Читать книгу Perry Rhodan - Die Chronik Band 1 - Michael Nagula - Страница 9
ОглавлениеWechselbad der Gefühle
Die Erfinder von PERRY RHODAN erlebten eine aufregende Zeit – die Romane blieben nicht ihre einzigen Kinder. Ende 1963, als die Scheers ein selbstgebautes Haus in Harheim, damals noch vor den Toren Frankfurts, bezogen, hatte Clark Darltons zweite Frau Uschi den gemeinsamen Sohn Robert geboren. Ein halbes Jahr später brachte Heidrun Scheer das Töchterchen Corinna zur Welt – und Vater Karl-Herbert schrieb mit sichtlichem Stolz an den Verleger Rolf Heyne: »Ich bin noch immer wie benommen von dem Wunder, das aus einer mikroskopisch kleinen Eizelle entstand und Mensch wurde. Gegen dieses älteste Phänomen der Weltgeschichte ist der phantasievollste utopische Roman ein brüchiges Machwerk, dem nicht einmal eine Spur dieses unfasslichen Schöpfungsaktes anhaften kann …«
Dafür starb am 17. August ein enger Freund aus Fanzeiten. Scheer und Darlton hatten sich schon Anfang der Sechzigerjahre, als ihre Schriftstellerkarriere Fahrt aufnahm, aus der Fanszene zurückgezogen, doch beide hatten weiter mit Heinz Bingenheimer Kontakt gehalten, der ganz in Scheers Nähe wohnte. Darlton hatte unter dem Namen seines Freundes sogar mehrere SF-Romane übersetzt. Der Goldmann Verlag hatte ihn als »Heftchen«-Autor nicht beschäftigen wollen, doch das »unbeschriebene Blatt« Bingenheimer wurde für »seine« übersetzerischen Leistungen vom Lektor ausdrücklich gelobt!
Jetzt gönnte Darlton sich wieder einmal das Vergnügen, einen Western zu schreiben – diesmal nicht als Tom Chester für Kelter, sondern als Frank Haller für Bastei –, und als Bingenheimer starb, beendete er als letzten Liebesdienst ein Romanfragment, das unter ihren beiden Pseudonymen erschien. Als Darlton 1965 sein Domizil in Salzburg aufschlug, dachte er »in der Fremde« oft an seinen Freund, der so unerwartet gestorben war.
Allerdings hatte er in William Voltz auch einen neuen guten Freund gefunden. Die erste gemeinsame Autorenkonferenz 1963 in einem Münchner Nobelhotel hatte darin gegipfelt, dass sie Dutzende zum Putzen vor die Türen gestellter Schuhe vertauschten … und im November 1964 gab es wieder eine Konferenz, bei der Willis Frau einen Schuh in einer Schneewehe verlor – er wurde erst im folgenden Frühjahr gefunden.
Kurzbiografie: Heinz Bingenheimer
Eine der einflussreichsten deutschen SF-Persönlichkeiten der Fünfzigerjahre war der 1923 in Köppern/Taunus geborene Heinz Bingenheimer. Nach dem Kriegsabitur und Dienst in der Marine war er von Kriegsende bis 1957 als selbständiger Handelsvertreter tätig. 1956 erschien unter dem Pseudonym Henry Bings sein Leihbuch »Welten in Brand«, in dem eine Rasse von Zentauren eine zweite Heimat auf der Venus findet, und im Folgejahr mit »Lockende Zukunft« die erste deutschsprachige SF-Anthologie, die Beiträge von Clark Darlton, K. H. Scheer, Willi Voltz, Wolfgang Jeschke, der später Schelwokats Nachfolger als SF-Herausgeber bei Heyne werden sollte, und Jay Grams alias Jürgen Grasmück enthielt, der als Dan Shocker den Gruselkrimi einführte. Als 1955 der Science Fiction Club Deutschland (SFCD) aus der Taufe gehoben wurde, übernahm Bingenheimer den angeschlossenen Buchclub. Im September 1957 gründete er die auf SF spezialisierte Buchgemeinschaft Transgalaxis. Durch sie nahm er Einfluss auf die Programmgestaltung der Leihbuchverlage und führte Autoren wie Stanislaw Lem und Philip K. Dick in Deutschland ein. Mit dem »Katalog der deutschsprachigen utopisch-phantastischen Literatur aus fünf Jahrhunderten 1460–1960« veröffentlichte er auch die erste deutsche SF-Bibliografie. Als er am 17. August 1964 einem Herzinfarkt erlag, hinterließ er das Fragment eines zweiten Romans, »Der Sprung ins Nichts«, den Clark Darlton nach den Vorstellungen seines Freundes fertig stellte.
