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Kapitel 3

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Das altehrwürdige Theater erstrahlte in prunkvollem Glanz. Extra dafür aufgebaute Strahler beleuchteten die Fassade. Ein roter Teppich wies den Gästen den Weg. Ein Banner mit der Aufschrift ‚Adventskonzert der Chursächsischen Philharmonie‘ hing über dem Eingang. Kein Regen störte die Feierlichkeit. Eine große Anzahl Konzertbesucher wartete am Eingang.

Carola fror trotzdem in ihrem Abendkleid. Mit zusammengezogenen Schultern stand sie neben Silvia Schleisieck. Beiden traten auf der Stelle, um sich ein wenig aufzuwärmen. Einlass war Punkt neunzehn Uhr, das Konzert begann eine halbe Stunde später. Sie sah auf ihre Armbanduhr. Es war fünf vor sieben.

»Mensch, die sind ja hier so pünktlich wie in der Klinik«, sagte Frau Schleisieck.

»Hmh, stimmt«, antwortete Carola zähneklappernd.

Mit einem Mal öffneten sich zeitgleich die beiden schweren Flügeltüren. Zwei livrierte Herren baten die Konzertbesucher hinein.

Prompt erhob sich ein Stimmengewirr. Die Wartenden drängten sich über den roten Teppich ins Warme, um dort erneut gebremst zu werden. Von einer netten Dame, die den Gästen den Weg zur Garderobe anwies. Niemand durfte seinen Mantel mit in den Saal nehmen, trotz der Temperaturen. Carola und Silvia Schleisieck bahnten sich den Weg zur Kasse. Dort waren die Karten für sie hinterlegt. Es klappte reibungslos, fünf Minuten später standen beide Frauen im Saal und schauten sich um.

Es gab einen erbitterten Kampf zwischen den Kliniken in Bad Elster um die Vergabe der besten Plätze. Dieser Kampf war beinahe so alt wie der Kurort selbst und wurde mit einer besonderen Hingabe gepflegt. Da die Klinik ‚Sachsenglück‘ zu den ältesten am Ort zählte, hatte sie auch ein gutes Renommee. Die beiden Frauen schauten auf ihre Karten und gingen ein paar Schritte weiter, um sich zu orientieren. Ein uniformierter Platzanweiser trat zu ihnen und nahm die Karten kurz in die Hand. Dann gab er sie zurück und murmelte dienstbeflissen, die Damen sollten ihm bitte folgen. Doktor Pütz hatte vorher schon die Befürchtung geäußert, dass sie vielleicht irgendwo rechts oder links außen sitzen würden, wo die Akustik grottenschlecht sein würde. Doch ihre Befürchtungen waren unbegründet. Der Platzanweiser zeigte auf zwei Plätze in der zehnten Reihe, ziemlich mittig gelegen. Die Klinik ‚Sachsenglück‘ hatte mal wieder gewonnen und sehr gute Plätze ergattert.

»Perfekt«, entfuhr es ihr, als sie sich setzte. Silvia Schleisieck nahm rechts neben ihr Platz.

»Diese Atmosphäre. Da können moderne Bauten einfach nicht mithalten. Schauen Sie sich das an, wie herrlich.«

Mit strahlenden Augen sah sich ihre neugewonnene Bekannte um. Sie hatte zweifelsohne recht. Der Bau hatte mehr als Stil. Er hatte Geschichte. Verglichen mit modernen Häusern, in denen klassische Musik dargeboten wurde, war dieses Theater hier sicher eher klein. Klein, aber fein.

Binnen einer Viertelstunde war das König Albert Theater bis auf den letzten Platz gefüllt. Wie an solchen Orten üblich, herrschte ein gedämpftes Gemurmel. Ein paar alte Männer hasteten noch rasch zur Toilette. Mit erleichterten Gesichtern kamen sie zurück, kurz bevor die Musiker ihre Instrumente stimmten. Auf der Empore standen einige Personen und sahen ihnen dabei zu.

Sie setzten sich erst, als der Dirigent durch eine Seitentür die Bühne betreten und seine Noten auf dem Dirigentenpult abgelegt hatte. Er verbeugte sich vor dem Publikum, nachdem er sich mit einem eleganten Schwung herumgedreht hatte. Die Musiker standen erneut auf, begrüßten das Publikum und verneigten sich. Applaus brandete auf. Der Dirigent wandte sich seinem Orchester zu.

Dann wurde es still. Ein letzter Zuhörer ließ einen erstickten Huster los. Der Dirigent hob den Taktstock. Carola konnte kaum den ersten Ton abwarten.

Wehmütig klang er, ebenso auch die ganze Einleitung des Adagios.

Ohne es zu bemerken, zählte Carola die Musiker. Es fiel ihr leicht, weil sie nicht in einem Orchestergraben, sondern etwas erhöht saßen und daher gut zu sehen waren. Sie zählte zwei Flöten, zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotte sowie vier Hörner, zwei Trompeten, dazu drei Posaunen, eine Tuba, eine Pauke, eine Triangel, ein Becken und zehn Streichinstrumente.

