Читать книгу Perry Rhodan - Die Chronik Band 1 - Michael Nagula - Страница 7

Оглавление

Lockvögel, Barkoniden und Kugelwesen

Die Erfinder von PERRY RHODAN erfreuten sich in dieser Zeit unvermindert eines schriftstellerischen Hochs. In Heft 28 hatte K. H. Scheer, der wie Clark Darlton parallel noch serienunabhängige Romane verfasste, die Figur des kosmischen Lockvogels Julian Tifflor erschaffen, eines Kadetten, dem Rhodan heimlich einen »Mikro-Zellaktivator« implantieren lässt, der die Zellschwingungen seines Trägers so verändert, dass er zu einem von Telepathen wahrnehmbaren Sender wird. Tifflor blieb der Serie bis heute, immerhin fünfzig Jahre später, in leitender Funktion erhalten.

Und hier zeigt sich bereits, wie viel Sorgfalt selbst rückbezüglich für die Entwicklung der Serie aufgewendet wurde: Als Band vier der PERRY RHODAN SILBERBÄNDE erschien, einer noch heute laufenden Hardcover-Ausgabe der Serie, nahm William Voltz als Bearbeiter eine Änderung vor: Da der Begriff Zellaktivator im weiteren Verlauf der Handlung anderweitig besetzt worden war, benannte er das Gerät, das Tifflor eingeplanzt wurde, in »Mikro-Zellschwingungs-Modulator« um – was auch faktisch besser passte. In der jahrzehntelangen Geschichte der Serie wurde, so weit irgend möglich, immer auf die innere Logik der Handlung geachtet.

Ähnlich prägend wie die Einführung der Figur Julian Tifflors war auch die Erschaffung des Volks der Barkoniden in Heft 32 »Ausflug in die Unendlichkeit« durch Clark Darlton. Barkoniden – das war rein begrifflich eine »Verhohnepiepelung« der Arkoniden. Ihre Erschaffung war im Exposé von Scheer nicht vorgesehen gewesen und sollte ihm lange Zeit ein Dorn im Auge bleiben, zumal Darlton außer Rand und Band seiner Phantasie völlig freien Lauf gelassen hatte: Nachdem vor rund einer Million Jahren, schreibt er in seinem Roman, das Sonnensystem der Barkoniden aus der Milchstraße in den interstellaren Raum gerissen worden war, verwandelten sie ihren Planeten in ein gigantisches Raumschiff und machten sich damit auf die Reise, um so eines Tages wieder in die heimatliche Milchstraße zurückzukehren. Darlton verschaffte ihnen in seinem Roman erstmals Besuch von Perry Rhodan, den die Superintelligenz ES in den Leeraum geführt hatte. Kein Wort davon hatte im Exposé gestanden.

Darltons zweites Highlight des Jahres war die Erfindung des Kugelwesens Harno in Heft 37 »Ein Planet spielt verrückt«. Der durch kosmischen Zufall entstandene Vagabund, der selbst im absoluten Vakuum zu leben vermag, kann auf seiner Oberfläche Fernsehbilder von allen erdenklichen Orten des Universums entstehen lassen. Erst acht Jahre später, in Heft 420, enthüllte Darlton, dass es sich bei ihm um den materiellen Bestandteil einer gewaltigen Energiewolke im Antimaterie-Universum der Accalauries handelt, der in unser Universum geschleudert wurde. Eigentlich hatte das sein letzter Auftritt sein sollen. Im Exposé von K. H. Scheer stand wörtlich:

»Harno fliegt mit (den Accalauries) zurück in seine Heimat (das Antimaterie-Universum), die er seit 1,2 Millionen Jahren vergeblich gesucht hatte. Er verabschiedet sich von Rhodan und erklärt, auch er müsse für immer verschwinden.

Bitte diese Angaben genau beachten und nicht nach eigenem Ermessen so korrigieren, dass Harno doch noch existiert.«

Ein Segen, dass Clark Darlton sich nicht daran gehalten hatte. Bis Harno im Jahre 3587 mit Ribald Corello, Ernst Ellert und den anderen Altmutanten in ES aufging, erlangte er als Weggefährte und Helfer der Menschheit nahezu Kultstatus.

Die Dumpfbackigkeit der deutschen Science Fiction

Von Anfang an war klar gewesen, dass ein Autorenstamm von vier Personen für eine wöchentliche Serie einfach zu wenig ist – zumal Scheer durch das Schreiben der Exposés stark eingebunden war. Das Ausscheiden von W. W. Shols nach nur vier Heften hatte diese Situation nur noch schmerzlicher deutlich gemacht.

Bei ihrer Suche nach möglicher Verstärkung war die Auswahl an geeigneten Kollegen leider nicht so groß, wie man meinen sollte. Anfang der Sechzigerjahre herrschte in Sachen Science Fiction noch eine gewisse Dumpfbackigkeit in Deutschland vor – eine moderne Auffassung des Genres nach amerikanischem Vorbild war erst im Entstehen und wurde nicht zuletzt durch PERRY RHODAN geschaffen. Woher sollte also das frische Blut kommen, das Ideenreichtum, Engagement und schriftstellerisches Können vereinte?

In einem E-Mail-Wechsel mit dem Verfasser dieses Buches meinte der SF-Experte Hermann Urbanek dazu im Juni 2010: »Andere Autoren gab es zwar, aber die waren nicht wirklich gut, oder sie passten vom Stil oder der Auffassung von SF nicht ins Team. Man denke nur an Eberhard Seitz alias J. E. Wells oder Paul Alfred Müller alias Freder van Holk, den SUN-KOH-Autor. Klar, im Leihbuch veröffentlichten zahlreiche deutsche Autoren ›utopische Romane‹, aber die hatten alle nicht das Niveau der Autoren, die die neue Serie starteten. Dazu kam natürlich auch der Druck, zu einem bestimmten Zeitpunkt das Manuskript abzuliefern, was ja auch Shols à la longue nicht geschafft hat, weil er nur Freizeit-Autor war. Andere hingegen dürften weitergehende Ambitionen gehabt haben, wie Jürgen vom Scheidt oder Jesco von Puttkamer. Wobei ich nicht weiß, ob überhaupt daran gedacht gewesen war, sie als mögliche Mitarbeiter der Serie anzusprechen.«

Die letztgenannten Autoren sind beide gebürtige Leipziger, erlebten beide die deutsche SF-Szene der Endfünfziger – und gingen sehr entschieden eigene Wege. Jürgen vom Scheidt, geboren 1940, veröffentlichte bereits mit siebzehn Jahren den SF-Roman »Männer gegen Zeit und Raum«, auf den er noch drei weitere folgen ließ, teilweise unter dem Pseudonym Thomas Landfinder, bevor er sich Sachbüchern zu psychologischen Themen zuwandte. Er veröffentlichte auch mehrere SF-Anthologien und gibt seit 1979 Seminare in Creative Writing. Der sieben Jahre ältere Jesco Freiherr von Puttkamer schrieb zwischen 1957 und 1961 sogar sieben SF-Romane, darunter einen gemeinsam mit seinem Freund Clark Darlton. Er machte in dessen Geburtsstadt Konstanz das Abitur und wanderte 1963 in die USA aus, wo er in Huntsville/Alabama im Team von Wernher von Braun am Apollo-Programm mitarbeitete. Er war an Skylab, dem Space Shuttle und anderen Projekten beteiligt und arbeitete als technischer Berater am ersten STAR TREK-Kinofilm mit. Heute ist er in führender Stellung an der Internationalen Raumstation ISS und der Realisierung des langfristigen Mond-Mars-Programms der NASA beteiligt.