Seid ihr wahres Leben?
Posbis, positronisch-biologische Roboter – sie waren die Helden der zweiten Hälfte des gleichnamigen dritten Zyklus. Als die Terraner der Spur einer galaktischen Seuche folgen, gelangen sie nach Mechanica, einem Planeten außerhalb der Galaxis. Vor 30.000 Jahren wurde dort die inzwischen ausgestorbene Echsenbevölkerung, geniale Robottechniker, von den Laurins gezwungen, hochwertige Roboter herzustellen. Als der Planet in einem Atombrand vergeht, entdecken die Terraner an Bord eines Fragmentraumers der Roboter eine Schaltung, die diese gegen alles organische Leben aufbringt. Perry Rhodan, Atlan und Fellmer Lloyd gelingt es auf der Hundertsonnenwelt, der Hauptwelt der Posbis, diese Hass-Schaltung zu neutralisieren. Die Posbis können die Laurins besiegen und fangen an, sich gegenseitig zu bekämpfen. Eine terranische Flotte beendet diese Kämpfe, und die lebenden Roboter werden zu treuen Verbündeten der Menschheit.
Die Posbis hatten ihren ersten Auftritt in Heft 128, »Mörder aus dem Hyperraum«, von William Voltz. Sie zählen zu den faszinierendsten Schöpfungen des Perryversums. Ihre Funkrufe »Seid ihr wahres Leben?« und der Aufschrei des Plasmas »Liebt das Innere, rettet das Innere!« appellieren an das Herz jedes Lesers.
Bisweilen wird auf die Ähnlichkeit der Posbis mit den Berserkern aus Fred Saberhagens gleichnamigem SF-Zyklus hingewiesen. Auch die Berserker sind Roboter, die Hinterlassenschaft einer oder mehrerer Rassen, die sie als Kriegsgeräte entwickelten. Sie funktionieren so gut, dass sie ihre Erbauer vernichteten und sich danach aufmachen, alles Leben auszulöschen. Doch »Goodlife«, die erste der mehr als dreißig Geschichten und drei Romane über die Berserker, erschien erstmals 1963 in den USA – nur wenige Monate vor der Niederschrift des entsprechenden PERRY RHODAN-Exposés. Ein alter Topos der Science Fiction lag anscheinend wieder in der Luft: das Frankenstein-Motiv von der Maschine, die sich gegen ihre Erbauer wendet, um schließlich alles Leben zu bedrohen.
Essay: Technobabbel bei PERRY RHODAN – von William Voltz
Es gibt eine spezielle Sprache, eine Fachsprache, in der Serie. Das hängt damit zusammen, dass die Schöpfer – das waren Herr Ernsting und Herr Scheer – von Anfang an einen eigenen Sprachgebrauch entwickelt haben, der sich vor allem auf technische Dinge bezieht. Wenn man innerhalb eines Romans ein Raumschiff schildert, dann wird es mit seinen Triebwerken, Antigrav-Projektoren, Computern und was auch immer sich an Bord befindet geschildert, und zwar im Detail. Da dieses Raumschiff in unserer heutigen Zeit natürlich nur eine fiktive technische Schöpfung sein kann, galt es, über die Beschreibung hinaus auch Begriffe zu finden für das, was da geschildert wird. Und da haben wir versucht, abgeleitet aus den klassischen Sprachen, Wortschöpfungen vorzunehmen, die den jeweiligen Gegenständen entsprechen. So hat sich im Laufe der Zeit, im Laufe der Jahre, eine eigene PERRY RHODAN-Sprache herausgebildet.