In dieser Art von Musik konnte sie aufgehen. Es fiel ihr nicht schwer, sich fallenzulassen. Warum ihr ausgerechnet diese 9. Symphonie so eine Freude bereitete, vermochte sie nicht einmal zu sagen. Auch Dvoráks Polowetzer Tänzer gefielen ihr sehr. Doch nur diese spezielle Orchestrierung hatte es ihr besonders angetan. Es kam ihr beinahe so vor, als hätte Dvorák ihr die Noten aus der Seele entwendet.

Zwischen dem zweiten und dem dritten Satz gab es eine Pause. Carola erwachte wie aus einem Tagtraum, als im Saal plötzlich das Licht eingeschaltet wurde. Sie hätte die Pause später erwartet, nach der Symphonie, zwischen den beiden Komponisten. Denn danach spielte das Orchester ein weiteres Stück. Ein modernes Stück von Kodály, das ihr nicht geläufig war.

»Ungewöhnlich, jetzt eine Pause zu machen«, empfand auch Frau Schleisieck. Das Gemurmel im Saal schwoll an. Sie sahen sich um. Einige standen auf, um sich die Beine zu vertreten, andere gingen ins Foyer.

»Gehen wir auch?«

»Warum nicht. Gefällt es Ihnen?«, fragte Carola.

»Sehr schön. Ich genieße es. Es war eine hervorragende Idee, Sie zu begleiten, Frau Doktor Pütz«, sagte sie.

Als sie im Foyer ankamen, war dieses bereits gut besucht. Ein Kellner reichte ein Glas Sekt.

»Auf diesen schönen Abend«, prostete Carola ihrem Gegenüber zu. Diese hob ebenfalls ihr Glas.

»Auf diesen vielversprechenden Abend. Ich finde es interessant, wie viele kultivierte Menschen man an einem solchen Ort trifft. Ich hatte keinerlei Erwartungen an Bad Elster, als ich erfuhr, dass ich hier meinen Kuraufenthalt verbringen würde. Der Name klingt wie aus einem Roman. Und jetzt stehen wir hier.«

»Ja«, sagte Carola lachend, »mir ging es ähnlich. Der Ort nimmt einen mit seinem Charme gefangen.«

Etwas drang an ihr Ohr. Fremd und doch ein wenig vertraut. Der Schweizer Dialekt, den sie schon einmal gehört hatte. Sie sah sich um, tatsächlich, keine drei Meter entfernt stand der Mann, der ihr am Nachmittag in der Albert Quelle begegnet war. Er unterhielt sich angeregt. Silvia Schleisieck fing ihren Blick auf.

»Sie haben einen vortrefflichen Geschmack. Nicht meine Altersklasse, aber sehr attraktiv.« Sie schmunzelte.

Carola fühlte sich ertappt. »Entschuldigung.«

»Wofür? Wir sind doch hier, um uns zu amüsieren.«

Sie antwortete mit einem verlegenen Lächeln. Wieder schaute sie zu dem Fremden herüber. Diesmal bemerkte er ihren Blick. Die Fältchen um seine Augen vereinigten sich zu einem Lächeln. Sekunden später machten auch die Muskeln um den Mund mit. Er hatte sie erkannt und legte die Hand auf die Schulter seines Begleiters. Carola schaute ihn nun unverwandt an. Sie fand, er hatte etwas Aristokratisches an sich. Die graumelierten Haare, das kleine Bärtchen am Kinn. Ein attraktiver Mann. Die Fliege, die er zu einem schwarzen Anzug trug, stand keck ab.

Wieso auch immer, sie stellte sich vor, er trüge einen Schottenrock und musste lachen. Wie kam sie auf so eine blöde Idee? Mit einem Seitenblick erhaschte er noch so eben ihr Lachen. Er reichte dem Mann zum Abschied die Hand.

»Der Mann kommt rüber«, sagte Silvia Schleisieck und drehte sich in Carolas Blickfeld. Sie sollte recht behalten. Mit einer eleganten Bewegung wich der Mann einem Kellner mit einem gefüllten Tablett aus. Sechs Schritte zählte Carola.

Mit einem Lächeln stand er vor ihnen.

»Ich hoffe, ich bin nicht der Grund für Ihr Amüsement«, sagte er.

Dieser Akzent.

»Nein, bestimmt nicht«, log sie.

Glaubte er ihr?

»Darf ich mich Ihnen vorstellen? Mein Name ist Reto Winterhalter, ich komme aus Basel in der Schweiz.« Frau Schleisieck hielt ihm ihre Hand hin. Zu ihrer Verwunderung ergriff er sie und deutete einen Handkuss an.

