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Das Spiel ist aus, der Kampf geht weiter: Das Leben von Michael und Uli Roth nach der Handballkarriere

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Michael und Uli waren noch Kinder, als sie merkten, dass sie neben dem Talent zum Handballspielen noch ein zweites Talent hatten – zu verkaufen. Geschäfte organisieren, Menschen überzeugen und improvisieren, das konnten sie. So hatten sie in Leutershausen als Teenager den Job übernommen, die Bild am Sonntag zu verteilen, und sie überlegten, wie sie damit ohne viel Arbeit möglichst großen Gewinn erzielen konnten. Damals gab es kleine Abschnitte in dem Blatt, und am Sonntagabend schickten die Verkäufer zur Abrechnung die Abschnitte der Zeitungen, die sie nicht losgeworden waren, an die Zwischenhändler zurück. Die Roths schnitten nun aber auch jedem Bekannten, dem sie in Leutershausen die Bild am Sonntag veräußert hatten, die Abschnitte ab. Auf diese Weise sah es so aus, als hätten sie viel weniger Zeitungen verkauft, als es der Wirklichkeit entsprach. Ein hervorragendes Geschäft. Okay, das war ein klein bisschen Betrug. Clever war es indes, die Zuverlässigkeit der Menschen auszunutzen. So stellten die Zwillinge Zeitungskästen im Dorf auf, wo sich die Käufer bedienen konnten, wenn sie dort das Geld für die Zeitung hinterlegt hatten. Das war ein Renner. Später, als sie nach langen Diskonächten nicht mehr jeden Sonntagmorgen früh aufstehen wollten, engagierten sie junge Männer, die für sie gegen ein Honorar Zeitungen an die Haushalte verteilten. So wurden sie schon frühzeitig Unternehmer.

Aufgrund ihres Geschäftssinns konnten sie die ersten Mofas mit selbst verdientem Geld finanzieren. „Auf jeden Fall galt: Was wir einnehmen, wird auch wieder ausgegeben“, erzählt Michael. Sie feierten, führten die Freundinnen zum Essen aus, und so erwarben sich die Roths in und um Leutershausen herum den Ruf, „Lebemänner zu sein“. Uli, der in solchen geschäftlichen Dingen stets einen Tick schneller war als sein Bruder, erkannte seine Fähigkeit zum Handeln. Er lernte deshalb auch Einzelhandelskaufmann. Und als er als Handballer beim MTSV Schwabing anheuerte, bekam er zugleich einen Job bei der Modefirma Fruit of the Loom. Schnell machte er sich im Einkauf nützlich und war bald Einkäufer-Assistent. Später war er dort als Verkaufsleiter für drei Dutzend Leute verantwortlich.

Als die Brüder Roth anfingen, Handball in der Bundesliga zu spielen, begann sich das Profitum erst allmählich durchzusetzen. Hohe Einkommen konnten allenfalls die Ausländer verdienen, die deutschen Spieler waren entweder Weltklasse und kassierten ordentlich oder sie waren eben vielfach Studenten, die nebenher Geld verdienen mussten. Michael merkte schon in seiner Lehre schnell, dass es ihm leichter fiel, über Autos zu reden als im Blaumann unter ihnen zu liegen. Also verkaufte er als ausgebildeter Kfz-Mechaniker in Autohäusern in Garching und am Starnberger See BMW-Modelle. Später, als er in Großwallstadt spielte, betreute er wichtige Kunden eines Sponsors, dem Kaufhaus Ammerschläger auf der Frankfurter Zeil, und führte sie mit seinem badischen Singsang launig durch das Modegeschäft des Unternehmens.

„Die meisten Menschen in Deutschland legen im Alter von sechzehn bis dreiundzwanzig Jahren die Grundlagen für ihre späteren Karrieren“, sagt Michael Roth. „Wir haben wegen unserer schulischen Defizite erst mit dreiundzwanzig Jahren angefangen, unsere berufliche Laufbahn zu starten.“ Dienstleistungen an den Mann zu bringen, das lag ihm, und Reisen mochte er auch, also begann Michael Roth mit Ende zwanzig noch eine weitere Ausbildung, und zwar zum Reiseverkehrskaufmann. In der Berufsschule war er zwar einer der Ältesten und einer der wenigen Männer. Aber gerade dies machte ihm das Fortkommen einfach. Er hatte in der Klasse gleich mehrere Klassenkameradinnen, die sich freiwillig zur Nachhilfe anboten. Später eröffnete er „Roths Reisen“, ein Reisebüro in Leutershausen.

