Читать книгу Urlaub inklusive Mord - Michael Aulfinger - Страница 6
Ute
Оглавление„Ich kann nicht schlafen.“ Ute wälzte sich unruhig von einer Seite auf die andere.
„Ich auch nicht.“ Nils wurde aus seinen Gedanken gerissen. Er hatte lange überlegt, und war endlich zu einer Entscheidung gekommen.
„Kann ich mich bei dir anlehnen?“ Überrascht vernahm Nils die an ihn gerichtete Frage, aber nach einer Sekunde der Verwunderung stimmte er zu.
„Ja.“
Sie kuschelte sich an ihn, wobei ihr Kopf an der linken Seite seiner Brust zu liegen kam. Sein linker Arm lag abseits von ihrem Körper, und hatte sich noch nicht entschließen können herunterzufahren, um sie zu umarmen. Nachdem was am Nachmittag auf der Matratze passierte, war seine Verwirrung immer noch nicht gänzlich verschwunden. Den ganzen Abend über fühlte er sich unsicher, ja sogar Schuldgefühle beklemmten ihn. Hatte er die Situation ausgenutzt? Hatte er sie durch sein Verhalten dazu angestiftet? Eigentlich verneinte er die sich selbst gestellten Fragen, doch war er durch die Antworten immer noch nicht beruhigt.
Jetzt fühlte er, wie ihre linke Hand vorsichtig seine Brust abtastete. Langsam wanderten ihre Finger gekonnt herum. Sie waren still, und kein Ton zerstörte das Schweigen. Er genoß diese Zärtlichkeit, die er schon lange nicht mehr aus weiblicher Hand erfahren hatte. Es war ein wahrhaft angenehmes Gefühl. Dann wanderten ihre Finger gemächlich in die untere körperliche Region des Mannes. Zentimeter für Zentimeter tastete sie sich vor. Doch ängstigte ihn ein Gedanke, bei den bevorstehenden Aktivitäten.
„Nein, mach bitte nicht weiter. Ich möchte es nicht, noch nicht.“ Seine Stimme vibrierte.
„Machen wir jetzt ein Rollenspiel? Ansonsten sind es doch immer die Frauen, die Migräne oder ähnliches vortäuschen, und keine Lust haben. Oder hast du deine Tage?“ Sie klang leicht verärgert.
„Nein, das ist es nicht. Aber ich finde es einfach noch zu früh. Wir kennen uns ja kaum. Der Kuß heute nachmittag, das war ja, um die Kerle in die Irre zu führen. Ein Schauspiel sozusagen. Aber jetzt? Laß uns doch einfach erst besser kennen lernen.“
„Das ist in Ordnung, o.k., dann quatschen wir. Was willst du wissen? Soll ich über mich reden? Ich bin Arzthelferin, einunddreißig Jahre alt, und wohne in Berlin. Soll ich für dich noch einen Lebenslauf in tabellarischer Form zusammenstellen?“
Ihre Stimme klang sichtlich ironisch. Eine leichte Verärgerung klang auch in ihrer Stimme mit. So dauerte es einige Sekunden, bis Nils den Faden der Unterhaltung wieder aufnahm.
„Wie du ja schon am Nummerschild erkannt hast, wohne ich in Hamburg. Angestellt bin ich im Büro einer Hamburger Firma, die Hydraulikpumpen herstellt. Wir produzieren und vertreiben alle Arten von Pumpen die mit Hydraulik betrieben werden. Sie werden dann vielfältig in der Wirtschaft eingesetzt. Wie zum Beispiel für Gabelstapler, oder Hebebühnen. Jetzt bin ich zweiundvierzig Jahre alt, und geschieden.“
„Hast du Kinder?“ Ihre Frage traf ihn unvorbereitet hart. Sofort wurde ihm heiß, und er fühlte sich unwohl. Es war eigentlich zu erwarten gewesen, daß sie irgendwann diese Frage stellen würde, aber jetzt mußte er sich seiner Vergangenheit stellen. Ob er wollte oder nicht.
„Ich hatte einen Sohn.“
„Hatte? Was soll das heißen.“
„Mein Sohn ist vor zwei Jahren tödlich verunglückt. Es war ein Spätsommertag. Da hat er mit Freunden noch draußen gespielt. In Hamburg sind die Spielmöglichkeiten für Kinder sehr eingeschränkt. Sie haben Fußball gespielt. Peer ist dem Ball hinterher gelaufen. In dem Moment kam ein zu schnell fahrendes Auto, und schnitt die Kurve. Er hat Peer an der Seite erwischt. Zuerst sah es nicht dramatisch aus. Aber er hatte innere Verletzungen. Die Niere und Milz waren verletzt. Die Ärzte konnten ihn nicht mehr retten. Dabei war er erst neun Jahre alt. Danach war es mit meiner Ehe dann auch vorbei. Wir hatten uns nach der Trauerzeit nichts mehr zu sagen. Peer hatte uns noch zusammen gehalten. Bildlich gesprochen, war er der Klebstoff in meiner Ehe. Aber als er nicht mehr da war, löste sich die Verbindung auf. Ja, das ist so meine Geschichte in groben Zügen. Deshalb bin ich auch hier, um Ruhe zu finden, und zu lernen damit umzugehen. Das war bisher nämlich mein Problem. Hast du denn Kinder?“
„Nein.“ Ihre Verneinung kam sehr schnell und hart gesprochen hervor.
