarah zusammen auf den Weg hinter die lange Theke.

Heute würden sie hier sogar bedienen. Normalerweise durften das auch nur ausgewählte Personen machen und diesmal war die Wahl auf Sarah und sie gefallen. Eigentlich hatte Milow Sarah gefragt und die wollte nicht allein helfen, somit hing Melody mit drin.

„Rennst du eigentlich mit geschlossenen Augen durch die Gegend?“, fragte Melody, als sie anfingen, die ersten Flaschen zu verstauen.

Sarah hielt beim Einräumen inne und schaute sie verständnislos an. „Hä, wie meinst du das denn?“

„Hast du immer noch nicht mitbekommen, wie dich Milow anschaut?“

„Echt?“ Sarah wurde das erste Mal, seit Melody sie kannte, flammend rot.

„Ja, echt.“ Melody schmunzelte, als die Röte noch zunahm, als Milow und Dylon die nächsten Kästen brachten.

Anscheinend entging das auch Milow nicht, der sie aufmerksam musterte. „Alles in Ordnung, Sarah?“

„Äh … ja, ja.“

Dylon warf Melody einen Blick zu und grinste wissend. „Ach Mel, könntest du mal mit rauskommen, ich wollte dir noch etwas zeigen.“

Melody verstand sofort und drückte ihre Flaschen zum Wegräumen direkt Milow in die Hände.

Vor der Tür kicherten die beiden wie Teenager. „Meine Güte, das war mit den beiden nicht auszuhalten“, gluckste Melody.

„Milow liegt mir schon seit Wochen in den Ohren, wie er am besten an Sarah herankommt. Man könnte meinen, er wäre 14 und nicht schon 24.“

„Sarah verhält sich da aber auch nicht besser.“ Melody setzte sich auf eine der Kisten und schaute in den immer dunkler werdenden Himmel.

„Magst du auch eine? Ist leider noch etwas warm.“ Dylon hielt ihr eine Coke hin.

„Danke.“ Wenn doch alles anders wäre, dann wäre jetzt auch für sie der perfekte Zeitpunkt gekommen, um auf Dylons Annäherungsversuche einzugehen.

Er setzte sich neben sie und ihre Arme berührten sich. Verdammt, sie musste es jetzt klarstellen.

„Hör zu, Dylon. Ich bin allerdings auch nicht blind. Du gefällst mir unheimlich gut und ich gehe davon aus, dass das auf Gegenseitigkeit beruht?“

„Da hast du vollkommen Recht, Melody. Ich bin schon lange …“

„Stopp. Bevor du weitersprichst, muss ich dir etwas sagen. Ich mag dich, sehr sogar und unter anderen Umständen … nun ja, es ist aber nun mal so, wie es ist. Es gibt da einen anderen Mann. Auch wenn es sich sehr altmodisch anhört, so bin ich ihm versprochen und dieser Anspruch wird nie erlöschen. Auch wenn ich einen Aufschub bekommen habe, so werde ich letztendlich irgendwann seine Frau werden.“ Dass es dafür aber vielleicht hunderte oder tausende von Jahren dauern könnte, konnte sie natürlich nicht erzählen.

„Mist. Das wusste ich nicht. Ich hätte nie gedacht, dass es so etwas heute noch gibt. Und das lässt sich nicht ändern? Ich meine, man ist doch mit jemandem aus Liebe zusammen, heiratet, gründet eine Familie. Aber man wird doch nicht mehr versprochen.“ Dylon war wirklich fassungslos, das merkte Melody.

„Das ist auch kein klassisches Versprechen, weil es die Eltern ausgemacht haben. Hier hängt viel mehr dran, was ich leider nicht erzählen darf. Tut mir wirklich leid, Dylon. Aber ich möchte fair sein und dir sagen, woran du bei mir bist.“

„Danke für deine Ehrlichkeit.“ Er nahm ihre Hand und so saßen sie noch einige Zeit, blickten stumm in den Himmel und tranken ihre Coke.

„Hey, nicht so faul ihr beiden, die ersten Gäste werden bald kommen“, wurden sie von Milow hochgescheucht.

„Sklaventreiber“, murrte Dylon leise und packte sich die nächste Kiste zum Reintragen. „Lass stehen, die tragen wir schon“, wollte er Melody aufhalten, die nach einer der Kisten griff.