Man sollte das natürlich nicht überbewerten. Diese Sprache bezieht sich ausschließlich auf die Technik in der Serie, und die macht ja nur einen Teil der Romane aus. Dennoch zeigt sich, dass Leser, die neu zu PERRY RHODAN stoßen, Schwierigkeiten haben, den einen oder anderen Begriff zu verstehen. Sie brauchen meistens mehrere Bände, um dann anhand von Vergleichen zu erkennen, was überhaupt gemeint ist. Und zu diesem Zweck gibt es ein Lexikon. In dem werden neben gängigen naturwissenschaftlichen Begriffen auch die Worte abgehandelt, die innerhalb der Serie entstanden sind.
Ein gutes Beispiel aus jüngster Zeit ist der Para-Null-Korridor. Das ist eine typische PERRY RHODAN-Wortschöpfung. Damit wird eine schlauchartige Verbindung zwischen unserem normalen Einstein-Universum, dem dreidimensionalen Kontinuum, zu einem übergelagerten Medium, dem so genannten Hyperraum, bezeichnet. Durch diesen Para-Null-Korridor kann eine fremde Zivilisation Energien aus dem Hyperraum anzapfen. Diese Energien werden dann durch den Korridor an Bord der Raumschiffe geleitet, wo sich Generatoren und Aggregate befinden, die sie aufnehmen und speichern.
Es gibt sogar Beispiele innerhalb der PERRY RHODAN-Serie, dass Schöpfungen, die wir uns ausgedacht haben, mittlerweile technisch realisiert wurden, oder zumindest wird versucht, sie zu realisieren. Da wäre etwa die SERT-Haube, auch ein typisches Wort aus der Serie. Die SERT-Haube ist eine Art Helm, der vom Piloten des Raumschiffs getragen wird. In diesem Helm befinden sich Sonden und Elektroden, die einen unmittelbaren Kontakt zum Gehirn des Menschen, zu seinem Bewusstsein, ermöglichen. Der Pilot ist dadurch in der Lage, das Raumschiff in Gedankenschnelle zu steuern und zu fliegen. Die Zeitverzögerung, die durch eine manuelle Bedienung gegeben ist, bis der Befehl vom Gehirn an die Hände geht, und auch die Zeit für den Arbeitsakt der Hand am Steuergerät wird dadurch erspart. Das Raumschiff ist spontan und direkt steuerbar. Uns ist bekannt, dass in England von Wissenschaftlern gerade eine ähnliche Methode erprobt wird und dass damit schon große Erfolge erzielt wurden.
Es gibt noch zahlreiche weitere PERRY RHODAN-Wortschöpfungen, die sich in erster Linie auf Raumschiffe und deren Triebwerke beziehen, etwa das NUGAS-Triebwerk. Darüber hinaus gibt es aber auch Schöpfungen im parapsychologischen Bereich. So haben wir eine Reihe von Menschen in unsere Romanhandlung eingebaut, die außergewöhnliche psychologische Fähigkeiten haben, für die es ebenfalls galt, neue Worte zu finden. Zum Beispiel gibt es eine Mutantin, Irmina Kotschistowa, die Metabio-Gruppiererin ist, das heißt, sie besitzt die Fähigkeit, kraft ihres Geistes zellmolekulare Strukturen umzuwandeln. Ein anderer Mutant, Ribald Corello, ist Telepsimat und in der Lage, Materie aus dem Nichts heraus zu schöpfen und sie geistig von einem Punkt an einen anderen zu transportieren. Solche Beispiele gibt es noch beliebig viele.
