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Kapitel 3

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Blaubanner-Schwert“, schwerer Kreuzer des Blaubanners,

auf Heimatkurs im nördlichen Meer.

Die Blaubanner-Schwert machte sich für die Nacht fertig. Die Enternetze waren über die Decks gespannt. Es würde den Schniefern schwerfallen, sie rasch zu durchschneiden und das Schiff zu betreten. Die beiden seitlichen Laufgänge, die sich längs des Kreuzers zogen, waren bereits gesperrt. Nur ein Lebensmüder würde bei Dunkelheit auf ihnen entlang gehen. Zu leicht konnte ein Schniefer ein Messer oder seine Kampflanze ins Ziel bringen. Das Schiff wurde nur noch von den schwachen Lichtern der Lampen erhellt. Die wenigen Scheinwerfer blieben dunkel. Nur im Notfall würde man die Generatoren starten, um sie mit Strom zu versorgen und einen Angreifer sichtbar zu machen.

„Nachtdunkel und Ruhe“, schallte die Durchsage durch das Schiff. Alle Fenster und Bullaugen wurden nun von Holzblenden verschlossen, nur von der Brücke am Heck des Kreuzers hatte man noch freie Sicht.

„Mondklare Nacht“, sinnierte Maria. „Gefällt mir nicht.“

Jones stieß ein zustimmendes Grunzen aus. Mondlicht gefiel keinem Seemann. Viele Kilometer weit konnte man das Schiff in der Nacht erkennen, wenn die Lichter des runden und des langen Mondes über das Wasser fielen.

„Immerhin“, flüsterte Jones. „Wir sehen auch etwas. Wenigstens kann sich kein Schniefer ungesehen über die Reling schwingen.“

„Nachtdunkel und Ruhe“, rügte Venloe aus dem Dunkel der hinteren Brücke. Der Erste Offizier stand neben dem Rudergänger, der das leise knarrende Steuerrad bewegte und den Kreuzer auf Kurs hielt.

Jones nickte bestätigend und blickte kurz hinüber. Von Venloe war nichts zu erkennen. Nur der Schnurrbart des Rudergängers schimmerte schwach im Schein einer winzigen roten Lampe, die den Kompass erhellte und dem Mann oder der Frau am Ruder jeweils die Richtung wies.

Dann trat die stämmige Gestalt Venloes aus dem Dunkel. Ein wenig neidisch beobachtete Jones, wie der Erste Offizier das vor der Brust hängende Fernglas vor die Augen führte und seinen Blick über die Wasseroberfläche schweifen ließ. Venloes eigenes Fernglas. Als Erstem Offizier stand es ihm zu. Jones musste sich immer das Leihglas für den Wachoffizier nehmen. Nun, eines Tages würde auch er sein eigenes besitzen.

Jones dachte an das Fernglas des Kapitäns. Das war ein Fernglas. Es machte die Nacht zum Tage und holte den Horizont so nahe heran, dass man ihn greifen konnte. Es war ein altes Glas, stammte aus dem Bringer. Der Kapitän hatte es von Seiner Hochheit, dem Oberherrn, persönlich geschenkt bekommen, damals, als die Blaubanner-Schwert unter seinem Kommando dessen Sohn gerettet hatte.

Jemand tippte Jones auf die Schulter und er zuckte ein wenig zusammen. Irgendwie saß ihm der Schreck vom Vortag noch in den Gliedern. Der Schniefer-Bolzen hatte seinen Helm zerschossen und Jones war nahe am Ertrinken gewesen, als die Kampftaucher ihn an Bord brachten. Angeblich konnten die Taucher drei der Bestien töten, aber Jones bezweifelte das. Schniefer waren furchtbar schnell und Kampftaucher neigten zu hemmungsloser Übertreibung.

„Offiziersanwärter Jones, Sie sollen sich sofort beim Kapitän melden.“ Die Stimme des Matrosen war nur ein Flüstern.

Jones nickte und machte Venloe leise Meldung. Bedauernd kniff er Maria in den Hintern. Die Offiziersanwärterin gab keinen Laut von sich, aber Jones wusste, dass sie ihn verstanden hatte. Auch wenn der Kapitän ihn jetzt zusammenstauchte, würde Maria ihn später wieder aufrichten. Sie hatte da so ihre besonderen Fähigkeiten.

