Читать книгу Die Zone - Mireille Zindel - Страница 7

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In der Bucht vor Syrakus geht er tauchen. Zunächst an einer Stelle, die nur zehn Meter tief ist. Dort übt er, die Luft anzuhalten, möglichst lange unter Wasser zu bleiben.

NO LIMIT.

Er mag die Worte, die Messungen nicht für das, was er tut. Er will nichts darüber hören und lesen. Er will in Ruhe gelassen werden. Aber das geht nicht. Er trägt die Namen seiner Sponsoren auf dem Taucheranzug. Er gibt Interviews.

Einmal unter Wasser verlangsamt sich der Herzschlag, das Gehirn wird vermehrt durchblutet, der Stoffwechsel fährt herunter, der Körper verbraucht so wenig Sauerstoff wie möglich. Der Körper weiß. Er weiß mehr als Cyril. Und Cyril hat gelernt zuzuhören. Zwischen zwei Atemzügen auf den Körper zu hören, wie er es auch tagsüber übt. Einatmen, innehalten, spüren, ausatmen. Er benimmt sich fast so, als hätte man ihn gezwungen, an den Wettkämpfen teilzunehmen, als wäre er lieber nie auf der Bildfläche der Sportveranstaltungen erschienen. Aber so ist es nicht. Er ist kein Polynesier, der insgeheim tiefer und länger taucht als alle anderen. Er hat trainiert, trainiert, trainiert, einen Lehrer nach dem anderen ausgewechselt, weil er sie nach kurzer Zeit alle geschlagen hat. Er hat am Anfang rasend schnell Fortschritte gemacht. Alle haben sein Talent erkannt. Er hat sich nie geweigert, als es darum ging, ihn zu Wettbewerben anzumelden, ein ganzes Team um ihn herum aufzubauen, Sponsoren zu suchen, den Medienrummel anzuzetteln. Die vielen Leute, die vielen Monate, die vielen Reisen. Er ist achtunddreißig. Er denkt jeden Tag ans Aussteigen.

Tags darauf eine tiefere Stelle mit dem Schlitten.

Cyril setzt sich auf die Bordkante, spritzt sich Wasser ins Gesicht.

Man vermutet, dass Hautrezeptoren in der Nähe von Nase und Oberlippe für den Tauchreflex eine Rolle spielen.

Er weiß nicht, weshalb er das tut. Weshalb er sich das antut. Es ist sehr anstrengend. Wenn er drei Minuten getaucht ist, verbringt er den Rest des Tages mit Essen und Schlafen, so sehr strengt das Tauchen ihn an.

Einmal ist er auf einen Fisch geprallt.

Vierzig Kilo, die ihn in die Tiefe ziehen, mit dem Kopf voran in einen Fisch.

Er hatte nichts sehen können.

Es war zu dunkel gewesen.

Was war es gewesen?

Er wird es nie wissen.

Aber diese Begegnung, dieses Gefühl, hat er nicht wieder vergessen.

Der Körper des Tieres hatte nachgegeben, war zur Seite gewichen.

Und die vielen Kreaturen, an denen er vorbeigekommen sein mag, von denen er nichts weiß.

Tochter zwölf Tage alt.

Vater einundsiebzig.

Mutter dreiundsechzig.

Bruder vierzig.

Das Meer ist der Ursprung des Lebens.

Es kann der Tod sein.

Er geht keine Risiken ein.

Redet sich jeder Wettkampf-Freitaucher ein.

Die schwimmende Plattform vor dem Boot.

Von dort aus startet er.

Er wird an sein Seil geführt.

Mit einem Karabiner am Knöchel ans Seil gehakt.

Er gibt das Zeichen.

Er holt tief Luft.

Er ist unten.

Sechzig Meter in fünfzig Sekunden.

Und wieder hoch.

Sara hat ihn rausgeworfen.

Gepackte Koffer, ausgewechseltes Schloss.

Nur um die Kinder macht er sich Sorgen.

Joachím, neun, Antonín, acht.

Sie besitzen kein Telefon

die Kommunikation läuft über ihre Mutter.

Also Sara anrufen.

Er hat keine Wahl.

Den Hörer die ersten paar Minuten vom Ohr weghalten, bis sie sich beruhigt hat.

»Sind die Kinder da?«

»Ja.«

»Hören sie dich?«

»Hast du ein Problem damit?«

»Gib sie mir.«

Er hat es geschafft, sie die Hälfte der Zeit bei sich zu haben.

Neue Wohnung, Scheidung. Alles eine Weile her.

»Lihi, Lihi«, hieß damals das Problem.

Dabei schrieb er Lihi längst keine Zeile mehr.

Joachím und Antonín wissen von ihrer Schwester, die sie nie gekannt haben.

Sie waren bei keiner Beerdigung.

Wer möchte schon zu Bestattungen gehen?

Take it easy.

Nur so schafft er es, zu tauchen.

Leonardo DiCaprio hat den Satz am Ende eines Interviews einer Traube Journalisten zugeworfen:

»Take it easy, guys!«

Cyril hat den Jungen davon erzählt. Sie waren auf dem Weg in die Schule, durch den Park, unter Magnolien und Buchen hindurch.

Cyril liebt es, die Kinder bei sich zu haben. Für sie zu kochen. Mit ihnen zu essen. Sie in die Schule zu bringen, den Weg durch die Anlage.

Es gibt ein Glück, das aus solchen Ritualen besteht: essen, gut schlafen, die Natur betrachten.

Er fliegt nach Hause.

Die Zone

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