Читать книгу Verloren und Gefunden - Мэри Брэддон, Мэри Элизабет Брэддон - Страница 5
Drittes Capitel.
ОглавлениеDie Zeichnung auf Georgey’s Arm.
Der Mond, welcher an diesem Augustabend spät aufging, stand wie eine Kugel von geschmolzenem Gold tief am Himmel, als der Mann, der sich Gervoise Gilbert nannte, von der staubigen Straße auf die weite Fläche von Putney-Heath hinaustrat.
Es war elf Uhr, Lichter blinkten da und dort in der Stadt, die der Künstler so eben hinter sich gelassen hatte, und auf einem Flecken unbebauten Landes in kurzer Entfernung von den letzten zerstreuten Häusern brannte unter einem eisernen Kessel ein helles Feuer und beleuchtete die Umrisse eines großen schwerfälligen Wagens.
Gervoise Gilbert blieb am Rande des Weges stehen und blickte sehnsüchtig nach einer Gruppe von Männern, die am Feuer standen, während einige Frauen sich in der Nähe des Wagens zu schaffen machten.
Der Knabe war schon nach der ersten Meile ermüdet gewesen und Gervoise hatte ihn seitdem getragen. Das Kind war zwar mager, aber für sein Alter ziemlich groß und sein Gewicht, um es zwei Stunden weit zu tragen, nicht unbedeutend. Es war jetzt mit dem Kopf aus seines Vaters Brust eingeschlafen.
Der Künstler hatte diesen Weg mit der Absicht gewählt, sich einer herumziehenden Gesellschaft anzuschließen, wenn sie geneigt wäre, ihn aufzunehmen. Er wußte, daß es schlimmer als nutzlos sei, in London zu bleiben.
Dort starrte ihm der Hungertod in die Augen, während er hier, wenn er da- und dorthin wanderte, immerhin einige Aussichten hatte. Gewiß würde er im Stande sein, zuweilen ein Bild zu verkaufen, oder ein Portrait für einen einfachen Handelsmann zu malen, und wenn er nichts Anderes finden könnte, so wollte er Aushängeschilder malen. Er hatte den Stolz abgelegt. Er wollte irgend etwas, was sich darbot, thun, wenn er nur Brod für sein Kind erwerben konnte.
Er hatte noch einen andern Grund für den Wunsch, sich einer herumziehenden Gesellschaft anzuschließen Er wußte, daß ihn seine Frau mit einer leidenschaftlichen, eifersüchtigen Liebe liebte, wie sie nur heftigen Naturen eigen ist. Es war deshalb wenig Zweifel, daß sie ihn aufsuchen, daß sie Alles aufbieten würde, um seine Spur zu finden. Dazu war aber weniger Aussicht, wenn er keinen festen Aufenthaltsort hatte, sondern fortwährend von einem Ort zum andern zog.
Dieser zweite Grund war für ihn gewichtiger als der erste und bestimmte seinen Entschluß.
Die Gesellschaft, die an diesem Abend auf Putney-Heath lagerte, war zahlreicher, als er sie zu finden erwartet hatte. Der Reisewagen war ein kolossales Fuhrwerk, und drei Pferde von kräftigem Aussehen weideten das Gras auf dem kurzen Rasen hinter demselben ab.
Einer der Männer, der auf dem Boden am Feuer saß, blickte nach Gervoise auf, als der Künstler einige Minuten dagestanden und die Gruppe von Wanderern gedankenvoll angeschaut hatte.
»Wenn Ihr vielleicht das nächste Mal wieder dieses Wegs kommt,« sagte dieser Mann, eine kurze Thonpfeife aus dem Munde nehmend, »so werdet Ihr uns wiedererkennen, mein Freund. Ihr habt uns wenigstens lange genug angestarrt.«
Gervoise Gilbert trat dem Feuer etwas näher — so nahe, daß sein hübsches Gesicht und das goldene Haar des Kindes von der hellen Flamme beleuchtet wurden.
»Ich habe keine Beleidigung beabsichtigt, mein guter Mann,« sagte er. »Ich stehe zu tief in der Welt, um unverschämt zu sein. Ich bin ein Künstler und alle meine Wünsche stehen nach einem solchen Leben wie das Eurige. Ich bin arm und, wenn ich überhaupt leben will, so muß ich so leben wie Ihr zu leben scheint — von der Hand in den Mund, im Vertrauen, daß jeder Tag ein Mahl und ein Nachtlager bringen wird.«
»Das ist wenigstens aufrichtig gesprochen,« sagte der Mann, inne Pfeife ausklopfend.