»Sehr angenehm, Silvia Schleisieck«, antwortete sie sichtlich überrascht. Dann wandte er sich Carola zu. Wieder ein Handkuss. Dabei versuchte er, ihren Blick zu erhaschen. Sein herausfordernder Blick ärgerte sie ein wenig und verunsicherte sie obendrein.

Daher vergaß sie total, sich vorzustellen.

»Sehr angenehm, Carola Pütz, ich komme aus Frankfurt«, erwiderte sie mit einer Verspätung von ein paar Sekunden, die ihre innere Verwirrung offenbarte.

Bemerkte er das etwa?

»Das Konzert ist fantastisch«, sagte er nonchalant, »Was denken die Damen?«

»Ja, fantastisch.«

Ihr fiel nichts anderes ein, als das Wort wie ein Papagei zu wiederholen. Es ärgerte sie, dass sie sich benahm wie ein schüchterner Teenager.

»Sind Sie auch Kurgast im Ort?«, fragte Silvia Schleisieck interessiert.

»Nein«, antwortete er mit einem dunklen Unterton in der Stimme, der nicht zu seinem Gehabe passen wollte, »Ich bin beruflich hier. Leider.«

Carola sah ihre Chance, etwas Schlaues zu sagen. »Seien Sie froh, folglich müssen Sie auch keine Krankheit auskurieren.«

Er lachte. »Da haben Sie recht. Wenn ich das bemerken darf, Sie sehen auch beide nicht so aus. Das meine ich als Kompliment.«

Eine kleine Glocke erklang dreimal, das Zeichen, sich wieder auf die Plätze zu begeben.

»Sehen wir uns in der nächsten Pause?«, fragte er.

Nach einem schnellen Seitenblick auf Carola antwortete Frau Schleisieck: »Gerne.«

Durch die nächste Tür gingen sie noch gemeinsam, dann verschwand Reto Winterhalter in den hinteren Teil des Theaters.

»Sehr charmant, dieser Schweizer. Und verdammt gut aussehend.«

»Das weiß er aber auch«, antwortete Carola.

»Ich mag selbstbewusste Männer. Waschlappen gibt es genug auf der Welt.«

Carola hatte das Gefühl, etwas entgegnen zu müssen, ließ es aber sein.

Warum war das so?

Sie kam nicht dazu, weiter darüber nachzudenken, denn der dritte Satz begann mit dem Scherzo. Sofort nahm Dvorák sie mit seiner Musik gefangen, und sie vergaß den Schweizer Charmeur für ein paar Minuten.

*

Einen Moment lang zögerte Carola. Reto Winterhalter hatte sie für den nächsten Tag auf einen Kaffee eingeladen. Sie standen bereits im Foyer des Theaters. Silvia Schleisieck hatte sich entschuldigt und war auf die Toilette gegangen. Er nutzte die Gelegenheit, sie alleine sprechen zu können.

Sie befand sich in Zwiesprache mit sich selbst. Auf ihrer Schulter saßen ein Engelchen und ein Teufelchen. Jedes flüsterte ihr etwas anderes ins Ohr.

Das eine flüsterte ihr zu: »Pass auf!« Das andere sagte: »Was ist denn dabei?«

Einem spontanen Entschluss folgend, ließ sie alle Vorsicht fahren. Was gab es gegen einen harmlosen Kaffee einzuwenden?

»Ja, gerne.«

Ein flüchtiges Lächeln flog über seine Lippen.

»Wie schön. Darf ich Sie nach Hause begleiten? Dann weiß ich auch, wo ich Sie morgen abholen kann«, sagte er.

»Kennen Sie die Kurklinik ‚Sachsenglück‘?«

»Sicher, die liegt in der Nähe meiner Pension«, antwortete er und zupfte an seinem Schal.

»Ach ja? Darf ich fragen, was Sie beruflich machen, Herr Winterhalter?«

»Ich bin Journalist«, sagte er, »Aber ich möchte Sie nicht mit Details aus meinem Leben langweilen.«

»Keine Angst. Wenn das passiert, sage ich es sofort«, versprach sie kokett und wunderte sich über sich selbst.

Silvia Schleisieck gesellte sich zu Ihnen. Als sie kurze Zeit später durch die Tür ins Freie traten, sprang ihnen die Kälte förmlich ins Gesicht. Die zusätzlichen Strahler waren bereits erloschen, Arbeiter beeilten sich und rollten den roten Teppich zusammen. Sie gingen seitlich die Treppe hinunter, um die Arbeiten nicht zu stören.

»Uuh, wie ungemütlich«, sagte Silvia Schleisieck und zog ihren Kragen hoch.

»Ich hoffe, niemand hat etwas dagegen, wenn wir uns beeilen.«

»Nein, sicher nicht«, bestätigte Carola.