In diesen Bereichen erstreckt sich also das Vokabular der Serie.
(Aus einem Radio-Interview, das Jochen Maes
am 25.11.1977 mit William Voltz führte)
Die Taschenbücher kommen
Vielleicht hing es damit zusammen, dass die SF-Titel, die Günter M. Schelwokat im Heyne Taschenbuch Verlag herausgab, immer erfolgreicher wurden und dort mit K. H. Scheer schon ein Erfinder von PERRY RHODAN verlegt wurde. Vielleicht sah man auch voraus, dass der Leihbuchausgabe der Serie keine lange Zukunft beschieden sein würde, weil überall die Leihbüchereien schlossen, oder man suchte ganz einfach nach neuen Märkten … jedenfalls erschien im September 1964, fast auf den Tag genau drei Jahre nach dem Start der Heftserie, das erste PERRY RHODAN-Taschenbuch unter dem Reihentitel PLANETENROMAN.
Das Konzept reichte bis Ende 1962 zurück, als vermutlich Kurt Bernhardt die Idee zu einer monatlichen Taschenbuchreihe hatte. Es gab jede Menge Stoff. Zu kurz gekommene Themen, offene Fragen und interessante Nebenfiguren der Serie konnten aufgegriffen und die Zeitsprünge zwischen den einzelnen Zyklen »ausgepolstert« werden – auch als Testgebiet für neue Autoren, die man nicht gleich auf die Serie loslassen wollte, waren die Taschenbücher nicht zu verachten. Schon bald wurden Manuskripte angefordert. Das erste, »Planet der Mock« von Clark Darlton, soll im Frühjahr 1963 eingereicht worden sein, und Band 3, »Schatzkammer der Sterne«, Kurt Brands einziger PLANETENROMAN, wurde im Mai 1963 angenommen und bezahlt, also anderthalb Jahre vor Erscheinen.
Im Laufe der Zeit kristallisierten sich immer mehr Privatserien der Autoren innerhalb der Reihe heraus. So nahm sich Clark Darlton in Band 4, »Sturz in die Ewigkeit«, des körperlosen Zeitreisenden Ernst Ellert an, der im Taschenbuch insgesamt dreimal Geheimnisse um Raum und Zeit und den Ursprung der Menschheit lösen sollte, zuletzt sogar ein Rätsel, das die Serienleser schon seit Heft 19, »Der Unsterbliche«, beschäftigte … und während Kurt Mahr, der »Physiker vom Dienst«, sich in seinen PLANETENROMANEN eher Durchschnittsmenschen widmete wie der Abteilung III oder Julian Tifflor und Fellmer Lloyd, beschäftigte William Voltz sich in jeweils drei Abenteuern mit zwei exotischen Raumschiffkommandanten, die er in die Serie eingeführt hatte – dem hünenhaften Afrikaner Nome Tschato und Don Redhorse, dem »Letzten der Cheyenne« …
Das Konzept ging auf – 34 Jahre lang – bis 1998!
Essay: Die Aufgabe der Science Fiction – von William Voltz
Ich glaube, dass die Beschäftigung mit SF nur auf den ersten Blick den Verdacht aufkommen lässt, hier werde der Versuch unternommen, Probleme zu verdrängen, die auf der Erde vorhanden sind, sie in den Weltraum zu verlagern und dann zu sagen, wir brauchen also nur eine Raumfahrt zu entwickeln und schon sind wir aller Probleme ledig. Natürlich ist das Bedürfnis nach einer heilen Welt groß, und es wird immer wieder nach Nischen gesucht, die die Möglichkeit bieten, in einer solchen heilen Welt zu leben. Aber betrachten wir die Sache einmal von einer anderen Seite.