Uli hatte bei Radio Gong in München erste Erfahrungen in der Medienwelt gemacht. Seitdem war ihm klar, dass er in dieser Branche seine Zukunft sah. Zunächst wollte er zum ZDF nach Mainz, und er hatte mit dem Sportchef Dieter Kürten bereits über ein Volontariat gesprochen. Doch diese Ausbildung vertrug sich nicht mit seinem Trainingsplan in Großwallstadt. Also wurde Uli Roth eines Tages bei Radio Primavera vorstellig, einem lokalen Privatsender in Aschaffenburg. Dessen Geschäftsführer, Lothar Steigerwald, ist dieser Moment in Erinnerung geblieben: „Da saß so ein Handballer vor mir und erzählte, dass er sich gut vorstellen könne, in der Promotion zu arbeiten. Er wolle nur angestellt sein, gar nichts verdienen. Man könne später über seine Bezahlung reden, wenn er sich nützlich gemacht habe.“ Bald moderierte Uli Roth eine Reisesendung. Und er machte Primavera bekannt, indem er Veranstaltungen organisierte und mit Mikrofon bei Stadtteilfesten auftrat. „In Aschaffenburg ist mir aber auch bewusst geworden, dass ich nicht zum Journalisten tauge“, sagt Uli Roth. „Dazu fehlte mir die Allgemeinbildung, aber nun wusste ich, dass Promotion das ist, was ich wirklich kann.“

Als Achtundzwanzigjähriger war sich Uli Roth nun sicher, was er in Zukunft beruflich machen wollte. Dadurch ging er den Schritt, den viele Kollegen aus der Handball-Bundesliga nicht verstehen konnten, als er als frisch gebackener Deutscher Meister im besten Handballalter zur SG Leutershausen zurückkehrte. „Meine Bedingung war jedoch, dass ich Privilegien erhielt, etwa nicht zum Vormittagstraining musste, und dass mir der damalige Präsident einen Kontakt zu Radio Regenbogen verschaffte“, sagt Uli Roth.

Und so geschah es. Uli Roth wurde beim Manager des baden-württembergischen Senders, Klaus Schunk, vorstellig und als Promotion-Assistent eingestellt. Und als seine Vorgesetzte schwanger wurde, bekam er den Posten des Promotion-Leiters. Später wurde er Marketingleiter, verantwortlich für ein Dutzend Mitarbeiter. Uli Roth waren die Lücken in seiner Ausbildung bewusst – und er ging auch offensiv damit um. Statistiken und Rechnungen aufzustellen und Schreibarbeiten zu erledigen waren nie seine Stärken. Also suchte er sich Mitarbeiter, die dieses Manko ausfüllen konnten. Mit Rolf Balschbach, einem erfahrenen Musikredakteur, organisierte er Musikveranstaltungen für den Sender, zugleich Stadtfeste und Benefiz-Galas.

Michael hatte zunächst größere Schwierigkeiten, den Abschied aus dem Rampenlicht des Spitzensportlers zu verkraften. Er zog ebenfalls wieder nach Leutershausen, dorthin, wo er sich wohlfühlte und wo seine Familie lebte – aber es war auch der Ort, den er vor über zehn Jahren verlassen hatte, um etwas aus seinem Leben zu machen. Er ging nun wie so viele andere Arbeitnehmer in Deutschland um neun Uhr zur Arbeit, in sein Reisebüro in Leutershausen, machte von 13 bis 15 Uhr Mittagspause und betrat anschließend wieder das Geschäft. Er hatte das Gefühl, dass „jeder bei mir vorbeikam, um zu quatschen“. Zudem lief es zu diesem Zeitpunkt mit seiner künftigen Frau Eva nicht so rund. Sie stammte aus Essen, und „die Leute aus dem Ruhrgebiet sagen frei heraus, was sie denken“, erklärt Michael Roth. „Wir Badener sagen erst mal nichts und reden nur in der Kneipe.“ Es war für beide Seiten schwer, sich aneinander zu gewöhnen. Michael rutschte in eine „Identitätskrise“, wie er sagt. Uli gruppierte ständig alle Freunde, Bekannte und Verwandte um sich, er aber wäre auch mal gern allein gewesen, habe sich zurückziehen wollen. Es waren schwere Wochen für ihn – voller Angst, wie es beruflich und familiär weitergehen sollte.

