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2 Freundschaft im Neuen Testament 2.1 Überblick und Einführung

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In der Theologie insgesamt und auch in der neutestamentlichen Exegese wird das Thema Freundschaft eher am Rande betrachtet.1 Wie schon im Alten Testament sind Verwandtschaftsbeziehungen – man denke nur an Gott, den Vater oder die Brüder und Schwestern innerhalb der Gemeinde – und die Rede vom ‚Nächsten‘ die weitaus gebräuchlichere Terminologie. Hinzukommt, dass im Neuen Testament von den verschiedenen im griechischen Sprachgebrauch üblichen Konzepten für liebende Beziehungen die ἀγάπη bzw. die Derivate von ἀγαπᾶν die absolut dominierenden sind. Gegenüber dem eher eingeschränkten semantischen Spektrum von ἔρως und dem umfangreichen Diskurs über die φιλία war der Begriff der Begriff ἀγάπη in gewissem Sinn ‚neutraler‘ und konnte mit neuen, spezifischen Inhalten gefüllt werden. Dabei konnten sowohl zwischenmenschliche Beziehungen als auch die Beziehung zu Gott beschrieben werden.

Anders als die genannten Texte aus dem griechischen und lateinischen Sprachraum, die über die φιλία bzw. die amicitia ganze Abhandlungen verfassen, begegnet der Ausdruck Freundschaft im Neuen Testament nur an einer Stelle (Jak 4,4). In dieser geht es zudem nicht um die philosophische Diskussion dieses Begriffs. Eine Bestimmung ergibt sich höchsten indirekt, da φιλία und ἔχθρα bzw. φίλος und ἐχθρός als Gegensatzpaare verwendet werden. Gegenübergestellt werden allerdings primär die Begriffe κόσμος und θεός:

μοιχαλίδες, οὐκ οἴδατε ὅτι ἡ φιλία τοῦ κόσμου ἔχθρα τοῦ θεοῦ ἐστιν; ὃς ἐὰν οὖν βουληθῇ φίλος εἶναι τοῦ κόσμου, ἐχθρὸς τοῦ θεοῦ καθίσταται.

Ihr Ehebrecher, wisst ihr nicht, dass Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott ist? Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein.

Ebenfalls im Jakobusbrief (Jak 2,23) wird der Topos der Gottesfreundschaft Abrahams zitiert, allerdings in einem für die protestantische Theologie nicht einfachen Kontext: Abraham, der ‚Freund Gottes‘ genannt wird, wird an dieser Stelle als ein Beispiel eines aus Werken Gerechten genannt. Jürgen Moltmann hat diese Stelle im Blick, wenn er vom engeren Begriff des ‚Gottesfreundes‘ spricht und blickt demgegenüber auf johanneische Schriften, wenn er von der Erweiterung dieses Konzepts spricht:

„In classical Christianity, then, the expression ‚friend of God‘ has had two meanings. First, it was used in a narrow, exclusive sense. […] But at the same time, a broad, inclusive formulation has always been there too; that is, that through Christ’s friendship, all Christians have become friends of God.“2

Während φιλία explizit nur im Jakobusbrief genannt ist, begegnet φίλος neben dem Jakobusbrief an einigen Stellen im lukanischen Doppelwerk, im Johannesevangelium und den Johannesbriefen.3

John T. Fitzgerald,4 Luke Timothy Johnson,5 Thomas Söding6 und Ekkehard W. Stegemann7 haben in ihren Untersuchungen mit je unterschiedlichen Perspektiven instruktive Überblicke über die Relevanz des Konzepts der Freundschaft im Neuen Testament gegeben. Insbesondere Johnson macht darauf aufmerksam, dass die relativ sparsame Verwendung der Begriffe φιλία und φίλος nicht bedeuten muss, dass die entsprechenden Konzepte – sei es mit neuer Profilierung oder mit Rückgriff auf die erwähnten griechischen und lateinischen Quellen – wenig relevant waren:

„[…] the presence of common conceptions about friendship shows that friendship is a pervasive theme in the New Testament even when the term itself is not used. The themes commonly associated with friendship occur so frequently that ancient readers or hearers would have understood them within that context.“8

Das Konstatieren einer generellen expliziten oder impliziten Präsenz der Freundschaftsethik bzw. Freundschaftstopik in den neutestamentlichen Schriften lässt die jeweilige Relevanz in einzelnen Texten noch offen. Diese Beurteilung bleibt dem Blick in einzelne Schriften vorbehalten; dabei ist jeweils zu entscheiden, ob griechische Konzeptionen der φιλία vorausgesetzt, weiterentwickelt, theologisch profiliert oder kritisiert und verworfen werden. Die folgenden zwei exegetischen Skizzen greifen in diesem Sinne einzelne neutestamentliche Texte exemplarisch heraus und beleuchten das Thema ‚Freundschaft‘ vor dem intertextuellen Hintergrund griechischer, lateinischer und hebräischer Texte.

Freundschaft in den Texten und Kontexten des Neuen Testaments

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