Читать книгу Sky-Navy 04 - Finale auf Regan III. - Michael Schenk - Страница 7
Kapitel 5 Unmögliches wird sofort erledigt
ОглавлениеMilitärischer Sektor, Orbital-Werft von Hollmann-Constructions,
im geostationären Orbit des Mars.
Die Flucht der Menschheit auf den Mars und in die Kolonien bewirkte, aufgrund der großen Entfernungen und langen Reisedauern mit dem Cherkov-Überlichtantrieb, dass die Kolonien möglichst bald eine eigene Industrie entwickelten. Hierzu gehörte, wenn auch in sehr bescheidenem Umfang, der Bau von Raumschiffen. Dennoch war der Konzern Hollmann-Constructions der unbestrittene Marktbeherrscher, wenn es um die Fertigung ziviler Schiffe ging. Einige wurden nach individuellen Plänen gebaut, andere waren standardisierte Konstruktionen in modularer Bauweise. Das Direktorat hatte Verträge mit dem Konzern abgeschlossen, so dass dieser das Monopol für die Konstruktion und den Bau militärischer Schiffe besaß. Dies hing vornehmlich damit zusammen, dass die Zulieferer wichtiger Komponenten auf dem Mars ansässig waren.
Während Boden- und Luftfahrzeuge auf der Oberfläche gebaut wurden, befanden sich die Werftanlagen für interplanetare und interstellare Schiffe generell im Orbit, da solche Raumschiffe gewöhnlich nicht für die Landung auf Planeten geeignet waren. Hollmann-Constructions trug dem durch drei große Orbitalanlagen über dem Mars Rechnung.
Die größte Werft bestand aus vier Segmenten. In der Mitte eine Konstruktion, die an zwei riesige Teller erinnerte, die man mit den Rändern aufeinander gelegt hatte, wobei die Teller einen Durchmesser von zwei Kilometern aufwiesen und der Rand immerhin fast vierhundert hoch war. Hier befanden sich Lager, Fertigungsräume und Verwaltung. Die drei anderen Segmente waren kleinere Ausführung und ringartig um das Zentrum verteilt. Ihre nach Außen weisenden Hangartore erstreckten sich über ein Drittel des jeweilige „Tellerrandes“. Dank der künstlichen Schwerkraft durch die Shriever-Platten konnte man unter normalen Bedingungen oder auch Schwerelosigkeit arbeiten.
Hoch-Admiral John Redfeather und sein Adjutant Lieutenant Faso benutzten eines der umgebauten Fast Landing Vehicles. Nach der erfolgreichen Rettung der Hanaris (Anmerkung: Sky-Troopers 1) waren hunderte der Landungsboote überflüssig und von der Navy ausgemustert worden. Hollmann-Constructions gehörte zu jenen Firmen, welche die Boote durch ein eingefügtes Mittelteil verlängerten und mit einem Hiromata-Antrieb ausrüsteten. Die modifizierten FLVs waren sehr beliebt, da sie eine kostengünstige Alternative zu großen Raumschiffen darstellten und man innerhalb von sechzehn Stunden jedes beliebige Sternensystem erreichen konnte. Auch die Sky-Navy benutze eine ganze Reihe der umgebauten Landungsboote, um mit ihnen die Lücke fehlender Patrouillenkreuzer aufzufüllen.
„Flight-Control HollCon Alpha an FLV-PB-017: Sie haben Freigabe für Direktanflug auf Sektion Zwei. Folgen Sie dem Leitstrahl auf 42 Punkt Vier.“
„Patrouillenboot-017 an Flight-Control HollCon Alpha: Empfangen Leitstrahl auf Frequenz 42 Punkt Vier. Direktanflug auf Sektion Zwei ist eingeleitet“, bestätigte der Pilot des FLV. Er wandte sich im Sitz um. Die Verbindungstür zum Laderaum stand offen. „Sir, wir docken in ungefähr zehn Minuten an. Wollen Sie zusehen?“
„Danke, Captain, ich komme nach vorne.“ Redfeather und Faso hatten die Dienstuniform der Sky-Navy angelegt, während die dreiköpfige Besatzung die schlichten Bord-Overalls trug. Immerhin würden sich Admiral und Adjutant mit dem Hoch-Manager von Hollmann-Constructions und später einem Hochherrn des Hohen Rates treffen.