Als Jones dem Matrosen die Treppenstufen ins Schiffsinnere folgte, sah er die Verwunderung in den Augen des Mannes. Keiner lächelte so entrückt, wenn es zum Kapitän ging. Aber was wusste der Matrose schon von Jones nächtlichen Plänen?

Am Ende der Treppe betraten sie die kleine Schleuse. Eine Schallschleuse, denn das Innere des Kreuzers war isoliert. Wasser trug Schall unglaublich weit und jeder Laut außerhalb der Isolation bedeutete in der Nacht ein Risiko für das Schiff. Es war gefährlich genug, dass Masten, Segel und Takelage stets knarrten und Lärm produzierten, doch dies war nicht zu vermeiden.

Als Jones und der Matrose den isolierten Bereich betraten, traf sie der Lärm im Inneren wie ein Schlag. Jones hörte die Matrosen in der Mannschaftsmesse. Sie trugen wieder einen ihrer Wettkämpfe aus. Auch in der kleineren Offiziersmesse war deutlich zu hören, dass eine rege Diskussion im Gange war. Der Matrose tippte grüßend an seine Stirn und wies nochmals in Richtung des Hecks, dorthin, wo sich die Kabine des Kapitäns befand.

Jones erwiderte den Gruß. Er ging den zentralen Hauptgang entlang, vorbei an der Treppe, die hinunter zum Magazin, den Tanks, dem Brennstofflager und dem Maschinenraum führte. Vor der Kabine des Kapitäns stand ein weiblicher Ehrenposten. Die Narbe in ihrem Gesicht, deutliche Ätzspur eines Schnieferangriffes sehr persönlicher Art, und ihre legere Haltung, verrieten die erfahrene Seesoldatin. Sie war klug genug, um Jones ein Mindestmaß an Salut zu entbieten, und nicht so dumm, sich bei einem so niedrigen Dienstgrad ein Bein auszureißen. Was auch schade gewesen wäre, wie Jones mit einem kurzen Blick auf ihre Beine feststellte. Ach, was sollte das? Wer war schon so beschränkt, sich mit einer Seesoldatin einzulassen? Die verspürten höchstens Lust, wenn sie einen Schniefer plattmachten, wenn überhaupt. Jones hatte überzeugende Gerüchte gehört, dass sich die Männer und Frauen der Seesoldaten ausschließlich durch Zellspaltung vermehrten, ohne jenes Drumherum, das Jones eigentlich besonders viel Spaß machte.

„Offiziersanwärter Jones“, meldete der Ehrenposten mit lauter Stimme. Selbst in einer winzigen Kammer würden Seesoldaten noch so tun, als müsste ihre Stimme ein gefülltes Stadion übertönen. Shib, diese Leute hatten einfach kein Maß.

Jones trat in das Allerheiligste des Kapitäns und nahm Haltung an. Der alte Graubart blieb an seinem Schreibtisch sitzen und grüßte nachlässig zurück.

„Setzen Sie sich, Jones.“ Die Stimme klang freundlich und Jones entspannte sich etwas. Das klang nicht nach Ärger. Der Graubart hieß Malter und musste fast vierzig Jahre alt sein. Schier unglaublich alt. Jones hatte gerade erst das siebzehnte Lebensjahr erreicht.

Der Kapitän war in ein Schreiben vertieft und schien sich nicht an der langsam wieder steigenden Nervosität von Jones zu stören. Dieser versuchte sich abzulenken und blickte sich in der Kabine um. In einer kleinen Vitrine standen zwei Schiffsmodelle. Das der Blaubanner-Schwert, die der Kapitän derzeit kommandierte, und das der Blaubanner-Blut. Beim Bringer, das war ein Schiff. Der Kapitän hatte als Offizier auf der Blaubanner-Blut gedient, aber jeder im Bannerland kannte das Flaggschiff. Es war eines der letzten alten Schiffe. Und wenn „alt“ das Synonym für Qualität war, so war die Blut uralt. Man sah es schon an den Modellen. Die gedrungene Form der Schwert, mit ihren drei aufragenden Masten, dem langen Rammdorn am Bug und dem hohen Heckaufbau der Brücke. In der Mitte der Drehturm des Raketengeschützes, davor der kleinere Turm des Dampfkatapultes. Was für ein Unterschied dagegen die Blaubanner-Blut. Viel kleiner und dabei wesentlich schlanker geformt. Ihre Brücke befand sich in der Mitte und die Gefechtstürme waren an Vorder- und Hinterdeck aufgestellt. Ursprünglich hatte sie zwei Schornsteine besessen, doch einer von ihnen war durch Masten ersetzt worden, als die Brennstoffe immer knapper wurden.

