Читать книгу Ohne dich - Michaela Santowski - Страница 7

Zuhause

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Das gute Gefühl war allerdings am nächsten Morgen wie weggeblasen.

„Oh Gott, Sven. Was war das denn für ein Schnaps? Ich habe so einen Kater das nicht mal Kopfschmerztabletten helfen werden. Und irgendwie habe ich das Gefühl als hätte ich eine Wolldecke im Mund.“

„Dann bin ich ja erleichtert, dass es dir auch nicht besser geht. Allerdings kann ich dir wenigstens die Schuld daran geben. Möchtest du Brötchen zum Frühstück?“

Bea gab Würggeräusche von sich.

„Aber Kaffee nimmst du doch?“

„Ungefähr fünf Liter hätte ich gerne.“

„Gut. Ich koche Kaffee und du fütterst Lucky.“

Bea zeigte ihm einen Vogel. „Von wegen. Oder glaubst du ich bücke mich freiwillig, um an sein Schälchen zu kommen? Ich koche Kaffee und du kümmerst dich um deinen verfressenen Kater.“

Sven murmelte irgendetwas vor sich hin, das sie nicht verstand und holte das Katzenfutter raus.

„Ich muss ihm dringend beibringen, sich selber zu füttern.“

„Hast du Aspirin im Haus?“ fragte Bea.

„Ich glaube nicht“, antwortete Sven, während er sich mühevoll nach Luckys Schälchen bückte.

Bea ging aufs Telefon zu.

„Wen willst du denn jetzt anrufen?“

„Den Notarzt, damit der mit Aspirin vorbeikommt.“

„Nicht, schon gut. Ich habe noch welches. Es liegt nur ganz unten im Schrank.“

„Sven! Wo ist denn da die Logik ein Kopfschmerzmittel ganz unten im Schrank aufzubewahren, wenn man sich bei Kopfschmerzen nicht bücken kann?“

Sven sparte sich einen Kommentar und holte die Tabletten hervor, während Bea Kaffee kochte.

Ungefähr eine Stunde später ging es den beiden zumindest etwas besser.

„Meinst du, du bist schon in der Lage die Wohnung zu verlassen und mit mir was essen zu gehen?“ fragte Sven.

„Ich denke schon. Die Tabletten haben anscheinend doch ein wenig geholfen.“

„Gut. Da es bereits 15 Uhr ist, bleibt nur die Pizzeria an der Ecke. Die hat durchgehend geöffnet.“

Bea nickte.

Gegen Abend, als Bea fahren wollte, bedankte sie sich noch mal bei Sven, dass er für sie dagewesen war, obwohl er doch eigentlich ins Kino hatte gehen wollen. Sven, der bei Bea immer auf alles gefasst war, winkte ab. Bis auf die Kopfschmerzen hatte er die zwei Tage genossen, auch wenn ihm Beas Kummer sehr leid tat.

Bea hupte noch mal zum Abschied und reihte sich dann in den Verkehr ein.

„Ah, Moment. Ich glaube sie kommt eben nach Hause“, hörte Bea Susannes Stimme als sie die Tür aufschloss. Es war bereits 21.30 Uhr, sodass auch Susi wieder zuhause war.

„Bea. Telefon.“

Bea verdrehte genervt die Augen. Sie war noch nicht mal ganz in der Wohnung. „Sag, ich rufe zurück. Ich muss erst mal ankommen.“

„Patrick, sie ruft dich zurück.“

In dem Moment hörten Susi und Tanja, die ebenfalls im Wohnzimmer war, einen Knall, der von dem Koffer herrührte, den Bea fallen ließ. Eine Zehntelsekunde später riss sie Susanne den Hörer aus der Hand.

„Hallo?“ rief sie atemlos in den Hörer.

„Hallo, Beatrix. Schön, dass ich dich doch noch erreiche“, hörte sie seine ruhige Stimme durchs Telefon.

Susanne und Tanja schauten sich ratlos an.

„Ich habe nämlich um 16 Uhr einen Termin und du hättest mich gar nicht zurückrufen können“, erklärte Patrick.

„Du rufst aus Chicago an?“ Bea biss sich auf die Zunge. Was für eine blöde Frage. Wo sollte er denn sonst sein?!

Susanne flüsterte Tanja fragend zu: „Chicago?“ Diese zuckte die Schultern.