Vom Scheidt und von Puttkamer verkörpern gewissermaßen die beiden grundsätzlichen neuen Richtungen der Science Fiction – den Innenraum und den Außenraum. Es herrschte somit kein Mangel an hochqualifizierten Denkern, aber Autoren von ähnlichem Kaliber, die einfach spannend und ideenreich schreiben konnten, und das noch unter der strikten Einhaltung von Abgabeterminen, waren dünn gesät. Hier musste auf die alten Recken zurückgegriffen werden, und tatsächlich fand sich auch ein erfahrener Erzähler.

Überschäumend und begeistert: Kurt Brand

Bei seinem Einstieg in die PERRY RHODAN-Serie konnte der 1917 in Wuppertal-Barmen geborene Rudolf Kurt Brand bereits auf rund einhundertfünfzig Romane zurückblicken, die unter zahlreichen Pseudonymen erschienen waren.

Zunächst hatte er Western und Krimis geschrieben, aber 1951 den Roman »Türme in der Sahara« veröffentlicht, auf den ab 1956 zwei Dutzend weitere SF-Titel gefolgt waren – auch unter dem Namen C. R. Munro. Er betrachtete sich als »intuitiven« Schriftsteller, der aus dem Bauch heraus schrieb, und das in allen Genres. Wie Heiko Langhans in seiner Scheer-Biografie so schön formuliert: »Hinzu kamen eigenartige Syntax-Vorstellungen und eine geniale Unbekümmertheit im Umgang mit seinen Vorgaben, sprich: mit den Exposés. Fast schien es, als schreibe er oft deshalb so kurze Sätze, damit er mit dem Tempo der Bilder in seinem Kopf mithalten könnte, was besonders auf Action-Szenen zutraf.«

Aber Kurt Brand hatte eine Entschuldigung, die immer und überall zog: Er schrieb unglaublich spannend!

Und das wird auch der Grund gewesen sein, weshalb Kurt Bernhardt ihm am 7. November 1961 die Mitarbeit an der Serie anbot. Gleich am folgenden Tag soll er ihm die elf bereits gedruckten Romane zugeschickt haben. Brand spricht in seinen Erinnerungen davon, dass ein Bekannter ihm Band 5 der Serie kurz unter die Nase gehalten hatte. Seine Neugier wurde geweckt, doch die Serie war »an Kiosken und in Buchhandlungen« nicht zu erwerben gewesen – vermutlich wegen des überraschend hohen und schnellen Abverkaufs. Durchaus möglich, dass Brand sich daraufhin wegen einiger Leseexemplare an Bernhardt gewandt hatte. Jedenfalls erklärt Brand im WERKSTATTBAND, dass er »an einem Samstagmorgen die erste PERRY RHODAN-Story zur Hand« nahm. »Einen Tag später, Sonntag abends, kannte ich, vollkommen übernächtigt, auch die neunzehnte Story ›Der Unsterbliche‹. Über meine damaligen Kopfschmerzen sollte kein Wort verloren werden. Sie spielten gegenüber meiner Begeisterung für die PR-Aufzeichnungen keine Rolle.«

Am 23. November trafen sich Brand und K. H. Scheer in Friedrichsdorf, und es gab »zwischen uns nur ein Thema: Perry Rhodans Erlebnisse und die seiner Mitarbeiter, deren Zahl sich kontinuierlich vermehrte. Karl-Herberts Optimismus, die Chronik müsse ein geschäftlicher Erfolg werden, war ansteckend« – und Brands Bedenken, dass das Schreiben nach Exposés ihn in seiner Kreativität einschränken würde, wurden rasch zerstreut.

Wie er 1986 selber sagt, sah es für ihn anfangs etwas problematisch aus, »denn als ich meinen ersten PR-Bericht schreiben sollte, befand sich die neunundzwanzigste Story schon in Arbeit, und dadurch klaffte zwischen den Nummern neunzehn bis neunundzwanzig eine fühlbare Lücke.« Und Brand sollte Band 34 schreiben. »Mit impulsiver Hilfsbereitschaft half K. H. Scheer aus und lieferte mir auf dreizehn Manuskriptseiten in komprimierter Form alle wichtigen Daten, die den schon längst abgefassten, aber noch nicht veröffentlichten Berichten mit ihren Figuren und ihrer Technik Charakter gaben.«

Mit anderen Worten: Scheer schrieb ihm ein Sonderexposé mit den wesentlichen Daten als Einstiegshilfe, und ein gewisser Jemand »hatte nun seinen ersten PR-Bericht (Roman) zu schreiben und ›schwamm‹, wie er über Schreiben noch nie ins ›Schwimmen‹ geraten war. Aus dieser Arbeit entstand die Story ›Levtan, der Verräter‹, aber bis der Jemand nach Abschluss des Manuskriptes das phantastisch klingende Wort ›Ende‹ schreiben durfte, hatte er hundertmal und öfter in den vorliegenden, ausgedruckten neunzehn Berichten nachgesehen, um exakt das wiederzugeben, was der Leserschaft längst vertraut war.«

Am 27. April 1962 erschien Brands Erstling bei PERRY RHODAN, und zwei Monate später folgte sein zweiter Roman. Bis zu seinem Ausscheiden mit Band 208 sollte er insgesamt 38 Hefte schreiben, also – die Wochenenden abgezogen – durchschnittlich einen Roman pro Monat. Dabei entwickelte Brand sich nach und nach zu einer Art »Medizinmann der Serie«, weil er sich bei einem kurzen Zwischenspiel als Werbeleiter eines Pharmakonzerns unsystematische Kenntnisse auf medizinischem Gebiet angeeignet hatte, die er durch Nachfragen bei einem befreundeten Arzt im Bedarfsfall untermauerte. So geschah es, dass er im Mai 1963 einen Roman von Clark Darlton überarbeitete – nämlich jene Szenen von Heft 111, »Unter falscher Flagge«, die sich mit den Liquitiv-Süchtigen befassten.