Aber wann immer es dem einen Bruder schlecht ging, war der andere Bruder zur Stelle. Es war ein bisschen wie einst im Handball: Der eine warf dem anderen den Ball zu, und der musste ihn nur noch fangen und verwerten. Radio Regenbogen, wo man inzwischen den Rat von Uli sehr schätzte, gründete zu dieser Zeit einen zweiten Sender. Also stieg Michael dort ein und half mit, das Rhein-Neckar-Odenwald-Radio publik zu machen. „Mir hat in dieser Phase sicherlich geholfen, dass Uli stets einen Touch voraus war und ich mich an ihm orientieren konnte“, sagt Michael Roth. Zusätzlich gründete er mit seinem Freund Dennis Gissel die Promotion-Agentur DeMi. Veranstaltungen, die der Radiosender an andere Firmen vergab, könne man doch genauso gut selbst übernehmen, dachte er sich. Und seitdem veranstaltete er Promotion-Events für Firmen und Konzerte. Irgendwann organisierte seine Firma auch Großveranstaltungen, in Zusammenarbeit mit Ulis Firma Live Act Music, wie zum Beispiel die Auftritte der Popgruppe PUR in der Schalke-Arena.

Gleichzeitig bereitete Michael seinen Einstieg ins Trainergeschäft vor. Obwohl er seine eigentliche Spielerkarriere beendet hatte, hängte er noch ein Jahr beim TSV Östringen an, einem ambitionierten Regionalligaverein südlich von Mannheim. Zudem leitete er dort das Training. Es dauerte nicht lange, und Michael Roth galt als Macher im Klub. Er trainierte, organisierte, managte, promotete. Und dann schaffte der gelernte Kraftfahrzeugmechaniker und Reiseverkehrskaufmann sein Meisterstück als Sportmanager: Er half 2002 wesentlich mit, den TSV Östringen mit dem lange Zeit verfeindeten Nachbarklub TSG Kronau zu fusionieren. Das Ziel der Klubgemeinschaft: Aufstieg in die Handball-Bundesliga. Gleichzeitig arbeitete Roth an einem ehrgeizigen Konzept. Er wollte als Heimmannschaft in die neue SAP-Arena einziehen, einen 14 500 Zuschauer fassenden Sportpalast im Osten von Mannheim, den der Milliardär Dietmar Hopp und dessen Sohn Daniel projektierte.

Im Sport geht manches schneller und brutaler als im normalen Geschäftsleben. Ein Jahr nach der Fusion war der Aufstieg in die Bundesliga zwar perfekt – und der Umzug von der Halle in Eppelheim nach Mannheim in die Sportarena vereinbart. Michael Roth sollte sportlicher Direktor werden. Doch erst einmal musste das erste Jahr in der Bundesliga überstanden werden – es war nun ein großer Druck, den Michael spürte. Nach den ersten Spielen war klar geworden, dass es mit dem Klassenerhalt der SG Kronau/Östringen eng werden würde. Jedes Spiel war ein kleines Schicksalsspiel. Und erstmals lernte er nun, dass es in seinem Unterleib ein Organ gibt, das Prostata heißt. Nach der Hinrunde erholte er sich auf Fuerteventura, wo er bemerkte, dass er große Schmerzen beim Wasserlassen hatte. Als er zu Hause im Nachbarort Dossenheim seinen Urologen aufsuchte, stellte dieser fest, dass die Vorsteherdrüse stark geschwollen war – eine „Irritation“ der Prostata, wie es der Fachmann nennt, hervorgerufen durch Bakterien, vermutlich aber auch stressbedingt. Der Arzt behandelte die Entzündung mit Antibiotika. Und dann passierte das, was das Leben der Menschen so enorm erleichtert. Als der Schmerz wieder weg war, dachte Michael nicht mehr an seine Prostata, und er stürzte sich mit seiner Mannschaft in den Kampf gegen den Abstieg.