Obwohl Redfeather immer wieder an Bord seines Flaggschiffes war, nahm er das Angebot des Piloten gerne an. In der durchsichtigen Kanzel eines FLV fühlte man sich dem Weltraum besonders nahe, nur durch zwei Zentimeter Klarstahl von diesem getrennt.
John Redfeather klappte den kleinen Notsitz nach unten und sah Pilot und Co-Pilot über die Schultern. Der Mars füllte die Frontscheibe fast vollständig aus. An seinem Rand war die Kartoffelform des Mondes Daimos zu erkennen, davor die Silhouette der Orbitalanlage. Der Hoch-Admiral musterte interessiert die Oberfläche des Planeten. Trotz des Terraforming herrschte noch jene Tönung vor, die dem Mars zu seiner Bezeichnung als „roter Planet“ verholfen hatte. Doch inzwischen gab es auch ausgedehnte Zonen, in denen das Grün und Blau von Vegetation und Wasserflächen dominierten. Mit bloßem Auge waren die großen Städte zu sehen, die längst über die Abmessungen ihrer einstigen Schutzkuppeln hinaus gewachsen waren. Was im Vergleich zur Erde fehlte, das waren hingegen die Bänder der Straßen. Der Verkehr zwischen den Siedlungen spielte sich fast ausschließlich in der Luft ab, deren Dichte und Zusammensetzung inzwischen fast den Erdstandard erreichte. Es gab immer noch Marsianer, die, nun jedoch aus eher nostalgischen Gründen, die alten „Sandkatzen“ benutzten. Jene Bodenfahrzeuge, mit deren Hilfe man einst die Marsoberfläche erkundete.
„Einiges los hier“, meinte der Co-Pilot. „Sir, sehen Sie mal zu Sektion Drei. Da baut man gerade einen der großen Interstellar-Frachter. Ein Riesending.“
Neben einer der kleineren Sektionen schwebte einer der typischen Modular-Frachter, wie sie von den großen Handelskonzernen bevorzugt wurden. Bug und Heck waren genormt und variierten lediglich in der Größe und Ausstattung. In ihnen befanden sich die Steuerung, Aufenthaltsräume der Crew, Energieversorgung, Lebenserhaltung und die Triebwerke. Zwischen diesen beiden Grundelementen fügte man den „Rumpf“ des Schiffes ein. Oft nicht mehr als ein metallenes Gerüst, in welches Tausende der ebenfalls genormten Fracht-Container passten. Die Verwendung einer geschlossenen Außenhülle war zu kostspielig und unpraktisch. Die offene Bauweise erlaubte das bequeme Laden und Entladen der Frachter. Shuttles, oft ehemalige FLVs der Navy, besorgten den Warenverkehr zwischen Schiff und Planetenoberfläche. Der Frachter, den der Co-Pilot meinte, mochte an die drei Kilometer lang sein. Redfeather bemerkte das Logo von United Mining Industries an der Flanke des Bugs. UMI war der größte Lieferant an Rohstoffen. Der Konzern unterhielt Abbauanlagen im Übertage- und Untertagebau sowie ein halbes Dutzend Verhüttungsstationen bei lohnenden Asteroidenfeldern.
Auf der Cockpit-Scheibe begann sich ein blaues Fadenkreuz zu bewegen. Der Pilot korrigierte die Fluglage, bis sich das FLV exakt im Anflug auf den zugewiesenen Landebereich befand. Auf der Oberfläche der Sektion Zwei befanden sich mehrere markierte Landefelder für Zubringer-Shuttles. Eines von ihnen blinkte nun. Gekonnt nahm der Pilot eine letzte Korrektur vor und setzte dann genau in der Mitte auf.