»Es ist die Wahrheit,« antwortete Gervoise Gilbert düster.
Während dieses Gesprächs hatte sich eine der Frauen von ihrem Sitz auf dem Wagentritt erhoben und dem Maler genähert.
»Ist das Ihr Kind?« fragte sie, auf den goldgelockten Kopf blickend, der noch immer an des Vaters Brust ruhte.
»Ja,« antwortete Gilbert, »und ohne dasselbe würde ich vielleicht in dieser Nacht einen gesunden Schlaf auf dem Grunde des Flusses gefunden haben.«
»Armer, kleiner Bursche,« murmelte die Frau mitleidsvoll.
»Ist seine Mutter todt?«
»Ja,« antwortete Gilbert mit festem Tone.
Sie war todt für ihn, dachte er. Seine beste Hoffnung war, daß sie in nicht langer Zeit für die ganze Welt todt sein würde.
»Das ist schlimm,« sagte die Frau; »es ist sehr schlimm, für einen so kleinen Jungen wie er, ohne eine Mutter zu sein. Sie scheinen ihn lieb zu haben.«
»Ihn lieb zu haben!« rief Gervoise, »mein Herzblut ist mir nicht so kostbar wie dieses Kind. Ich lebe nur seinetwegen. So tief ich auch gesunken bin, so wird vielleicht der Tag kommen, wo er reich und mächtig sein wird. Kluge Männer, die niemals durch Armuth zur Verzweiflung getrieben worden sind, werden mich vielleicht wahnsinnig nennen, daß ich von so etwas auch nur träume; aber ich träume davon bei Tag und Nacht.«
Er sagte dies mehr zu sich als zu der Frau.
»Gehen Sie diesen Abend noch weit?« fragte der Mann, der zuerst gesprochen hatte.
»Nicht, wenn ich nicht muß. Ich suche ein Obdach für diesen Kleinen. Ich mache mir nichts daraus, unter einem Heuschober, oder auf bloßem Boden unter den Ginsterbüschen dort zu ruhen; aber der Knabe hat noch nie im Freien geschlafen.«
»Und er soll heute nicht im Freien schlafen, Mister,« sagte die Frau, »wenn es Ihnen recht ist, daß er zu meinen beiden Jungen in den Wagen gelegt wird.«
Ob es ihm recht war? Gervoise Gilbert nahm das Anerbieten dankbar an.
»Ich dachte mir’s, daß es irgendwo in dieser weiten Welt doch noch Mildthätigkeit geben müsse,« sagte er, »und Dank dem Himmel, ich bin auf den rechten Weg gekommen, Sie zu finden.«
Die Frau lachte gutmüthig.
»Es ist keine so große Mildthätigkeit; einem Kinde ein Nachtlager zu geben,« sagte sie, den Knaben von Gilberts Armen nehmend.
Georgey war vollkommen erschöpft. Er öffnete weder seine Augen, noch rührte er seine schlanken Glieder, als die Frau ihn in den Wagen trug und in das kleine Bett neben ihren eigenen Knaben niederlegte.
»Kommen Sie,« sagte der Mann mit der Thonpfeife, »wenn Sie im Freien schlafen wollen. so werden Sie besser daran thun, hier zu schlafen, und Einer von uns kann Ihnen eine Decke leihen und Sie können auch eigen Mund voll Essen bei uns erhalten. Unser französischer Koch hat uns am letzten Dienstag aufgesagt, weil dieser Herr dort, der sehr eigen ist im Essen, — dabei deutete er auf einen Mann, dessen Haar nach Art der gewöhnlichen Seiltänzer aufgebunden war und dessen einziges Kleidungsstück in einem groben Rock zu bestehen schien, der ihn vom Kinn bis zu den Füßen einhüllte — »weil Mr. William Stockes, dessen Künstlername Montmorency ist, sich über die fricassierten Froschschenkel beklagte, daß sie nicht gar seien. So müssen Sie mit Hausmannskost vorlieb nehmen, die, wie ich glaube, in Leber und Schinken besteht.«
Gervoise nahm diese so herzlich gebotene Einladung dankbar an.
»Ich bin froh, wenn ich die Nacht bei Ihnen bleiben kann,« sagte er, »und noch lieber würde es mir sein, wenn ich mit Ihnen gehen könnte, vorausgesetzt, daß ich eine Beschäftigung fände, womit ich meinen Lebensunterhalt zu erwerben vermöchte.«
Hier mischte sich der Herr mit dem aufgebundenen Haar und dem langen Rock in’s Gespräch.