„Ja. Ich wollte nur hören, ob du einen angenehmen Rückflug hattest?“

„Es war viel zu tun. Die Maschine war ausgebucht. Aber das ist angenehmer als nur rumzusitzen.“

„Ich hoffe, du hattest nicht wieder einen so netten Passagier wie mich an Bord?“

„Doch. Hatte ich. Deswegen komme ich auch erst jetzt nach Hause. Ich habe ihm noch Frankfurt bei Nacht gezeigt“, sagte sie lachend. „Nein, im Ernst: noch so einen charmanten Fluggast kann es doch gar nicht geben.“

Susanne und Tanja starrten Beatrix mittlerweile unverhohlen an.

„Dann bin ich ja beruhigt.“ Bea hörte sein angenehmes dunkles Lachen durch den Hörer. „Obwohl es mich ja schon interessieren würde, warum du erst jetzt nach Hause kommst. Aber ich bin zu höflich nachzufragen.“

„Gut. Dann muss ich mir auch keine Ausrede einfallen lassen.“

„Weißt du, dass ich dich gar nicht gefragt habe, ob du eine Beziehung hast?“

„Ja, ist mir aufgefallen.“ Sie versuchte gleichzeitig zu telefonieren und sich die Jacke auszuziehen, da ihr mit einem Mal doch sehr warm wurde. Susanne und Tanja beobachteten das Schauspiel immer noch staunend.

„Das liegt allerdings nur daran, dass ich davon ausgehe, dass eine so tolle Frau wie du wahrscheinlich nicht mehr alleine ist.“

Beatrix schwieg erst mal.

„Allerdings hast du mir ohne zu zögern deine Telefonnummer gegeben“, stellte Patrick weiter fest.

„Ja, aber nicht meine Adresse. Das schließt aus, dass du einfach so vor der Tür stehen kannst.“

Sie hörte Patrick wieder auflachen.

„Das habe ich wohl mal wieder verdient.“

„Es war jedenfalls eine gute Vorlage von dir.“ Endlich hatte Bea ihre Jacke ausziehen können und schmiss sie vor sich auf den Boden.

„Bist du im Moment in einer Beziehung?“, fragte Patrick ernst.

Bea überlegte einen Moment lang, ob sie einen Freund erfinden sollte. Andererseits, was sollte das bringen? Um sich vor den Gefühlen zu Patrick zu schützen, war es ein bisschen zu spät. Und sie war sich ziemlich sicher, dass Patrick sie durchschauen würde. Sie konnte noch nie gut lügen. Und das war erst recht peinlich.

„Nein“, gab sie ehrlich zu. „Als Stewardess ist es sehr schwer, Beziehungen gebührend zu pflegen. Die meisten Männer brauchen eine Frau, die abends und an den Wochenenden regelmäßig zuhause ist. Und die Männer, die das nicht brauchen, sind meistens Piloten. Und darüber haben wir uns ja schon unterhalten.“

„Beatrix. Du bist wirklich einmalig. Ich muss jetzt leider los. Ich würde mich sehr freuen, wenn du mir eine E-Mail schicken würdest, damit ich deine Email-Adresse habe. Meine steht auf der Karte, die ich dir gegeben habe. Dann kann ich dir demnächst meine Flugdetails zukommen lassen. Ich muss bald nach Hamburg. Und da fliege ich über Frankfurt. Vielleicht ist der Transfer lang genug, dass wir uns kurz sehen können.“

Beatrix, die plötzlich heftiges Herzklopfen bekam, antwortete mit zittriger Stimme: „Das wäre schön. Ich werde dir eine Mail schicken.“

„Bis hoffentlich bald.“ Mit diesen Worten legte er auf.

„Er hat tatsächlich angerufen“, sagte Bea erstaunt, während auch sie den Hörer langsam auf die Gabel zurücklegte.

„Erde an Beatrix. Hier stehen zwei Mitbewohner von dir, die absolut keine Ahnung haben, was dir in den letzten 72 Stunden so widerfahren ist. Und die dir deswegen auch nicht wirklich folgen können.“

„Er hat angerufen“, wiederholte sie als hätte Susanne nichts gesagt.