Jeder Mensch erlebt sein Leben subjektiv, das heißt jeder Mensch hat seine eigene Wirklichkeit. Und zunächst sollte man sich vielleicht überlegen, wie diese Wirklichkeit aussieht. Wie empfindet man diese Wirklichkeit, und was ist die Wirklichkeit? Ich bestreite nicht, dass das eben geschilderte Vorurteil bei einigen Lesern zu Beginn ihrer Beschäftigung mit SF gegeben sein wird. Aber es stellt sich immer wieder heraus, dass die längere Beschäftigung mit SF im Allgemeinen und PERRY RHODAN im Besonderen dazu führt, dass der Leser ganz klar erkennt: Die Problematik, die er hier auf der Erde vorfindet, erlischt im Weltraum nicht einfach. Der Leser erkennt ganz klar, dass mit jeder Ausweitung der Zivilisation, wohin auch immer, die Problematik wächst.
Das muss nicht im negativen Sinn verstanden werden – dieses Anwachsen der Problematik. Es ist auch ein Anwachsen der Verantwortung. Mit dem Anwachsen des Instrumentariums wächst die moralische Verpflichtung des Menschen. Und wenn der Leser jetzt in einem SF-Roman sieht, wie groß dieses technische Instrumentarium ist, dann wird ihm wenigstens unterschwellig bewusst, welche Gefahren daraus erwachsen können – neben denen der Technik etwa die Gefahren der Parapsychologie, die, falsch angewendet, mindestens zu ebenso großen Katastrophen führen können wie die falsche Anwendung der Technik. Darüber hinaus aber auch die Gefahr, dass überkommene und gefährliche Gesellschaftsformen in den Weltraum verlagert werden.
Hier liegt meiner Ansicht nach sogar eine Aufgabe der SF – dem Leser aufzuzeigen, dass er eben innerhalb des Weltraums, innerhalb des Kosmos, seine überkommenen und herkömmlichen Ideen und Gedanken nicht mehr aufrechterhalten kann. Er wird dann einfach gezwungen, in anderen Maßstäben zu denken.
Ich glaube also, selbst wenn jemand SF als Fluchtliteratur benutzt, um seinen Alltagssorgen zu entkommen, er früher oder später doch wieder auf eben diese Probleme stoßen wird, und zwar in einem erhöhten Maße. Ich glaube, dass er dadurch sogar ermuntert wird, sich mit diesen Problemen auseinanderzusetzen, und er hat dann, was vorher nicht der Fall war, zumindest das Rüstzeug der Phantasie und der technischen Machbarkeit. Was er vor seiner Beschäftigung mit SF überhaupt nicht hatte.
(Aus einem Radio-Interview, das Jochen Maes
am 25.11.1977 mit William Voltz führte)
Umwelt prägt!
Schon 1957 hatte K. H. Scheer in seinen Romanen um Gesko Speed, »Über uns das Nichts« und »Die lange Reise«, spekuliert, dass sich bei hoher Schwerkraft die Muskulatur verstärkt. Später hatte er in seinem Exposé für Heft 42 von PERRY RHODAN die an Welten von doppelter Schwerkraft angepassten grünhäutigen Überschweren eingeführt, eine Kampftruppe der Springer, anderthalb Meter groß und ebenso breit – und 1964 tauchten die ersten terranischen Umweltangepassten auf: Bewohner des Planeten Siga.
Die Grundidee zu den Siganesen – genau wie seinerzeit zu den verbrecherischen Aras – stammte von Kurt Brand. In seinem Heft 149, »Kampf um die Hundertsonnenwelt«, war Owen DeSoto, der siganesische Chief-Controller der Kraftstationen des Raumschiffs THEODERICH, noch 81 Zentimeter groß, doch der USO-Spezialist Lemy Danger, den Scheer im folgenden Heft schilderte, mit dem 212 Handlungsjahre später der neue Zyklus startete, maß nur noch 22,21 Zentimeter. Die Bewohner von Siga wurden von Generation zu Generation kleiner, bis sie sich nach Jahrtausenden auf elf Zentimeter einpendelten.