»Was den Lebensunterhalt betrifft,« sagte er, »so hängt das davon ab, was Sie zu leisten vermögen. Sie haben soeben gesagt, Sie seien ein Künstler. Sie wollen doch damit nicht sagen, daß Sie ein Künstler auf der Erde und in der Luft seien?«
»Auf der Erde und in der Luft?« fragte Gervoise verblüfft.
»Er meint, ob Sie ein Seiltänzer seien,« erläuterte der Mann mit der Pfeife. »Ich habe nie einen solchen Burschen gesehen, wie Bill.
Er ist so in seine Kunst vernarrt, daß er glaubt, es gebe keine andere als die seinige. Er ist einer von den beschränkten Köpfen, die nie über ihren eigenen Familiencirkel hinaussehen können. Nein, Bill, ich will all das Geld, das ich in den Dreiprocentigen angelegt habe, verwetten, daß der Mann da nicht zur Seiltänzerzunft gehört.«
»Leider nein,« antwortete Gervoise Gilbert. »Wenn ich auf dem Seile tanzen könnte, so würde ich vielleicht im Staude sein, Brod für mein Kind zu erwerben; aber ich kann es nicht, ich bin nur ein Maler.«
»Ein Portraitmaler?«
»Ja. ich kann Portraits malen.«
Der Sprecher, der eine wichtige Persönlichkeit, der Principal der Bande und der Eigenthümer des Wagens war, ließ ein langes Pfeifen vernehmen.
»Wenn Sie wirklich eine geschickte Hand im Portraitmalen sind, so glaube ich Ihnen ein Stück Arbeit geben zu können. Sie müssen wissen, daß wir eine Kunstreitergesellschaft sind, die während des Sommers durch England reift und in den größeren Orten und auf Märkten Vorstellungen giebt. Was ich wünsche, sind drei oder vier Costümeportraits von Musje Montmorency dort, von Mademoiselle 1’Amour, die meine Frau Nancy Cadgers ist, und von den zwei andern Damen, Madame Zepherine und Signora Floribella, und von den zwei Herren, die neben Mr. Montmorency sitzen, von denen der eine der Wüstenwirbelwind ist, der drei wilde arabische Hengste ohne Sattel reitet — die arabischen Hengste sind die Pferde, die dort grasen, — der andere ist unser deutscher Hanswurst« Herr von Volterschocker, der aber ein geborener Engländer ist. Nun, glauben Sie, daß Sie zwei oder drei Bilder von ihnen in verschiedenen Costümen und Stellungen zu Stande bringen können?«
»Ganz gewiß,« antwortete Gervoise, »ich werde die Damen und Herren in meinem besten Styl malen.«
»Was wir bedürfen« fuhr Mr. Cadgers fort, »ist etwas Wohlfeiles, was Effect macht, und in Luft und Sonnenschein haltbar ist. Wir wollen jedesmal, ehe wir eine Stadt besuchen, einen Jungen mit den Bildern vorausschicken und sie in den Ladenfenstern aufhängen lassen. Sie werden die besten Anzeigen sein. Ueber den Preis werden wir wohl mit einander einig werden und Sie können mit uns leben, bis sie fertig sind.«
»Einverstanden,« rief der Maler, »und das Kind?«
»Machen Sie sich deshalb keine Sorgen. Nancy wird sich seiner annehmen. Es war sie, die es so eben in den Wagen getragen hat.«
So schlief Gervoise Gilbert diese Nacht ruhiger unter der blauen Decke des Himmels als er jemals in der verpesteten Atmosphäre von Purvis-Court geschlummert hatte. Er schlief ruhig, denn er hatte wenigstens die Hoffnung, daß er morgen und noch viele Morgen Brod haben werde, und der schwarze Schatten der Verzweiflung verschwand vor diesem Lichte der Hoffnung.
Bei Sonnenaufgang am folgenden Morgen verließ Mr. Cadgers’ Truppe Putney-Heath. Sie Frauen fuhren in dem Wagen, der mit den Gegenständen für den Circus, den Costümen und den häuslichen Bedürfnissen der Gesellschaft schwer beladen war. Mr. Cadgers fuhr. Der Rest der Gesellschaft ging auf der staubigen Landstraße einige Schritte vor dem Wagen her. Die Reise ging den innern Districten von England zu.
Die Fußgänger waren Gervoise Gilbert, Mr. William Stockes, gewöhnlich Masse Montmorency genannt, der Wirbelwind der Wüste, dessen wahrer Name Samuel Bolter war, und Herr von Volterschocker, der sich weigerte, seinen wirklichen Namen kund zu geben.