Es kam ihr so vor, als hätte Reto Winterhalter ein liebenswürdiges Dauergrinsen aufgelegt. Freundlich, aber trotzdem reserviert, seitdem sie ihn auf seinen Beruf angesprochen hatte. Sie konnte sich täuschen, aber es kam ihr so vor. Unterwegs begegneten ihnen viele Gäste des Konzerts, Taxis fuhren an ihnen vorbei. Sie unterhielten sich auf dem Weg nur über belanglose Dinge. Vom Theater bis zur Klinik brauchte man ungefähr fünf Minuten, wenn man sich beeilte.

Vor der Auffahrt zur Klinik standen mehrere Menschen und schauten hinauf zum Eingang. Durch die angeregte Unterhaltung fiel es ihnen erst auf, als sie dort ankamen.

Carola erkannte die Blaulichter der Einsatzfahrzeuge als Erste.

»Oh je, das sieht nach einem erneuten Diebstahl aus. Sonst wäre wohl die Polizei nicht dort«, sagte sie.

Doch dann erkannte sie einen Rettungswagen und einen Notarztwagen, die vor dem Eingang der Klinik parkten. Trotz der späten Stunde herrschte reichlich Betrieb. Kurgäste, nur mit Morgenmänteln und Hausschuhen bekleidet, standen vor dem Eingang.

Sofort wich ihre gelöste Stimmung einer gespannten Erwartung. Sie hatte lange Zeit als Gerichtsmedizinerin gearbeitet, bevor sie sich der plastischen Forensik zugewandt hatte. Daher kannte sie die gedrückte Gemütslage, die herrschte, wenn man sich einem Tatort näherte.

»Diebstahl?«, fragte Reto Winterhalter.

»Ja, es gab einen Diebstahl vor einigen Tagen. Aber wenn Notfallmediziner vor Ort sind, ist es sicher etwas anderes«, antwortete Carola. Eine unerfreuliche Vorahnung breitete sich in ihr aus.

Näherten sie sich einem Tatort?

Der Kies knirschte unter ihren Schuhen, als sie auf das Gebäude zugingen.

Die kreisenden Blaulichter der Rettungsfahrzeuge unterlegten die Szenerie mit einer düsteren Stimmung.

Carola bemerkte nicht, dass sie den Arm von Reto Winterhalter ergriff, als sie die Treppenstufen hinaufgingen. Was sie jedoch registrierte, war, dass ihr Puls langsam anstieg. Nicht besorgniserregend, aber spürbar. Die Leute in den Bademänteln tuschelten miteinander. Carola bekam nur Gesprächsfetzen mit.

Sie hörte das Wort ‚Tote‘ und man sprach vom Hallenbad. Winterhalter öffnete die Tür und ließ den Frauen galant den Vortritt.

Vor der Rezeption drängten sich die Hausgäste. Links vor dem Durchgang zur Schwimmhalle stand ein Polizist und wies Neugierige ab. Frau Schleisieck drehte sich um und deutete an, dass sie sich an der Rezeption erkundigen wollte.

Carola wollte auf sie warten, doch Reto Winterhalter zog sie in Richtung Hallenbad, bis sie vor dem Polizisten standen.

»Ist die Presse zugelassen?«, fragte er den unerfahren wirkenden Beamten und hielt ihm seinen Presseausweis vor die Nase. Der Polizist kontrollierte ihn und gab den Weg frei.

Carola schaute Reto Winterhalter fragend an. Doch der grinste nur schelmisch und sagte: »Wenn ihm der Schweizer Presseausweis ausreicht, was soll ich sagen?«

Sie schmunzelte über seine Unverfrorenheit, obwohl ihr nicht nach Scherzen zumute war.

Langsam gingen sie weiter, vorbei an dem Büro von Ferner, bis sie an der Decke des Ganges bereits die Reflexionen des Wassers sehen konnten.

Der Pulsschlag stieg. Nach rechts öffnete sich der Gang und daran schloss sich eine kleine Treppe an, über die man den ornamentierten Fliesenbelag der Halle betrat. Doch für die kunstvoll verlegten Fliesen hatte sie keinen Blick. Der haftete auf dem im Wasser treibenden Körper, den jemand gerade versuchte, an den Beckenrand zu schieben. Der Polizeibeamte musste schwimmen, da der Körper im tiefen Wasser trieb. Ein weiterer Polizist hantierte ungeschickt mit einer Stange vom Beckenrand aus.

Pulsschlag: Tendenz weiter steigend. Doch sie bemerkte es nicht. Ihre Zählmacke arbeitete, ohne Schaden anzurichten, im Offline-Modus. Schnell und präzise.

Ihr war das Schwimmbad vom Samstag her bekannt, doch hatte es jetzt etwas Fremdes, Bedrohliches. Durch die mit Jugendstilblüten verzierten Fenster fiel kein Licht.

Im Gegenteil, wie durch finstere Höhleneingänge glotzte die Dunkelheit herein. Alle Strahler in der Halle schienen in Betrieb zu sein und beleuchteten sie mehr als taghell. Dennoch blieb die Stimmung düster.