Mit Melbar Kasom führte Scheer im selben Roman auch einen Bewohner des Riesenplaneten Ertrus ein, zweieinhalb Meter groß, zwei Meter breit und sechzehn Zentner schwer – bis auf den für Ertruser charakteristischen Sichelkamm kahlrasiert … Er und Lemy Danger sollten die Serie den ganzen Zyklus über begleiten – als Spezialagenten der von Atlan gegründeten United Stars Organisation (USO), die von ihrem Hauptquartier aus, einem ausgehöhlten Mond, der nach dem Chef der legendären Abteilung III Quinto-Center heißt, als übergeordnete Schutzmacht und Polizeitruppe der Galaktischen Allianz fungiert.
Im Goldmann Verlag war 1960 das SF-Buch »Auch sie sind Menschen« erschienen, für dessen vier Erzählungen der spätere Star-Trek-Autor James Blish den Begriff der Pantropie prägte, was so viel wie »gedeiht überall« oder »verwandelt alles« heißt. Gemeint ist die Ausbreitung der Menschheit im ganzen Milchstraßensystem, wo sie mit Hilfe gezielter Anpassung zahllose verschiedene Umwelten besetzt. Durchaus möglich, dass Scheer dieses Buch kannte – obwohl seine Romane um Gesko Speed zeigen, dass er schon selbst auf den Gedanken der Umweltanpassung gekommen war.
Ähnliche Problemstellungen führen eben zu ähnlichen Lösungen!
Lockruf der Unsterblichkeit
Der neue Zyklus »Das zweite Imperium«, in dem das legendäre Volk der Blues in die Serie eingeführt wurde, nahm sich zunächst ein Thema vor, das wie ein Echo der Aushändigung der zwanzig Zellaktivatoren durch das Geistwesen ES an Thomas Cardif nur 38 Hefte vorher wirkt – als wäre es beim ersten Mal unbefriedigend behandelt worden …
ES eröffnet Perry Rhodan, dass es die Zelldusche auf dem Planeten Wanderer nicht mehr gewähren kann, und verstreut über die gesamte Milchstraße 25 Zellaktivatoren. Die Galaktische Abwehr ermittelt, dass diese Botschaft auch in anderen Bereichen der Milchstraße gehört worden ist und die Suche nach den Aktivatoren schon begonnen hat. Wenige Monate Handlungszeit später sind neunzehn davon gefunden und in terranischer Hand. Sie werden wichtigen Personen des Solaren Imperiums, vor allem den Mutanten, übergeben.
Nachhaltigen Eindruck bei der Suche nach den Zellaktivatoren hinterließ bei den Lesern der Doppelroman 153/154, »Eine Handvoll Leben« und »Der Gehetzte von Aralon« von William Voltz, der jedoch weder in die Leihbuchausgabe noch in die SILBERBÄNDE Eingang fand. Er bildet jetzt den Hauptteil von »Fluch der Unsterblichkeit«, des 2000 beim HJB Verlag erschienenen ersten Bandes der Reihe PERRY RHODAN EXTRA – zusammen mit PLANETENROMAN 212, »Expedition der Todgeweihten«.
Wieder war es Peter Terrid, der an ein ungelöstes Zellaktivator-Thema anschloss: Sechzehn Jahre Realzeit nach der Serienhandlung schilderte er das Schicksal derjenigen Empfänger der Zelldusche, die keinen Zellaktivator erhalten hatten.
Kürzere Exposés?
Im Januar 1964 hatte es in Friedrichsdorf, im Hause der Scheers, eine PERRY RHODAN-Besprechung gegeben. Darin wurde von Lektor Günter M. Schelwokat vorgeschlagen, künftig an Stelle umfassender Exposés nur noch Kurzexposés von höchstens zwei Seiten Länge zu erstellen und den Autoren ansonsten freie Hand zu lassen.