„Patrouillenboot-017 an Flight-Control HollCon Alpha: Landung vollzogen. Bereit für externe Versorgung und Zugang.“
„Verstanden, 017. Externe Versorgung wird vorbereitet. Anschlüsse offen. Zugang wird ausgefahren.“
Der Pilot wandte sich an den Tech-Sergeant neben Redfeather. „Jim, dock uns an.“
„Aye. Ankerklammern verriegelt. Anschlüsse für externe Versorgung arretiert. Externe Versorgung steht.“
Neben dem Landefeld schob sich der starre Zugangstunnel aus der Oberfläche. Sein Faltbalg fuhr, einem Rüssel ähnlich, an die Manschette der Personenschleuse des FLV. Im Inneren war ein leises Klingen zu hören, als die Halteklammern einrasteten und sich der Dichtungsrand aufblähte.
„017 an Flight-Control HollCon Alpha: Wir sind verankert und auf externer Versorgung. Zugangstunnel verriegelt.“
„Flight-Control HollCon Alpha an FLV-PB-017: Zugang ist unter Druck. Willkommen auf HollCon Alpha, Hoch-Admiral Redfeather. Hoch-Manager Lendricks erwartet Sie bereits.“
Es gab mehrere der flexiblen Zugangstunnel auf der Oberschale von Sektion Zwei. Hier legten die Shuttles mit Besuchern oder Arbeitskräften der Werft an. Für Zulieferer und ihre oft sperrigen Waren gab es große Gateways, die auf die Frachtschleusen der Pendler passten.
Der Tunnel führte Redfeather und Faso in das obere Deck der Sektion Zwei hinunter. Sie gelangten auf eine breite Galerie, von der aus man die gesamte Sektion mit ihren Arbeitsstationen überblicken konnte. Auf der Galerie gab es gemütliche Sitzgruppen, Ruhezonen mit großen Pflanzen und die Möglichkeit, eine Erfrischung oder einen Imbiss zu sich zu nehmen. Hier verbrachten viele der Männer und Frauen ihre Ruhepausen. Sie sprachen angeregt miteinander oder verfolgten eine Sendung auf einem der Holoschirme. Keiner hatte einen Blick für das, was fast hundert Meter unter ihnen geschah. Eine rundum verlaufende Wand aus Plastikglas schirmte alle vom Lärme und den Gerüchen der Werfthalle ab.
John Redfeather und Faso traten an den Rand der Galerie und blickten interessiert nach unten. Ein paar der Arbeiter sahen sie neugierig an. Offiziere der Navy waren auf der Werft kein seltener Anblick, doch bei diesem Besucher handelte es sich um den Hoch-Admiral und Oberbefehlshaber der Streitkräfte. War er mit ihrer Arbeit zufrieden? Brachte er neue Aufträge? Die Bauten für die Navy verhalfen Hollmann-Constructions zu guten Einnahmen und den Arbeitern oft zu einem Bonus, wenn sie Zusatzschichten fuhren.
Es gab mehrere Galerien. Die untere und obere dienten als Ruhezonen, die übrigen waren vollgestopft mit Arbeitsstationen und Geräten. Von hier ragten die Ausleger von Industrierobotern und Arbeitsbühnen zu den Rümpfen der im Bau befindlichen Schiffe. Unten auf dem Boden standen die Hüllen von fünf Schiffen, in verschiedenen Stadien der Fertigung. Hunderte von Männern und Frauen kümmerten sich um Außenhüllen und Innenausbauten. Meist wurden die Rumpfplatten erst geschlossen, wenn die Arbeiten im Inneren fast abgeschlossen waren, da man so leichteren Zugang besaß.
„Vier von uns“, bemerkte Faso zufrieden. „Drei scheinen fast fertig zu sein. Da fehlen nur noch die Identifikationen.“
John Redfeather nickte. „Und jedes einzelne Schiff wird dringend benötigt.“
Dort unten gingen drei Kreuzer der neuen APS-Klasse ihrer Vollendung entgegen. Die beiden anderen Schiffe waren ein modifiziertes FLV und ein kleiner Frachter, der scheinbar zu einem Schürf-Schiff umgerüstet wurde. Durch den Nullzeit-Antrieb erschlossen sich auch weit entfernte Asteroidengürtel, Monde und Welten, auf denen man nach wertvollen Ressourcen suchte. Bei einem der Kreuzer fehlte lediglich noch der Pol der oberen Railgun-Kuppel. Die fast zwanzig Meter lange Waffe wurde gerade in ihre Bettung gesenkt.
