Читать книгу Die dunkle Loge: Unsichtbarer Käfig - Mina Miller - Страница 5

Kapitel 2

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Ein leises, aber beharrliches Klopfen riss Liz aus ihrem Schlaf und sie öffnete blinzelnd die Augen. Die Zimmerdecke kam ihr bekannt vor, dennoch musste sie kurz überlegen, wo sie sich befand. Mit ihrem I-Aah im Arm setzte sie sich auf und strich sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Es klopfte erneut und Liz räusperte sich.

„Ja? Wer ist da?“

„Elisabeth, ich bin die Haushälterin Frau Reimers und soll Ihnen von Ihrem Vater ausrichten, dass es in einer Stunde Abendessen gibt, an dem Sie teilnehmen müssen.“

Liz presste ihr Kuscheltier fest an sich. „Danke, ich werde kommen.“

„Vielen Dank“, sagte die Hausangestellte, dann herrschte Stille. Das Licht, das durch das Fenster fiel, hatte bereits an Helligkeit verloren. Wie lange hatte sie geschlafen? Liz legte ihren I-Aah zur Seite, stand auf, gähnte und ging zum Lichtschalter. Sie betätigte ihn und sofort glomm das Licht der zwei Kristalllampen an den Wänden auf. Dann trat sie zu ihrem Koffer und hob ihn mit einem Ächzen auf ihr Bett. Sie öffnete den Reißverschluss ihres neuen Koffers und klappte den blauen Deckel auf.

Ihre Gedanken wanderten ein paar Tage zurück zu Adrians Anwesen.

So ganz war ihr immer noch nicht klar, wie Evelin und Madeleine es geschafft hatten, den nicht gerade unauffälligen Koffer in Adrians Anwesen zu schmuggeln, ohne dass die Männer es mitbekamen. Nachdem die Master einstimmig gegen ihre Idee gewesen waren, bei ihrem Vater zu spionieren, war ihr klar geworden, dass sie ihr Vorhaben ohne deren Hilfe umsetzen musste. Liz hatte sich schon gedacht, dass Adrian, Falco, Patrick und Henry nicht vorhatten, sie in Gefahr zu bringen. Doch seitdem die Nachricht bei ihnen eingetroffen war, dass Liz’ Vater die Passwörter der Loge verwaltete, konnte sie an nichts anderes mehr denken. Die Bestätigung, dass er wirklich der schrecklichen Organisation angehörte, hatte sie tief getroffen.

Dann kam der Streit mit Henry. Sie hatte noch einmal versucht, ihn dazu zu überreden, sie zu ihrem Vater zurückgehen zu lassen, um an das benötigte Passwort zu gelangen, schließlich würde sie ohne Probleme zu ihm zurückkehren können. Doch er hatte sich geweigert und ihr nicht einmal mehr zugehört. Sie wusste, er kämpfte schon lange mit der Furcht, sie zu verlieren, und so erlebte Liz zum ersten Mal, dass Henry ihr aus dem Weg ging.

Dieser Umstand tat ihr mehr weh als die Nichtbeachtung durch ihre eigene Familie. Henry war quasi ein Teil von ihr geworden, war nach der Befreiung aus der Loge ihr Rettungsanker gewesen und hatte sie aus ihrem Schneckenhaus, in das sie sich schon seit dem Weggang ihrer Mutter zurückgezogen hatte, herausgeholt. Er wollte ihr helfen, wollte sie vor der Loge beschützen, aber ihm waren die Hände gebunden, und das machte ihn reizbar und wütend.

Seit ihrem Streit hatte Liz kaum mehr ein Wort mit ihm gesprochen. Die Enttäuschung darüber, dass er ihren Vorschlag, zu ihrem Vater zurückzukehren, um das Passwort zu stehlen, als zu gefährlich abgetan und es ihr verboten hatte, tobte zu sehr in ihr. Sah er nicht die Chance, die sich dadurch allen bot? Madeleine hatte ihr Leben aufs Spiel gesetzt und die Dateien der Loge entwenden können, in denen alle Namen der Logenmitglieder abgespeichert waren. Liz musste nur nach Hause zu ihrem Vater gehen, in einem unbeobachteten Moment das Passwort für die Dateien besorgen und dann wieder zum Anwesen zurückkehren. Natürlich würde sie erst den richtigen Zeitpunkt abwarten und ihrem Vater hinterherschnüffeln müssen, aber in Gefahr würde sie nicht sein. Auch wenn ihr Vater der Loge angehörte und alle ihre Freunde ihn daher zu einem Monster abgestempelt hatten, bewahrte sie sich in ihrem Innern die Hoffnung, dass ihr Vater von früher noch irgendwo in ihm sein musste.