Der legendäre Bruderkuss

Im letzten Spiel der Saison verlor die SG Kronau/Östringen in Schwerin, ein Tor fehlte zum Klassenerhalt. „Es war ein Schock für mich, der erste Abstieg als Trainer“, sagt Michael. „Ich war gnadenlos enttäuscht.“ Und nach der Rückkehr kam der zweite Schlag. Kollegen, mit denen er jahrelang vertrauensvoll zusammengearbeitet hatte, stellten nun seine Position infrage. „Menschen, die mir vor vier Wochen noch auf die Schulter geklopft hatten, ließen mich jetzt im Regen stehen. Ich war so ausgelatscht. Ich konnte nicht mehr.“ Die persönliche Enttäuschung darüber, jahrelang an einem Projekt gearbeitet zu haben und dann aussortiert zu werden, traf ihn menschlich sehr. Es war aber auch die berufliche Niederlage, die ihm zusetzte. Er hatte viel Arbeit, Zeit, private Entbehrungen investiert – und bekam nun nicht den Lohn dafür. Der Stachel saß so tief, dass Michael Roth nach dem Abschied von Kronau/Östringen ein Jahr Pause vom Sport brauchte. Nun konnte er mit seiner Frau Eva, Tochter Natassja und seinem Sohn Niklas, der 1997 geboren worden war, gemeinsam in den Urlaub fahren, zu Hause ins Schwimmbad gehen. „Das war unsere schönste Familienzeit“, meint Michael.

Uli Roths Leben änderte sich radikal, als er bei Promotion-Auftritten von Radio Regenbogen die Mitglieder der Popgruppe PUR kennenlernte. Nach einer dieser Veranstaltungen lehnte er an einem Abend im Februar 1996 mit seinem Freund Uwe Dittus, einem ehemaligen Fußballprofi des Karlsruher SC, an der Theke eines Hotels, als sie mit Hartmut Engler, Ingo Reidl und Roland Bless ins Gespräch kamen: Sie redeten viel über Sport, etwas über Musik und ein wenig über Promotion. Am nächsten Morgen sagte Dittus zu Roth: „Du bist der richtige Mann als Manager für diese Band.“ – „So ein Quatsch“, antwortete Uli Roth. Aber aus der fixen Idee wurde Ernst. Und so traf man sich bald bei einem Fondue-Essen im Hause von Roland Bless, dem Schlagzeuger von PUR, der damals auch so etwas wie der Manager der Band war. PUR hatten zu diesem Zeitpunkt gerade ihre CD „Abenteuerland“ veröffentlicht, eine Ansammlung von Hits, die später die zweithäufigste jemals verkaufte CD in deutscher Sprache werden sollte. Roth erklärte sich beim Fondue zwischen Weißwein und Fleischstücken bereit, die große Open-Air-Tour von PUR zu vermarkten.

Interview


Fragen an Wolfgang Bosbach: Wie lebt es sich mit einem metastierenden Tumor?

Bei Ihnen wurde vor zehn Jahren Prostatakrebs festgestellt. Wie geht es Ihnen heute?

So la la. Nach ärztlicher Einschätzung ist zwar mit vollständiger Heilung nicht mehr zu rechnen, aber ich lasse den Kopf nicht hängen. Ich lebe mein Leben so, wie ich es mir wünsche. Ich nehme tapfer meine Medikamente und versäume keine Untersuchung, aber ich denke auch nicht jeden Tag darüber nach, was noch kommen könnte. Viele sind schlimmer dran als ich. Leider.

Wie haben Sie von der Diagnose erfahren?

Der stark erhöhte PSA-Wert war ein Zufallsfund beim Austausch meines Herzschrittmachers. Bis dahin hatte ich südlich des Äquators nie Probleme.

Es ist schon viele Jahre her, wie erinnern Sie sich an den Moment, als Ihnen die Erkrankung mitgeteilt wurde?

Zuerst heißt es ja immer „muss aber nix Ernstes sein“. War aber was Ernstes, denn der Krebs wurde leider erst sehr spät entdeckt. Also Operation und später Strahlentherapie als Zugabe. Beides verlief leider nicht mit dem erhofften Erfolg.

Welche Therapie wurde bei Ihnen angewandt?

Nach den erwähnten Eingriffen begann die medikamentöse Therapie mit Bicalutamid 150mg/Tag. Bis heute.

Gab es andere therapeutische Ansätze, oder warum haben Sie sich ausgerechnet für diese Therapie entschieden?

Das war die Empfehlung von gleich zwei Fachärzten und entspricht wohl auch den berühmten Leitlinien.

Wie vertragen Sie die Therapie?

Eigentlich ganz gut, bis auf die chronische Müdigkeit. An die werde ich mich nie gewöhnen.

Wie lautete die Prognose für Sie und ist es so eingetreten, wie es Ihnen die Ärzte vorhergesagt haben?

Gott sei Dank nicht (lacht). Zu Beginn wurde prognostiziert, dass diese Therapie etwa vier bis fünf Jahre die gewünschte Wirkung haben könnte, jetzt bin ich schon im sechsten Jahr.

