Читать книгу Die neuesten Streiche der Schuldbürger - Michael Klonovsky - Страница 27

17. Februar

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Ein enger Verwandter ist seit einem halben Jahr mit einer Zentralafrikanerin liiert, und vor kurzem verbrachte er seinen ersten längeren Urlaub im Lande der Liebsten. Nach der Heimkehr berichtete er, was so ziemlich alle Afrika-Reisenden zu berichten pflegen: Er schwärmte von der Großartigkeit der Landschaften, von der Natur überhaupt, von der Herzlichkeit und habituellen Grundfröhlichkeit der Menschen, aber zugleich beteuerte er, dass man diesen Kontinent wohl nicht zu Unrecht den verlorenen nenne; nichts funktioniere dort richtig, von der simpelsten häuslichen Technik bis zur Infrastruktur, doch niemand nehme daran Anstoß, geschweige dass sich jemand zur Beseitigung der Miseren und Kalamitäten aufraffte; die Sicherheitslage sei vielerorts prekär, so etwas wie eine res publica existiere nicht, die Vorstellungen von Recht und Eigentum, die Einstellung zur Arbeit, der herrschende Glaube an Voodoo, Hexerei usw., all das sei mit der europäischen Lebensweise wenig kompatibel. Die Eingeborenen dächten und empfänden in Familien oder Clans, Loyalitäten darüber hinaus seien eher unbekannt, das Verhältnis zu Terminen und Absprachen sei überaus elastisch, kurzum: man lebe dort einfach grundlegend anders als hierzulande.

Dergleichen aus empirischen Beobachtungen gewonnene Schlüsse sind weder repräsentativ noch falsifizierbar. Was den Blickwinkel des konkreten Beobachters betrifft, sind sie wahr, und je mehr konkrete Beobachter dieses »Narrativ« bestätigen, desto wahrer wird es. Die Feststellung, dass Afrikaner anders sind als Europäer, ist eine Binse.

Anders ist nun aber bekanntlich das neue schlimm, weshalb jeder Hinweis darauf, dass menschliche Großkollektive sich voneinander unterscheiden, womöglich sogar auf eine unvereinbare Art und Weise, von den Agenten des Globalismus als rassistisch weggebügelt wird. Tatsächliche Verschiedenheit ist unseren Buntheitsverkündern nämlich ein Greuel. Die Propagandisten eines radikal universalistischen Menschenbilds wollen jedes Individuum nur noch als Tabula rasa gelten lassen, als ein folgenlos umtopf- oder vermischbares Wesen ohne kulturelle Prägungen, ohne Traditionen, ohne ethnische oder – horribile dictu – genetische Unterschiede, das schließlich als gleichartiger und gleichberechtigter globaler Marktteilnehmer konfliktfrei mit anderen Gleichartigen aufeinandertrifft. Jeder weiß, dass es sich bei diesem Modell, wohlwollend formuliert, um eine Illusion handelt. Das Motto der gutmeinenden Nivellierer lautet deshalb: Friss es – oder sei Rassist.

Der »Fachverband Afrikanistik e.V.«, ein Hochschulwissenschaftlerverein, hat die Bundeskanzlerin in einem offenen Brief aufgefordert, den Afrika-Beauftragten der Bundesregierung, Günter Nooke, zu entlassen. Der CDU-Politiker, heißt es darin, habe sich mit »kolonialen Stereotypen und rassistischen Untertönen« für diesen Job unmöglich gemacht – Sie merken, geneigter Leser, das Deutsch der Kläger stammt vom Grabbeltisch, aber es sind ja auch Afrikanisten. (Nookes Äußerungen werden in den Acta-Notaten vom 25. und 30. Oktober 2018 behandelt.)

Die Welt berichtet: »Am Mittwoch kam es im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Berlin zur Aussprache zwischen Nooke und den Afrikanisten. In der für Journalisten zugänglichen zweistündigen Debatte, die nicht immer frei war vom Anschein eines Tribunals und von gereizten Reaktionen, wollte Kramer wissen, ob Nooke weiterhin zu seinen Interviewaussagen stehe. Für ›erheblichen Unmut‹ – so steht es im Brief an Merkel – hatte der einstige DDR-Bürgerrechtler mit Hinweisen darauf gesorgt, dass die Gesellschaften in Afrika ›anders funktionieren‹, dass es ›Clanstrukturen‹ gebe und, auch wegen hoher Temperaturen und Luftfeuchtigkeit, ›die Arbeitsproduktivität auf dem Bau eine andere ist als hier‹. Nooke weiter: ›In Niger bekommen die Frauen im Schnitt 7,3 Kinder, die Männer hätten gern elf!‹«