„Gibt es bereits Namen für die neuen Schiffe, Sir?“
„Der Hohe Rat ist übereingekommen, den Neubauten die Namen von Schiffen zu geben, die aus dem Dienst ausgeschieden sind. Um die ehrenvolle Tradition der alten Einheiten fortzuführen, hieß es in der Weisung.“
„Admiral?“
Sie wandten sich um. Der Mann ihnen gegenüber war zweifellos der Hoch-Manager der Orbital-Werft Alpha. Für die beiden Soldaten war sein Anblick befremdlich. Der schlanke Mann war nach der neuesten Männermode ausstaffiert, die sich „En Contraire“ nannte. Lendricks trug Halbglatze und Halbbart, was bedeutete, diese Form der Behaarung existierte nur auf seiner rechten Kopfhälfte, die andere war, mit Ausnahme der Augenbraue und Wimper, sauber rasiert. Das Sakko des sündhaft teuren Anzugs war exakt gegensätzlich gearbeitet. Die Linke Seite, Kragen und Ärmel bestanden aus grellbuntem Stoff, der schräg nach unten rechts in einer zierlichen Schärpe auslief, die an der Hüfte verknotet war. Darunter trug der Manager eine schlichte graue Toga, weinrote Hosen und sündhaft teure Halbstiefel aus dem Leder der Marsrinder.
Redfeather hielt nichts von Mode, was vor allem damit zusammenhing, dass sie derart schnell ihre Richtungen änderte, dass man viel Zeit darauf verschwenden musste, „zeitgemäß“ gekleidet zu sein. „Hoch-Manager Lendricks, schön dass Sie Zeit für uns haben.“
Das Äußere des Mannes und der wertvolle Schmuck durften nicht darüber hinwegtäuschen, dass Lendricks ein sehr fähiger Manager war. Er trug die Verantwortung für alle Vorgänge auf der Werft und gehörte zu jenen, die das sehr ernst nahmen. Er hatte das Belohnungssystem für Anregungen aus der Mitarbeiterschaft ausgebaut und besprach sich regelmäßig mit den Vorarbeitern und Abteilungsleitern.
„Das ist doch selbstverständlich, Admiral. Immerhin gehört die Navy zu unseren besten Kunden. Sicher haben Sie schon bemerkt, dass bald drei Ihrer Kreuzer aus der Fertigung kommen. Zwei weitere sind in Sektion Drei und werden bald folgen. Wir sind den vertraglichen Liefervereinbarungen ein gutes Stück voraus.“ Lendricks war sichtlich stolz auf die Leistung seiner Werft. „Nun ja, unsere Kapazitäten werden auch nicht voll ausgeschöpft. Sehen Sie, Admiral, in unseren beiden anderen Werften baut man überwiegend kleine Schiffe vom Typ FLV um. Auseinander schneiden, neues verlängertes Mittelteil mit Hiromata-Antrieb einfügen und das war es im Prinzip auch schon. Mit dem Nullzeit-Sturzantrieb braucht man ja nicht viel für ein interstellares Schiff. Man ist nur sechzehn Stunden unterwegs. Bordtoilette, eine kleine Küche und ein paar bequeme Sitze mit Holo-Schirmen… Schon ist man für den Passagiertransport ausgestattet. Damals, als man nur den Cherkov-Überlichtantrieb besaß, ja, damals bauten wir noch richtige Schiffe. Große, da man ja Wochen, Monate oder Jahre unterwegs war. Dicke Aufträge haben wir eigentlich nur noch bei großen Frachtern und den Kolonistenschiffen. Leider hat uns Fairytale Industries den fetten Auftrag der Reederei „My Starship“ weggeschnappt. Die bauen jetzt luxuriöse Liner für die Touristik. Zwei Wochen Vergnügungsflug, auf dem man die Sehenswürdigkeit der verschiedensten Welten erleben kann.“ Lendricks seufzte. „Sie brauchen nicht zufällig mal wieder ein neues Trägerschlachtschiff? Das wäre wirklich wieder eine Aufgabe für uns.“