„Das sagtest du schon. Aber wer genau ist denn dieser Patrick? Und wieso ruft er aus Chicago an? Und warum hast du deinen Koffer fallen lassen und bist wie von der Tarantel gestochen ans Telefon gerast? Und wo wir grade beim Fragen sind: wo zum Geier hast du seit gestern gesteckt?“

Bea blickte ihre zwei Freundinnen an. „Patrick ist der Mann meines Lebens. Und ich muss jetzt erst mal dringend um die Ecke, sonst mache ich mir in die Hose. Ich muss schon seit ich von Sven weggefahren bin.“

„Tanja, kannst du mir sagen, was hier passiert?“

„Susanne. Wenn du mit 27 Jahren noch nicht weißt, was Beatrix meint, wenn sie sagt, dass sie um die Ecke muss, dann möchte ich nicht wissen, wie du das die letzten 27 Jahre erledigt hast.“

„Blöde Kuh. Du weißt genau, was ich meinte.“

„Und du weißt genau, dass ich mindestens so ratlos bin wie du.“

„Es muss auf jeden Fall was ernstes sein. Sonst wäre sie nicht gestern zu Sven gefahren und heute erst wiedergekommen.“

„Das war echt dringend“, sagte Bea als sie wieder ins Wohnzimmer kam.

„Nachdem du das jetzt erledigt hast, kommen wir nochmal auf die Stelle mit dem Mann deines Lebens zurück.“

„Ich schlage euch folgenden Deal vor: ich packe erst mal meinen Koffer aus und ziehe mir was anderes an. In der Zwischenzeit könntet ihr uns was zu Trinken hinstellen, mir aber bitte nichts alkoholisches, und ich erzähle euch dann in aller Ruhe wie traumhaft Chicago war.“

„Na gut. Dann gedulden wir uns eben noch etwas.“

Eine Viertelstunde später setzten sie sich zusammen in die Küche und Bea berichtete. Als sie geendet hatte, sagte Tanja: „Wow. So habe ich dich wirklich noch nie erlebt. Mein ganzes Weltbild bricht zusammen. Du warst immer so vernünftig und realistisch. Nicht so wie Susanne, die das Wort Chaos erfunden hat.“

„Hey!“ Susanne warf Tanja einen wütenden Blick zu. „Ich würde es nicht Chaos nennen.“

„Sondern?“ fragte diese herausfordernd.

„Das Leben genießen.“

Tanja lachte spöttisch auf.

„Und er hat tatsächlich eine Freundin?“ fragte Susi an Bea gewandt und Tanja ignorierend.

„Ja, ich habe sie selber gesehen. Sie ist das absolute Gegenteil von mir. Sie ist groß, blond und hat lange Haare.“

„Lass einfach auf dich zukommen, was immer nun auch passieren wird.“ Tanja nahm einen Schluck von ihrem Latte Macchiato.

„Was ist denn das für eine bekloppte Aussage?! So was kann auch nur von einer Studentin kommen“, regte Susanne sich auf.

„Ach ja? Und was soll Bea sonst machen? Sich den Kopf darüber zerbrechen, was wäre wenn? Ist doch Blödsinn.“

„Im Grunde hat Tanja tatsächlich recht“, mischte Bea sich ein. „Ich kann gar nichts tun. Meinen Verstand habe ich eh schon ausgeschaltet. Insofern bin ich nicht mehr in der Lage mir zu überlegen, was wäre wenn. Also kann ich nur hier sitzen, Emails schreiben und auf einen Anruf von ihm warten.“

„Und ihn uns vorstellen, wenn er in Frankfurt ist. Den Mann, der dich so durcheinander bringt, dass du deinen Verstand völlig abschaltest, würde ich tatsächlich sehr gerne kennenlernen.“ Tanja grinste schelmisch.

„Dem kann ich mich nur anschließen“, warf Susanne ein.

„Wer weiß, wann er mal wieder hier ist“, sagte Bea leise. „Und dann wahrscheinlich auch nur für ein paar Stunden, die lediglich für einen Kaffee am Flughafen reichen.“

„Wenn er doch ursprünglich aus Deutschland kommt, dann hat er doch bestimmt auch noch Familie hier.“

„Das habe ich ihn gar nicht gefragt“, sagte Bea erstaunt.

„Was?! Das hätte eines der ersten Dinge sein soll, die du ihn fragst. Dann kommt er nämlich bestimmt drei bis vier Mal im Jahr für ein bis zwei Tage hierher.“

„Hi, hi, du warst wohl wirklich völlig durch den Wind“, meinte Susanne und nahm sich eine Weintraube.