Liz beschloss, zu ihrem Vater zurückzugehen und das Beschaffen des Passwortes zu ihrer eigenen Mission zu machen. Doch dafür brauchte sie die Hilfe der Marten-Schwestern. Es hatte Liz viel Überzeugungsarbeit gekostet, Evelin und Madeleine von ihrem Vorhaben zu überzeugen. Sie mussten Liz’ Entschlossenheit gespürt haben, denn irgendwann gaben sie nach und willigten ein, ihr zu helfen. Heimlich, damit die Master nicht misstrauisch wurden, erstellten sie einen Plan, wie sie Liz unbemerkt aus dem Anwesen herausschmuggeln konnten. Evelin war diesbezüglich eine gute Quelle, denn sie war selbst schon einmal von Adrians Anwesen geflohen, weil sie von einem Logenmitglied erpresst worden war. Dieses hatte Evelin gedroht, ihre Schwester zu töten, sollte sie seinen Anweisungen nicht Folge leisten.

Und so stand sie nun in ihrem alten Jugendzimmer und hoffte, die Master würden die beiden nicht zu sehr bestrafen. Schließlich war es Liz’ Plan gewesen, sie war die Strippenzieherin.

Seufzend packte sie ihren Koffer aus, legte alles auf das Bett und stellte ihn neben ihren Kleiderschrank. Sie öffnete die massive Holztür und sah, dass alle ihre Sachen ordentlich eingetütet waren. Sie gab sich einen Ruck und ging die Kleider auf der Kleiderstange durch. Dann zog sie das dunkelgrüne Etuikleid hervor, das ihr Vater ihr kurz vor ihrer Entführung geschenkt hatte. Sie holte es aus der Schutzfolie und kam sich wie eine Totgeglaubte vor, die nun doch zurückgekehrt war und ihren alten Kleiderschrank plünderte. Sie ging zu dem hohen Wandspiegel und hielt das Kleid vor ihren Körper. Sie war sich sicher, dass es eines der wenigen Kleidungsstücke war, in das sie noch reinpassen würde. Der Gürtel an der Hüfte ließ sich verstellen, was es ihr ermöglichte, doch in die alte Größe S hineinzupassen. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Auf Adrians Anwesen hatte sie ein paar Kilo zugelegt, und alle Master hatten sie darin bestärkt, dass sie mit diesen viel besser aussah. Sie war ein Klappergestell gewesen. Nun besaß sie das passende Gewicht für ihre Größe, und Henry liebte ihre sinnlichen Kurven. Der Gedanke an ihn stach in ihrer Brust und schnell legte sie das Kleid auf ihr Bett, um auf andere Gedanken zu kommen.

Sie besah sich ihre Auswahl für das Abendessen. Das Etuikleid mit den kurzen Ärmeln, das ihrem Vater sicherlich gefallen würde, oder eine hellblaue Jeans und ein knallgelbes Shirt mit orangefarbenem Schriftzug, die sie vom Anwesen mitgebracht hatte. Liz hatte in den letzten Jahren herausgefunden, dass sie es liebte, sich bunt und hell zu kleiden. Die Anziehsachen, die die meisten Menschen als übertrieben zusammengewürfelt ansahen, waren für Liz genau richtig. Die freie Entscheidung zu haben, anzuziehen was ihr gefiel, hatte ihr Selbstbewusstsein gestärkt, und so stand sie nun vor ihrem Bett und betrachtete die absolut gegensätzlichen Outfits. Mit dem Kleid würde sie sich perfekt an die Umgebung anpassen, und das wollte sie ja: ihrem Vater gefallen, sein Vertrauen gewinnen, um an das Passwort zu gelangen, und dann so schnell wie möglich wieder verschwinden. Mit den farbenfrohen Sachen würde sie ihn reizen und dazu verleiten, mehr auf sie zu achten, als ihr lieb wäre. Liz kämpfte mit ihrer Entscheidung, als es klopfte. Sie ging zur Tür und atmete einmal tief durch, bevor sie den Schlüssel umdrehte und sie öffnete.

