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ОглавлениеDas Kleinkind (2 Jahre)
Wäre diese Arbeit seelsorgerlich ausgerichtet oder hätte z. B. die Heilung der Persönlichkeit zum Thema, so würden die folgenden Beschreibungen mit der vorgeburtlichen Phase beginnen. Die Ereignisse der frühesten pränatalen Entwicklungsstufe bilden in vielerlei Hinsicht die Basis für unser Leben. Für werdende Eltern wäre zusätzlich eine ausführliche Behandlung der ersten Lebensmonate von Interesse. In dieser Phase werden bereits Prägungen mitgegeben, die grundlegend sind für die spätere Identität, das Selbstbild und Urvertrauen. Ich möchte mich beim Säugling auf folgende Aussagen beschränken: Die ersten Erfahrungen des Kindes mit seinen Eltern, ihre Annahme oder Ablehnung, ihre Verlässlichkeit oder Unzuverlässigkeit, ihre Treue oder Untreue, Zuwendung und Liebe haben Auswirkungen auf die spätere Glaubensfähigkeit des Kindes. Durch das Vertrauen zu Mutter oder Vater, die kontinuierlich und verlässlich da sind, lernt das Kind, was es heißt, sich auf Treue verlassen zu können. Das ist sein erster Glaubensschritt.
Im Alter von etwa zwei Jahren vollzieht sich bei jedem Kind eine Wandlung. Aus dem niedlichen Baby wird ein kleiner Tyrann. Trotz, Zorn, Wut und Widerstand stehen auf der Tagesordnung. Das Kind strebt erstmals nach Unabhängigkeit und mehr Selbstständigkeit.
Wir alle kennen solche Situationen: In einem Supermarkt hat ein Kleinkind die begehrte Süßigkeit nicht bekommen. Lautstark versucht es, seinen Willen durchzusetzen. Es schreit, weint und stampft und alle Augen sind auf das Kind und die Reaktion des Elternteils gerichtet. Mitunter steigert das Kind seine Wut, bis es sich auf den Boden schmeißt. Die Mutter oder der Vater können in solchen Situationen die unausgesprochenen Kommentare förmlich hören: „Wie kann man nur so hartherzig sein!“ oder: „Jetzt nur nicht nachgeben.“ – Eine höchst unangenehme Situation.
Spätestens damit beginnt die Zeit der Disziplin und der Konsequenzen für unangemessenes Verhalten. Der größte Widerstand richtet sich gegen den Elternteil, der den größten Erziehungsbeitrag leistet. Während die Eltern bisher alle Dinge des täglichen Lebens für das Kind geregelt haben, ist es nun an der Zeit, die Symbiose mit der Mutter oder dem Vater zu lösen. Das Kind erkennt, dass es eine eigene Person ist, unabhängig von den Eltern und anderen Personen. Es beginnt, selbstständig zu denken, will selbstständig handeln, kleinere Aufgaben bewältigen und so die Symbiose lösen. Das Schlüsselwort dieser Entwicklungsphase heißt: Nein! Damit grenzt sich das Kind gegen die ihm zu eng gewordene Bindung zu den Eltern ab.
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© Jeremiah Lawrence – Unsplash.com
Die Kleinkindphase ist wichtig für die Entwicklung unserer späteren Unabhängigkeit und Individualität. Daher ist es entscheidend, die ersten Anläufe zur Selbstständigkeit nicht zu unterbinden. Es ist in Ordnung, wenn das Kind die Keksdose selbst erobert oder gar selbstständig sein Brot schmieren will. Nur wenn wir das Kind eigenständig gewähren lassen, ihm aber genug Schutz vor Gefahrensituationen geben, entwickelt es die nötige Sicherheit, die die Voraussetzung für Selbstständigkeit ist. Wenn das zweijährige Kind dagegen merkt, dass seine Unabhängigkeit unterbunden wird oder dazu führt, im Stich gelassen zu werden, wird es die Symbiose fortführen. Manche Eltern empfinden die aufkeimende Unabhängigkeit ihres Kindes als Bedrohung ihrer Autorität. Andere legen eine zu große Sorglosigkeit an den Tag, in deren Folge sich das Kind verletzt. Beide Verhaltensweisen können das kindliche Unabhängigkeitsstreben behindern. Das Resultat: Die Abhängigkeit bleibt bestehen und das Kind lässt auch in Zukunft andere für sich die Aufgaben lösen.
Eine weitere Entwicklung vollzieht sich in dieser Altersphase. Das Kind nimmt verstärkt Beziehungen zu Menschen außerhalb der Familie auf, zum Beispiel im Kindergarten oder in der Gemeinde. Es beginnt, sich nicht mehr allein um sich selbst zu drehen, sondern macht zarte Versuche, sich mit anderen zusammenzuschließen. Es lernt, dass es nicht mehr der Mittelpunkt des Universums ist und sein Verhalten etwas mit den Gefühlen und Gedanken anderer zu tun hat. Auf sie muss es nun Rücksicht nehmen.