Sie bemerkte, wie ihr Blick durch den gesamten Raum flog, ein Detail hier und ein Detail dort aufnahm.

Die Leiche weiblich und nackt.

Carola sah am Beckenrand und im Wasser keine Kleidung. Nur die Uniform des Polizisten lag auf einem Haufen neben einer Leiter, die ins Wasser führte.

Kein Badeanzug, Bikini oder Badetuch.

Keine Schuhe oder Sandalen.

Sie hob ihren Kopf und ließ den Blick wandern.

Alle Fenster verschlossen.

Alle Türen geschlossen.

Am Beckenrand, etwa zehn Meter entfernt, bemerkte sie Wasserpfützen. Hatte diese Spuren jemand hinterlassen, als er aus dem Wasser kletterte?

Die Spuren endeten vor einer Tür am hinteren Ende der Halle.

Carola wettete, dass man auch dahinter noch nasse Fußabdrücke finden würde.

Ein Fluchtweg. Der Weg des Mörders?

Der Körper wurde aus dem Becken gezogen und auf ein Handtuch der Notärzte gelegt. Carola Pütz kletterte die drei Stufen hinunter und ging mit festem Schritt zu der Leiche hinüber. Mit betroffenen Gesichtern standen drei Polizisten und der Notarzt neben der Toten. Der Beamte, der die Tote aus dem Wasser geholt hatte, kletterte heraus und trocknete sich ab.

Vor Carola lag eine junge Frau, noch keine zwanzig Jahre alt. Blondes Haar ruhte wie Seetang auf dem Handtuch und auf ihren Schultern. Schlank war sie, eine beinahe knabenhafte Figur. Ihre Augen starrten an die hellblau gestrichene Decke.

War diese Decke das Letzte, was sie gesehen hatte?

Wie war diese Frau hierher gelangt? Sie schaute wie gebannt auf die Tote. Dunkle Einblutungen an ihrer Kehle schienen auf einen Tod durch Erwürgen hinzudeuten. Was Carola außerdem noch wahrnahm, ließ sie erschaudern. Der Vaginalbereich der Frau schien ebenso blutunterlaufen. Vor ihren Tod hatte man ihr massiv Gewalt angetan. Eine Vergewaltigung erschien mehr als wahrscheinlich, sie würde die Tote auf jeden Fall auf Sperma untersuchen.

»Was haben Sie denn hier zu suchen?«, fragte einer der Beamten, der nun auf Carola und Herrn Winterhalter aufmerksam geworden war.

»Ich bin von der Presse, man hat uns durchgelassen«, sagte Winterhalter cool.

»Ausweis«, herrschte ihn der Beamte an.

Winterhalter zückte seinen Presseausweis.

»Aus der Schweiz?«

»Ja, was dagegen?«, fragte Winterhalter frech und nahm dem Beamten den Ausweis aus der Hand.

»Ich weiß nicht, was ein Schweizer Pressemann hier zu suchen hat«, sagte der Beamte leicht irritiert.

Reto Winterhalter beugte sich leicht nach vorne, denn der Beamte war einen Kopf kleiner als er. »Auch wenn Sie es nicht glauben, auch in der Schweiz interessiert man sich für Mordfälle. Vor allem, wenn sie in mondänen Kurorten geschehen.«

Der Dialekt.

Carola kam es so vor, als setzte er ihn in diesem Moment gezielt als Waffe gegen die scheinbare Begriffsstutzigkeit dieses Beamten ein.

»Mord? Wer spricht hier von Mord? Wir haben bisher nur eine Tote im Pool. Niemand redet von einem Mord.« Als hätte er sich vor seinen eigenen Worten erschrocken, blickte er sich unsicher um.

Wenn solche Pfeifen in dem Fall ermitteln, spricht auch niemand von einem Mord, weil sie zu unbedarft sind, ihn zu erkennen.

»Wer leitet denn hier die Ermittlung?«, fragte Carola.

»Darf ich mal fragen, wer Sie sind? Auch Presse? Vielleicht aus Österreich?«

Er grinste, weil er seine Worte für witzig hielt.

»Nein, keine Presse. Tut mir leid, Sie da enttäuschen zu müssen. Mein Name ist Dr. Carola Pütz aus Deutschland. Ich bin Gerichtsmedizinerin und plastische Forensikerin an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt. Wer leitet die Ermittlungen?«

Dem Polizisten blieb der Mund offen stehen. Das Grinsen war verschwunden. Reto Winterhalter allerdings grinste in sein kleines Bärtchen. Jetzt also hatte seine Begleiterin ihr Inkognito aufgegeben. Gerichtsmedizinerin. Welcher Beruf passte besser? Keiner.

»Der Kommissar und sein Team sind noch nicht eingetroffen. Es kann eine Weile dauern, bis sie aus Plauen hier vor Ort eintreffen«, sagte der Mann recht kleinlaut.

