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Transkulturelle Kommunikation: Was ist das?

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Zu Beginn möchten wir Sie mit einem der wichtigsten Aspekte der Transkulturellen Kommunikation bekannt machen:

Abb. 1:

Ein Hase? (Foto: pixabay)

Der Hase steht für viele der Fragen, die wir uns stellen, wenn wir uns mit Transkultureller Kommunikation beschäftigen. Er deutet gleichzeitig verschiedene mögliche Antworten auf diese Fragen an.

Eine Frage könnte lauten: Ist das wirklich ein Hase? Was denn sonst, werden Sie vielleicht meinen. Nun, wie bei sehr vielen Fragen, die wir uns im Laufe unseres Lebens stellen, lautet die Antwort: Es kommt darauf an.

Worauf kommt es denn an? Es kommt zum Beispiel darauf an, ob der Hase ein „deutschsprachiger“ oder ein „englischsprachiger“ Hase ist. Aber Hasen sprechen doch weder Deutsch noch Englisch, werden Sie einwenden. Stimmt. Eigentlich geht es darum, ob die Menschen, die den Hasen sehen (also auch Sie) auf Deutsch oder Englisch gelernt haben, sich einen Hasen vorzustellen.

Was sehen Sie denn in dem Bild? Sehen Sie ein „wild lebendes Nagetier“? Vermutlich nicht, oder nicht auf den ersten Blick. Sie sehen wahrscheinlich vor allem ein niedliches Tierchen, das kuschelig und „lieb“ wirkt. Auch wenn Sie das Wort Hase nur hören, werden wahrscheinlich solche Bilder bei Ihnen aktiviert. Wörter wie Osterhase, Kuschelhase, Skihase, … auch Häschen oder Hasi als Kosenamen deuten auf das Image von Hasen auf Deutsch.

Zurück zur ersten Frage: Ist das wirklich ein Hase? Ja. Und nein. Kulturell gesehen, also in den Vorstellungen der meisten Menschen, die das obige Bild ansehen oder das Wort „Hase“ hören, sieht ein Hase so aus: kuschelig und lieb.

Zoologisch gesehen aber handelt es sich um ein Kaninchen. „Zoologische Hasen“ oder „eigentliche“ Hasen (im Gegensatz zu „vorgestellten“ oder kulturellen Hasen) sind dünner, haben längere Beine und Ohren, ein länger gezogenes Gesicht als Kaninchen und wirken, wie wir im folgenden Bild sehen, insgesamt viel weniger niedlich als Kaninchen.

Abb. 2:

Ein „zoologischer“ Hase (Foto: pixabay)

Sucht man eine englische Übersetzung in einem zweisprachigen Wörterbuch, findet man als erste Angabe: Hase = hare.

Nun, das stimmt. Und stimmt auch nicht. Denn auch im englischsprachigen Kontext hat der „zoologische“ hare ein viel weniger kuscheliges Image als zum Beispiel ein rabbit oder bunny. Als Haustier hält man rabbits und nicht hares, also Kaninchen und nicht Hasen. Der Osterhase ist der Easter Bunny und bestimmt kein Easter Hare. Wie sagt man dann Hase auf Englisch? Es kommt darauf an …

Was ist denn im ersten Bild wirklich zu sehen? Es kommt eben darauf an, aus welchem Blickwinkel wir es betrachten. Es kommt auch darauf an, wer wir sind: Zoolog*innen? Kinder? Koch? Kunsthistorikerin? …?

Je nachdem, wie wir gelernt haben, an Hasen (oder Kaninchen?) zu denken, wird das Bild unterschiedliche Gefühle und Gedanken in uns wecken.

Abb. 3:

„Feldhase“ von Albrecht Dürer (Abbildung: Wikipedia)

Ist die übliche englische Übersetzung des Titels von Dürers Bild – „Young Hare“ – richtig? Warum zum Beispiel „young“ hare, wenn es auf Deutsch ja „Feld“hase heißt? Vielleicht deswegen, weil „field“ hare nicht so üblich ist im Englischen? Oder weil „young“ hare hier etwas sympathischer wirkt? Oder wegen des Wortrhythmus? Oder aus allen drei Gründen? Es kommt nicht nur darauf an, wie man das Bild interpretiert, sondern auch darauf, welche Aspekte oder Eigenschaften des Bildes hervorgerufen werden sollen. Manche Kunstexpert*innen vertreten die Meinung, es sei gar kein junger Hase, der hier abgebildet wird, sondern ein erwachsener. Manche Übersetzungen lauten dementsprechend Hare oder Wild Hare ohne Hinweis auf das Alter. Alle angebotenen Übersetzungen wären als „richtig“ zu bezeichnen. Es kommt eben darauf an. Wie wir über etwas sprechen, etwas bezeichnen, etwas verstehen, hängt von unserem Standpunkt ab. Es hängt davon ab, wer wir sind, wo wir leben oder gelebt haben, wie wir leben etc. Es hängt eben von vielen unterschiedlichen Faktoren ab.

