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Theodosios II. (408–450)
ОглавлениеArkadios starb 408 überraschend und hinterließ das Reich seinem siebenjährigen Sohn Theodosios II. Der Prätorianerpräfekt Anthemios (bis 414 oder 415 in seinem Amt) leitete die Regierung bis zur Volljährigkeit des jungen Kaisers. Er verfolgte eine perserfreundliche Politik und war darauf bedacht, den Frieden an der Ostgrenze zu sichern. Seinem Einfluss ist es auch zu verdanken, dass nicht nur die Hauptstadt eine neue, 5, 7 km lange Landmauer erhielt (412 begonnen, spätestens 422 abgeschlossen; noch heute über einige Strecken intakt und İstanbul prägend), sondern auch viele Städte und Landstriche befestigt wurden (z.B. das Hexamilion, die sechs Meilen lange Mauer, die den Isthmus von Korinth sperrte). Die Notitia urbis (entstanden 424–430) listet kaiserliche Baumaßnahmen auf und zeigt die rasche Stadtentwicklung.
Am 4. Juli 414 bestimmte Theodosios seine um zwei Jahre ältere Schwester Pulcheria zur augusta.
Nach Anthemios’ Tod setzte sich Pulcheria gegen ihren Bruder durch und prägte bis zu ihrem Tode im Juli 453 die Reichspolitik – auch in kirchengeschichtlicher Hinsicht – entscheidend. Sie führte ein zölibatäres Leben, und ihr schwebte vor, den Kaiserhof in ein Kloster zu verwandeln, wobei sie der Patriarch Attikos (406–425) unterstützte. Ihr Kurs war eindeutig westlich ausgerichtet, nicht von ungefähr ließ sie eine Statue des Kaisers Honorius (†423) im Senatsgebäude zu Konstantinopel aufstellen.
Athenaïs/Eudokia
Am 7. Juli 421 ehelichte Theodosios II. auf Anraten seiner Schwester Athenaïs, die hochgebildete Tochter des heidnischen Philosophen Leontios aus Athen (Taufname Eudokia). Sie wollte römische/pagane Traditionen am Leben erhalten und eine moderate Religionspolitik ausüben. Eudokia verfasste sowohl profane als auch geistliche Literatur (Homerocentones, ein aus homerischen Versteilen zusammengesetztes Werk über das Leben Jesu). Am 2. Januar 423 wurde sie zur augusta erhoben. Vor allem sie stand hinter der Neuordnung einer Hochschule in der Hauptstadt im Jahre 425 (Cod. Theod. 14, 9, 3), an der zehn lateinische und zehn griechischsprachige Grammatiker, drei lateinische und fünf griechische Rhetoren, ein Philosoph und zwei Juristen lehrten. Das Lehrpersonal war von „staatlicher“ Seite bevollmächtigt zu unterrichten und erhielt dafür Geld des Gemeinwesens. Für den Lehrbetrieb wurde eine Bibliothek bestückt (Vernichtung durch eine Feuersbrunst 475, 120.000 Bände umfassend). Allmählich wurde Eudokia von Pulcheria zurückgedrängt. Sie reiste mehrmals in das Heilige Land (438 mit Melania der Jüngeren, 443 abermals). Aus Jerusalem brachte sie die Ketten Petri und Reliquien des heiligen Stephanos mit nach Konstantinopel. Eudokia wurde aufgrund ihres karitativen und spirituellen Engagements später als Heilige verehrt (13. August).
Der Codex Theodosianus
Theodosios schuf zusammen mit seinem westlichen Kollegen Valentinianus III. (425–455) eine Gesetzessammlung. Im Reich gab es mehrere Rechtsschulen, die sich in Rechtauslegungen gegenseitig blockierten und so bei Verfahren behinderten. Am 6. November 426 wurde das „Zitiergesetz“ erlassen, das festlegte, welchen juristischen Schriften Autorität und Gültigkeit zugebilligt wurde (Cod. Theod. 1, 4, 3). Zu diesem Zweck wurde eine Kommission (erneuert 435) eingesetzt, die ab 429 alle Erlasse seit 311 sammelte. Die diokletianischen Vorgängerwerke sollten abgelöst und alle Kommentare eingearbeitet werden (438 veröffentlicht und am 1. Januar 439 in Kraft getreten). Die Sammlung enthält mehr als 2500 constitutiones, die in 16 Büchern chronologisch angeordnet sind. Latein war die Sprache der Gesetze, wenngleich das Griechische zunehmend eine Rolle spielte. Provinzialrichter durften seit Arkadios Entscheidungen auf Griechisch verfassen (397), ab 439 waren Testamente auch in griechischer Sprache zulässig. Diese Rechtssammlung lebte in den germanischen Nachfolgereichen (z.B. lex Romana Visigothorum, 7. Jahrhundert) weiter und wirkte bis weit ins Hochmittelalter nach.
