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Kapitel 5

Ich weiß nicht, wann Mom und Tante Monique das letzte Mal Luft holten, so tiefgründig waren ihre Gespräche. Zu viel hatten sie sich zu erzählen. Sie bemerkten es nicht, dass Max, Dad und ich bereits ungeduldig warteten. Darauf, dass die beiden Damen endlich in die Gänge kamen. Geplant war ein Besuch in einem Lokal. Wir alle hatten Hunger. Bis auf ein paar wenige Kekse zum Kaffee, hatten wir weder ein ausgiebiges Frühstück noch ein deftiges Mittagessen zu uns genommen. Es war bereits halb eins, also höchste Zeit, um etwas Nahrhaftes zu essen.

Endlich war es so weit. Mom betrachtete sich ein letztes Mal im Spiegel und zupfte schnell ihre Haare zurecht. Monique schnappte sich ihre Handtasche.

»Haben wir alles?«

Mom blieb abrupt mitten im Zimmer stehen. Sie dachte scharf nach. Wir anderen stoppten ebenfalls und schauten uns um, hin zu ihr.

»Ja, Anna Maria. Lass uns endlich los.« Hunger machte ungeduldig und Dad hatte einen Bärenhunger.

»Darf ich mit Max mitfahren?«, fragte ich.

Ich sah meine Chance und nutzte sie sofort. Moms Besorgtheit und die unfassbare Stille, das war die Gelegenheit, um ihre Aufmerksamkeit zu erhaschen. Ich hatte keine Lust, bei Mom und Dad mitzufahren.

»Auf keinen Fall, Baby. Du fährst bei uns mit. Haben wir wirklich nichts vergessen?«

Das war’s? Ein Nein! Was sprach dagegen? Ich beantwortete mir meine Fragen selbst. Ganz klar. Es war wie immer. Mom hörte mir nicht zu. Sie hatte noch nicht einmal über meine Bitte nachgedacht.

»Mom«, bohrte ich nach.

»Lass sie doch«, redete Monique Mom gut zu. »Ich fahre bei euch mit, dann haben wir Zeit, um noch ein wenig zu reden.«

Dad sagte, wie so oft, nichts dazu. Entweder war es ihm egal oder er hatte zu viel Respekt vor seiner Frau. Ich sah, dass Mom genervt war. Sie wollte das Thema jetzt nicht ausweiten und der Vorschlag von Monique war nicht schlecht. Zu viele Neuigkeiten waren zu erzählen und stapelten sich bereits auf ihrer Zunge. Also willigte sie schließlich ein.

»Danke, Mom.«

Das »Danke« sagen hätte ich mir sparen können. Mom war schon längst nicht mehr bei uns. Sie redete wie ein Wasserfall, ohne Punkt und Komma.

»Kennst du noch Ferdinand?«

»Mario Ferdinand? Ja! Er war ein oder zwei Klassen über mir«, antwortete Tante Monique.

»Genau den meine ich«, erwiderte Mom.

»Natürlich kann ich mich an ihn erinnern. Er war damals der Schwarm aller Mädchen.«

Ich eilte sofort aus dem Haus, hin zum Auto, während die anderen langsam, aber sicher nachkamen. Dad hatte die Idee, dass wir nur mit einem Pkw fahren, aber Max lehnte ab. Es wäre ihm zu eng mit fünf Personen in einem Auto.

»Schwarm aller Mädchen, das glaubst auch nur du - warte kurz - Baby, kurble bitte die Scheibe herunter, wenn Max rauchen sollte. Der Qualm ist ungesund für dich, Kind«, rief Mom mir zu.

»Max wollen wir?«, wartete ich vor dem verschlossenen Auto ungeduldig. Die Warnung meiner Mutter ignorierte ich.

»Ist das okay, wenn ich vorne sitze?«, fragte ich.

Mir war klar, dass Max mir den Wunsch nicht abschlagen würde. Ich wartete die Antwort erst gar nicht ab und lauerte bereits auf der Beifahrerseite, darauf, dass er das Auto öffnen würde. Und so machten wir uns gemeinsam auf dem Weg. Wir zu zweit und die anderen im Dreiergespann.

