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Kapitel 4

Urplötzlich wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Ich hörte Stimmen. Nie und nimmer waren es Mom und Dad. Das war völlig ausgeschlossen. Es musste noch jemand anderes im Haus sein. Hastig stellte ich die tosende Dusche ab. Es wurde still und die Stimmen verstummten. Nur das Geräusch einzelner Wasserperlen, die aus dem Duschkopf tropften, trübte die Stille. Patsch, Patsch, Patsch. Die Wassertropfen waren eindringlicher als die Stimmen zuvor. Ich versuchte, mich zu orientieren. Verdammt, wo war das Badehandtuch? Ich musste den Schaum loswerden. Denn ich wusste, wenn ich meine Augen öffnen würde, könnte ich ein fürchterliches Brennen nicht verhindern. Mit zu gekniffenen Augen tastete ich mich vor. Da waren sie wieder, diese Laute. Gelächter, das durch meine geschlossene Badezimmertür drang. Ich hatte es mir nicht eingebildet. Außer meinen Eltern war noch jemand anwesend. Wir bekamen Besuch? Wer sollte das sein?

Noch immer tappte ich im Dunklen. Endlich berührte ich mit meinen Fingerspitzen das Duschtuch. Es war eine Armlänge von mir entfernt. Flugs schnappte ich mir das Handtuch und befreite meine Augen von den letzten Shampooresten. Jetzt wo ich die Augen unbeschadet öffnen konnte, hatte ich das Gefühl, besser hören zu können. Ich wusste, es war Blödsinn, aber es war tatsächlich so. Mom und Dad jubelten. Konnte es sein, dass ... nein, oder? Mein Herz pochte gewaltig. Flüchtig trocknete ich mich ab. Nur mit dem Duschtuch bekleidet, tippelte ich aus dem Badezimmer. So schnell ich konnte, rannte ich die Treppenstufen herunter. Auch auf die Gefahr hin, mit meinen nassen Füßen auszurutschen und eine unsanfte Landung am Ende der Treppe hinzulegen.

»Überraschung!«, riefen mir alle zu.

Ich traute meinen Augen kaum und konnte es nicht fassen. Die Freude war riesengroß.

»Tante Monique.«

Ich war sprachlos.

»Kindchen, du bist ja ganz nass«, kam eine Anmerkung, als ich Monique liebevoll umarmte.

»Es tut mir leid«, entschuldigte ich mich für mein überschwängliches Umarmen. Ich war so aufgeregt.

»Es ist nicht schlimm. Das trocknet wieder. Es ist nur Wasser, glaube ich zumindest?«

Tante Monique lächelte und wischte sich die Hände an ihrer Kleidung trocken.

»Denise, du hättest dir etwas anziehen sollen«, ermahnte mich Dad. Er legte die Stirn in Falten. Erst jetzt wurde mir bewusst, was ihn störte. Das Duschtuch war verrutscht und na ja, eine von meinen beiden Brüsten schaute ein wenig über den Tellerrand hinaus.

»Ups.«

Peinlich berührt und mit knallroten Wangen rückte ich das Handtuch wieder zurecht. Die Überraschung war gelungen. Natürlich freute ich mich, meine Tante wieder zu sehen. Aber die noch größere Freude war, Max nach sehr langer Zeit wieder zu treffen. Mit weit aufgerissenen Armen huschte ich zu ihm.

»Max.« Er hasste es, wenn ich Onkel zu ihm sagte.

»Wegen mir kannst du das Tuch ruhig ablegen«, flüsterte Max mir scherzhaft ins Ohr, als ich ihn barfüßig und auf Zehenspitzen stehend umarmte. Er roch fantastisch. Ich lächelte verlegen. Typisch Max. Er hatte immer einen lockeren Spruch auf den Lippen, was nicht immer auf Gegenliebe stieß. Aber ich liebte seinen Humor.

»Was macht ihr denn hier?«, kreischte ich völlig aufgelöst.

»Urlaub«, schmunzelte Monique.

»Ich kann’s kaum fassen. Wie lange bleibt ihr bei uns?«

Ich war total durch den Wind. Mein Herz machte einen Freudensprung, wie ein Salto auf dem Trampolin.

»Wir werden gemeinsam abreisen«, sagte Monique.

»Oh, ich freue mich so arg.« Ich schaute zu meinen Eltern. »Und ihr habt es die ganze Zeit gewusst, oder?«

»Natürlich haben wir es gewusst. Es sollte eine Überraschung werden«, sagte Dad.

»Und diese Überraschung ist euch sowas von gelungen.« Ich strahlte bis über beide Ohren.

»Gott sei es gedankt, dass du noch lächeln kannst.« Dad schaute zu Max und Monique »Ihr müsst wissen, seitdem wir von zu Hause losgefahren waren, war Denises Laune kaum zu ertragen.«

»Und Baby, gehe dir bitte etwas Anständiges anziehen«, gab Mom ihren Senf dazu.

»Zu Befehl«, salutierte ich völlig überzogen.

»Erhardt und Anna Maria, ihr habt euch in keiner Weise verändert. Noch genauso prüde wie immer.« Max’ Lächeln war nur höflich. So etwas konnte auch nur er sagen. Bei jedem anderen wäre Mom garantiert ausgeflippt. Max war grundehrlich und sagte das, was er dachte, ohne dabei an jegliche Konsequenzen zu denken. Ich finde es verdammt mutig, nicht allen nach dem Mund zu reden. Und genau das machte ihn in meinen Augen zum Heros. Ein verflucht cooler Typ, mit dem man Pferde stehlen konnte.