All sein Engagement und seine erstaunliche Produktivität konnten jedoch nichts daran ändern, dass er Günter M. Schelwokat manches graue Haar bereitete. Der war als Ostpreuße und obwaltender Redakteur äußerst grammatikstreng – was der Verfasser dieser Zeilen selbst noch erlebte. Für Schelwokat muss es ein wahres Horrorszenario gewesen sein, Brands gelegentlich recht eigenwillige Satzkonstruktionen zu bearbeiten. Und es kam vor, dass er den Eindruck gewann, ein Roman des Autors könnte der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften missfallen, wie bei Band 46, »Geschäfte mit Arkon-Stahl«, tatsächlich geschehen – und alles durfte geschehen, nur kein Verbot der Serie!

Von den meisten Lesern geliebt, von den Mitarbeitern amüsiert bis bang beobachtet, drückte Kurt Brand der Serie bis zum 10. September 1965 seinen Stempel auf. Dann kam es zu »Unstimmigkeiten« – manche Quellen sprechen von einem handfesten Streit –, und bereits abgelieferte Manuskripte von Einzelromanen sowie ein zweites PERRY RHODAN-Taschenbuch verschwanden in den Schubladen. Nichts, was sich nicht hätte beheben lassen, und es sollte auch wieder zur persönlichen Annäherung zwischen den Beteiligten kommen – aber es war das Ende einer Ära.

Kurzbiografie: Kurt Brand

Am 10. Mai 1917 in Barmen geboren, wuchs Kurt Brand in der Kleinstadt Rheinbach auf, wo er auch das Gymnasium besuchte, Jules Verne las und 1931 eine Schülerzeitung ins Leben rief, die es auf fünf Ausgaben brachte. Darin erschien seine erste SF-Geschichte »Der weiße Stern«. Mit achtzehn Jahren wurde sein erster Roman, »Motoren donnern zum Ziel«, abgelehnt. Sein zweites Buch, »Eisberge bekämpfen die Welt«, in dem es um das jähe Schmelzen des Polareises geht, konnte aufgrund von Papiermangel bei Kriegsbeginn nicht gedruckt werden. Das Dritte Reich erlebte er als Soldat in Peenemünde, wo er beim Start von V2-Raketen in Richtung England mitwirkte. Bei Kriegsende entließ er sich eigenem Bekunden nach selbst, weil er »keine Lust mehr hatte«, und geriet in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Ab 1946 baute er in Köln mit 24.000 Bänden eine der größten privaten Leihbüchereien auf, die ein finanzieller Misserfolg wurde. 1951 war sein erstes SF-Leihbuch erschienen, und nun schrieb er bis 1956 mehrere hundert Western, denen er bis April 1962, als er bei PERRY RHODAN einstieg, noch rund zwei Dutzend SF-Leihbücher folgen ließ. Nach 38 Heften und einem Taschenbuch für PERRY RHODAN, die parallel zu seinem bei TERRA veröffentlichten zehnbändigen Heftzyklus über den Weltraumreporter Yal entstanden, trennte er sich im September 1965 vom Moewig Verlag. Es entstanden mehrere SF-Einzelromane für die Reihen UTOPIA und ZAUBERKREIS-SF, bevor er 1966 beim Kelter Verlag seinen größten persönlichen Erfolg platzierte: die eigene Serie REN DHARK. Er schrieb alle Exposés der 98 erschienenen Hefte und 53 davon selbst sowie später noch sechs Taschenbücher, wobei Band 2 ein umgeschriebenes PERRY RHODAN-Taschenbuch war. 1969 scheiterte sein Wiedereinstieg ins Perryversum, für den er er einen ATLAN-Roman schrieb, und er konzipierte für Kelter die utopisch-phantastische Krimireihe »Checkpart 2000«. Gleichzeitig entwickelte er seine zweite SF-Serie, RAUMSCHIFF PROMET, zu der er 1972, in dem einen Jahr, in dem er sie betreute, siebzehn Romane beitrug. 1974 folgten sechs Romane für die Heftreihe ZEITKUGEL. Er schrieb auch über sechzig Romane in den Genres Grusel, Horror und Krimi und verfasste insgesamt fast tausend Romane, von denen 570 Western waren. Ende der Siebzigerjahre versöhnte er sich wieder mit PERRY RHODAN und nahm 1980 am Worldcon in Mannheim teil. Am 8. November 1991 verstarb er an einem metastasierenden Lungenkrebs in einer Klinik in Bozen/Südtirol.

Die Erde stirbt

Wir schreiben den 10. Mai 1984. Die Gefahr durch die Springer ist vorerst abgewendet, und nach langen Anlaufschwierigkeiten ist seit zwei Jahren auch die Terranische Weltregierung etabliert: Perry Rhodan, der Administrator der Erde, entschließt sich, sein Crest und Thora gegebenes Versprechen, die beiden nach Hause zu bringen, endlich einzulösen. Mit der vollbesetzten GANYMED geht es durch den Hyperraum nach Arkon …

In Heft 38 schildert Kurt Mahr, wie für die Arkoniden der Traum von der glorreichen Heimat urplötzlich zerschellt. Sie materialisierten mitten in einer Schlacht zwischen Motunern, einem hoch entwickelten Volk von Methanatmern, und dem arkonidischen Imperium. Das Imperium gewinnt, die Schiffe der Motuner ziehen sich zurück, und äußerst bedrückt fliegen die Terraner durch die Raumschlacht weiter, bis an den Rand des Arkons-Systems. Und dort erwartet alle Beteiligten eine Fülle von Überraschungen!

Crest und Thora hatten bislang verschwiegen, dass die Zentralwelt des Großen Imperiums eigentlich aus drei Planeten besteht – der Kristallwelt Arkon I, der Handelswelt Arkon II und Arkon III, dem Kriegsplaneten, einer künstlich geschaffenen Struktur von drei Synchronwelten, die Arkons Sonne in Form eines gleichseitigen Dreiecks umkreisen. Die beiden Arkoniden stellen nun mit Entsetzen fest, dass aufgrund der Dekadenz ihres Volkes das größte Positronengehirn der bekannten Galaxis, der Robotregent, aktiviert wurde und Tai Moas Zoltral XII. abgesetzt hat. Die wahre Macht liegt nun bei einer Maschine, die vorausschauende Wissenschaftler vor Jahrtausenden erbauten …

Unnachgiebig und voller Härte geht der Robotregent gegen alle Feinde des Imperiums vor und schlägt Rebellionen gnadenlos nieder. Als er von der Existenz Terras erfährt, versucht er deshalb sofort, die Position des Sonnensystems herauszufinden. Rhodan ist klar, dass Terra noch viel zu schwach ist, um sich gegen die Robotflotten des wieder erstarkten Großen Imperiums zu behaupten, und entwickelt, nachdem es auch noch zu ersten unerfreulichen Kontakten des Expeditionskorps mit den Aras, den Galaktischen Medizinern, gekommen ist, einen Masterplan, den Clark Darlton in einem Doppelband schildert.