Dann lenkten beide das Gespräch auf andere Themen. Sie unterhielten sich über ihre Hobbys, und merkten, daß sie ziemlich identische Neigungen hatten. Beide waren sie gerne an der frischen Luft, und in der Natur. Sie zelteten und fuhren auch gerne mit dem Fahrrad. Kulturelle Veranstaltungen wie Kino, oder Theater besuchten sie beide auch gerne.
Die Stimmung wurde zusehends heiter und lockerer, als sie sich verabredeten, gemeinsam ein Theaterstück zu besuchen. Welches und in welcher Stadt ließen sie noch dahin gestellt sein.
„Kann ich bei dir bleiben?“ Unvermittelt stellte Ute diese Frage, und sofort wurde Nils ernster.
„Ich hatte mich vorhin schon dazu entschlossen nach Hause zu fahren. Ich glaube nicht, daß ich jetzt hier noch Ruhe finden werde. Wir müssen auf jedem Campingplatz damit rechnen, daß die beiden wieder auftauchen. Vielleicht kommen sie auch wieder hierher? Ich sehne mich nicht danach ständig auf der Hut zu sein, denn sie könnten jederzeit um die Ecke kommen. So finde ich nie die Ruhe, die ich brauche. Deshalb ist es logischer, wenn ich nach Hause fahre. Ich habe noch zwei Wochen Urlaub. Und für den Fall, daß du mich das fragst, hatte ich mich schon dazu entschieden, daß du bei mir bleiben kannst. Solange du möchtest. Du kannst sogar ein eigenes Zimmer haben. Ich habe eine Drei-Zimmer-Wohnung.“
Ute hob ihren Kopf an, und blickte Nils an. Ihre Augen strahlten, und die Freude war in ihrem Gesicht, trotz der Dunkelheit zu erkennen. Das hereinströmende Mondlicht umspielte ihr Haar, und ließ ihr Gesicht verzaubert erscheinen. Sie gab ihm einen Kuß, doch legte sie ihren Kopf sogleich wieder an seine Brust. Sie blieben still. Allmählich überkam sie die Müdigkeit, und sie schliefen zusammen ein.
In Neubrandenburg besuchten sie verschiedene Kaufhäuser und Boutiquen. Das Einkaufen mit Frauen, war etwas, was Nils Qualen bereitete. Ständig blieben sie an allen möglichen Ständern stehen. Ach, guck mal hier, oder Ist das nicht schick? In dieser Beziehung unterschied sich Ute nicht von anderen Frauen. Tapfer ließ Nils die Tortur über sich ergehen.
Drei T-Shirts und zwei Sweatshirts hatte Ute sich schon ausgesucht. Jetzt war sie in der Kabine verschwunden, und probierte verschiedene Hosen an.
Nils hatte es sich auf dem bereit stehendem Stuhl vor den Kabinen bequem gemacht. Seine Gedanken kreisten um die bestehende Situation. Er mochte Ute. Sie war so natürlich, und konnte sich so schnell für verschiedene Sachen begeistern. Allmählich stellte er sich die Frage, ob er auf dem Weg war, sich in Ute zu verlieben. Er hielt den Atem an und hörte in sich. In einem Gefühl, das aus einem Bauch-Herz-Gemisch bestand, erkannte er, daß er es noch nicht getan hatte. Aber die Möglichkeit bestand. Es könnte eben alles passieren.
Die primären Gründe, die ihn zu der Hilfe trieben, waren für ihn einfach nach zu vollziehen. Sie bestanden aus Menschlichkeit. Was sprach dagegen? Nichts. Wenn sie seine Unterstützung benötigte, wollte er sie gerne gewähren. Das war bisher alles.
Als er mit seinen Gedanken soweit war, erschien Ute aus der Kabine. Wie Claudia Schiffer auf dem Laufsteg, schritt sie dahin. Nils betrachtete ihre gesamte Erscheinung. Ihre schlanke Gestalt wirkte in den enganliegenden Kleidungstücken recht verführerisch. Die weiblichen Formen kamen darin zur Geltung, und verfehlten ihre Wirkung nicht auf sein männliches Testosteron. Auf einmal saß er unruhig da, und rückte sich im Stuhl in eine bequemere Sitzposition.
„Nils, Hallo, hörst du mir zu?“
„Ja, was ist denn?“
„Hast du eben geträumt? Warst wohl weggetreten? Ich hatte dich gefragt, ob dir die Hose auch gefällt.“
„Oh ja, sie sitzt wunderbar. Bist du fertig. Können wir gehen?“
„Männer.“ Das war das einzige was sie bemerkte, doch lächelte sie dabei. Sie hatte bemerkt, daß Nils nicht gerne einkaufen ging. Gerne hätte sie sich noch zwei, drei Teile ausgesucht, doch wollte sie nicht habgierig und unverschämt erscheinen. Sie wollte ihn auch nicht weiterhin quälen. Für das erste Mal mußte es genügen. Jetzt hatte sie erst mal Bekleidung zum wechseln.