Hätte es andere therapeutische Ansätze für Sie gegeben, wenn der Tumor frühzeitiger erkannt worden wäre?

Ja. Ich denke aber nicht ständig dran, es bringt ja nix. Es ist, wie es ist.

Waren Sie vor Ihrer Erkrankung zur Vorsorge gegangen?

Nie. Kein einziges Mal. Das bereue ich natürlich sehr.

Männer tun sich immer noch schwer mit der Vorsorge. Warum ist das so?

Gute Frage, man müsste dazu mal eine Umfrage starten. Bei mir war es so, dass ich immer zwei Ausreden hatte. Nr. 1: Mir fehlt doch nix, alles ok. Nr. 2: Jetzt habe ich keine Zeit, später mal.

Tauschen Sie sich mit anderen Männern aus, die in einer ähnlichen Situation wie Sie sind, oder versuchen Sie allein mit Ihrer Erkrankung klarzukommen?

Selten, ganz selten. Ich habe viel um die Ohren und will mich damit nicht auch noch belasten. Ab und zu nehme ich mal eine Einladung an, so im Herbst vom UKE in Hamburg.

Sie sind mit den Brüdern Roth in Kontakt gekommen. Wie sind Sie auf sie aufmerksam geworden?

Uns eint die gemeinsame Liebe zum Sport. Allerdings: So talentiert und erfolgreich wie die beiden war ich nie.


Wolfgang Bosbach, 68, ist Rechtsanwalt und zog 1994 für die CDU in den Bundestag ein. Von Februar 2000 bis November 2009 war er stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Union.

Seit 1994 leidet der Rheinländer an einer Herzinsuffizienz und trägt seit 2004 einen Herzschrittmacher mit kombiniertem Defibrillator. Im Juni 2013 machte Bosbach öffentlich, dass er seit drei Jahren an einer Prostatakrebserkrankung leide, und gab bekannt, dass die Erkrankung wegen fortgeschrittener Metastasen unheilbar sei.

Im August 2016 teilte er mit, dass er nicht mehr für den Bundestag kandidieren wolle. In einem Interview sagte er: „Ich habe lange mit mir gerungen. Aber als die Ärzte diagnostizierten, dass sich bei mir ein Tumor in der Lunge gebildet hätte, stand meine Entscheidung fest. In Zukunft muss die Gesundheit einen höheren Stellenwert bekommen als die Politik.“

Die erste Aktion war gleich spektakulär: Roth verlegte das Heimkonzert der Gruppe von ihrem beschaulichen Bietigheim ins Stuttgarter Daimler-Stadion. Es war eine mutige Entscheidung gegen die Fans und ein bisschen auch eine gegen die Band selbst. Aber es war auch eine Entscheidung für eine professionelle Vermarktung. Jetzt konnten 52 000 Leute PUR sehen, und nicht nur einige Tausend Bietigheimer. Später kamen zu den Konzerten in Düsseldorf und auf Schalke noch mehr Fans. Aus der schon erfolgreichen Band wurde endgültig eine nationale Größe. Innerhalb einer Tour sahen eine Million Menschen die Auftritte der fünf Musiker.

Aber Uli Roth musste für seine Doppelbelastung als PUR-Betreuer und Radio-Regenbogen-Mann auch bezahlen. Seine Familie, zu der mittlerweile auch die Töchter Franziska und Magdalena zählten, sah ihn kaum noch. „Manchmal ging ich ans Telefon und wusste im ersten Moment nicht, wem der Anruf galt: PUR oder Radio Regenbogen.“ Er musste sich entscheiden. Es war Februar 1997, er war gerade in Basel auf einer Toilette, als der PUR-Sänger Hartmut Engler anrief, Roth müsse jetzt unbedingt ganz als Manager zu ihnen kommen. Zwei Tage später lag ein Vertrag auf seinem Tisch mit einem Festgehalt, „weit weg von den Vorstellungen, die ich jemals hatte“, erzählt Uli Roth. Geld und Abenteuer bei PUR oder Sicherheit und Spaß mit seinen Kollegen bei Radio Regenbogen? Er war ratlos, was er jetzt tun sollte. Stundenlang telefonierte Uli in den folgenden zwei Tagen mit seinem Bruder, dann stand sein Entschluss fest, PUR zu managen.