Hunnen
Ein ernst zu nehmendes Problem für das Kaisertum wurde die Ausbreitung des Reitervolks der Hunnen, welche aus Zentralasien kommend (in chinesischen Quellen Hsiungnu genannt) sich Richtung Süden (dort 395 von den Oströmern am Euphrat geschlagen) begeben und im Westen bereits 375 den Don überschritten hatten (Befriedung der Alanen). Sie ließen sich links der Donau im Gebiet der Theiß nieder, wo sich allmählich zentralisierte Gesellschaftsstrukturen herausbildeten. 422 kamen sie unter ihrem König Ruga bis nach Thrakien, Attila (434–453) führte sie zu ihrem größten Einfluss, sodass Theodosios II. 434 gezwungen war, in Margos (Morava) einen Vertrag mit ihnen einzugehen (jährliche Zahlung von 700 Goldpfund, Gefangenenaustausch und unbehinderter Tauschhandel). Attila expandierte nach seinem Vertragsbruch 441 weiter, überquerte die Donau und eroberte wichtige militärische Vorposten und Städte (Viminacium, Margis, Singidunum, Sirmium). 443 erreichte er Philippupolis (Plovdiv) und Arkadiupolis, wo die oströmischen Truppen unter dem Alanen Aspar eine Niederlage erlitten und ein neuer Vertrag geschlossen werden musste (27. August 443). Ab 447 kam es zu einer zweiten großen Offensive seitens Attilas, die ihn in die Provinzen Macedonia und Thracia führte (Eroberung von Markianopolis). Konstantinopel war durch isaurische Verbände unter dem magister militum per orientem Zeno, ursprünglich Tarasis, geschützt. Die für ihre ausdauernde Kampfkraft bekannten Isaurier siedelten im Südosten von Kleinasien. Die Hunnen wandten sich trotz des Vertragsbruchs durch Kaiser Markianos Richtung Westen, wo sie 451 auf den Katalaunischen Feldern von dem Westgotenkönig Theoderich I. besiegt wurden. Zurück in Italien plünderten sie Mailand, Pavia und das von der Bevölkerung verlassene Aquileia (452). Rom entging einem abermaligen Sturm durch Schutzzahlungen. Nach Attilas Tod zerfielen die hunnisch dominierten Gebiete rasch. Die Gepiden unter Ardarich profitierten als Erste davon.
Kirchenpolitik
Das 5. Jahrhundert war weiterhin geprägt durch christologische Auseinandersetzungen. Stritt man im 4. Jahrhundert über das Verhältnis zwischen Gott und seinem Sohn, so stand nun die Beziehung von menschlicher und göttlicher Natur in Christus im Mittelpunkt des Diskurses. Es bildeten sich zwei Denkschulen heraus: In Antiocheia war man der Ansicht, dass in Christus zwei getrennte Naturen nebeneinander existierten und Maria nur das von Gott ausgesuchte Gefäß für Christus wäre. Maria sei dementsprechend nicht theotokos („Gottesgebärerin“), sondern bloß christotokos („Christusgebärerin“). In Alexandreia herrschte die Meinung vor, dass sich im Gottmenschen die göttliche und menschliche Natur vereinigt hätten. Am 10. April 428 kam Nestorios aus Antiocheia auf Geheiß Theodosios’ II. auf den Bischofsstuhl in Konstantinopel (bis 431), dem rasch in Kyrillos, Patriarch von Alexandreia (412–444), ein wortgewaltiger und einflussreicher Gegner erwuchs. In der ersten Phase seines Amtes kam es zu Konflikten mit Juden und paganen Kreisen, er stand auch in Zusammenhang mit der Ermordung der Hypatia 415. Seine Schriften richteten sich gegen den Arianismus und befassten sich alsbald mit christologischen Problemen. Kyrillos dachte, dass die Erlösung der Menschheit nur durch die Einheit von Gott und Mensch in Christus möglich wäre. Nestorios formulierte im Gegensatz dazu, dass sich Göttliches und Menschliches nur berührt hätten und in Kontakt getreten seien (synapheia). Nach Kyrillos bildeten die beiden Naturen eine hypostatische Einheit (henōsis kat’ hypostasin).