Er war ein ältlicher mürrischer Mann, mit sehr schwarzen Augen und in’s Graue spielenden Haaren, und es ließ sich kaum denken, daß er jemals selbst drollig sein, oder Andern Spaß gewähren könnte. Er war ganz verschieden von seinen Kameraden, welche sich zutraulich und mittheilsam zeigten, denn man sah ihn selten seine Lippen öffnen, wenn er nicht durch die gewöhnlichen Geschäfte des Lebens dazu genöthigt war. Er hatte das Aussehen eines Mannes, der mit einem düstern Geheimniß belastet und nie im Stande gewesen war, diese Bürde abzuschütteln oder sich von dem Gefühle der daraus entspringenden Verantwortlichkeit frei zu machen.
Gervoise, Stockes und Bolter marschirten auf der staubigen Straße neben einander, fröhlich mit einander plaudernd. Volterschocker dagegen ging hinter ihnen her, beständig rauchend und still wie das Grab.
»Ist er geschickt?« fragte Gervoise seine Begleiter« nachdem er sich einen Augenblick nach diesem Manne umgesehen hatte.
»Ungewöhnlich,« antwortete Mr. Bolter. »Er versteht sich vortrefflich auf allerlei Kunststücke; er kann Feuer und Messer verschlingen, einen Dolch nach einem Punkt an der Wand werfen und dergleichen mehr. Aber im Spaßmachen leistet er nichts und es überläuft mich immer kalt, wenn er lustig sein will.«
Gervoise Gilbert hielt in einer der Städte, durch die sie zogen, an, um mit einigem Gelde, das ihm Mr. Cadgers vorgeschossen hatte, Leinwand und Farben zu kaufen.
Um zwei Uhr an diesem Tage kamen sie zu einem Stück unbenutzten Landes am Saume eines Waldes und hier unter den Bäumen wurden die Pferde ausgespannt und die Wanderer setzten sich nieder, um etwas Brod und Fleisch zu essen, das Mrs. Cadgers unter sie vertheilte. Als Trank hatte man aus der letzten Schenke, an der sie vorüberkamen, eine reichliche Quantität Bier in einem großen steinernen Krug mitgebracht.
Die Pferde sollten hier mehrere Stunden ausruhen und nachdem Gervoise dies einfache Mahl getheilt hatte, holte er seine Pinsel und Palette hervor, mischte die Farben und setzte Alles für seine Arbeit in Bereitschaft.
»Wir wollen mit Ihrem Portrait beginnen, Herr von Volterschocker, wenn Sie nichts dagegen haben,« sagte er.
Der junge Mann traf diese Wahl, weil er durch eine Art Zauber zu dem schweigsamen Spaßmacher oder Clown hingezogen wurde.
Die andern Männer waren gutmüthige Menschen, alltäglich und uninteressant genug; aber dieser Mann hatte etwas Geheimnißvolles an sich, das Gilbert unwillkürlich anzog.
Der Clown hatte keine Einwendung dagegen, daß sein Portrait zuerst gemalt wurde. Er entfernte sich und kam nach etwa zehn Minuten in seinem grotesken Künstlercostüm zurück.
Dieser Anzug hing lose an seinem Körper und ließ seine dünnen muskulösen Arme vom Ellbogen abwärts entblößt.
Gervoise Gilbert blickte mit Ueberraschung auf diese langen nackten Arme. Sie waren vom Handgelenk aufwärts mit sonderbaren Figuren bedeckt, die mit Indigo und Zinnober eingeätzt, eine unvergängliche Dauer hatten.
Der Maler ging an seine Aufgabe und arbeitete fleißig bis Sonnenuntergang, bis zu welcher Zeit Herrn von Volterschockers Portrait beendigt war, zwar nachlässig, aber in einer Weise gemalt, welche den genialen Künstler verrieth.
Die Männer und Frauen kamen sämmtlich herbei, um das Portrait ihres Gefährten anzusehen. Alle hatten etwas daran zu loben; nur der Clown sagte nichts. Mit gefalteten Armen stand er da, den Maler und die lärmende Gruppe mürrisch ansehend.
Gervoise Gilbert redete ihn endlich an. »Glauben Sie, daß es ähnlich ist?« fragte er, auf das nasse Portrait deutend.
»Aehnlich genug,« antwortete der Clown, indem er über die Schulter des Malers auf das nasse Bild blickte, »ähnlich genug. Es ist nicht das erste Mal, daß mein Portrait gemalt wurde, aber ich hoffe, daß es das letzte Mal ist. Ich bin nicht so besonders schön, daß die Leute Ursache haben, sich meiner zu erinnern, wenn ich todt und fort bin.«
Gervoise Gilbert bemerkte, daß dieser Mann trotz seines mürrischen Tons in seiner Aussprache und Sprechweise eine höhere Bildung verrieth als seine Gefährten.