Der Vorschlag kam von Max, in einem nahegelegenen Restaurant zu essen. Es war kurz vor dreizehn Uhr, als wir endlich losfuhren. Mein Ellbogen ragte aus dem geöffneten Fenster und meine langen Haare wurden durch den Fahrtwind in alle Richtungen geblasen.

»Und wie war dein Zeugnis?«, fragte mich Max, ohne den Autoverkehr aus den Augen zu lassen.

Ich schaute ihn mit bösem Blick an und versuchte, meine Stirn, in Falten zu legen.

»Max, ich habe Ferien. Das Thema Schule ist in den Sommerferien tabu.«

Er schaute mich mit großen Augen an.

»Oh, wie konnte ich das vergessen. Ich bitte vielmals um Vergebung, ich wollte dich nicht langweilen.«

Dann konzentrierte er sich wieder auf den Verkehr.

»Nein, ist in Ordnung. Mein Zeugnis war wie immer«, lächelte ich.

»Und hast du eine Fünf auf dem Giftblatt?«

Erneut schaute ich ihn mit einem strafenden Blick an und schwieg.

»Okay, okay, keine fünf. Eine Vier?«, sagte Max, als er meine Entrüstung sah.

»Nein, auch keine drei und keine zwei.«

Jetzt schaute mich Max so skeptisch an, wie ich vorher ihn.

»Du willst mich doch verarschen, oder?«

»Nein«, zog ich meine Antwort in die Länge.

»Du hast keine drei oder zwei auf dem Zeugnis?«, fragte Max noch einmal ungläubig nach.

»Nein, sagte ich doch bereits.«

»Du hast nur Einsen auf deinem Zeugnis?«

»Ja«, antwortete ich kurz und knackig.

Max lächelte, während er genüsslich den Zigarettenqualm aus dem geöffneten Fenster ausstieß.

»Warum lächelst du?«, fragte ich.

»Nur so.«

»Max Hopper, was ist bitte daran so lächerlich?«, wollte ich wissen.

»Nein, ich finde deine schulischen Leistungen herausragend. Wirklich.«

Er grinste noch immer. Ich klappte die Sonnenblende vom Auto herunter und betrachtete mich im Spiegel. Hatte ich irgendwo einen Popel an der Wange kleben, oder warum war Max plötzlich belustigt?

»Hast du überhaupt Freunde?« Sein Grinsen wurde immer breiter. Jetzt hatte er es ausgesprochen. Das war es also, was ihm die ganze Zeit im Kopf umherschwirrte. Er dachte, dass ich den ganzen Tag lernen und für die schriftlichen Arbeiten büffeln würde.

»Was soll das heißen?«

»Nein, nur so. War eine blöde Idee«, antwortete Max.

»Aha, nur eine blöde Idee also«, wiederholte ich seine Anmerkung und lächelte freudlos.

Max wollte mich ärgern. Da war er bei mir an der falschen Adresse. Ich verpasste ihm einen leichten Schlag auf den Oberarm.

»Autsch, womit habe ich das verdient?« Max warf mir einen fragenden Blick zu.

»Nur so, sorry, war eine blöde Idee.« Ich liebte es, mich mit Max zu necken.

Dann kamen wir zum Stehen. Innerhalb der roten Ampelphase sagte keiner von uns ein Wort. Max streichelte wehleidig seinen zerschundenen Oberarm und ich würdigte ihn mit einem bestrafenden Augenaufschlag. Während Max einen neuen Radiosender suchte, betrachtete ich ein neben uns stehendes Cabriolet. Die Fahrerin, die ebenfalls auf das startende grüne Signal der Ampelanlage wartete, lächelte mir freundlich zu. Wieso eigentlich? Ich kannte sie nicht. Unbeeindruckt schaute ich wieder nach vorne, zog meine Schuhe aus und legte meine Füße auf das Armaturenbrett. Mit verschränkten Armen machte ich es mir bequem. Erneut schaute ich zu dieser Person herüber. Wieder lächelte sie mir zu. Was stimmte mit ihr nicht? Hatte sie keine eigenen Freunde? So ein Modepüppchen mit Hut, die sich hinter ihrer Sonnenbrille versteckt, glaubt wohl, sie wäre etwas Besseres. Als die Ampel auf Grün schaltete, warf ich einen letzten Blick zu ihr herüber. Diesmal jedoch winkte sie mir zu, als wir zeitgleich losfuhren. Erst jetzt erkannte ich meinen Irrtum. Nämlich, dass das Lächeln nicht mir galt, sondern Max, der ihr ebenfalls lächelnd nachschaute, welches aber schnell verschwand, als ich ihn skeptisch anschaute. Er räusperte sich.