„Jones?“ Die Stimme des Kommandanten schreckte ihn aus seinen Gedanken. „Sie sind jetzt siebzehn Jahre alt, nicht wahr? Zwei davon haben Sie ja nun auf unserer Schwert verbracht, wie?“

Jones nickte knapp. Das waren schließlich keine Neuigkeiten.

„Nun, Sie werden uns verlassen, Jones.“

Jones schluckte. Das allerdings war eine Neuigkeit. Es war nur nicht klar, ob sie sich als gut oder schlecht erweisen würde. Er setzte eine möglichst neutrale Miene auf. „Kapitän?“

Jones spürte, wie sich das Schiff ein wenig zur Seite neigte, als eine Windböe die Segel erfasste. Er glich die Neigung des Schiffes aus und beobachtete, wie der Kapitän im Reflex einen Schreibstift auffing, der vom Tisch zu rollen drohte.

„Wir haben einen Klickspruch erhalten, Jones.“ Kapitän Malter lehnte sich in seinem Stuhl zurück und blickte Jones kritisch an. „Ich sage Ihnen das vor allem, weil ein Teil des Klickspruches sich mit Ihrer Person befasst.“

Ein Klickspruch. Das war eine Besonderheit. Auf allen Schiffen der Blaubannerflotte gab es ein solches Gerät. Auf den alten sogar gelegentlich welche, die es erlaubten, gesprochene Worte über große Entfernungen auszutauschen. Aber diese Apparate waren nur noch selten und ihre Zahl nahm ab, da niemand sich darauf verstand, sie zu reparieren. Es gab einfach keine Möglichkeit, die komplizierten Bauteile zu ersetzen, wenn sie defekt wurden. Da es lebensnotwendig war, dass sich die Schiffe über weite Entfernungen verständigen konnten, behalf man sich mit den Klickfunkgeräten. Sie waren leichter zu bauen und bei Weitem nicht so kompliziert. Allerdings übermittelten sie keine gesprochenen Worte, sondern nur einfache Klicktöne. Es gab einen Code, der es gestattete, Nachrichten in kurze und lange Laute zu fassen. Die Blaubanner-Schwert verfügte natürlich über ein solches Klickfunkgerät. Jones überlegte kurz. Sie hatten Glück gehabt, die Nachricht überhaupt zu empfangen. Die Schwert musste sich gerade an den äußeren Grenzen der Senderreichweiten befinden.

„Wir fahren mit Höchstgeschwindigkeit zur Stadt zurück, Jones. Dort werden Sie sich in der Admiralität melden und Ihre neuen Rangabzeichen empfangen. Sie sind mit sofortiger Wirkung Lieutenant, Jones.“

„Lieutenant?“ Jones strahlte einen Augenblick über das ganze Gesicht, doch dann blickte er den Kapitän erstaunt an. Das war zu früh. Viel zu früh. Man musste mindestens drei Jahre auf einem Schiff dienen und sehr gute Leistungen zeigen, bevor man befördert wurde. Jones hatte nicht das Gefühl, besondere Leistungen gezeigt zu haben. Er war ein guter Seemann, aber Maria war weit besser, wie er sich eingestand. Sie wäre vor ihm an der Reihe gewesen. In den kurzen Moment der Freude mischte sich Unbehagen. „Darf ich frei sprechen, Kapitän?“

Malter nickte und wies auf einen freien Stuhl, der gegenüber dem Schreibtisch am Boden festgeschraubt war. Also rechnete der Kapitän mit einem längeren Gespräch, was Jones erneut irritierte. Hier ging etwas vor sich, was er noch nicht ganz begriff.