Während Sie die vielen Dimensionen der Transkulturellen Kommunikation kennenlernen, werden Sie auch lernen, worauf es ankommt. Welche Kriterien sind für die Analyse einer bestimmten Kommunikation relevant? Für die Lösung eines kommunikativen Problems? Für die Bezeichnung eines Gegenstands?

Worauf es ankommt, wird von Mal zu Mal, von Situation zu Situation anders sein. Menschliche Kommunikation ist nicht nur vielfältig, sie ist auch nicht vor­aussehbar. Jede Kommunikationssituation ist einmalig. Jeder Kommunikationsakt ist einzigartig. Jedes Mal, wenn Menschen sich äußern, einander wahrnehmen und einander verstehen (oder auch missverstehen) wollen, ist eine neue Konstellation von Gedanken, Gefühlen, gesellschaftlichen und politischen Faktoren im Spiel, die unsere Verstehensbereitschaft und unser Verstehensvermögen formt und beeinflusst. Mit dieser komplexen und gleichzeitig spannenden Tatsache umgehen zu können, gehört zur Expertise der Transkulturellen Kommunikation.

Denn auch wenn wir nicht voraussagen können, was die Leute sagen, schreiben, denken oder meinen werden in all den unzählbaren Situationen, in denen wir Menschen kommunizieren, ist es doch möglich, etwas daraus zu lernen. Wir können gewisse Regelmäßigkeiten feststellen: Verhaltensweisen und Reaktionen erkennen, die immer wieder vorkommen, wenn auch nicht unbedingt in der ganz gleichen Form.

Wir lernen, die Ungenauigkeit, Unvorhersagbarkeit, die komplexe und faszinierende Problematik der menschlichen Kommunikation als Teil unseres Know-hows zu akzeptieren. Denn das macht unser Fachwissen aus: das Erkennen der Probleme, die entstehen, wenn Menschen miteinander umgehen.

Letztlich: Wenn es keine Probleme gäbe, würde man keine Kommunikationsexpert*innen brauchen. Wenn alle dieselbe Sprache sprechen würden, alle einander verstehen würden und das ausdrücken könnten, was sie „eigentlich“ meinen, gäbe es keinen Bedarf an Kommunikationsexpert*innen. Ein Studium der Transkulturellen Kommunikation, also eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Transkultureller Kommunikation, verlangt von uns, Kommunikationsprobleme zu identifizieren, und auch, die passenden Fragen stellen zu können, um Lösungen für diese schon bekannten und doch immer einzigartigen Probleme zu finden.

Was ist also der „Inhalt“ einer Einführung in die Transkulturelle Kommunikation? Kurz gesagt: Es geht darum, wie Menschen aus unterschiedlichen Lebensbereichen und Kulturen einander verstehen und warum sie einander auch missverstehen. Ein relativ kurzer Satz, aber mit sehr viel Inhalt. Es gibt kaum etwas, das nicht Gegenstand der menschlichen Kommunikation ist oder sein kann. Unsere Sprachen können potentiell alles besprechen – auch das, worüber wir nicht oder noch nicht sprechen. Vor 20 Jahren hat niemand die Anzahl der „Facebook-Friends“ gezählt oder von „googeln“ gesprochen. „LGBTIQ+“ war kein gängiger Begriff und niemand hat auf Deutsch „gechillt“ oder war „couchsurfen“. Wir haben es klarerweise getan, aber die Verwendung der „englischen“ Ausdrücke verleiht den Handlungen einen anderen Geschmack als zum Beispiel „sich entspannen“ oder „bei jemandem übernachten“.

Wie wir am Beispiel des Hasen gesehen haben, umfasst die Kommunikation nicht nur Sprache, sondern vieles mehr: Alles, worüber und womit Menschen sich verständigen, ist Gegenstand der Kommunikation oder kann es werden. Unser „Stoff“ ist also potentiell die ganze Welt. Oder schlichtweg: das ganze Leben.