Carola konnte nicht länger an sich halten. »Und in der Zeit zerstören sie hier wie eine Herde Elefanten alle Tatortspuren. Na toll, wo haben Sie denn Ihre Ausbildung gemacht? Im Hühnerstall?«

»Tatortspuren?«, fragte der Beamte. Er hatte die Beleidigung entweder nicht verstanden oder einfach überhört.

»Ja, Tatortspuren. So etwas nennt man zum Beispiel Tatortspuren«, sagte sie und zeigte auf die kleinen Wasserpfützen, die bis zu der Tür in der Ecke führten.

Der Beamte schaute in die Richtung, in die Carola mit ihrer rechten Hand zeigte.

»Die haben wir noch nicht bemerkt«, gab der Mann beschämt zu.

Carola kam in Fahrt. »Das denke ich mir. Lag die Tote auf dem Bauch oder auf dem Rücken im Wasser?«

»Auf dem Rücken«, antwortete der Beamte behäbig.

»Aha, das lässt darauf schließen, dass der Täter oder derjenige, der die Tote ins Becken gelegt hat, eine Beziehung zu seinem Opfer hatte. Er wollte ihr noch einmal in die Augen schauen. Hätte man sie auf dem Bauch liegend vorgefunden, könnte man davon ausgehen, dass er sie einfach entsorgt hat; sie ins Wasser warf. Aber dagegen sprechen auch die Wasserspuren am Beckenrand. Der Täter ist zusammen mit dem Opfer hineingestiegen und ist später erst wieder herausgeklettert. Wenn Sie den Spuren hinter dieser Tür dort folgen, können Sie Ihren Kommissar enorm beeindrucken, weil sie bereits wissen, wohin der Täter geflohen ist. Und sperren Sie alles hier ab. Ist nur ein gutgemeinter Rat von mir.«

Man sah dem Mann die Überraschung an, doch nach einer Sekunde des Nachdenkens reagierte er, schrie quer durch die Halle zu seinem Kollegen: »Wir müssen hier absperren. Der Mörder ist sicher durch diese Tür dort geflohen.«

Er fuchtelte mit seinem rechten Arm in der Luft herum und zeigte auf die besagte Tür. Der angesprochene Beamte verstand überhaupt nichts und der, der ihn angesprochen hatte, spurtete zu ihm hinüber, um ihm sein Wissen vorzutragen.

»Ich bin beeindruckt, Frau Doktor Carola Pütz. So etwas lernt man als Gerichtsmedizinerin? Ich dachte immer nur, das wäre: Leiche auf, die Todesursache suchen und Leiche wieder zu.« Winterhalter machte eine kleine, elegante Verbeugung vor Carola Pütz.

Sie fühlte sich geschmeichelt und gleichzeitig amüsiert durch die beiden niedlichen schweizerischen ‘ch‘ in dem Wort Leiche. Dennoch, so oder so wollte diese kleine Neckerei nicht zur Situation passen.

»Nein, das lernt man in langen Jahren als Ermittlerin am Tatort. Ein Toter gibt seine Geheimnisse viel schwerer preis. Naja, manchmal jedenfalls.«

»Was denken Sie? Ist sie ermordet worden?«

Diese Frage stellte er hoffentlich rhetorisch. Jeder konnte sehen, dass die Frau keines natürlichen Todes gestorben war. Selbst Ertrinken schied mit den immensen Würgemalen am Hals als Todesursache aus. Mit Sicherheit war Winterhalter nur scharf auf eine weitere Kostprobe ihres gerichtsmedizinischen Könnens. Sie wollte sie ihm gewähren.

Carola ließ ihren Blick über die nackte Tote gleiten. Sie kniete sich neben das Handtuch. Ihre Hose saugte sich sofort voll mit Wasser, sie bemerkte es nicht. Jetzt war Carola in ihrem Element. Aus ihrer Manteltasche zog sie ein Päckchen Taschentücher, entnahm zwei und steckte das Päckchen wieder zurück. Mit einem geschickt gehaltenen Taschentuch in jeder Hand tastete sie den Hals der Toten ab, drehte ihren Nacken, hob den linken Arm an, schaute in die Ellenbeuge. Besonderes Augenmerk legte sie auf die Handgelenke und die Fingernägel.

Sie rutschte ein bisschen nach unten auf dem Badetuch, hob mit der Hand behutsam den linken Schenkel der Frau an und drehte ihn ein wenig zur Seite. Sie fand bestätigt, was sie bereits geahnt hatte. Die Vagina und vermutlich auch der Anus der Toten wiesen massive Verletzungen auf, die nur von einer Vergewaltigung herrühren konnten. Beinahe hätte sie aus Gewohnheit angefangen, ihre Ergebnisse in ein nicht vorhandenes Mikrofon zu sprechen. Sie ließ das Bein behutsam auf den Boden gleiten und stand wieder auf.