Ihre Stiefmutter schneite mit einem breiten Lächeln unaufgefordert herein. „Elisabeth, ich wollte mich nur versichern, dass du alles hast, was du benötigst.“ Dabei blieb sie in der Mitte des Raumes stehen und sah sich mit gerümpfter Nase um. „Leider hat dein Vater darauf bestanden, dein Zimmer nach deinem Auszug so altmodisch zu lassen, sonst hätte ich dir ein wirklich hübsches Zimmer mit etwas mehr modernem Flair herrichten können.“

Liz spürte, wie die Wut in ihrem Magen hochkochte. „Danke für deine Mühe, aber ich bin ganz froh, dass mein Vater dagegen war, sowohl sein Arbeitszimmer als auch mein Zimmer zu verunstalten.“

Viktorias Augen richteten sich auf sie. „Pass auf, was du sagst.“ Bei ihrem Lächeln wurde Liz übel. „Ich bin jetzt die Frau in diesem Haus, und wenn du hierbleiben möchtest, solltest du dich nicht mit mir anlegen. Ich habe kein Problem damit, deinen Vater davon zu überzeugen, dich wieder auf die Privatuni im Ausland zurückzuschicken. Du hast keinen Job und keine Wohnung. Ohne das Geld deines Vaters bist du ein Nichts und würdest auf der Straße sitzen. Also pass auf, dass du es dir nicht mit mir verscherzt.“ Mit hoch erhobenem Kopf drehte sie sich um, ging aus dem Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.

Liz zischte ihr „Widerliche Hexe“ hinterher, dann musste sie lächeln. Von ihr aus konnte Viktoria ihrem Vater ruhig damit in den Ohren liegen, dass er sie auf die Privatuniversität zurückschicken sollte, denn sie glaubte nicht, dass er sie so schnell wieder gehen ließe.

Entschlossen griff sie nach dem Kleid. Viktoria hatte ihr die Entscheidung, für welches Kleidungsstück sie sich entscheiden sollte, abgenommen. Sie würde versuchen, ein wenig Zwietracht zwischen ihr und ihrem Vater zu sähen.

Dass weder ihre Stiefmutter noch ihr Vater ihr am meisten Schwierigkeiten bereiten würden, an das Passwort zu gelangen, ahnte sie zu dem Zeitpunkt noch nicht.

Henry überfuhr vier Stoppschilder und eine rote Ampel und war heilfroh, dass die Polizei ihm nicht mit Sirenengeheul hinterherjagte. Sein Magen verwandelte sich aus Sorge um Liz in einen Eisklumpen. Wütend schlug Henry mit der Faust auf das Lenkrad und bog mit quietschenden Reifen in den gepflasterten Weg zu Adrians Anwesen ein. Ungeduldig klopfte er auf die Armaturenfläche und wartete, bis sich das schmiedeeiserne Tor öffnete. Beim Vorbeifahren nickte er Mike und David, zwei Freunden von ihm, zu und fuhr auf den kreisrunden Kiesplatz vor der Villa. Schnell stellte er den Motor ab, sprang aus dem Wagen und war mit wenigen Schritten an der Haustür angekommen, an der Adrian bereits stand und auf ihn wartete. Wie immer war sein Jugendfreund adrett gekleidet, doch das Lächeln bei ihrer Begrüßung fehlte. Er hatte sich am Handy nicht weiter zu Liz’ Verschwinden geäußert, aber Henry sah nun die Sorgenfalten um seine Augen herum, und der grimmige Ausdruck in seinem Gesicht verursachte ihm Übelkeit.

„Komm rein, ich habe alle zusammengerufen.“ Adrian drehte sich um und eilte in das Wohnzimmer, das in früheren Zeiten als Ballsaal gedient haben musste. Antike Möbel wurden mit moderner Dekoration aufgehübscht und überall standen Vasen mit bunten Blumensträußen und verteilten einen dezenten Duft im ganzen Haus.

Henry trat hinter seinem Freund in das Zimmer ein. Mit einem Blick überschaute er die Szene. Evelin und Madeleine saßen nebeneinander auf dem breiten Ledersofa. Evelin hatte den Kopf gesenkt. Madeleine saß mit vor der Brust verschränkten Armen neben ihr und funkelte Falco, der ihnen gegenüber an der Wand lehnte, wütend an. Falco und Patrick sahen so aus, als wollten sie die beiden Frauen sofort übers Knie legen, und während Henry die Schwestern ansah, wuchs in ihm die Vermutung, dass diese nicht ganz unschuldig an Liz’ abrupter Abreise waren. Er versuchte, tief einzuatmen und die verkrampften Schultern zu lockern, dann stellte er sich zu ihnen. Mit Genugtuung nahm er wahr, wie Evelin unruhig mit ihrem Hintern auf dem Sofa hin und her rutschte und wie sich in Madeleines wütendes Augenfunkeln ein Schimmer Unsicherheit mischte. Kein Wunder, schließlich standen den Schwestern vier ziemlich angesäuerte Doms gegenüber, denen sie Rechenschaft abzulegen hatten. Henry wollte jetzt nicht in ihrer Haut stecken.