So findet der erste Zyklus der Serie mit dem Titel »Die Dritte Macht« seinen atemberaubenden Abschluss: Perry Rhodan spielt den Springern mit Hilfe Guckys, der sich gegen Rhodans Wunsch heimlich in den Einsatz begeben hat, falsche Positionsdaten des Sonnensystems zu und lässt an Stelle Terras den dritten Planeten des Beteigeuze-Systems von den Überschweren, der Kampftruppe der Springer, angreifen. Die Erde wird scheinbar vernichtet und versinkt im Meer des Vergessens – und Rhodan und die Terraner erhalten die dringend benötigte Zeit, sich für eine ungewisse Zukunft zu rüsten.

Ahasver im Herzen

Im April 1962, als Kurt Brands erster Roman erschien, besuchte das Ehepaar Scheer gerade Clark Darlton und Gattin in Irschenberg. Auf dem Programm stand natürlich vor allem PERRY RHODAN: Es hatte bereits kleinere Zeitsprünge gegeben, der erste nach Heft 9, aber mit Heft 50 sollte ein neuer Handlungsabschnitt beginnen. Ein Zeitsprung von 36 Jahren war vorgesehen, der sich später zu 56 Jahren mausern sollte. Die Hefte 50 bis 99 gingen als zweiter Zyklus in die Geschichte PERRY RHODANS ein.

Scheer notierte nach dieser Begegnung am 28. April: »Alte Arkoniden, die vor zehntausend Jahren auf Venus verschollen sind, haben einige ihrer Leute biologisch konserviert, um Zeugen ihrer Vergangenheit in die Zukunft zu retten. Einer wachte zur Zeit des Römischen Imperiums auf. (…) Sein erstes Erscheinen erfolgte auf dem Grund des Atlantischen Ozeans, wo er konserviert im untergegangen Landgebiet von Atlantis liegt. Von dort sorgte er für den technischen und kulturellen Fortgang der Menschheit, da er daran interessiert ist, möglichst bald wieder nach Hause zu kommen. Dies geht nur, wenn die Menschheit die Raumfahrt begreift.«

Rhodan erfährt, dass der Fremde unter Germanicus Caligula erwachte, als normannischer Ritter an den Kreuzzügen teilnahm, mit Kolumbus befreundet war, sich Leonardo da Vinci nannte, unter Kublai Khan in Asien kämpfte und die Chinesische Mauer erbaute. Das erscheint ihm nur dann möglich, wenn er eine Zelldusche des Planeten Wanderer erhalten hatte – die Rhodan auch für Thora und Crest erwirken will, die Arkoniden, deren technische Wunderwerke ihm auf dem Erdmond zur Gründung der Dritten Macht verhalfen.

Das erste Ergebnis des neuen Konzepts war Jubiläumsheft 50: Der Arkonide Ahasver, dessen Namen Scheer später im Exposé handschriftlich in »Atlan« geändert hatte, erwacht nach einer langen Tiefschlafperiode in seiner Unterwasserkuppel – und mit ihm war der neben Perry Rhodan erfolgreichste Protagonist der Serie geboren.

Info zur Romanserie: Atlan

Sein arkonidisches Geburtsdatum entspricht dem 9. Oktober 8045 vor Beginn der christlichen Zeitrechnung. Als 28-Jähriger tritt er in die Raumflotte ein und wird elf Jahre später zum Admiral befördert, verliert jedoch 8004 v. Chr. im Kampf gegen die Maahks seine Flotte. Mit 43 Jahren erhält er von ES seinen Zellaktivator und die Konstruktionsunterlagen einer Waffe, die den Methan-Krieg für Arkon entscheidet. Er übernimmt den Aufbau einer Kolonie auf Larsaf III, die nach ihm Atlantis benannt wird, doch ihr Untergang beraubt ihn jeder Hoffnung, aus eigener Kraft in die Heimat zurückzukehren. 8000 v. Chr. zieht er sich in eine Schutzkuppel am Grund des Meeres zurück, um dort im Tiefschlaf ein arkonidisches Suchkommando abzuwarten, das nie eintrifft. Er erwacht sporadisch, um die Entwicklung der Menschheit zu einer raumfahrenden Rasse zu unterstützen, und wird dabei – später von Autor Hans Kneifel geschildert – zum Freund und Berater legendärer Persönlichkeiten der Zeitgeschichte. Zehn Jahrtausende verbringt er auf diese Weise fern seiner Heimat unter irdischen Barbaren, die er als Mentor und Helfer begleitet, geplagt von Sehnsucht und Heimweh.

Drei Serien in einer …

Im ersten Jahr der Serie trafen sich K. H. Scheer und Clark Darlton noch beinahe monatlich in Irschenberg oder Friedrichsdorf, um gemeinsam die Handlungsvorgaben zu entwickeln, die Scheer anschließend zu Papier brachte und an den Verlag nach München schickte. Dann erkrankte er im Januar 1962 an einer Thrombose, die eine Lungenentzündung nach sich zog. Sein Freund Heinz Bingenheimer, Gründer des noch heute existierenden Buchversands Transgalaxis, brachte ihm ein Tonbandgerät ins Krankenhaus, seine Frau Heidrun transkribierte die Aufnahmen und verschickte sie für ihn. Drei Monate später kam es zu einer erneuten Besprechung, bei der Scheer und Darlton den Kurs für den zweiten Fünfziger-Block der Serie festlegten.

An dem Wochenende in Irschenberg stellte Scheer klar, dass er wohl kaum jede Woche ein im Durchschnitt siebenseitiges Exposé ausarbeiten könne, wenn er noch in nennenswertem Umfang als Autor in Erscheinung treten solle. Damit warf ein Problem seine Schatten voraus, das sich beinahe fünfzig Jahre später auch Uwe Anton stellt, der heute für die Handlungsvorgaben zuständig ist. Scheers Lösung sah vor, nur noch eine grobe Linie vorzugeben, die seine Kollegen mit ihren Ideen ausfüllten.

Als er Ende April diesen Vorschlag dem Verlag unterbreitete, war Cheflektor Bernhard außer sich: An der Exposé-Arbeit werde nicht gerüttelt! Scheer gab nach, suchte aber nach Möglichkeiten, den Arbeitsaufwand zu verringern. Er verlegte sich darauf, die Exposés auf Band zu sprechen und ebenso wie seine diktierten Romane von seiner Frau Heidrun tippen zu lassen. Außerdem verfiel er auf eine Dreiteilung der Serie:

 Clark Darlton und Kurt Brand sollten den roten Faden der Serie bestreiten, den Scheer die »Nullserie« nannte.

 Die Atlan-Story wollte er vorerst selber verfassen, in Ich-Form und mit gelegentlichen Rückblenden in die Vergangenheit.

 Kurt Mahr sollte eine Handlungsebene mit der Besatzung eines Auswandererschiffs übernehmen, deren Ausgestaltung ihm allein überlassen blieb.