»Junge Dame, du bist groß geworden. Eine richtige Frau. Wow!« Sein kantiges Gesicht strahlte und er kniff die Augen zu einer Sichel.

Ich bemerkte es aus dem Augenwinkel, wie er mich von oben nach unten in Augenschein nahm, und sein Blick an einer besonderen Stelle meines Körpers eine Pause einlegte. Alle anderen bemerkten es auch. Es schien ihm aber egal zu sein.

»Ja, wirklich groß geworden«, sagte er mit zweideutigem Unterton in der Stimme.

Meinte er damit, dass ich größer geworden war, oder waren es meine beiden Brüste, dessen ganze Aufmerksamkeit es galt? So, wie ich ihn kannte, meinte er wohl das Letztere.

»Kannst du mal sehen«, konterte ich und wurde vermutlich sogar ein wenig rot dabei.

»Sag mal, wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen, vier Jahre?«, fragte mich Max.

»Fünf. Inzwischen sind genau fünf Jahre vergangen, als wir uns das letzte Mal begegnet sind«, meldete sich Mom ungefragt zu Wort.

Max schaute sie verdutzt an, biss sich aber auf die Zunge, um sich nicht gleich beim ersten Wiedersehen wie ein Elefant im Porzellanladen zu benehmen. Ich wusste ganz genau, was er dachte. Wer zum Teufel hatte sie gefragt. Schließlich hatte er sich mit mir unterhalten. Max atmete tief. Das Verhältnis zwischen Mom und Max war nicht das allerbeste. Mom mit ihrer vorlauten Klappe und Max mit seiner Ehrlichkeit. Sie waren alles andere als ein Herz und eine Seele, eher wie Katz-und-Maus. Vielleicht war das ein Grund, dass Max sich selten blicken ließ. Und wenn uns doch Familie Hopper besuchte, war es Monique, die meistens allein anreiste. Aber auch das war fast ein Jahr her. Ansonsten hatten die beiden Schwestern regen Kontakt zueinander. Mindestens einmal im Monat telefonierte Mom mit Tante Monique, um den neuesten Klatsch und Tratsch aus der Heimat auszuschlachten. Das Verhältnis zwischen Dad und Max war ganz okay.

»Im Gegensatz zu meiner Schwester ist es bei dir schon sehr lange her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben, Max. Du hast nie Zeit und bist ständig mit deinen Jungs unterwegs. Manchmal frage ich mich, ob du überhaupt Zeit für meine Schwester hast.«

Mom gackerte wie ein aufgescheuchtes Huhn und so kam ihre Abneigung zu ihm zum Vorschein. Sie redete sich fast um Kopf und Kragen. Das bemerkte auch Dad.

»So, ihr Lieben, ich werde euch helfen, eure Koffer aus dem Auto ins Haus zu tragen.« Schnell unterbrach er das einseitige Gespräch, bevor die Sache eskalierte, denn Max wollte gerade zum Schlagaustausch ausholen.

»Das ist lieb. Warte, wir kommen mit. Kommst du bitte, Max«, forderte Tante Monique ihren Mann auf.

»Warte kurz. Ich muss …«

»Max, bitte nicht«, unterbrach Monique ihn. Nicht wieder dieses Thema. Sie war es leid, darüber zu reden. Schon des Öfteren war es genau das, weswegen sich Anna Maria und Max in die Haare bekamen. Was er sagen wollte, war, dass es sein verdammter Job war, um die Welt zu ziehen, und ja, er hatte wenig Zeit für Monique. Aber sie kam auch ganz gut allein zurecht. Irgendwie musste er Geld verdienen und das war nun mal die Musik, die seine ganze Aufmerksamkeit und Zeit kostete. Was zum Henker war daran nicht zu verstehen? Diese ständigen Unterstellungen, die nie ausgesprochen wurden, aber bei denen Max immer das Gefühl hatte, dass sie präsent waren, gingen ihm verdammt noch mal auf den Sack. Sollte sie doch sagen, was sie dachte. Nämlich, dass er sich durch die ganze Welt vögelte. Das war es doch, was sie meinte. Gottverdammt!

»Auf jeden Fall freue ich mich, dass ihr beiden hier seid. Ihr holt das Gepäck aus dem Fahrzeug und ich mache uns inzwischen einen frischen Kaffee«, erwiderte Mom.

Von einer auf die andere Sekunde war sie wie ausgewechselt. So, als wäre nichts gewesen, es auch keine vorwurfsvollen Worte gegeben hätte. Nach dem Motto: »Du bist der größte Vollpfosten, der mir jemals unter die Augen getreten ist. Komm, lass uns einen Kaffee trinken.« Zunächst einen zu beleidigen, dann aber postwendend eine liebevolle Einladung aussprechen. Darin war Mom spitze. Peitschenhiebe und Zuckerbrot in Perfektion. Typisch Mum. Sie hatte es bereits vergessen, dass sie kurz davor gewesen war einen Sturm zu entfachen. War das ein Zeichen einer beginnenden Demenz?

Dad packte Max freundschaftlich auf die Schulter und hinderte ihn daran, meiner Mom nachzueilen. So bekam Mom noch einmal die Kurve, bevor sie gegen die Wand gefahren wäre. Glück gehabt.

»Wie war eure Reise?«, fragte Dad Max auf dem Weg zum Auto.

Ich wollte helfen, bemerkte aber, dass ich noch halb nackt war.

»Ich werde mich schnell anziehen und bin gleich wieder da. Dann helfe ich euch«, rief ich Ihnen nach.

Schnell rannte ich die Treppenstufen hinauf.

»Mach langsam, wir laufen nicht weg«, rief Tante Monique mir hinterher.

»Stimmt«, antwortete ich.

Ferien, die bleiben

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