Carola hob den Kopf und steckte ganz in Gedanken die nassen Tücher in ihre Manteltasche.

»Die Frau wurde erwürgt. Mit bloßen Händen. Bei so einer zarten Person braucht man dafür nicht viel Kraft. Sie hat sich gegen ihren Angreifer gewehrt, das verraten die Abwehrverletzungen an den Armen. Trotzdem ist sie vergewaltigt worden, sogar mehrfach«, sagte sie und den letzten Halbsatz flüsterte sie beinahe.

»Das ist fast noch ein Kind«, sagte Winterhalter mit teilnahmsvoller Stimme.

Seine Miene war versteinert, keine Spur mehr von der Leichtigkeit.

»Sie ist fast noch ein Kind. Ein Kind, das aber einen Ring getragen hat, den man ihm abgenommen hat«, verbesserte Pütz.

»Weil er etwas verraten würde?«

»Wahrscheinlich«, antwortete sie nickend, »Wie viele tote Kinder haben sie in Ihrem Leben schon gesehen?«

In diesem Moment wurde es laut in dem Gang hinter ihnen, deshalb blieb er ihr die Antwort auf diese Frage schuldig.

Der Kommissar und sein Team schienen angekommen zu sein. Tatsächlich schob sich in dem Moment ein breitschultriger Mittvierziger die kleine Treppe herunter. In seinem Schlepptau befanden sich drei weiß gekleidete Tatortermittler.

»Was haben die Zivilisten hier zu schaffen?«, näselte er mit einem unüberhörbaren sächsischen Akzent. Er bekam keine Antwort, da die Beamten sich mittlerweile auf der anderen Seite des Schwimmbeckens der Tür näherten, dorthin, wo die Wasserspuren hinführten.

Der Mann drehte sich kurz zu den Beamten um, schüttelte den Kopf und bedeutete den Tatortermittlern, sich sofort um die Tote zu kümmern.

»Darf ich Sie bitten zu gehen. Ich sehe keine Notwendigkeit für Ihre Anwesenheit, oder täusche ich mich da? Wer sind Sie?«

Carola musterte den Mann, der vor ihnen zum Stehen kam.

»Guten Tag, Herr Kommissar. Welche Frage darf ich denn zuerst beantworten?«, fragte Carola Pütz und reichte dem Mann die Hand.

»Fangen wir doch mit Ihrem Namen an«, antwortete er und warf auch Winterhalter einen Blick zu.

»Mein Name ist Carola Pütz, ich bin Gerichtsmedizinerin«, war ihre knappe Antwort.

Er blickte sie erstaunt an. »Gerichtsmedizinerin? Ich bin über keine neue Kollegin informiert. Woher kommen Sie?«

»Ich bin per Zufall hier. Zurzeit bin ich Patientin hier in der Klinik.«

Als der Kommissar das Wort Patientin hörte, veränderte sich sein Gesichtsausdruck.

»Dann haben Sie hier am Tatort nichts verloren. Darf ich Sie bitten zu gehen? Sie behindern sonst eine polizeiliche Ermittlung.«

»Wann kommt denn Ihre gerichtsmedizinische Unterstützung?«, fragte Carola trotzig.

»Das kann ich Ihnen noch nicht sagen. Außerdem geht es Sie nichts an. Bitte verlassen Sie jetzt meinen Tatort, Frau Doktor.« Seine Geste war unmissverständlich.

»Wie Sie wollen, Herr Kommissar. Ich hätte Ihnen gerne meine Unterstützung angeboten. Aber wenn Sie nicht wollen, bitte.«

Ihre Stimme klang besorgt. Warum auch immer, Carola hatte das Gefühl, dass dieser Kommissar nicht an der Aufklärung interessiert war. Wieso man auch immer auf solch eine Idee kommen konnte. Vielleicht, weil sie niemandem voll und ganz vertraute. Wenn sie eine Arbeit selbst erledigte, war sie sicher, alles bedacht zu haben. Dieses Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens hatte sie nicht bei vielen. Wenn sie ehrlich war, bei niemandem.

»Lassen Sie uns gehen, bitte«, sagte sie zu Reto Winterhalter und man hörte ihr noch immer die Erregung an. Ohne einen Gruß ließ sie den Kommissar, dessen Namen sie nicht einmal erfragt hatte, stehen und ging in Richtung der Treppe davon.

Vor ihren Augen tanzten plötzlich schwarze Punkte. Ihr wurde schwindelig, sie hielt sich am Geländer fest. Winterhalter bemerkte es und stützte sie.

»Was haben Sie denn?«, fragte er und klang dabei aufrichtig besorgt.

»Es ist nichts, nur die Luft hier drin ist nicht gut.«

»Aha, also die Luft. Warum sind Sie eigentlich in der Klinik?«, erkundigte er sich.