Damit war die Logistik gerettet, und am 17. August begann mit dem Heft »Atlan und Arkon« (so der Titel des Exposés) der zweite Zyklus der Serie. Schon das erste Abenteuer des heimlichen Förderers der Menschheit auf ihrem Weg ins All war bei den Lesern ein Riesenerfolg, und die Person des Arkoniden ist seitdem aus der Serie nicht mehr wegzudenken. In den folgenden zwei Jahren sollten bis zur Gründung der United Stars Organisation (USO) noch elf weitere Romane mit Atlan aus K. H. Scheers Feder folgen, der für ihn persönlich und in den Augen der Leser eine ähnliche Bedeutung wie Gucky für Clark Darlton erlangte.

Kurt Mahrs fünf Kolonistenabenteuer, die in Heft 57 starteten, handelten von den »Asozialen Freien Siedlern«, die in Perry Rhodan einen Diktator sehen und nach einem versuchten Attentat auf ihn zur Deportation auf einen anderen Planeten verurteilt werden. Nach einer Notlandung auf der Welt eines blauen Riesensterns und Abenteuern mit den einheimischen Blauen Zwergen und Invasoren namens Peepsies evakuieren die Terraner sie schließlich vor einer drohenden Gefahr auf die Venus. Der Siedler-Zyklus wurde übrigens nicht in die SILBERBÄNDE aufgenommen, obwohl er parallel zu den Ereignissen in den Büchern acht bis zehn spielt. Er erschien 2001 gesammelt unter dem Titel »Kolonisten Terras« als Band zwei der Hardcover-Reihe PERRY RHODAN EXTRA beim HJB Verlag.

Die »Nullserie« brachte das in Heft 7 gegründete Mutantenkorps stärker ins Spiel. Durch seine kosmischen Agenten, die auf einigen hundert von Arkoniden oder Springern besiedelten Planeten operieren, lässt der Großadministrator die Aktionen des Robotregenten von Arkon überwachen, während sich am Horizont eine neue Gefahr abzeichnet, die auch die Evakuierung der Kolonisten von Gray Beast erforderlich macht: eine Zeitüberlappung mit dem Roten Universum der Druuf.

Essay: Hans Kneifel über kriegerische Auseinandersetzungen

Wir sehen gerade, daß Ost und West große Anstrengungen unternehmen, um dem ewigen Ziel der Menschheit – den Weg zu den Sternen zu beschreiten – näherzukommen.

Immer wieder wird der Mensch versuchen, Dinge möglich zu machen, die noch vor kurzer Zeit als restlos unmöglich angesehen wurden. So ist es auch mit der Eroberung des Mondes. Es ist die erste Stufe jener gigantisch hohen Leiter, die uns eines Tages mit den anderen Sonnen und deren Planeten verbinden soll. Wie auf vielen anderen Gebieten menschlichen Strebens ist es auch hier: Nicht die scheinbare Unmöglichkeit, nicht die immensen Kosten, nicht der Verlust von Menschen und Material entscheiden, sondern der stählerne Wille, den Weg zum Ziel zu beschreiten.

Ich persönlich verneine dabei die Wahrscheinlichkeit bewaffneter Auseinandersetzungen. Ich vermag mir nicht vorzustellen, daß intelligente Rassen, die Atomzerfall und Raumschiffsmotoren zu kontrollieren vermögen, sich riesige Materialschlachten im Raum liefern. Natürlich ist es möglich, aber unwahrscheinlich. Jedenfalls wird sich jede dieser Rassen überlegen, was sinnvoller ist – der Überfall auf ein anderes System oder die weitere Eroberung der Galaxis.

Krieg führen Barbaren und Unreife. Rassen, die den Sternenflug beherrschen, können nicht mehr unreif sein, wenigstens nicht in ihrer Gesamtheit. Übergriffe von Einzelpersonen oder Machtgruppen sind denkbar, jedoch kein Krieg der Weltanschauungen.

Hans Kneifel in TERRA-Heft 384 (April 1965)

… und vier Karrieren

Der Erfolg von PERRY RHODAN steigerte die Beliebtheit der vier Stammautoren enorm, die Leser wollten mehr von Scheer, Darlton & Co – nur arbeiteten die bereits an der Kapazitätsgrenze. Also mussten Neuausgaben ihrer älteren Romane her. Unter der Betreuung Günter M. Schelwokats brachte Moewig die Nachdruckreihe TERRA EXTRA heraus. Sie startete genau ein Jahr nach PERRY RHODAN und erschien anfangs sogar wöchentlich. In den ersten 22 Ausgaben präsentierte sie ausschließlich Romane von K. H. Scheer und Clark Darlton, später auch von Kurt Mahr und Kurt Brand und in den folgenden Jahren verschiedene angloamerikanische Klassiker.

Besonders Scheers Werke erlebten einen wahren Boom. Seit er 1959 für »Octavian III« mit dem deutschen »Hugo« geehrt worden war, der nach dem amerikanischen »Vater der Science Fiction« Hugo Gernsback so benannt wurde, eilte er von Erfolg zu Erfolg. Die ersten Romane seiner Zukunftsagenten-Serie ZUR BESONDEREN VERWENDUNG erlebten in TERRA EXTRA bereits ihren zweiten Heftnachdruck.

Und im Sommer 1962 kaufte der Wilhelm Heyne Verlag ein Paket mit sage und schreibe 25 seiner Bücher, von denen leider nur vier erscheinen sollten – noch dazu in jährlichen Abständen. Den Anfang machte »Die Großen in der Tiefe«, ein Roman, der ursprünglich 1961 als Leihbuch im Balowa Verlag erschienen war. Scheer beantwortet darin die Frage: Was wäre, wenn die Welt 1971 nicht von Perry Rhodan gerettet worden wäre? Er wählt die gleiche Ausgangssituation wie in »Unternehmen Stardust« und führt so genannte Gliederlasttransporter ein. Sie hatten ein reales Vorbild in den »Overland Trains« der US Army, wahren Ungetümen von 174 Meter Länge und 150 Tonnen Nutzlast, für die um 1962 herum Erprobungsfahrten liefen.

Und mit einem unglaublichen Riecher für Technik sah Scheer mit der Fragment-Bombe auch noch die amerikanischen MIRVs voraus, Interkontinentalraketen mit nuklearen Mehrfachsprengköpfen, die es ermöglichen, mit einer einzigen Trägerrakete mehrere Ziele gleichzeitig anzugreifen. Die ersten Raketen mit MIRVs wurden zwar erst Anfang der Siebzigerjahre von den USA stationiert, aber die Quittung für eine derart realitätsnahe Phantasie folgte auf den Fuß.

