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Einleitung
ОглавлениеVor einem hatten Uli und Michael Roth immer Angst: Dass sie in der Öffentlichkeit nicht mehr als erfolgreiche Männer gesehen werden, die früher zu den besten Handballern Deutschlands zählten und die auch nach dem Ende ihrer Sportlerlaufbahn erfolgreiche Karrieren in der Unterhaltungsbranche hingelegt hatten. Sondern dass sie nur noch ein Image hätten: die Prostata-Zwillinge.
Die Prostata, ein kastaniengroßes Organ, das nur Männer haben, hat eigentlich keine lebenswichtige Funktion, aber es kann Leben kosten. Jährlich erkranken rund 60 000 Männer an Prostatakrebs, über 14 000 sterben an den Folgen. Mit 23 Prozent aller Krebserkrankungen ist es die häufigste Tumorerkrankung bei Männern. Aber anders als Brustkrebs bei Frauen ist das Prostatakarzinom kein Gesprächsstoff für die Öffentlichkeit. Das mag damit zu tun haben, dass die meisten Männer von diesem Teil ihres Körpers erst dann etwas wahrnehmen, wenn er Probleme bereitet und herausgeschnitten werden muss. Weil Impotenz und Inkontinenz immer noch häufige Nebenwirkungen der Eingriffe in der Tumortherapie sind, bleiben auch die Folgen der Krebserkrankungen meist ein Tabu.
Prostatakrebs ist in vielen Fällen heilbar. Es gibt ihn in vielen Varianten. Manche kommen daher, so sagen es Urologen, wie ein Haustier-Kätzchen. Es kratzt ein bisschen, macht aber weiter keinen Ärger. Einige, zumeist ältere Männer können mit ihm unbehandelt jahrelang weiterleben. Aber es gibt eben auch das Raubtier, den aggressiven Tumor, an dem man elendig sterben kann, wenn man ihn nicht früh genug entdeckt.
Das sorgenfreie Leben von Michael und Uli Roth war 2009 mit einem Schlag zu Ende. Kurz nacheinander hatten Ärzte bei den Zwillingen Prostatakrebs diagnostiziert – Prostatakrebs mit siebenundvierzig Jahren, es war ein Raubtier-Tumor. Ihr Leben bestand fortan aus Angst, aus unangenehmen Behandlungen und aus der Hoffnung auf Heilung.
Die Zwillinge überlebten. Und ihnen wurde schnell deutlich, dass sie großes Glück hatten. Sie wollten, dass nun auch anderen Männern die dramatischen Folgen ihrer Krebserkrankung erspart bleiben. Dies trieb sie zu ihrer Aufklärungsarbeit an – auch gegen die Befürchtung, in der Öffentlichkeit nur noch als die Prostata-Zwillinge gesehen zu werden.
Uli und Michael brachen ein Tabu. Sie gingen mit ihrer Krankengeschichte zu Medien, sie erzählten im Fernsehen über ihre Angst, Windeln tragen zu müssen, keinen Sex mehr haben zu können. Sie schrieben ein Buch und hielten Vorträge über ihr Leben ohne Prostata. Und sie sagten sie ihren Geschlechtsgenossen: Geht zur Vorsorge.
Sie taten es, damit auch andere Männer überleben können. Sie taten es, damit ein Tumor frühzeitig entdeckt werden und dadurch keine tödliche Wirkung entfalten kann, und damit die Folgen der Behandlungen so gering wie möglich bleiben. Denn die Prognose der Erkrankung hängt entscheidend vom Stadium ihrer Ausbreitung und somit vom Zeitpunkt ihrer Entdeckung zusammen.
Die Brüder Roth sind endgültig geheilt. Aber der Krebs hat ihr Leben verändert, weil die Furcht vor dem Tod und die Angst, impotent oder inkontinent zu werden, tiefe Spuren in ihrer Seele hinterlassen haben. Sie sind sensibler geworden sind, anfälliger.
Uli und Michael haben in den vergangenen zehn Jahren große Erfolge gefeiert, trotz oder womöglich auch gerade wegen ihrer Krebserkrankung und den neuen Energien, die ihnen die Erlebnisse gegeben haben. Aber es gab auch heftige Rückschläge, berufliche und private. Sie erzählen, wie sie damit fertiggeworden sind. Uli berichtet, wie er ohne Prostata wieder Vater werden konnte. Und Michael erzählt, wie er eine abenteuerliche Karriere als Handballtrainer weiterführen konnte.
Trotz aller Rückschläge, etwas ist gleich geblieben: Eine ungewöhnliche Bruderliebe. Und ein unbändiger Spaß am Leben.