„Kapitän, ich … äh, ich weiß nicht so recht, wie ich es sagen soll.“

„Sie meinen, dass es seltsam ist, dass der Admiral Ihre Beförderung anordnet? Da haben Sie absolut recht, Jones.“ Malter zeigte ein flüchtiges Lächeln. „Es ist nicht so, dass Sie es nicht verdienen würden. Ich habe mit Ihren Ausbildern gesprochen und Sie auch selbst im Auge behalten. Sie zeigen gute Leistungen und versehen Ihren Dienst ernst und gewissenhaft. Aber Sie sind noch etwas zu impulsiv, Jones. Neigen dazu, etwas zu hektisch zu reagieren, wenn es einmal unruhig wird. Nein, nein, keine Sorge, Jones. Auch Venloe ist der Meinung, dass Ihre Entscheidungen und Befehle bislang fehlerfrei waren. Sie strahlen nur noch nicht die Ruhe aus, die einen Offizier auszeichnet. Sie müssen immer daran denken, dass die Mannschaft auf ihre Offiziere sieht. Wenn ein Offizier Unruhe verrät, verliert auch die Mannschaft ihre Ruhe. Sie brauchen eigentlich noch etwas Praxis, Jones, bevor Sie die Prüfung vor der Admiralität ablegen. Aber nun gut, es ist nicht meine Aufgabe, mir den Kopf des Admirals zu zerbrechen. Apropos, Jones, haben Sie irgendwelche Verbindungen zur Admiralität? Mir da irgendwas verschwiegen?“

Jones schüttelte den Kopf. „Negativ, Kapitän. Mir ist völlig rätselhaft, warum das geschieht.“

„Verbindungen zum Haus des Oberherrn? Besondere Talente?“

„Negativ, Kapitän.“

„Nun, sind mir auch nicht aufgefallen“, brummte Malter und ein freundliches Lächeln nahm seinen Worten die Schärfe. „Jedenfalls fordert der Klickspruch, Ihre Gesundheit und Ihr Leben unter keinerlei Umständen zu gefährden. Ab sofort ist es also aus mit der Schnieferbeobachtung unter dem Schiff, Lieutenant Jones.“

„Verstanden, Kapitän.“ Jones biss sich auf die Unterlippe. „Darf ich etwas fragen, Kapitän?“

Malter stieß einen grunzenden Laut aus. „Habe Sie doch auch gefragt, Jones. Also, raus damit.“

„Sie sagten, wir sollten mit Höchstgeschwindigkeit zurückfahren. Heißt das, dass wir die Turbinen den ganzen hellen Tag anwerfen und mit den Propellern fahren? Reicht denn da der Treibstoff überhaupt und … ich meine, bekommen wir dann in Neyork neuen?“

„Freut mich, dass Sie sich darum Gedanken machen, Jones. Steckt ein richtiger Seeoffizier des Blaubanners in Ihnen, wie mir scheint. Nun, sobald es hell wird und wir ausreichende Sichtweite zur Schnieferbeobachtung haben, werden wir mit den Propellern fahren. Der Rest ist nicht Ihre Sorge. Noch was, Jones?“

Malter nahm demonstrativ eine der Seekarten in die Hand. Jones erkannte, dass der Kapitän das Gespräch abbrechen wollte. Wahrscheinlich wusste Malter etwas, durfte aber nicht darüber sprechen und wollte so verhindern, dass sich das Gespräch einem solchen Punkt näherte.

Jones erhob sich und salutierte. Mit einer sauberen Kehrtwendung ging er zur Kabinentür hinüber, wo ihn die Stimme des Kapitäns noch einmal kurz zurückhielt. „Lieutenant, denken Sie an den Befehl, Ihre Sicherheit betreffend. Wenn es zu einem Angriff der Schniefer kommt, verschwinden Sie unter Deck, klar?“

Jones bestätigte kurz, aber dieser Befehl behagte ihm nicht. Bei einem Angriff kämpften alle gemeinsam gegen die Schniefer. Nur wer zu schwer verletzt oder getötet worden war, bildete die Ausnahme. Sich zurückzuziehen, war undenkbar.

Er biss sich erneut auf die Unterlippe, ging in Gedanken versunken an der Seesoldatin vor der Kapitänskabine vorbei und zur kleinen Offiziersmesse hinüber. Abermals neigte sich das Schiff und dieses Mal musste sich der neu ernannte Lieutenant Jones an der Wand des Ganges abstützen.

Inzwischen hatte auch Offiziersanwärterin Maria ihren Dienst beendet und saß mit drei weiteren Offizieren und Anwärtern am kleinen Tisch der Messe. Die Gruppe begrüßte ihn mit freudigem Hallo und Maria rückte ein wenig zur Seite, sodass Jones sich neben sie quetschen konnte.