Alle anwesenden PERRY RHODAN-Autoren, allen voran K. H. Scheer und Kurt Brand, aber auch Clark Darlton, Kurt Mahr und William Voltz, sowie Cheflektor Kurt Bernhardt lehnten den Vorschlag ab. Ihre Begründung: Dies würde die Serie bald auf das vergleichsweise niedrige Niveau von MARK POWERS reduzieren, einer mit wenig Erfolg beim Konkurrenzverlag Pabel erscheinenden SF-Serie.
Allerdings wurde vereinbart, dass zur Vereinfachung im Umgang mit dem ständig größer werdenden Hintergrundapparat eine »Rhodan-Liste« erstellt werde, die sämtliche Daten der Serie konzentriert enthalten solle. Scheer fertigte sie sehr umfangreich an.
Nicht ganz neun Monate später, am 30. September, besuchte das Ehepaar Brand auf der Heimreise von einem Urlaub den in Straubing wohnhaften Schelwokat. Kurz vor dem Urlaub hatte Brand noch einen Zweiteiler für PERRY RHODAN abgeschlossen, Doppelband 175/176, der inzwischen fast fertig lektoriert war. Schelwokat sah in seiner Gegenwart die bereits erfolgten Korrekturen durch, die zu seiner Entlastung seine Ehefrau durchgeführt hatte.
Wieder kam das Thema auf die Kurzexposés. Falls Scheer nicht einverstanden sei, sie an die Stelle der neun- bis zehnseitigen ausführlichen Exposés zu setzen, meinte der Lektor, könne doch ein anderer sie nach seinen Vorgaben verfassen – vielleicht H. G. Ewers, ein junger, aufstrebender TERRA-Autor. Dann könnten die Kollegen künftig ohne Fesseln und von haargenauen Exposéanleitungen unbeengt schreiben.
Unausgesprochen stand im Hintergrund, dass zu dieser Zeit ein weiterer junger, aufstrebender Autor, Hans Kneifel, bereits nach dieser Maxime verfahren war. Sein TERRA-Band 351 war nach einer Idee des Lektors entstanden.
Aber Kurt Brand blieb bei seiner ablehnenden Haltung. Vielleicht zufällig, vielleicht mutwillig wurde schließlich am 13. Oktober Cheflektor Bernhardt zugetragen, dass der Serien-Zweiteiler von Brand, besagter Doppelband, angeblich sehr schlecht geschrieben sei. Über diese Behauptung war Brand, als er von Bernhardt zur Rede gestellt wurde, sehr erbost. Scheer mochte sich diesem Urteil nach der Lektüre nicht anschließen.
Anscheinend verfolgte der Lektor seine Idee einer knapperen Exposégestaltung weiter. Am 15. oder 16. Oktober rief er Clark Darlton an und fragte, ob dieser – der nicht nur PERRY RHODAN schrieb, sondern auch regelmäßig Übersetzungen für Schelwokats Heyne-SF-Reihe verfasste und dort Anthologien herausgab – ausgelastet sei oder bei einer größeren Sache mitmachen könne. Anscheinend schwebte ihm ein Alternativprojekt zu PERRY RHODAN vor. Eine Mitarbeit von Ewers und Kneifel hatte Schelwokat vermutlich im Hinterkopf – wovon diese Autoren allerdings nichts wussten.
Darlton lehnte ein wenig verwundert ab.
Wenige Tage später, am 18. des Monats, kam es zu einer Aussprache Brands mit Scheer, die dazu führte, dass der Verleger Rolf Heyne, dem auch der Moewig Verlag gehörte, über die Auseinandersetzungen informiert wurde. Ob es eine Intervention seinerseits gab, ist nicht bekannt. Vermutlich glättete Cheflektor Bernhardt die innerbetrieblichen Wogen.
Illustrator Johnny Bruck 1968. (Foto: Dirk Hess)