„Ich hoffe nicht, dass wir so bald einen neuen Träger benötigen“, entgegnete Redfeather. „Aber Kreuzer brauchen wir in Mengen, inklusive der Railguns.“
„In Mengen? Der Hohe Rat ist da sicher anderer Auffassung“, meinte der Hoch-Manager. „Ich weiß doch, wie sehr Sie wegen des begrenzten Etats um jedes neue Schiff kämpfen müssen, Admiral.“
„Das könnte sich vielleicht bald ändern.“ Redfeather musterte Lendricks. „Faso, welche Freigabe hat Mister Lendricks?“
Der Adjutant nahm seinen Mini-Comp zu Hilfe. „Stufe Vier, Sir.“
Lendricks blinzelte. Sein Gesicht wurde unvermutet ernst. „Was ist los, Admiral? Warum interessiert Sie plötzlich meine Sicherheitseinstufung? Sie wissen doch, dass ich im Beirat des Hohen Rates sitze. Da geht es um neue Schiffskonstruktionen und Waffenentwicklung.“
„Was ich Ihnen jetzt sage, ist streng vertraulich, zumindest bis der Hohe Rat die Informationen freigibt. Wir sind auf ein aggressives Alien-Volk gestoßen. Das Regan-System wurde überfallen, viele Menschen getötet. Die Navy war im Gefecht und hat sieben Kreuzer verloren.“
„Grundgütiger.“ Lendricks wurde bleich. „Konnten Sie die Aliens vertreiben?“
„Wir konnten entkommen“, sagte Redfeather bewusst hart.
„Grundgütiger“, wiederholte der Hoch-Manager betroffen. „Zahlenmäßige oder technische Überlegenheit?“
„Vor allem eine erschreckende Übermacht“, knurrte Redfeather. „Technisch können wir ihnen Paroli bieten, aber wir brauchen Schiffe und vor allem Railguns.“
„Railguns?“ Lendricks schob den Ärmel seiner Jacke hoch und benutzte seinen eigenen Mini-Comp. „Wir haben noch fünfzehn Stück im Depot, die alle aus Ihren Trägern stammen. Mars Military Arsenal liefert in den kommenden Tagen zehn weitere.“
„Das reicht nicht, Lendricks. Wir brauchen wesentlich mehr und das in kürzester Zeit. Zudem müssen die Waffen modifiziert werden.“
„Modifiziert? In welcher Weise?“
„Die Bolzen müssen Nullzeittauglich werden.“
Lendricks holte tief Luft. Dann schüttelte er bedauernd den Kopf. „Nette Idee, aber nicht durchführbar.“
„Wir haben das schon einmal gemacht.“
„Im Ernst?“ Der Hoch-Manager runzelte die Stirn. „Wie soll das gehen? Nein, warten Sie, sagen Sie es nicht. Es wäre sicher Zeitverschwendung, es mir erklären zu wollen. Ich bin kein Physiker, nur ein schlichter Manager. Aber Sie haben Glück, Admiral. Zufällig ist Professor Singh auf unserer Werft.“ Er sah die irritierten Blicke der beiden Offiziere. „Singh ist der Leiter der Waffenentwicklung von MMA. Wenn Ihnen jemand helfen kann, dann er.“
„Dann sollten wir mir ihm sprechen.“
Eine knappe halbe Stunde später trafen sie sich mit Radja Singh in einem kleinen Büro der Werft. Der mittelgroße Marsianer mit indischen Wurzeln bevorzugte schlichte Kleidung und hob sich in Redfeathers Augen wohltuende von Lendricks ab, der dem Gespräch interessiert lauschte.
Der Admiral erläuterte Singh das Prinzip der modifizierten Railgun und Faso übertrug die bislang verfügbaren Daten von seinem Mini-Comp auf den Holo-Schirm.