»Und wie heißt er?«, fragte Max mit einem prüfenden Blick in den Rückspiegel, um sicherzugehen, ob Dad noch hinter uns war.

Max versuchte, ein anderes Thema anzusprechen, um von seinem Flirten abzulenken.

»Wer?«, fragte ich ihn unschuldig.

»Dein Freund. Wie ist sein Name?«

»Max Hopper, du bist ganz schön neugierig. Da gibt es keinen.«

Doch Max war nicht blöd. Dass meine Augen funkelten, war ihm nicht verborgen geblieben. Er war kein Dummkopf.

»Aha«, grinste er schelmisch.

Ich richtete meine Aufmerksamkeit starr nach vorne, so, als würde ich gerade Auto fahren wollen. Ich würdigte ihn keines Blicks und schwieg.

»Ronny«, enthüllte ich leise mein Geheimnis nach einer kurzen Atempause.

»Ronny was?«

Ich rollte übertrieben mit den Augen und drehte die Musik leiser.

»Na, Ronny, so heißt mein Freund«, erklärte ich mit Nachdruck.

Jetzt war es raus, mein gut gehütetes Geheimnis.

»Sag es aber bitte nicht Mom und Dad«, murmelte ich kleinlaut. »Sie flippen sonst aus. Ah, und Monique bitte auch nicht. Sie könnte sich womöglich bei Mom verplappern.«

»Aha, ich verstehe. Alles gut, ich kann schweigen. Hey, das ist doch toll. Du bist eine junge Frau. Sich zu verlieben ist das Normalste der Welt.«

»Na ja, wie man es nimmt. Du kennst ja Mom und Dad.«

»Ach komm, noch vor Kurzem strahlst du wie die Sonne und jetzt schaust du aus wie sieben Tage Regen.« Max erhob seine Stimme. »Denise Jörn, hiermit verurteile ich Sie wegen versuchter Schwärmerei zu einer Freiheitsstrafe von fünfundzwanzig Jahren.«

»Max Hopper, du bist doof.« Ich lachte.

»Schau, so gefällst du mir gleich viel besser. Es ist nur Liebe und kein Verbrechen. Und ich verspreche dir hoch und heilig, von mir erfährt es keine Menschenseele.«

Max setzte den Blinker, bog nach rechts ab und kam auf einem Parkplatz zum Stehen.

»Und?«, sagte Max und schaute zu mir herüber.

»Was? Nichts und. Wir sind noch nicht lange zusammen.«

Max antwortete mit einem schelmischen verständnisvollen Kopfnicken, ohne nachzubohren. Er schaltete den Motor aus.

»Und du? Du bist doch nicht freiwillig mit in den Urlaub gefahren«, schaute ich ihn fragend an.

»Wie kommst du denn darauf?«

»Na ja, Mom und du. Ihr seid nicht die besten Freunde. Und freiwillig acht Tage mit ihr den Urlaub zu verbringen, ich weiß nicht. Das ist mehr als merkwürdig, wenn man eine andere Wahl hätte.«

Max verhielt sich seltsam. Er wandte den Blick ab und starrte zu Boden. So, als wüsste er keine Antwort auf meine Frage. Oder er suchte nach einer freundlichen und selbstlosen Antwort, um mich nicht verletzen zu wollen. Was nicht seine Art wäre. Er konnte ruhig sagen, dass er Mom nicht mochte. Mir war es egal.

»Stimmt, ich habe beruflich in Neapel zu tun.« Sein Lächeln war gespielt.

»Hab ich es mir doch gedacht.«

Ich kurbelte die Seitenscheibe hoch, befreite mich vom enganliegenden Gurt, öffnete die Tür und zog mir meine Sportschuhe an.

»Endlich gibt es Essen, ich sterbe fast vor Hunger.«

»Glaub mir, eines weiß ich ganz sicher, so schnell stirbt man nicht.«

Max schnipste den Filter seiner Zigarette aus dem Fenster und drehte ebenfalls die Seitenscheibe hoch.

Ferien, die bleiben

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