Nach einem Geschäftstermin wurde Scheer in einem Braunschweiger Café vom Militärischen Abschirmdienst zur Rede gestellt: Woher er die Konstruktionsunterlagen für den darin beschriebenen Atombunker habe? Vielleicht hatte er die Reaktion des MAD ja durch seine Aussage in dem Roman provoziert: »Die größte Gefahr für die Menschheit ist ein einziger Neurotiker an einem Kommandogerät.« Jedenfalls konnte er klarstellen, dass er als Science Fiction-Autor lediglich seine Hausaufgaben gemacht und frei zugängliche Unterlagen zu Grunde gelegt hatte.

Clark Darlton, der 1962 seine zweite Frau Ursula Kaiser heiratete, erlebte das produktivste Jahr seiner Autorenlaufbahn. Zwanzig Serienbeiträge für PERRY RHODAN und neun weitere SF-Romane sowie – als seltenes Vergnügen – ein Western erschienen aus seiner Feder. Schon 1959, als er seine zweite Frau kennen gelernt hatte, waren die ersten beiden Folgen seiner insgesamt elf Bände umfassenden SF-Serie »Hurricane« erschienen, die er in diesem Jahr fortsetzte und 1968 abschließen sollte.

Kurt Mahr, der seine schriftstellerische Laufbahn 1959 begonnen hatte, um sein Physikstudium an der Technischen Hochschule Darmstadt zu finanzieren, startete neben PERRY RHODAN eigene Mehrteiler: Er veröffentlichte im TERRA SONDERBAND einen Doppelband über ein Generationenraumschiff sowie in TERRA neben einem Einzelroman den sechsbändigen Zyklus »Krieg zwischen den Milchstraßen«, in dem es um den Kampf der Erde gegen außergalaktische Aggressoren geht. Und im November 1962 schloss er auch noch – »mit Hängen und Würgen«, wie er sagt – sein Studium mit dem akademischen Grad eines Diplomphysikers ab.

Jetzt zog es Mahr beruflich in die USA, und der Moewig Verlag geriet in helle Aufregung. Würden die langen Postlaufzeiten seine weitere Mitarbeit an PERRY RHODAN nicht unmöglich machen? Auch aus diesem Grund, nicht nur der eigenen Arbeitsersparnis wegen, überließ Exposé-Autor Scheer ihm den Handlungsfaden der Kolonisten auf Gray Beast – damit Mahr für diese Romane nicht erst auf Exposés aus Deutschland warten musste.

Die Zeiten überlappen sich

Das neue Konzept der parallel laufenden Handlungsfäden, jeweils von bestimmten Autoren betreut, sorgte für atemlose Spannung.

Serienintern ist das Solare Imperium der Menschheit im zweiten Zyklus »Atlan und Arkon« zu einem kleinen Sternenreich angewachsen, und zwei abtrünnige Mutanten – der Telepath Nomo Yatuhin und der Hypno Gregor Tropnow – wollen die Positionsdaten der Erde verraten, weil sie keine Zelldusche erhalten haben. Rhodan und seine Gefährten hindern sie daran, aber dabei wird dem Robotregenten auf Arkon bekannt, dass Rhodan nicht tot ist. Und als wäre das nicht genug, lässt eine unsichtbare Kraft die Menschen von mehreren Planeten einfach verschwinden …

Zunächst – in Darltons Heft 58 – ist es nur eine primitive Rakete, die beim Start von einem Planeten langsam unsichtbar wird, ohne dass jemand etwas dagegen tun kann. Aber schon im Folgeheft von Kurt Mahr wird deutlich, dass differierende Eigenzeiten in unterschiedlichen Universen der Grund für dieses Phänomen sind, und weil die Gefahr so groß ist, erhält Perry Rhodan im Bündnis mit dem Robotregenten die Befehlsgewalt über drei Viertel der arkonidischen Kriegsflotte.

Das Positronengehirn, immerhin das größte der Galaxis, versteht den Prozess der Verschmelzung zweier Universen nämlich nicht und setzt nun darauf, dass menschliche Intuition die Erforschung der fremden Dimension ermöglicht – immer mit dem Hintergedanken, doch noch die Position der Erde in Erfahrung zu bringen und Terra dem Großen Imperium mit Gewalt einzugliedern.

Einen vorläufigen Höhepunkt erfährt die Handlung in einem Doppelband von Clark Darlton, dem Zeit-Spezialisten im Autorenteam. Als die Überlappungsfront sich immer mehr nähert, stoßen die Terraner erstmals in die fremde Dimension vor und begegnen dort raupenähnlichen Wesen, die ein dumpfes Grollen von sich geben, das so ähnlich wie »Druu-uh-uuff« klingt. Bei Versetzung der Raupen in die für die Terraner maßstäbliche Eigenzeit entpuppt sich dieses Geräusch als hohes Zirpen.

Zwar handelt es sich bei diesen Wesen nicht um höhere Intelligenzen, aber durch sie begreifen die Terraner das ganze Ausmaß der Überlappung.

Das Standarduniversum wird allmählich vom Roten Universum der Druuf verschlungen, in dem die Zeit 72.000 Mal langsamer abläuft – ein Wert, der sich bis zur Trennung der beiden Universen auf den Faktor eins zu zwei reduzieren wird. Die davon ausgehende Gefahr ist enorm, zumal nun die intelligenten Bewohner des Roten Universums auftauchen – und eine Gefahr in den Terranern sehen. Heft 65, die zweite Hälfte des Doppelbandes, ist eine faszinierende Erforschung der Implikationen einer Zeitüberlappung, die ganz einzigartige Phänome hervorruft.

Bei diesem Stand der Dinge wendet die Serie sich wieder anderen Handlungen zu …

Herausforderungen durch Kurt Mahr

Anscheinend hatte sich Kurt Bernhardt mit einer Dreiteilung der Serie abgefunden, um Scheer den Arbeitsaufwand zu verringern. Aber kaum hatte er dieses Problem im Griff, stellte ihn ein anderer Autor vor eine neue Herausforderung.