Konzil von Ephesos 431
Um die zunehmenden Spannungen zu lösen, berief Theodosios II. ein Konzil mit etwa 150 Teilnehmern ein, die in Ephesos, der Hauptstadt der Provinz Asia, vom 22. Juni bis 22. Juli 431 stattfand. Ephesos genoss durch die Affinität zum heiligen Paulos/Paulus, dem Apostel Ioannes/Johannes, der Jungfrau Maria und den Sieben Schläfern höchste spirituelle Autorität. Kyrillos und die Anhänger des Nestorios tagten in unterschiedlichen Lokalen und bannten sich gegenseitig. Der Kaiser setzte beide ab und inhaftierte sie. Kyrillos konnte sich auch mit Zustimmung des Papstes gegen Nestorios durchsetzen – der Terminus theotokos wurde als gültig anerkannt. Der zu spät kommende Ioannes I., Patriarch von Antiocheia, und Anhänger des Nestorios akzeptierten die (zum Teil original erhalten gebliebenen) Beschlüsse nicht, und es kam zu einem Schisma (bis 433). Eine Folge dieses Konzils war, dass Rom und Konstantinopel stärker zusammengingen. Kyrillos entfloh seiner Haft und erlangte mit Bestechung wieder sein Amt in Alexandreia. Eine Nestorianergemeinde blieb in Edessa weiterbestehen, die Perser anerkannten die Glaubensrichtung. Die Nestorianer entwickelten eine ausgedehnte Missionstätigkeit (bis Indien und China, Inschrift aus Xi’an/Sianfu in Schensi, 781). Dioskoros, der Nachfolger von Kyrillos ab 444, folgte seiner Theologie und wollte Alexandreia rangmäßig vor Konstantinopel sehen. Zudem unterstützte er den am Hof Theodosios’ II. einflussreichen Mönch Eutyches. Seiner Meinung nach seien die zwei Naturen nach der Fleischwerdung zu einer göttlichen Natur geworden, wobei das menschliche Prinzip vernachlässigt wurde; man erkennt hier die Anfänge des Miaphysitismus (der Terminus Monophysitismus kommt erst später, im 7. Jahrhundert auf). Eutyches wurde vom konstantinopolitanischen Patriarchen Flavianus (446–449) als Häretiker verurteilt (22. November 448), Schützenhilfe bekam er von Papst Leo I., der klarstellte, dass auch nach der Fleischwerdung zwei vollkommene Naturen zu unterscheiden seien.
Synode von Ephesos 449
Dioskoros betrieb die Einberufung einer Synode durch Theodosios II., neuerlich in Ephesos. Vom 8.–22. August 449 versammelten sich ca. 140 Vertreter der Kirchen, darunter auch Hilarius von Arles. Prima causa (wichtigster Verhandlungsgegenstand) war die Rehabilitation des Eutyches, dessen Ansichten Theologen und kirchliche Autoritäten noch 100 Jahre lang beschäftigen sollten. Die lautstarken Anhänger des Alexandriners schüchterten die Teilnehmer ein und zwangen sie, den Kompromiss zwischen Kyrillos und Ioannes I. zu verwerfen und das miaphysitische Bekenntnis anzunehmen. Wütender Protest des Papstes Leo I. folgte, welcher den Begriff Räubersynode verwendete (latrocinium). Theodosios II. anerkannte die Beschlüsse, die auch die Absetzung des von ihm unterstützten Flavianus vorsahen, die Kirche von Alexandreia hatte noch einmal den Sieg davongetragen.