Adrian ergriff das Wort. „Evelin und Madeleine haben Liz geholfen, einen Koffer hier hereinzuschmuggeln, und sie danach aus dem Anwesen gebracht.“

Bei seinen Worten sah Evelin auf und bei ihrem Hundeblick begann Henrys Ärger beinahe zu schmelzen.

„Es tut mir leid, aber wir konnten Liz nicht im Stich lassen.“ Schniefend zog Evelin die Nase hoch und nahm ein Taschentuch, um sich die Nase zu putzen.

Adrian, ganz der Master, gab mit keiner Regung preis, wie es in ihm aussah. Sein Tonfall war hart und ohne Mitgefühl. „Ist euch bewusst, in welche Gefahr ihr Liz gebracht habt? Vielleicht fällt sie wieder in die Hände der Loge. Wie konntet ihr nur so gedankenlos sein?“

Nun konnte sich Evelin nicht mehr zurückhalten und fing an, zu weinen. Madeleine nahm ihre Schwester in den Arm und drückte ihre Schulter, dabei sah sie Falco an, der still an der Wand lehnte und Madeleine nicht aus den Augen ließ.

„Liz wäre auch ohne unsere Hilfe gegangen. Wir wollten ihr helfen und für sie da sein, weil es manch anderer hier in diesem Raum nicht getan hat.“ Dabei schaute sie Henry direkt in die Augen, und das Schuldbewusstsein, das er schon den ganzen Tag über fühlte, schnellte wie ein Pfeil in seine Brust.

Falcos Stimme lenkte ihn von seiner inneren Pein ab. „Maddie, du weißt, dass es Henry und Liz nicht einfach haben, und ich bin mir sicher, sie hätten ihren Streit bald beigelegt und sich wieder versöhnt.“

Henry ging zum Sofa und setzte sich auf die Lehne. „Ich wusste immer, dass Liz wegen ihrer Familiensituation leidet. Ich konnte nichts dagegen tun, und die Wut deshalb hat mich für ihre Argumente blind gemacht. Ich habe ihr nicht mehr zugehört, und das war verantwortungslos von mir.“

Falco kam zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Jeder hier hat eine Last zu tragen, auch wir sind nicht perfekt, aber es gehört Mut dazu, sich seine Fehler einzugestehen“, sagte Falco und sah die Schwestern an. „Ihr habt recht. Wir hätten Liz mehr Gehör schenken müssen, und wir verstehen, dass ihr ihr helfen wolltet. Doch jetzt sind wir in einer Situation, in der wir keinerlei Kontrolle über die Lage haben. Liz ist ganz auf sich allein gestellt. Zwar ist sie bei ihrem Vater, aber wer weiß, inwieweit er mit der Loge interagiert.“

Henry sah, wie Madeleines Gesichtszüge weicher wurden und wie Evelin Adrian einen flehenden Blick zuwarf, ihr zu vergeben.

„Am besten ist es, wenn Evelin und Madeleine uns genau erzählen, was Liz ihnen gesagt hat und wie sie sie rausgeschmuggelt haben. Dann überlegen wir, welchen Schritt wir als Nächstes machen können“, sagte Patrick.

„Liz hat vor, das Passwort zu besorgen, daran können wir nichts mehr ändern. Nun ist es wichtig, sie im Auge zu behalten und ihr zu helfen, ohne sie auffliegen zu lassen“, stimmte Adrian Patricks Worten zu.

Falco trat vor die beiden Frauen und sah mit verschränkten Armen auf sie hinunter. „Und nachdem ihr uns alles erzählt habt, werden wir uns überlegen, welche Strafe euch für euer Handeln erwartet!“ Sein Blick bohrte sich förmlich in die Frauen, die sofort erstarrten und die Luft anhielten.

Henry stand auf. „Wir denken uns eine gerechte Strafe für euch aus, und ihr werdet sie erhalten, wenn Liz wieder hier bei uns ist. Und denkt nicht, dass ihr mit ein paar Klapsen auf den Hintern davonkommen werdet!“

Evelin und Madeleine starrten ihn ängstlich an. Die beiden Frauen wussten, dass weder er noch die anderen Master ihnen ernsthaft Schaden würden. Sie brachten ihre Subs gern auf sinnliche und leidenschaftliche Weise an ihre Grenzen, schenkten ihnen Lustschmerz, doch sie unterschieden sich auch darin ganz eindeutig von der Loge, die selbst vor Vergewaltigung und Mord nicht zurückschreckte.