Wie aus der Korrespondenz hervorgeht, die Inge Mahn in einem Begleitbuch zum PERRY RHODAN-Con 2003 vorlegte, wandte Bernhardt sich am 14. Juni 1962 in einem Schreiben an Kurt Mahr: »Ich bekam heute bei einem Telefongespräch mit Herrn Scheer die Hiobsbotschaft, daß Sie angeblich im August dieses Jahres für ca. 4 Jahre mit Ihrer Familie nach Amerika gehen. Ich weiß natürlich nicht, wieweit das stimmt, und ich bitte Sie daher, mir hierüber etwas Konkretes mitzuteilen. Ich bin natürlich nach wie vor, auch wenn Sie in Amerika sind, an einer Zusammenarbeit interessiert. Wir müssten uns aber, bevor die Abreise von Ihnen nach Amerika erfolgt, nochmals treffen. Am günstigsten wäre es, wenn Sie und Ihre Frau eine Reise nach München machen würden – selbstverständlich zu Lasten des Verlages.«

Im weiteren Verlauf des Schreibens wurde deutlich, dass Bernhardt sich aufrichtig Sorgen um PERRY RHODAN machte. »Außerdem habe ich erfahren, daß Ihnen Herr Scheer den ersten Band der Siedler-Serie, die innerhalb der PERRY RHODAN-Serie veröffentlicht werden soll, in Auftrag gegeben hat. Herr Scheer teilte mir mit, daß er dieses Manuskript als PERRY RHODAN-Band Nr. 57 eingeplant hat. Dementsprechend müssen Sie auch disponieren, damit das fertiggestellte Manuskript zum gegebenen Zeitpunkt beim Verlag abgeliefert wird.« Und: »Außerdem habe ich heute mit Herrn Scheer telefonisch abgesprochen, daß als PERRY RHODAN Nr. 61 der zweite Siedler-Roman, der von Ihnen geschrieben wird, eingeplant ist.«

Mahr reichte postwendend mit Datum vom 17. Juni 1962 das Manuskript des ersten Kolonisten-Abenteuers beim Verlag ein. »Daß Sie Herrn Scheers Information über meine Auswanderungspläne als Hiobsbotschaft betrachten, hat mir nicht wenig geschmeichelt«, führte er in seinem Begleitschreiben aus. »Sehr gefreut hat mich, daß Sie gegen eine Fortsetzung der Zusammenarbeit in geeigneter Form auch während meines Amerika-Aufenthaltes nichts einzuwenden haben. Mittlerweile ist mir das Schreiben nämlich ans Herz gewachsen, und ich gedenke keinesfalls, es aufzugeben, sobald ich mein Studium beendet habe.«

Anschließend erläuterte Mahr seine Pläne. Er hatte noch fünf Prüfungen zu bestehen und wollte dann »gegen Ende August oder Anfang September dieses Jahres dem Angebot einer amerikanischen Firma in Connecticut folgen und nach Amerika gehen. Ich habe fest vor, nach vier Jahren wieder nach Deutschland zurückzukehren.«

Die Sache hatte nur einen Haken: die Prüfungen! Deshalb hatte er seine Pläne noch weitgehend für sich behalten – und gut daran getan, denn wie er am 27. Juni schrieb: »Es hat in der gestrigen Prüfung einen Lapsus gegeben – das heißt: ich bin durchgefallen.« Der nächste Versuch wurde für den November angesetzt.

Und dann geschah gleich noch ein Malheur. Das zweite Kolonistenabenteuer geriet Mahr aus dem Ruder!

»Um es kurz zu sagen«, wandte er sich am 1. August an Günter M. Schelwokat, weil Bernhardt krankheitsbedingt nicht erreichbar war, »ich habe mich an Herrn Scheers Exposé des PERRY RHODAN-Bandes Nr. 61 nicht besonders fest gehalten. Ich habe auch Herrn Scheer schon gesagt, daß ich einfach nicht den Mut hatte, einen ganzen Roman über die Suche nach einem Spion an Bord eines Raumschiffs zu schreiben. Ich schilderte also den Einsatz des Agenten Jost Kulman auf der Welt Swoofon.«

Mahr schreibt, dass er schon zur Hälfte fertig war, als ihn ein Brief Scheers erreichte, »in dem er darauf hinwies, daß über Kulmans Einsatz auf Swoofon überhaupt nichts geschrieben werden dürfe, damit Herr Ernsting sich bei der Ausarbeitung des Exposés Nr. 63 durch nichts gehemmt fühlte. Ich habe Herrn Ernsting sofort die bereits fertiggestellten Seiten des Bandes 61 im Durchschlag geschickt, damit er sich orientieren konnte, und sandte ihm ein paar Tage später noch einmal weitere zwanzig Seiten. Daraufhin kam ein Brief von Herrn Ernsting, in dem er meinte, ich sei ihm ganz schön in die Parade gefahren und entweder müsse mein oder sein Manuskript von Grund auf geändert werden. Er machte mir den Vorschlag, anstatt der achtzig Schreibmaschinenseiten, die mein Manuskript im allgemeinen lang ist, nun hundert zu schreiben, so daß gestrichen werden könne.«

Mahr entschuldigte sich, dass die Arbeit des Streichens nun bei Schelwokat lag, und machte entsprechende Vorschläge. Schelwokat setzte sich mit Darlton in Verbindung, worauf die Reihenfolge der Romane geändert wurde. Am 12. August schickte Darlton dem Lektor seine endgültige Fassung von Heft 61 mit den begleitenden Worten: »Wie ich Ihnen schon am Telefon sagte, übernahm ich einige Episoden aus Mahns Manuskript, die mir gut erschienen und die auch nicht vom Exposé abweichen. Insgesamt habe ich 25 Seiten von Mahn abschreiben lassen, um Zeit zu gewinnen. Außerdem ist nun der finanzielle Verlust für Mahn nicht mehr so bedeutend, da er vom Verlag eine Entschädigung und von mir eine Beteiligung erhält.«

Bei dieser Gelegenheit schrieb Darlton auch einen gesonderten Brief an Mahr: »Zwar erhielt ich noch keine Antwort von Ihnen, aber ich setze doch voraus, daß Sie mit meinem Vorschlag einverstanden sind. Warum soll Ihre Arbeit völlig umsonst gewesen sein? Außerdem gefallen mir Ihre Passagen. Natürlich war es nicht einfach, zusammenhängende Episoden in den neuen Roman zu übernehmen, ohne Zwischenstücke einzuschieben und einzelne Sätze zu verändern. Aber es hat geklappt. Eigentlich gehört der Roman zu einem Drittel Ihnen.« Dem Brief lag ein Scheck über 150 DM bei – für fünfundzwanzig übernommene Seiten und fünf veränderte.

Als Autor von Band 61 firmierte nun Darlton, und das von Mahr gründlich überarbeitete zweite Kolonistenabenteuer enthielt kein Wort mehr über den Agenten Jost Kulman. »Ich denke«, schrieb Darlton ebenfalls am 12. August an Schelwokat, »in der vorliegenden Form passt sich der Roman seinem Nachfolger genau an, und es gibt keine Differenzen mehr. Hoffentlich können in der Zukunft derartige Pannen vermieden werden. Ich werde mich eingehend mit Herrn Scheer unterhalten, der ja Ende dieser Woche bei mir vorbeikommt. Wir machen ja Urlaub in Unterwössen und werden bei der Gelegenheit insbesondere die Exposé-Verteilung durchhecheln.«

Das Ergebnis war, dass Darlton – möglicherweise zu Scheers Entlastung – gleich im Anschluss daran noch einen Doppelroman zugeteilt bekam, so dass gleich drei Romane von Darlton in Folge erschienen – zur großen Freude seiner Leser.