Eine Professorin monierte zudem, Nooke habe ins Gästebuch im Opernhaus von Mali einen Satz geschrieben, den sie zwar nicht genau kenne, der aber »irgendwie so in der Art« lautete: »Afrika, so nah und doch so fern.« Mit dieser Bemerkung habe Nooke das Stereotyp verbreitet, Afrika sei »anders«. Also ein Stereotyp, das durch jede Afrika-Reise, jeden Dokumentarfilm von dort und neuerdings auch die Ausbreitung bizarrer afrikanischer Riten in Europa bezeugt wird. Manche Afrikanisten erblicken darin wohl eine Hintansetzung ihrer Klientel, was ich, wenn man mich früge, für latent rassistisch erklären würde, sofern ich mir diesen Plapperbegriff nicht generell verböte. Ich schweife ab – .

Was denn an seinen Aussagen falsch sei, begehrte Nooke von den Dementoren einer ähnlichkeitsbasierten Afrikanistik zu wissen. »Wir als Geisteswissenschaftler haben vielleicht einen anderen Faktenbegriff als Sie«, ließ sich der Hamburger Professor Jürgen Zimmerer mit der Replik nicht lumpen. Ob diese Version des soeben noch geschmähten Andersseins womöglich mit dem Forschungsgegenstand zu tun hat? Dass die meisten aktuellen westlichen Geisteswissenschaftler in ihrem konstruktivistischen Rausch Fakten nicht mehr von Thesen, Hypothesen, Parenthesen und Ansichten unterscheiden können, bezeugt bereits die Rede vom »Faktenbegriff«. O glücklich, wer noch hoffen kann, aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen!

Nooke, Jahrgang 1959, wie gesagt ein Ostdeutscher und als solcher im Einknicken, Distanzieren und Zerknirschungsheucheln noch immer von zonaler Ungeschmeidigkeit, nahm seine »umstrittenen« Äußerungen übrigens nicht zurück. Er ist wahrscheinlich einfach nicht in der BRD angekommen.


Zum Vorigen. Eine Handvoll mittelmäßiger Akademiker verlangt also von der Regierungschefin die Entlassung eines Politikers, weil der ausspricht, was jeder weiß und jeder sieht. Diese sinistren Figuren fühlen sich dazu bemüßigt, weil sie den Zeitgeist hinter sich wissen, wenn sie die totalitäre Doktrin des sogenannten Antirassismus gegen einen ehemaligen DDR-Bürgerrechtler wenden. Nooke seinerseits wird sich darüber im Klaren befinden, dass er es bloß mit der aktuellen Maske des Marxismus zu tun bekommt, nachdem er beim Herunterreißen der realsozialistischen Vorgängerin eine gewisse Rolle gespielt hat.

Die Denunziation Nookes ist Bestandteil einer Strategie, die ich an dieser Stelle schon mehrfach thematisiert habe und deren Ziel die Herrschaft erwünschter Illusionen ist. Die neuen Tabula rasa-Menschen sollen nicht länger an die Unterschiede glauben, die sie sehen und erleben, sondern diese Differenzen ignorieren, bestreiten, leugnen, egal welchen Preis sie dafür zahlen müssen. Sie sollen sich im Reich der Lüge einrichten, weil es dort angenehmer ist als in der Wirklichkeit, wo man sie Rassisten nennen, ächten und strafverfolgen wird, wenn sie sagen, was sie gesehen und erlebt haben. Das Reich der Lüge ist natürlich nur ein Zwischenreich, ein Purgatorium, das so lange währt, bis die Völker abgeschafft sind, bis die Wölfe neben den Schafen weiden, bis die ökologisch-soziale Weltregierung und die Weltökumene errichtet sind. Aber, mit Gehlens wahrscheinlich ewiggültigen Worten:

»Teuflisch ist, wer das Reich der Lüge aufrichtet und andere Menschen zwingt, in ihm zu leben. (…) Der Teufel ist nicht der Töter, er ist Diabolos, der Verleumder, ist der Gott, in dem die Lüge nicht Feigheit ist, wie im Menschen, sondern Herrschaft. Er verschüttet den letzten Ausweg der Verzweiflung, die Erkenntnis, er stiftet das Reich der Verrücktheit, denn es ist Wahnsinn, sich in der Lüge einzurichten.«


Einen weiteren Langen Marsch ins Reich der Lüge hat die ARD gestartet, freilich dermaßen unraffiniert, dass es wohl als Holzweg enden wird. Es geht, na klar doch, um das »Political Framing«-Papier, das die »Sprach- und Kognitionswissenschaftlerin« Elisabeth Wehling verzapft hat. Die wonnige Maid beabsichtigt damit nicht weniger als »in Worte zu fassen und dauerhaft eine Sprache zu verwenden, die im Denken der Mitbürger kräftig wirkt und sie von der Notwendigkeit eines gemeinsamen, freien Rundfunks ARD überzeugt«.