Evelin und Madeleine standen auf und verließen mit Falco das Zimmer. Henry ging zum drei Meter hohen Fenster und sah in den Park hinaus, der sich hinter dem Anwesen verbarg. Adrian hatte einen grünen Daumen, wo Henry zwei linke Hände besaß. Adrian und Evelin ergänzten sich in ihrer Liebe zu Pflanzen aber perfekt, und dank ihrer Zusammenarbeit erstrahlte die Natur um die Villa herum noch hübscher als zuvor.

Henry ballte, in Gedanken versunken, die Hände zu Fäusten. Wie hatte es nur zu dem Streit mit Liz kommen können, und wie hatte sie ihn verlassen können, ohne ihm etwas davon zu sagen? Liz und er hatten sich auf Anhieb verstanden, und er hatte das Gefühl gehabt, endlich die Frau gefunden zu haben, mit der er den Rest seines Lebens verbringen wollte. Liz war einfühlsam, brachte ihn oft zum Lachen und liebte es, ihn zu reizen, damit er sie bestrafen konnte. Er hatte gedacht, sie würden perfekt miteinander harmonieren, doch anscheinend waren die Narben ihrer Vergangenheit tiefer und beschäftigten sie mehr, als er vermutet hatte. Warum sollte sie sonst eine solch gefährliche Entscheidung treffen? Ihr Vater gehörte der Loge an, und Henry wollte sich gar nicht vorstellen, was Liz bei ihm erwarten könnte. Mit der Faust schlug er auf die Fensterbank. „Ich habe als ihr Partner versagt. Ich hätte meine eigenen Gefühle zurückstellen müssen, dann wäre es nicht zum Streit gekommen und Liz wäre jetzt nicht bei ihrem Vater.“

Adrian stellte sich links von ihm hin, Patrick auf die andere Seite. Henry sah seine beiden Freunde durch das Spiegelbild im Fenster an.

„Niemand von uns ist fehlerfrei. In jeder Beziehung gibt es Streit, und glaube mir, ich kann voll und ganz nachvollziehen, wenn du deine Frau manchmal auf den Mond wünschst“, sagte Adrian und lächelte. „Ich würde dir raten, dich mit Liz auszusöhnen und mit ihr zu reden. Aber das geht ja leider nicht. Sie hat eine Entscheidung getroffen, die uns alle betrifft, aber durch das Trauma, das sie in ihrer Kindheit erlitten hat, hat sie anscheinend vergessen, dass sie nicht mehr allein ist und dass wir alle in einem Boot sitzen.“

Henry fuhr sich mit den Händen durch das Gesicht und seufzte. „Ich muss Liz da rausholen. Jetzt, wo sie nicht mehr in meiner Nähe ist, habe ich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, und ich habe ein Scheißangst um sie.“

„Wir werden alle Hebel in Bewegung setzen und ihr beistehen. Liz ist eine starke Person geworden. Sie weiß trotz der Emotionen, die im Spiel sind, worauf sie sich da eingelassen hat“, antwortete Patrick.

Henry wollte den Worten seiner Freunde glauben, doch er kannte Liz besser als jeder andere. Sie hatte ihm all ihre Ängste anvertraut, was einer der Gründe dafür war, weshalb er sie nicht in diese Mission hatte hineinziehen wollen. Ihr Verhältnis zu ihrem Vater war angespannt, schließlich hatte er die letzten vier Jahre keinen Kontakt zu ihr aufgenommen. Liz stellte sich stur und ließ sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen, zu ihrem Vater zurückzukehren. Doch Henry war davon überzeugt, dass sie in dieser Sache zu tief drinsteckte und daher nicht objektiv handeln würde. Ihre Gefühle und ihre Hoffnung, sie könnte beweisen, dass ihr Vater kein Mitglied der Loge war, waren für ihn das Risiko nicht wert, dass sie sich in Gefahr begab. Ihr Streit war eskaliert und seitdem hatten sie kein Wort mehr miteinander gesprochen.

Er würde alles tun, um Liz wieder in die Arme schließen zu können, und wenn er dafür sein Ass im Ärmel ausspielen musste, würde er es tun. Diese Karte barg jedoch weitere Gefahren, und er würde sie erst benutzen, sollte es wirklich keine andere Möglichkeit mehr geben. Nur durften seine Freunde nichts von dem Plan mitbekommen, der in seinem Kopf langsam Gestalt annahm, denn er wusste, sie würden versuchen, ihn aufzuhalten.

Die dunkle Loge: Unsichtbarer Käfig

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