Für Mahr ergaben sich keine weiteren Konsequenzen, die Kollegialität im Team hatte das Malheur aufgefangen. Dennoch sprach eine gewisse Ängstlichkeit aus seinen Worten, als er am 23. Oktober 1962 erstmals von der Existenz eines neuen Serienautors erfuhr, der das bisherige Team ergänzen sollte. »Gestern bekam ich den Durchschlag eines Manuskripts von einem Herrn Voltz – oder auch so ähnlich – aus Offenbach zugesandt«, schrieb er an Schelwokat. »Es war kein Begleitbrief dabei; aber oben auf dem Rand stand: siehe Rundschreiben von Herrn Scheer. Ich habe angefangen zu lesen, bin aber nicht weiter gediehen als bis zu der Erkenntnis, daß das Manuskript zur Perry-Rhodan-Serie gehören soll. Was ist das? Ein neues Team-Mitglied? «

Seine Ängstlichkeit und eine gewisse Schroffheit waren sicher verständlich angesichts der Situation, dass er in wenigen Wochen nach Amerika aussiedeln würde und beabsichtigte, der Serie weiter als Autor erhalten zu bleiben. Noch wies nichts darauf hin, dass Kurt Mahr und Willi Voltz einmal sehr enge Freunde werden sollten.

Und im Herbst 1962 war es dann so weit: Mahr bestand die Prüfung. Er hatte jetzt sein Diplom in der Tasche. Aber eines hinderte ihn noch am Aufbruch in die Vereinigten Staaten: der fehlende Job. »Ich schrieb an Wernher von Braun und bat ihn um Auskunft, wie man als Deutscher in Amerika eine Anstellung als Physiker finden könne.« Der emigrierte Raketenwissenschaftler riet ihm, sich an ein von der amerikanischen Armee unterhaltenes Büro in Frankfurt zu wenden, das deutsche Wissenschaftler in die USA vermittelte. Und so reiste Kurt Mahr am 5. Dezember 1962 mit Frau, zwei Kindern und Schwiegermutter in die Vereinigten Staaten ab, um fortan dort zu arbeiten.

Später sagte er einmal: »Meine Teilnahme am amerikanischen Raumfahrtprogramm beschränkte sich darauf, dass ich in den Jahren 1962 bis 1966 an Hochenergie-Brennstoffzellen vom Bacon-Typ gearbeitet habe.« Sie wurden an Bord der Apollo-Kapseln verwendet.

Kurzbiografie: Wernher von Braun

Der amerikanische Raketenkonstrukteur deutscher Herkunft (1912 bis 1977) entwickelte seit seinem zwanzigsten Lebensjahr im Auftrag des Heereswaffenamts Flüssigkeitsraketen und wurde 1937 technischer Direktor an der Heeresversuchsanstalt in Peenemünde, wo er die Entwicklung der A4-/V2-Raketen leitete. Nach dem Krieg setzte er seine Arbeit in den USA fort, wurde 1955 eingebürgert und trieb ab 1959 als leitender Mitarbeiter der NASA, zuletzt als Direktor des Raumfahrtzentrums in Huntsville, Alabama, die Entwicklung großer Trägerraketen voran – darunter die »Jupiter C«, mit der im Januar 1958 der Satellit »Explorer I« in seine Umlaufbahn gebracht wurde. Dadurch wurde die Vorherrschaft der Sowjetunion im All gebrochen, und Wernher von Braun wurde eine Symbolfigur für die Zukunft der westlichen Raumfahrt.

Im September 1958 suchte ihn während eines dreitägigen Besuchs bei seinen Eltern im oberbayerischen Kreis Rosenheim auch eine Abordnung des Science Fiction Club Europa unter Leitung von Clark Darlton auf, der ihn danach in einem Artikel als »menschliche Verkörperung unserer Ziele« idealistisch verklärte. Auch Kurt Mahr stand mit von Braun in Verbindung. Die Ehrfurcht vor dessen Leistungen war damals sehr groß. Seine Verwicklung in die Verbrechen des Dritten Reiches, darunter der Einsatz von Arbeitskräften aus dem Konzentrationslager Dora-Mittelwerk, war zu jener Zeit noch nicht allgemein bekannt.

Der vierte Stammautor der Serie, Kurt Brand, hatte gerade wegen sinkender Einnahmen seine Leihbücherei aufgeben müssen und schrieb jetzt, um existieren zu können, verstärkt Western. 1962 erschienen unter den Pseudonymen Buster Brack, Conny Cuba, Cherry Moss und John Rifle gleich fünfzehn davon. Seine wichtigsten SF-Leihbuchromane waren bereits als Heftausgaben bei Moewig und Pabel neu aufgelegt worden, jetzt publizierte er neben sechs PERRY RHODAN-Heften in der Reihe TERRA die Erstdrucke »Der Sternenjäger« und »Der Galaxant«, in dem ein rätselhaftes Wesen die erstarrten Machtstrukturen eines galaktischen Imperiums bedroht – für viele sein bestes und reifstes Werk.

1963 sollte in TERRA seine noch heute überaus beliebte zehnbändige SF-Serie um den Weltraumreporter Yarl starten, für die er in späten Jahren noch das Fragment einer unveröffentlichten Fortsetzung schrieb. Doch dieses Jahr sah mit »Denn der Potomac erzählt«, der unter dem Namen Harry S. Kingston erschien, vor allem noch Brands einzigen Ausflug in den Bereich des Gesellschaftsromans.

Die erste Buchausgabe

Schon Anfang 1962 waren die Vorarbeiten für eine erste deutsche Buchausgabe der PERRY RHODAN-Serie angelaufen. Die Gebrüder Zimmermann hatten damals mit ihren Verlagen Balowa, Hönne und Widukind eine führende Rolle auf dem Leihbuchmarkt inne, und hier speziell auf dem Gebiet der Science Fiction.

Normalerweise wurden Leihbücher später als Heftromane nachgedruckt, so geschehen bei vielen Klassikern von Scheer, Darlton und Shols. Im Falle von PERRY RHODAN war es genau andersherum, wobei die ersten sieben Bände unter dem Widukind-Imprint erschienen, die Bände 8 bis 56 jedoch unter dem Label Balowa.

Insgesamt erschien die Serie binnen sieben Jahren bis einschließlich Band 156 in geringfügig bearbeiteter Form mit jeweils zwei Heften pro Band, unter Auslassung von 43 Ausgaben – darunter Kurt Mahrs Kolonistenabenteuer. Die Zusammenstellung der Bücher besorgte Scheer noch zusätzlich zu seinem gewaltigen Arbeitspensum. Sie sollte ein wichtiges Lehrstück für die SILBERBÄNDE werden, die zwanzig Jahre später von William Voltz zusammengestellt wurden – und zeigen, wie hoch der Qualitätsstandard für eine definitive Buchausgabe wirklich angesetzt werden musste.


Inserat in TERRA 191 (1961)

Perry Rhodan - Die Chronik Band 1

Подняться наверх