Das Papier wimmelt von zitierenswerten Passagen. Zum Beispiel hat auch Frau Wehling einen Faktenbegriff. Fakten, statuiert sie, »werden in einer öffentlichen Auseinandersetzung erst zu guter Munition, wo ihre moralische Dringlichkeit kommuniziert wird«. Die ARD setze sich »für bestimmte Dinge ein, weil sie von ihrer moralischen Notwendigkeit für das gesellschaftliche Miteinander überzeugt ist«. Das ist eine postfaktische Neudefinition von Journalismus im fulminanten Geiste H. Prantls und G. Restles! Und umgekehrt!

Wikipedia belehrt uns, dass Frau Wehling sich im Rahmen ihrer Studien auch oder vorzugsweise mit der NS-Propaganda beschäftigt hat. »Nutzen Sie nie, aber auch wirklich nie, den Frame Ihrer Gegner, und nutzen Sie diejenigen Frames, die Ihre moralische Perspektive auf die Sachverhalte deutlich machen, immer und immer wieder – von Interview zu Interview, von Debatte zu Debatte, von Schriftsatz zu Schriftsatz«, ermuntert sie. »Und dann beim dritten, vierten, fünften Mal ergeben sich EinschleifProzesse im Gehirn und ein Wiedererkennungseffekt – egal, ob die Sache wahrhaft ist oder eine Lüge. Und dann sagt das Gehirn irgendwann: ›Ist mir viel zu anstrengend, das ist für mich jetzt eine Wahrheit.‹«

Das hat unser kleiner Doktor genauso gesehen und vor allem praktiziert. (Also ich meine jetzt nicht den kleinen Doktor vom Süddeutschen Beobachter, der auch jahrein jahraus, immer und immer wieder, Leitartikel auf Kommentar dasselbe behauptet, damit im Oberstübchen seiner wohl meist etwas in die Jahre gekommenen Fans gewisse Einschleif- und Wiedererkennungsprozesse als Wahrheiten »sitzen«; ich spreche schon vom Original.)

Zwei Zitate habe ich noch:

»Nur in einem Land mit einer stabilen gemeinsamen Rundfunkinfrastruktur kann man frei und erfolgreich leben und seinen Geschäften nachgehen.«

»Unsere demokratische Rundfunkinfrastruktur ARD ist also zugleich Schutz und Befähigung. Die ARD ist ein freier und unabhängiger Beobachter, da sie demokratisch kontrolliert und gemeinschaftlich finanziert ist. So kann sie jenseits wirtschaftlicher und politischer Druckausübung im Sinne aller agieren. Und sie bietet Freiheit vor Übergriffen auf unser Denken, unsere Daten und unsere Würde.«

Die Gute trägt freilich dermaßen dick auf, dass man sie für ein Schülerin Bernd Zellers halten könnte. Die Welt kommentiert denn heute auch, ihre Ausführungen klängen »ein bisschen so, als hätten die Verfasser von ›Aus dem Wörterbuch des Unmenschen‹, die nach 1945 die Nazisprache analysierten, anschließend ein ›Wörterbuch für Gutmenschen‹ geschrieben, in dem sie lehrten, wie man Goebbels’ Methoden nun für die Demokratie nutzbar machen könne.«

Damit er mit seiner Kritik nicht übers Ziel schieße, schrieb der Qualitätsjournalist noch dies: »Wehling und die ARD bestätigen damit ungewollt die rechtspopulistische Paranoia vom ›Neusprech‹, mit dem Linke und Grüne – wie in George Orwells Roman ›1984‹ – angeblich unsagbar machen wollen, was ihnen nicht in den Kram passt.« Die bestätigte Paranoia, was es nicht alles gibt, aber, Hochbegabte bei Springer und anderswo, ist das denn noch eine?


Wenn einem Menschen wirklich nur die Wahl bliebe zwischen Hetze und Lüge, müsste der Ärmste wohl die Hetze als das kleinere Übel wählen.

Die neuesten Streiche der Schuldbürger

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