Michael Roth hatte seine Prostata längst wieder vergessen und sein Akku war nach der einjährigen Pause wieder voll, als er 2005 seinen neuen Trainerposten beim Bundesligaverein TV Großwallstadt antrat. Er war „hochmotiviert“ und begeistert, an den Ort zurückzukommen, wo er als Spieler seine größten Siege gefeiert hatte. Und in diesem Ort hatte er nun als Trainer Erfolg. Der nicht gerade üppig finanzierte Verein etablierte sich in der Bundesliga. Michael Roth brachte ihn erstmals seit sieben Jahren wieder in einen Europacup. Doch so viel Spaß ihm der neue Job auch machte, so gut wusste er nun, dass es riskant ist, allein auf das schnelllebige Sportbusiness zu setzen. Er war keiner dieser Sportenthusiasten, die nichts anderes im Kopf haben als Gespräche über den nächsten Gegner und die Aufstellung für die kommende Begegnung. Michael Roth suchte auch die Herausforderung außerhalb des Spielfelds. Er machte weiter mit seiner Veranstaltungsagentur DeMi. Und deshalb sah sein Arbeitstag so aus: morgens zwischen sechs und sieben im Büro, dann die eineinhalbstündige Fahrt zum Training, abends um neun Uhr erst wieder zu Hause. Seine Termine beim Training musste er oft mit denen seiner DeMi-Veranstaltungen abstimmen, bei denen er glaubte, als Geschäftsführer dabei sein zu müssen. „Man macht das alles und empfindet zunächst keinen Stress, solange alles gut läuft“, sagt er. „Man spürt nur, dass einem drei Dinge fehlen: Zeit, Zeit, Zeit.“ In dieser schwierigen Phase konnte sich Michael auf seinen Freund und Geschäftspartner Dennis Gissel verlassen.

Und auch die ersten Rückschläge waren für Michael keine Warnhinweise. In dieser sehr beanspruchenden Zeit kam das Familienleben viel zu kurz, ohne dass es Michael damals bewusst war. In seiner Ehe lief es immer schlechter. Die vielen Termine, die täglichen Fahrten zwischen Großwallstadt und Weinheim, wo die Familie inzwischen wohnte. Er nahm sich ein Appartement in Großwallstadt und erkannte, dass damit das Ende der Beziehung zu seiner Ehefrau praktisch besiegelt war. Und dann verkaufte der Verein 2008 zwei seiner wichtigsten Spieler im Kader. Mit einer jungen Mannschaft konnte er zunächst mithalten, aber es begann eine Niederlagenserie. Michael Roth war lange genug im Profigeschäft um zu spüren, dass sich etwas gegen ihn zusammenbraute. Es ist wie überall im Sport. Die Funktionäre und Manager können mit ihren Personalentscheidungen sehr weit danebenliegen, letztlich hat der Trainer die Konsequenzen dieser Fehlplanungen zu tragen. Michael stellte die Entscheider des TV Großwallstadt zur Rede, bekam aber zuerst nur ausweichende Antworten. Er wollte aber eine Entscheidung herbeiführen, und so wurde der Vertrag in beidseitigem Einverständnis nicht verlängert. Man müsse einerseits bereit sein, einiges zu ertragen und einzustecken, auf der anderen Seite „musst du überzeugt sein, ein guter Trainer zu sein“, sagt Michael.

Michael Roth war davon überzeugt, ein guter Trainer zu sein. Also machte er weiter. Im Januar 2009 gab er bekannt, in der neuen Saison die Bundesligamannschaft der HSG Wetzlar zu übernehmen. Uli Roth war seit nun zwölf Jahren Manager von PUR und leitete außerdem als Geschäftsführer „Live Act Music“, eine Firma für Künstler- und Konzertmanagement, die unter anderem auch die österreichische Rocksängerin Christina Stürmer betreut.

Beim fünfzigsten Hochzeitstag seiner Eltern hielt Michael Roth eine Rede, die davon erzählt, wie sein Leben sich schon im Mutterleib an das Leben seines Bruders Uli gekettet hat: „Wenn man da neun Monate im Bauch liegt, geschieht etwas, was dich nicht wieder voneinander loslässt.“ Sie haben zusammen Siege und Feste gefeiert, und sie haben zusammen die Niederlagen verarbeitet.

Michael und Uli sagen beide, sie hätten „schöne Zeiten erlebt mit den wohl emotionalsten Momenten, als die eigenen Kinder auf die Welt kamen“. Dennoch zerbrachen ihre Ehen nicht zuletzt an dem beruflichen Stress und dem unruhigen Lebenswandel. Für beide war das Scheitern ihres Familienlebens eine ihrer größten Niederlagen.

Hurra, dass wir noch leben!

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