„Das habt ihr nun schon oft genug festgestellt.“ Bea stand auf und ging in der Küche auf und ab. Irgendwie war sie unruhig.

„Ich finde es schön, dass du dich verliebt hast.“

„Hallo, hast du nicht zugehört? Er hat eine Freundin.“ Sie blieb stehen und warf Susi einen bösen Blick zu.

„Und?“ fragte Susanne.

„Klar, dass du damit keine Probleme hast“, stellte Tanja fest. „Sehen wir ja an Andy. Aber Bea will sich nicht nur amüsieren. Wie du schon richtig bemerkt hast, spielt da in so kurzer Zeit sehr viel Gefühl mit rein.“

„So habe ich das ja auch gar nicht gemeint. Bea ist sowieso nicht der Typ, der sich just for fun auf einen Mann einlassen würde. Nein, ich sehe das ganz anders. Patrick hat seiner Freundin von Beatrix erzählt. Also ist er ein ehrlicher Mensch. Und warum sollte man dann nicht auch glauben, dass bei ihm ebenfalls Gefühle für unsere Bea mit im Spiel sind? Und damit kann das nur ein gutes Ende nehmen.“

„Genau das hat Sven auch zu mir gesagt. Wenn ich doch bloß auch so zuversichtlich sein könnte“, seufzte Bea.

„Und was stört dich an der Sache?“

„Ich muss zugeben, dass ich bei genauer Betrachtung tatsächlich einräumen muss, dass er anscheinend kein oberflächlicher Mann ist. Und vielleicht ist er tatsächlich – sagen wir mal – etwas durcheinander seit er mich getroffen hat. Aber da ist immer noch die Tatsache, wie wir uns kennen gelernt haben. Wer sagt mir denn, dass er mich später nicht auch auf die gleiche Weise abservieren würde?“

Susanne grinste. „Kann es sein, dass du über Schritt zwei nachdenkst bevor ihr überhaupt Schritt eins getan habt?“

Beatrix blickte sie verständnislos an.

„Ihr habt noch gar nichts am Laufen. Und ich kann dir aus Erfahrung sagen, dass er seine Freundin erst mal nicht verlassen wird, auch wenn etwas mehr zwischen euch passieren sollte. Das wäre für ihn ein zu großer Schritt. Andererseits, so wie du die ganze Situation schilderst und die Tatsache hinzugenommen, dass er dich bereits zwei Tage später angerufen hat, zweifele ich nicht daran, dass er sich früher oder später für dich entscheiden wird. Und frühestens dann solltest du dir Gedanken machen, ob und falls ja wie er dich irgendwann mal vielleicht verlassen könnte.“

„Und außerdem“, fügte Tanja hinzu, „ wenn aus einer Beziehung die Luft raus ist, verlässt er dich so oder so. Dazu muss er nicht erst eine andere kennenlernen.“

„Ihr habt ja recht. Ich sollte einfach alles auf mich zukommen lassen. Ich bin eben nur total verwirrt und suche Gründe, den Kopf in den Sand stecken zu können. Ich wünschte, ich hätte ihn nicht getroffen. Dann müsste ich auch nicht so n Schiss haben.“

Tanja schüttelte den Kopf. „Ts. Ich würde gerne mit dir tauschen. Wenigstens hast du Gefühle für jemanden. Und dann auch noch quasi auf den ersten Blick. So was gibt es total selten.“

„So, jetzt versuchen wir, das ganze für ein paar Stunden zu vergessen und gehen ins Kino, wenn wir schon mal alle gleichzeitig zuhause sind und nichts weiter vorhaben.“

„Sehr gute Idee.“

Nach dem Kino gingen sie noch gemeinsam essen und dann nach Hause. Zuhause war eine Nachricht von der Einsatzplanung auf dem Anrufbeantworter, die Bea mitteilte, dass sie in zwei Tagen nach Los Angeles fliegen würde und dass damit ihre Rufbereitschaft vorbei wäre.

„Super. Dann kann mein Urlaub beginnen. Vierzehn Tage Füße hochlegen.“

Bevor sie ins Bett ging, schrieb sie Patrick noch eine kurze Mail, in der sie ihm mitteilte, dass sie die nächsten Tage nicht zu erreichen sei, sie ihm aber eigentlich nur schrieb, damit er ihre Mail-Adresse habe.

Ohne dich

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