Mittelpunkt am Tisch war Debris, der Waffenoffizier des Kreuzers. Er warf einen kurzen Blick auf Jones, der da so plötzlich in die Runde eingedrungen war, und setzte seine Ausführungen fort. „Wirklich, Leute, ich habe das direkt aus einer zuverlässigen Quelle in der Admiralität. Die verdammten Schniefer haben eine neue Waffe. Ein Unterwasserschiff. Groß wie ein Kreuzer und mit schweren Waffen. Ich vermute, dass wir deswegen zur Stadt zurückfahren. Man wird die Schwert mit einer neuen Abwehrwaffe ausrüsten, die direkt aus dem Bringer stammt.“

Maria stieß einen Laut aus, der ihre Zweifel zum Ausdruck brachte. Debris blickte sie missbilligend an, aber er unterdrückte eine wütende Reaktion. Jones dachte daran, das Debris schon lange scharf auf Maria war und sie wahrscheinlich nicht verärgern wollte.

„Es stimmt wirklich“, beschwor der ältere Offizier. „Ich habe gehört, dass die Blaubanner-Pfeil von einem solchen Unterwasserkreuzer angegriffen und versenkt wurde. Keine Überlebenden.“

„Und wer hat dann von dem Angriff berichtet?“, fragte der andere Offiziersanwärter mit skeptischer Miene.

Jones grinste. Gerüchte hatte es schon immer gegeben. Jeder Soldat und jede Soldatin, ob zu Wasser oder an Land, kannte solche „zuverlässigen Quellen“. Immer war von neuen Geheimwaffen der Schniefer und von ganz geheimen Gegenwaffen aus dem Bringer die Rede. Der Bringer. Als vor zwei Generationen die Stadt von den Schniefern angegriffen wurde, da war das alte Archiv zerstört worden und ausgebrannt. Seitdem kannte niemand mehr den genauen Standort des Bringers.

Jones schenkte sich ein Glas aus der Karaffe ein. Wie viele Expeditionen waren schon zu den Kontinenten und Inseln geschickt worden, um den Bringer wiederzufinden? Die letzte Suche war jene mit seinem Urgroßvater gewesen. Doch der war auf der Rückreise verstorben und Jones hatte nie erfahren, was der alte Herr entdeckt hatte. Allerdings hielten sich hartnäckige Gerüchte, nach denen man damals den Bringer entdeckt habe. Beweise schien es dafür nicht zu geben und Jones vermutete, dass dieses Gerücht vom König verbreitet wurde, um den Menschen Mut zu machen.

Der Stoß traf Jones und die anderen unvorbereitet. Mit einem unterdrückten Aufschrei kippte Maria gegen Debris, als das Schiff sich erneut neigte. Dieses Mal jedoch sehr viel stärker.

„Shib, das war keine Windböe“, fluchte Debris. Er rappelte sich vom Boden hoch und Jones gefiel es nicht, das der Mann Maria länger festhielt, als unbedingt nötig.

Das Schiff richtete sich wieder auf und in stillem Einverständnis stürzten alle aus der Messe auf den Mittelgang.

„Was ist hier los?“, rief einer der aufgeregten Matrosen.

„Bestimmt die verdammten Schniefer“, fluchte ein anderer. Die Männer und Frauen der Besatzung hasteten zu ihren Gefechtsstationen, ohne dass ein Alarm gegeben werden musste. Jones sah Kapitän Malter aus seiner Kabine treten. Trotz der Aufregung in atemberaubender Ruhe, gerade so, wie es sich für einen Offizier gehörte. Unwillkürlich verlangsamte auch Jones seinen Schritt.

„Die Unruhe des Offiziers beunruhigt die Mannschaft“, sinnierte er halblaut.

Auf der Brücke hatte Venloe sein Fernglas vor Augen. „Nichts zu sehen“, brummte er leise.

Malter betrat die Brücke, trat ruhig neben seinen Ersten Offizier. „Was ist los, Erster?“

Venloe blickte zu einem Matrosen hinüber, der sich über die Reling beugte und ins Wasser starrte. Jones sah, dass der Mann sich durch eines der Enternetze gezwängt hatte und von einer Matrosin festgehalten wurde. Der Mann besaß Mut und hing sehr weit über die Bordwand. Jones hörte den halblauten Ruf der Frau.

