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Unsere Familie

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n den frühen Jahren meiner Kindheit wuchs ich in dem Holzturm auf, den unser Ahne Sigifrid erbaute. Er thronte auf einem Hügel, an dessen Westseite sich die Werra entlangschlängelte. Hinter der Werra begann sich nach Westen Buchonia5 zu erstrecken, nach Osten der Thüringer Wald. Im Nordosten lag die Stadt Schmalkalden, im Süden die Stadt Meiningen und die gräfliche Henneburg. Unsere unmittelbaren Nachbarn waren die Herren von Cralach im Norden.

Zu unseren Besitzungen zählten die Burg, das Dorf Schwallungen mit Wald, Holz, Feldern, Bächen und Quellen, Weiden, drei Fischweiden an der Werra, ein Karpfenteich bei Cralach, ein schöner See in Buchonia mit allen Fischrechten, Wiesen und Weiden am großen Cralacher See, eine Mühle in Schwallungen und vor Wasungen, dort auch zwei Gärten, ein Hof im Körnbachgrund, das halbe Dorf Zillbach, Äcker in Cralach und Ahles6 und weitere Besitzungen und Zugehörungen in umliegenden Dörfern und Wüstungen, sechsundzwanzig Leibeigene sowie ein Vorwerk in Schmalkalden, ein Hof in Breitungen sowie sieben Kühe, eine Schaf herde und einhundertzwanzig Hühner und Gänse.

Unsere Mutter Elisabeth war eine fromme Frau voller Anmut und Schönheit, von edler Herkunft und feiner höfischer Erziehung und eigentlich passte sie überhaupt nicht zu den sie umgebenden Männern aus der Sippe der Swallinger, von meinem Oheim7 Odo vielleicht einmal abgesehen.

Aber sie trug ihr Schicksal, wie sie ihre Lebensumstände immer nannte, mit großer Würde und heute, denke ich an unser Leben am schwallenden Wasser zurück, erfüllt mich diese Würde mit Bewunderung.

Und trotz des Schutzes, fußend auf der Lehenstreue, die die Swallinger durch die Grafen von Henneberg erfuhren, war es unsere Mutter, die so manches Mal durch wärmste Fürsprache bei Graf Poppo8 selbst für unsere Familie eintrat und Schaden abwendete. Unser Vater Brun, der Erbauer des großen steinernen Turmes, war ein stolzer, strenger und umtriebiger Mann mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Dieser brachte ihm nichts als Ärger ein. Er liebte uns über alle Maßen, war fromm und verglich uns stets mit den edlen Falken, die den Turm bewohnten und ihn unentwegt gegen Dohlen, Krähen und andere Räuber verteidigen mussten.

„Seht, ihr Kinder“, sagte er immer und zeigte zur Spitze des Turmes, „wir gleichen diesen Falken. In einem immerwährenden Kampf müssen wir unseren Turm gegen alle möglichen Feinde verteidigen.“

Vater war selbst viele Jahre Falkner, aber als er seinen Lieblingsfalken Pfeil an einen Walduhu verlor, der den schönen Falken bis in eine Scheune verfolgte und dort schlug, brach es Vater fast das Herz und er hängte die Falknerei an den Nagel.


Oheim Egilbert, den wir kurz Ohm Egil nannten, war ein Mann von großer, starker Statur und wurde von allen Rittern der Umgebung gefürchtet, denn er siegte in allen Turnieren und sah darüber hinaus noch furchtbar aus. Während einer Bärenhatz verlor ein Bär sein Leben, Ohm Egil aber eines seiner Augen und so kam unser Onkel als einäugiger Mann daher, mit dem nicht gut Kirschen essen war. Deshalb nannten ihn die Leute auch Egil den Einäugigen. Mit unserer Mutter stand er sich nicht gut, was auf Gegenseitigkeit beruhte. Zu den Frauen hegte er keine sonderliche Neigung, aber er liebte den Trunk, die Geselligkeit und uns Kinder.

Ganz anders war da Ohm Odo, ein feiner, junger und hübscher Herr mit gutem Benehmen, der Liebling unserer Mutter (wahrscheinlich hätte sie lieber ihn als unseren Vater geheiratet, aber Odo war nur der Drittgeborene). Odo galt uns als strahlender Held, der gemeinsam mit Ohm Egil so manchen trefflichen Schabernack veranstaltete.

Und dann darf ich nicht unseren Großvater Heinrich vergessen, der eine Mischung aus allen seinen Söhnen war. Hier sollte ich vielleicht anmerken, dass jeder Sohn einer anderen Frau entspross, was bedeutet, dass alle Brüder Halbbrüder waren. Unser Großvater überlebte alle seine Frauen, die, die er aber am meisten liebte, war unsere Kunigunda. Zu der komme ich gleich.

Ich hatte zwei Brüder, Wölfelin und Betz, sowie eine Schwester Kunigunda, eine ganz neckische Kleine, die den Gerechtigkeitssinn unseres Vaters geerbt zu haben schien, denn von unseren Streichen hielt sie nichts. Ganz im Gegenteil! Mit ihren fünf Jahren drohte sie uns mit drakonischsten Strafen, hatten wir wieder mal etwas ausgefressen.

„Sie werden euch noch einmal die Ohren abschleiden!“, prophezeite sie unentwegt in ihrer kindlichen Sprache. Und wenn es einmal nicht nach ihrem Willen ging, was bei Frauen oft vorkommt, lief sie zu unserem Großvater und wickelte ihn um ihre kleinen Fingerchen. Über alles liebte sie ihre Stoffdocke9, ein abgefranstes, zerkautes, zerflicktes und hässliches Ding, wie wir fanden, aber war das Püppchen „Nunu“ einmal nicht auffindbar, liefen die Tränen und brachten die Werra zum Anschwillen.

Meine Brüder waren wie ich, kräftig, rotznasig, flink, etwas jünger zwar, aber allesamt echte Swallinger, und was einen Swallinger ausmacht, das möchte ich nun erzählen.


Die Ritter vom schwallenden Wasser

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