Der Konstrukteur war sichtlich fasziniert, allerdings auch skeptisch. „Ich fasse nochmals zusammen: Die Railgun beschleunigt den Bolzen auf einfache Lichtgeschwindigkeit. Der Bolzen soll dann ein eigenes Hiromata-Triebwerk besitzen, welches ihn, unmittelbar nach Verlassen der Mündung, in die Nullzeit bringt und unmittelbar vor dem Ziel aus dem Sturz kommen lässt, womit diesem keinerlei Zeit mehr für eine Abwehr oder ein Ausweichen bleib.“
„Das ist die Idee, Professor, und es hat schon einmal funktioniert.“
„Ja, das ersehe ich aus diesen Dateien, Admiral. Nach meiner Einschätzung hatten Sie viel Glück, dass die Sache damals funktionierte.“
„Sie hat einmal funktioniert, also ist das Prinzip richtig.“
„Hm.“ Der Inder tippte auf der holografischen Tastatur seines eigenen Mini-Comp. „Und Sie wollen es jetzt in Serienreife?“
„Ich brauche es in Serienreife, Professor. Ansonsten stecken wir in Schwierigkeiten.“
„Ja, das ist mir bewusst.“ Der Wissenschaftler warf einen leidenden Blick auf Redfeather. „Sie haben Vertrauen auf Wunder, Admiral?“
„Vertrauen in Ihre Fähigkeiten, Professor.“
Singh lächelte unmerklich und murmelte etwas, bei dem der hohe Offizier das Wort „Honig“ zu verstehen glaubte. „Um Ihre Nullzeit-Railgun zu entwickeln, müssen gleich zwei Komponenten modifiziert oder entscheidend neu konzipiert werden. Ich sage Ihnen zunächst, was wir als Voraussetzung benötigen. Dann kommen wir zu dem Problem, wie das erforderliche Zubehör beschafft werden kann.“ Singh nahm seinen Finger und zeichnete in dem Hologramm. „Die Railgun benötigt einen Hiromata-Taster, der ihr die Entfernung zum Ziel ohne Zeitverlust übermittelt. Die Tetronik der Waffe muss diese Daten an den modifizierten Nullzeit-Bolzen übermitteln. Daten, die den Hiromata-Antrieb des Bolzens zu einem einzigen Sturz veranlassen, bei dem der Antrieb überladen wird. Die Hiromata-Kristalle entladen sich in einem einzigen Impuls. Der Sturz endet dann unmittelbar vor dem Ziel. Das muss sehr exakt berechnet werden, Admiral. Endet der Sturz jenseits des Ziels, ist der Bolzen verloren. Damit sind wir auch schon bei dem wirklichen Problem: Auch wenn der Antrieb des Bolzen nur ein einziges Mal funktionieren muss, so ist es doch ein Antrieb, für den wir die entsprechenden Kristalle benötigen. Admiral, ich habe das Wort Hiromata nicht umsonst so häufig genutzt. Diese Ressource steht uns nur sehr begrenzt zur Verfügung und der Hohe Rat hat die Kontrolle über die bescheidenen Reserven. Wenn ich aber Ihre Nullzeit-Kanone bauen soll, Admiral, dann brauchen wir eine Menge Kristalle.“
„Wenn Sie sich um die Konstruktion und spätere Serienfertigung kümmern, dann besorge ich Ihnen die Kristalle, Professor.“
„Erwarten Sie keine wirklichen Wunder, Admiral, aber ich werde sehen, was ich tun kann.“ Singh desaktivierte seinen Mini-Comp. „Ich fliege sofort zum MAA und mache mich an die Arbeit.“
„Sie können mit uns fliegen, Professor“, bot Redfeather an. „Wir haben ohnehin noch einen Termin beim Hohen Rat.“
„Nun, das nehme ich gerne an.“
„Äh, Admiral, der Bauschaum“, erinnerte Lieutenant Faso.
„Richtig. Hoch-Manager Lendricks, wir benötigen noch Bauschaum auf der Basis.“
„Isolation oder hoch verdichtet?“
„Hoch verdichtet.“
„Und wie viel?“
Faso nannte die berechnete Menge und Lendricks stierte die Offiziere überrascht an. „Verdammt, Admiral, was haben Sie damit vor? Wollen Sie eine neue Basis errichten?“
Während Redfeather, Faso und Singh eine Stunde später zum Mars weiterflogen, wurden in der Orbitalwerft zwei FLV beladen, die für Arcturus bestimmt waren.