„Etwas unter dem Rumpf, Kapitän. Direkt unter uns.“

„Gefällt mir nicht. Scheinen aber keine Schniefer zu sein.“ Malter überlegte. „Es ist auch nichts Hartes, sonst kämen stärkere Geräusche durch. Schätze, wir haben es mit etwas Organischem zu tun. Wir brauchen Gewissheit, Venloe.“

„Die Taucher, Kapitän?“

„Die Taucher“, bestätigte Malter. „Schicken Sie zwei Mann runter. Sie sollen nach dem Rechten sehen und sich auf nichts einlassen.“

Minuten später traten zwei der Kampftaucher an die Reling. Jones hörte ein sanftes Plätschern, als sich die dunklen Gestalten ins Meer gleiten ließen. Trotz der Nacht konnte man ihre Silhouetten im Licht der beiden Monde unter Wasser gut erkennen. Schon nach zwei Minuten kehrten die beiden zurück. Wasser tropfte auf den Boden der Brücke, als der eine von ihnen dem Kapitän Meldung machte.

„Ist ein Langwal, Kapitän. Ziemlich großer Bursche. Liegt direkt unter dem Rumpf und klopft mit seinen Tentakeln unter das Vorderschiff.“

„Brunftverhalten“, knurrte Venloe. „Der hält uns für ein paarungswilliges Weibchen.“

Jones sah, dass sich Malters Mundwinkel zu einem schwachen Lächeln verzogen. „Da werden wir ihn enttäuschen müssen. Irgendwann wird er es ja von selbst merken und sich verziehen, aber so lange können wir nicht warten.“

„Die Propeller, Kapitän“, meinte Venloe nickend.

„Richtig. Die Gefahr, dass er eines der Propellerblätter beschädigt, ist zu groß. Nun gut, erschrecken wir den Burschen ein wenig. Rudergänger, Maschine starten und Propeller in Betrieb nehmen. Zweihundert Touren rückwärts auf rechten Bug.“

„Zweihundert Touren rückwärts auf rechten Bug“, bestätigte die Frau am Steuerruder. Sie drückte einen Knopf, der den Maschinisten im Maschinenraum ein Signal gab.

Jones hörte den Knall, mit dem die Maschine zündete. Für einen kurzen Moment wurde die Brücke erhellt, als eine Funkengarbe aus dem Schornstein fuhr.

„Da werden die Schniefer sich aber freuen“, knurrte Venloe leise.

„Über defekte Propeller noch mehr“, entgegnete Malter.

Brummend fuhren die Turbinen an. Sie hörten es unter dem Heck rauschen, als die Propeller das Wasser zu peitschen begannen. Ein Ruck ging durch den Kreuzer, als sich die Blaubanner-Schwert unter dem Druck von Antrieb und Steuerruder etwas auf die Seite legte und den neuen Kurs aufnahm.

„Zweihundert Touren und rechter Bug liegen an, Kapitän“, meldete die Rudergängerin.

Die See am Heck schäumte, als das Schiff sich entgegen dem Druck der Segel plötzlich rückwärts bewegte, aber Jones erkannte, dass es keine andere Möglichkeit gab. Hätte die Schwert vorwärts beschleunigt, wäre sie über den Wal hinweggefahren und würde sich möglicherweise die Propeller beschädigen.

Ein leichter Schlag ging durch das Schiff und der Matrose, der immer noch seitwärts über der Reling hing, zog sich blitzartig an Deck zurück. „Schiff ist frei, Kapitän. Der Bulle ist ziemlich sauer.“

„Na, wer wäre nicht frustriert, wenn sich die Liebste verweigert?“, flüsterte Maria im Dunkel der Brücke.

„Maschine aus, Ruder mittschiffs auf altem Kurs“, befahl Malter.

Die Rudergängerin bestätigte. Das Brummen der Turbine und Rauschen der Antriebspropeller verstummte.

„Nachtdunkel und Ruhe“, ordnete Kapitän Malter an. „Venloe, übernehmen Sie wieder.“ Etwas leiser fügte er hinzu: „Halten Sie die Augen offen, Erster. Das eben war ziemlich auffällig, falls Schniefer in der Nähe sind.“

Venloe erwiderte etwas, das Jones nicht verstand und Malter verließ die Brücke.

„Muss ich auch frustriert sein?“, flüsterte Jones fragend in Marias Ohr.

Maria kniff leicht an eine bestimmte Stelle. „Na los, du Bulle“, erwiderte sie leise.

„Nachtdunkel und Ruhe“, rügte Venloe leise und sah zu, wie die beiden die Treppe in den Rumpf des Kreuzers hinuntergingen. Dann erlaubte er sich ein leichtes Lächeln.

Sky-Troopers 2 - Die Beutewelt

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