Der Mond war aufgegangen, als die Pferde wieder angespannt wurden und die Wanderer ihren Weg fortsetzten. Diesmal verließ Gervoise seine früheren Begleiter und begab sich an die Seite des Clowns. Herr von Volterschocker sah ihn mißtrauisch an.
»Sie würden besser daran thun, wenn Sie sich zu Ihren Freunden hielten,« sagte er, »Sie sind lebhafter als ich, und ich mache mir gar nichts aus Gesellschaft.«
»Ich will Sie nicht lange stören,« antwortete Gervoise; »ich werde sogleich zu ihnen zurückkehren; nur möchte ich Ihnen zuerst eine Frage stellen.«
»So fragen Sie denn,« sagte der Clown, ohne seine Pfeife aus dem Munde zu nehmen, »machen Sie es aber kurz.«
»Wie lange haben Sie diese Zeichnungen auf Ihren Armen?«
»Dreißig Jahre.«
»Haben Sie dieselben gemacht?«
»Nicht alle; einige wurden von einem Matrosen am Bord eines Schiffes mehr als tausend Meilen von hier gemacht, die übrigen habe ich selbst eingeätzt.«
»Wollen Sie mir einen Gefallen erweisen?«
»Das kommt darauf an, was es ist. Wenn es mir nicht viel Mühe macht, so werde ich’s vielleicht nicht ablehnen.«
»Der kleine Knabe, der im Wagen dort führt, ist mein einziges Kind und mir theuerer als irgend etwas in der Welt. Es giebt eine Person, die ihn sehr gern von mir wegnähme, wenn sie könnte« und in der ganzen vorigen Nacht wurde ich von dem Gedanken verfolgt, daß er mir entführt werden könnte. Wenn er mir jetzt in seiner ersten Kindheit entrissen würde, so könnte er sich wenn er zum Manne heranwächst, sehr leicht in einer Weise verändern, daß ich ihn, beim Wiederfinden nach jahrelangem Suchen nicht mehr erkennen würde. Mehr noch der Tag mag vielleicht kommen — ich sage nicht, daß er jemals kommen wird« aber er kann kommen, wo dieser Knabe der Erbe eines großen Vermögens sein wird. Sollte dieser Fall jemals eintreten, so wird es nothwendig sein, seine Identität zu beweisen. Ich wünschte, daß Sie seinen Arm mit einem Merkmal zeichneten, das niemals vergeht oder anders wird, sollte er sich auch so sehr verändern, daß ihn selbst das liebendste Auge nicht mehr zu erkennen vermöchte. Wollen Sie das für mich thun?«
»Ja,« antwortete Herr von Volterschocker, »es geschieht selten, daß ich Jemand eine Gefälligkeit erweise; aber ich will dies thun. Es wird wie die meisten Gefälligkeiten der Leute in dieser Welt sein — es wird mich nichts kosten.«
Am folgenden Morgen« während die Meisten von der Gesellschaft an dem Orte, den sie um Mitternacht zu ihrem Ruheplatz ausgewählt hatten, noch schliefen blickte Gervoise Gilbert in den Wagen und rief seinen Sohn. Die Kinder wachten bereits seit einiger Zeit und Georgey kam auf den Ruf seines Vaters heraus. Der Knabe war sehr glücklich bei seinen neuen Freunden.
»Es ist besser als bei der Mama,« sagte er, »hier werde ich nicht geschlagen.« -
Herr von Volterschocker war auf und bereit, sein Versprechen zu erfüllen. Die beiden Männer setzten sich hinter dem Wagen, wo sie von der übrigen Gesellschaft vollständig getrennt waren, neben einander aus den Rasen.
Gervoise Gilbert nahm das Kind aus seine Kniee und entblößte den Arm des Kleinen bis an die Schulter.
»Was wir jetzt thun wollen, wird Dir ein wenig wehe thun, Georgey,« sagte er, »aber Du mußt den Schmerz zu ertragen suchen. Willst Du, um Papas willen, ein muthiger kleiner Mann sein?«
»Ja, Papa,« antwortete der Knabe fest, seine glänzenden, unschuldigen Augen zu seinem Vater erhebend.
»Was für Zeichen soll ich aus den Arm tättowiren ?« fragte der Clown.
»Eine Grafenkrone und die Buchstaben G. P.«