„Ich bin nicht aus Zucker“, erwiderte sie und hob die Kiste an. Dass sie für sie ein Federgewicht war, zeigte sie allerdings nicht, sondern spielte perfekt die sich abschleppende Frau.

Die Party war im vollen Gange und Sarah und Melody hatten alle Hände voll zu tun. Die Stimmung war bombastisch und Milow legte heiße und fetzige Musik auf. Dylon war für die Technik zuständig, kam aber irgendwann an die Theke, um mitzuhelfen.

Dieses Mal schien die Party sich in ganz Angle City rumgesprochen zu haben.

„Heilige Scheiße, heute ist hier ja die Hölle los.“ Dylon musste gegen die laute Musik anbrüllen.

Die zwei Frauen hoben den Daumen und Melody hatte ihre Haare mittlerweile mit einem Band am Hinterkopf fixiert. In der Halle stand die Luft und irgendwann klebte einem alles nur noch am Leib.

Während der neueste Mix lief, tanzten die drei hinter der Theke zwischen der Ausgabe hin und her. An sich machte es natürlich Spaß, denn Melody musste nicht im Gedränge in der Halle stehen. Das mochte sie gar nicht.

Es zwar schon weit nach Mitternacht, als Bewegung in die Menschen kam und immer mehr Stimmen laut wurden. „Bullen!“

Damit waren nicht die Tiere gemeint und mit schnellen Blicken verständigten sich die drei hinter der Theke und auch Milow ließ die Musik verstummen und gab durch das Mikro bekannt: „Verschwindet, wir sind aufgeflogen.“

Die Leute verschwanden zügig aus der Halle und Milow war schon dabei, mit Hilfe von Dylon die Musikanlage ins Auto zu verfrachten.

„Lasst alles andere stehen, das packen schon die Cops ein“, grinste Milow breit. „Fahrt uns hinterher, wir kennen einen Weg, wo wir nicht auf ungewollten Besuch treffen werden.“

Sarah und Melody rannten nach vorne zum Jeep. Sie fuhren einmal um die Halle herum, wo schon die beiden Männer warteten, und setzten sich hinter deren Auto.

„Puh, wie gut, dass ich denen nur hinterherfahren muss.“ Es war wirklich stockdunkel und Sarah konnte sich gut an den Rücklichtern orientieren.

In einiger Entfernung konnte Melody das Blaulicht der nahenden Polizei erkennen. Allerdings würden sie weit entfernt sein, wenn diese bei der Halle eintrafen.

Nach kurzer Fahrt hielten Milow und dann auch Sarah an.

„Schade, wir hatten die letzten Male immer Ruhe vor der Polizei. Aber diesmal war auch mehr los als sonst. Dass die dann irgendwann spitz bekommen, wo die Party ist, war zu erwarten.“ Milow nahm es gelassen. Er hatte seine Musikanlage und alles andere war ihm egal.

Sie standen neben den Autos, die Lichter waren aus und nur das Zirpen der Grillen war zu hören. Die Nacht war angenehm hier draußen in der freien Natur.

Es war so friedlich und doch stellten sich die Nackenhaare von Melody auf. Sie kannte das Gefühl, auch wenn es lang her war, dass sie es wahrgenommen hatte.

Die anderen drei lachten und redeten und hörten Melody erst gar nicht, als diese sagte: „Ins Auto.“

Das unangenehme Gefühl verstärkte sich und Melody wiederholte lauter: „Verschwindet ins Auto!“

Auch wenn die drei Melodys Gesichtsausdruck nicht sehen konnten, so hörten sie an ihrer Stimme, dass etwas nicht stimmte.

„Was ist los?“, fragte Sarah beunruhigt nach.

Dann hörten sie es alle: das Schlagen von Flügeln über ihnen in der Luft.

„Scheiße, was sind das für große Vögel?“

„Geht ins Auto“, brüllte Melody nun. „Das sind keine Vögel!“

Die anderen waren gerade in Milows Auto gehechtet, als Melody schon die Krallen in ihrem Rücken spürte. Sie reagierte sofort, drehte sich um und riss den Höllenengel am Bein zu sich herunter. Als sie ihre Hand in seine Brust stieß, fühlte sie, wie die Haut unter ihren Fingern zerriss, die Knochen zerbarsten und dann war sie endlich genau dort, wo sie hinwollte.