Auch ein anscheinend banaler Alltagsgegenstand wie ein Fenster ist im Kontext der Transkulturellen Kommunikation alles andere als selbstverständlich. Was ist die Funktion eines Fensters? Auch hier lautet die Antwort: Es kommt darauf an.

Es kommt zum Beispiel darauf an, ob wir von einem „westlichen“ Fenster oder von einem Fenster in der Tradition der islamischen Architektur sprechen. In der sogenannten „westlichen“ Tradition dient ein Fenster zwar dazu, Licht in einen Raum zu lassen, es wurde aber im Laufe der Jahrhunderte auch immer mehr als Möglichkeit verstanden, hinauszuschauen und gesehen zu werden oder das „Außen“ nach innen zu bringen (siehe Abbildungen 4, 5 und 6).

Abb. 4:

Fenster (Foto: pixabay)

Abb. 5:

Fenster (Foto: pixabay)

Abb. 6:

Fenster (Foto: pixabay)

Das „islamische“ Fenster hingegen soll das Licht so in den Raum filtern, dass es gemäß den ästhetischen Ansprüchen des Korans wirkt. Das Fenster soll nicht in erster Linie nach außen wirken, sondern den Blick nach innen lenken (siehe Abbildungen 7 und 8).

Sprechen wir dann vom „gleichen“ Gegenstand? Ja. Und nein. Je nach Tradition, nach Kultur und schließlich nach unserer Perspektive verstehen wir ein Fenster als etwas anderes.

Es kann also wirklich alles Gegenstand unseres Fachs werden. Das ist die große Herausforderung – und gleichzeitig die große Faszination.

Abb. 7:

Fenster (Foto: „Painted Mosque“ von Jocelyn

Erskine-Kellie, flickr.com, CC-BY 2.0)

Abb. 8:

Fenster (Foto: pixabay)

Wir lernen nie aus, weil sich die Welt ständig ändert. Etwas, das uns heute unwichtig erscheint, kann morgen oder für eine andere Person, für Menschen in einem anderen Land oder in einer anderen sozialen Gruppe von großer Bedeutung sein. Kann heiß umstritten werden, wie zum Beispiel das Bienensterben, der Klimawandel oder das Verbot von Kopftüchern in säkularen Schulen. Oder kann auch gefeiert (und gleichzeitig umstritten!) werden, wie der Weltfrauentag. Kann eine großartige Entdeckung darstellen oder eine gefährliche Bedrohung. Die Menschen werden darüber reden wollen, davon schreiben, miteinander diskutieren und verstehen wollen, wie denn „die anderen“ das sehen.

Und wir, wenn wir gelernt haben, die Welt aus unterschiedlichen Perspektiven zu sehen, können sie dabei unterstützen.

Bei allem technologischen Fortschritt werden Menschen nie aufhören, miteinander zu kommunizieren. Der „Stoff“ der Transkulturellen Kommunikation ist nie erschöpft. Und damit bleibt auch der Bedarf an Kommunikationsexpert*innen immer gegeben: Menschen, die gelernt haben, die Kommunikation zwischen Menschen und Kulturen zu fördern. Wir leben zwar in einer „globalisierten“ Welt, in der viele Unterschiede geglättet oder kleiner werden. Es entstehen aber gleichzeitig neue Unterschiede, neue Sichtweisen und neue Perspektiven, die neue Verständnishürden errichten und alte untermauern. Auch im sogenannten „globalen Dorf“ entstehen immer neue Möglichkeiten, einander zu verstehen und misszuverstehen. Auch das Englisch, das so viele sprechen, ist alles andere als „global“; es ist vielmehr ein Ausdrucksmittel für lokale Interessen und kulturell bedingte Anliegen. Englisch ist nicht mehr nur „englisch“, sondern die Sprache vieler Kulturen mit ebenso vielen Dimensionen und Bedeutungen. Im transkulturellen Rahmen dieser angeblichen Lingua franca sprechen nicht alle die gleiche Sprache. Auch hier ist gegenseitiges Verstehen nicht selbstverständlich.

Auf Transkulturelle Kommunikation können wir nicht verzichten. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Kommunikationsprozessen hilft uns, sie besser zu verstehen und bewusst mit ihnen umzugehen.

Transkulturelle Kommunikation

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