Carola überlegte kurz, ihn anzulügen, doch dann sagte sie: »Ich hatte einen Herzinfarkt.«

»Ach du«, sagte er und schlug sich mit der flachen Hand leicht vor die Stirn, »Und ich Idiot schleppe Sie auch noch hier herein. Kommen Sie, ich bitte vielmals um Entschuldigung, Frau Doktor.«

Seine Bestürzung schien nicht gespielt zu sein.

»Ist schon gut«, sagte Carola, nachdem ihr Winterhalter die Eingangstür aufgehalten hatte und sie die frische Luft in ihre Lungen sog.

»Nein, bei Gott. So ist es bei uns Presseleuten. Wenn sie etwas wittern, gehen sie drauf los.«

Carola lächelte. »Bei uns Tatortermittlern ist es auch nicht anders. Neugier ist berufsbedingt.«

Es herrschte Aufregung in der Eingangshalle der Klinik. Sie und Winterhalter besaßen einen Informationsvorsprung, den sie nicht mit den Kurgästen vor der Tür teilen wollten. Die Leute ahnten bereits etwas und starrten zu ihnen herüber. Bevor sie anfingen, sie mit Fragen zu löchern, flüchteten Carola und Winterhalter in den Kurpark.

Die Chursächsischen Winterträume fanden ein jähes Ende.

*

Gegen halb zwei in der Nacht fuhr der Leichenwagen langsam die Auffahrt hinunter, nur zwei Menschen wurden Zeuge. Die Polizei versiegelte den Tatort, eine Gerichtsmedizinerin erschien nicht vor Ort. Carola schimpfte über die schludrige Arbeit der Behörde.

»Sie bekommt jetzt die Kleine auf den Leichentisch und hat keine Ahnung, wie es am Tatort aussieht«, sagte sie aufgebracht.

»Ist es denn nicht meist so?«

»Ja, leider ist es so. Wir haben viel zu wenig hervorragende Gerichtsmediziner in Deutschland. Und die wenigen richtig Guten sind überlastet.«

»Es ist bei uns in der Schweiz auch nicht anders«, sagte Winterhalter. Langsam rollte der letzte Polizeiwagen an ihnen vorbei. Darin saß der Beamte, der sie befragt hatte, er nahm keinerlei Notiz von ihnen. Als die letzten roten Rückleuchten der Fahrzeuge aus der Einfahrt verschwunden waren, drehte sich Carola zu ihm herum.

»Es tut mir leid, aber ich bin hundemüde. Wenn Sie wollen, treffen wir uns morgen nachmittag auf einen Kaffee. Ich würde gern mehr über Ihren Beruf erfahren. Bis jetzt klingt es sehr vielversprechend.«

Winterhalter nickte.

Sie zückte ihr Smartphone und er diktierte ihr seine Nummer.

Carola wählte kurz durch, sodass auch er ihre Nummer erhielt.

Sie verabschiedeten sich mit einem Händedruck. Hinter der Eingangstüre sah sie ihm heimlich nach, bis sich seine Gestalt in der Dunkelheit verlor.

Wie sehr hatte sich die junge Frau gegen ihr Schicksal gewehrt? Der Gedanke kreiste in ihrem Kopf. Hin und her. Die halbe Nacht, genauer gesagt die zweite Hälfte der Nacht. Die erste Hälfte hatte sie mit Reto Winterhalter im Klinikpark zugebracht.

Reto.

Was für ein Name. Der wird vermutlich nur in der Schweiz vergeben. Mit einem Lächeln dachte sie an den Dialekt. Er gefiel ihr, aber nicht nur der Dialekt. Dieser Mann hatte Eindruck auf sie gemacht.

Sie kannten sich erst kurz und doch ermittelten sie bereits zusammen. Oder wie auch immer man das Vorgehen im Schwimmbad nennen wollte. Winterhalter war eine charismatische Person.

Auch die Thematik, die er skizzenhaft angerissen hatte, fand ihre volle Aufmerksamkeit. Er recherchierte im Auftrag seiner Zeitung an der Grenze zur Tschechischen Republik, aus diesem Grund hielt er sich hier auf. Details seiner Recherche hatte er ihr allerdings verschwiegen.

Er wollte sie beim Kaffee am Nachmittag einweihen. Sie verbuchte es als Beweis seines Vertrauens.

Sie freute sich auf das Treffen, aber sie hatte auch Angst vor der Gewissheit. Ein Mann wie er würde sicher nicht aus der Schweiz anreisen, um über eine Nichtigkeit zu berichten. Nicht einmal eine kleine Andeutung hatte er gemacht.

Kurz bevor sie sich verabschiedeten, hatte er nur noch ihre Frage beantwortet.

»Nein, ich habe noch kein totes Kind gesehen. Aber schon einige, die lieber tot wären«, hatte er gesagt. Danach hatte er beharrlich geschwiegen. Was hatte er damit gemeint?

Mit dieser Frage im Kopf schlief sie endlich ein.

Carola Pütz - Verlorene Seelen

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