Sie schloss ihre Hand um den pochenden Klumpen und mit einem Ruck holte sie ihn aus dem Körper heraus. Kurz pumpte er noch in ihrer Hand weiter und zerfiel dann zu Asche – genau wie das Wesen, das sie angegriffen hatte.

Melody konnte nicht fassen, dass sie offen attackiert worden war. Das traute sich normalerweise keiner von ihnen, denn sie hatten keine Chance gegen sie.

Als ein Schmerz durch ihre Hand fuhr, keuchte sie auf. Was war das? Jetzt war von den Wesen ein Kreischen zu hören. Sie merkten, dass mit Melody etwas nicht stimmte.

Fast hätte sie ihre Freunde vergessen. Als das Autolicht aufflammte, entfuhr ihr ein weiteres Keuchen. Vor dem Auto standen drei der Wesen und über ihrem Kopf kreisten weitere von ihnen. Ein Blick auf ihren Arm hätte sie nun fast aufschreien lassen. Wie bei Menschen mit einer Blutvergiftung zog sich eine schwarze Flüssigkeit in ihren Venen den Arm hinauf.

Scheiße, das Ding hatte sie vergiftet, daher hatte es sie auch so offen angegriffen. Sie sollte den Höllenengel töten, das war geplant gewesen. Viel zu spät bemerkte Melody den Fehler, aber jetzt war es zu spät.

Die Viecher stürzten sich auf das Auto von Milow und versuchten, die Scheiben mit ihren krallenartigen Klauen kaputtzumachen.

Bevor das Gift Melody zu sehr lähmte, musste sie etwas unternehmen. Sie sprang mit einem riesigen Satz vor das Auto und packte sich das nächste schwarze Ding. Höllenengel waren nackt, hatten einen komplett schwarzen ledernen Körper, rote Augen, Klauen, Fangzähne und ihre großen Flügel bestanden aus struppig schwarzen Federn.

Wieder ließ sie ihre Hand in die Brust tauchen und riss ihm den Klumpen, der bei ihr und auch Menschen das Herz war, heraus.

Zwei stürzten sich von hinten auf Melody und krallten sich an ihrem Rücken fest. Sie lachten kreischend, denn sie merkten, dass Melody nicht mehr die Kraft besaß, die sie sonst hatte.

Dem Nächsten, der ihr vor die Nase kam, riss sie wieder den Klumpen aus der Brust und dann spürte sie das Kribbeln an ihrem Rücken. Sie konnte es nicht mehr zurückhalten und die Viecher auf ihrem Rücken wurden explosionsartig wegkatapultiert, als die Flügel aus Melodys Rücken schossen.

Sie wusste, dass die drei im Auto sie nun so sahen, wie sie war: als einen Engel.

Doch Melody konnte sich keine Gedanken darüber machen, schon wieder wurde sie attackiert und durch ihren geschwächten Zustand hatte sie nun wirklich alle Hände voll zu tun, um die Höllenengel von sich zu halten.

Ihre Hände gruben sich unaufhörlich in ihre Leiber hinein und mit ihren Flügeln wehrte sie die Angriffe von oben und der Seite ab.

Die Kraft wich immer mehr aus ihrem Körper und sie fiel auf die Knie.

„Melody!“

Der Ausruf ließ sie wieder auf die Beine taumeln und das erste Mal, seit sie sich gewandelt hatte, drehte sie sich um.

Sarah und die beiden Männer waren aus dem Auto gesprungen. Milow und Dylon hielten Stangen in den Händen und versuchten so, die Angriffe abzuwehren. Sarah war auf dem Weg zu ihr, als Melody die Geschosse hörte, noch bevor sie sie sah.

Die letzten Meter zwischen den zwei Frauen überwand Melody in atemberaubender Geschwindigkeit, schlang die Arme um Sarah und hüllte sie in ihre Flügel ein.

Sie spürte die Einschläge an Rücken und Flügel, was nicht hätte sein dürfen. Die winzigen Geschosse konnten normalerweise Engeln nichts anhaben und doch bohrten sie sich überall in Melodys Körper.

Mit einem Stöhnen ging sie zu Boden. Die Umgebung verschwamm, die Geräusche wurden immer dumpfer. Aber noch immer hörte sie die Schreie von Sarah und den Männern und traf eine Entscheidung. Eine, die sie vor 50 Jahren nie getroffen hätte.

„Adiuva me, Cole“, flüsterte sie.

Auf seidenen Schwingen

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