Читать книгу Im nächsten Leben werd ich Mann! - Mirja Regensburg - Страница 5

Shopping

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Neulich wollte ich mir einen Bikini kaufen. Ich war in zwei verschiedenen Läden. Beide waren eher hochpreisige, inhabergeführte Dessousläden, die keine Ware von der Stange anbieten. Im ersten Laden bediente mich ein Mann. Ja, ihr habt richtig gelesen. Ein Mann. Das hatte ich bis dahin auch noch nicht erlebt.

Der Verkäufer schaute mich kurz an, suchte mir einen Bikini raus, der mir tatsächlich sofort gefiel. Das Höschen erschien mir viel zu klein, ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass mein umfangreicher Poppes da reinpassen sollte!

Die Umkleidekabine des Ladens war wunderschön. Warmes Licht, ein barocker Spiegel, in dem man aber keineswegs barock aussah, dazu ein schwerer weinroter Samtvorhang, der mit einer Glitzerhaarklemme zusammengehalten wurde. Als kleines Benefit: Gratis-Slipeinlagen, der Hygiene wegen. Das fand ich zwar merkwürdig, aber irgendwie auch toll. Natürlich verbrauchte ich die gesamte Packung, weil ich dreißig verschiedene Bikinis anprobierte. Dabei hatte ja eigentlich der erste schon perfekt gepasst.

Der Verkäufer kam zu mir, zuppelte an mir herum, erklärte mir, warum Bikinis und BHs bei neunzig Prozent aller Frauen nicht richtig sitzen.

Das Höschen fand ich allerdings noch immer zu knapp. Und so sagte ich den einen entscheidenden Satz, der ihn zu einem Monolog über die Schönheit der Frau hinriss.

»Bin ich nicht zu dick für so einen knappen Bikini?«

Daraufhin er: »Sie sind eine wunderschöne Frau mit weiblichen Formen. Sie haben perfekte Proportionen!«

Venus … das Wort Venus fiel … Ich hörte ihn nur noch wie durch eine Glasscheibe, Geigenmusik erklang, ich sah Seifenblasen, glaubte sogar, ein Einhorn zu sehen, und spürte, wenn er nicht bald aufhörte, würde ich ihm die berühmte Waschmaschine auch noch abkaufen.

Nun lief der Verkäufer erst zu Hochform auf: »Der hohe Ausschnitt des Höschens betont Ihre langen Beine, macht sie noch länger. Frauen sehen sich selbst immer falsch. Wir Männer schauen bei einer Frau im Bikini zuallererst auf den Busen. Und der ist in diesem Bikini wunderschön.«

Ich schmolz dahin. Aber ich traute ihm natürlich nicht. Und mir selbst sowieso nicht. Dabei wäre es so einfach gewesen. Ich hätte den direkten Weg gehen können. Den Bikini kaufen. Zahlen und gehen.

Der ganze Spaß wäre nach einer Viertelstunde erledigt gewesen.

Aber nein. Nicht ich als typische Frau. Natürlich habe ich die ganze Stadt durchkämmt. Es könnte ja woanders noch was Besseres geben.

Ich schaute in kühlen, anonymen Kaufhäusern und fand schließlich das passende Gegenstück zu meiner Boutique mit männlichem Verkäufer. Die kleine Boutique mit weiblicher Verkaufskraft.

Die Verkäuferin eilte mir sofort zur Hilfe, musterte mich, schätzte meine Größe falsch und gab mir ausschließlich Bikinis, die mir auf den ersten Blick überhaupt nicht gefielen. Sie sagte, es sei das Ende der Saison und das Beste ohnehin schon weg. Jeder Verkaufscoach hätte aufgrund dieses negativen Gesprächseinstiegs die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Denn natürlich animierte mich das nicht wirklich zum Anprobieren. Ich kämpfte mich durch die fünf rausgesuchten Bikinis. Vier davon passten überhaupt nicht.

Der Einzige, der dann passte, gefiel mir nicht. Das Licht in der Umkleide war grell und meine Cellulite schien mir so weit fortgeschritten, dass ich dachte, ach, Mensch, jetzt weißte, wo du demnächst deinen Einkaufswagenchip aufbewahren kannst.

Die viel wichtigere Frage aber war: Warum gab es hier eigentlich keine Gratis-Slipeinlagen? Dann kam die Verkäuferin, und das, was sie sagte, war wie ein Schlag ins Gesicht: »Ich glaube, Sie sind eher Typ Badeanzug. Dann haben Sie mehr Halt.«

Ich fragte: »Halt? Wofür? Haben Sie Angst, dass mein Bauch früher im Wasser ist als der Rest von mir?«

Sie guckte sehr verdattert, lachte nicht mal über meinen, wie ich fand, sehr gelungenen Witz und stotterte nur was von wegen »Ach, ich dachte, dann fühlen Sie sich vielleicht besser …«

Dann fühle ich mich besser? Was? Ich fühlte mich alles andere als besser. Die Verletzung saß tief. Ich kaufte natürlich nix und ging zurück zu meinem Superman der Bikinis. Dem Verfechter der knappen Höschen! Dem Mann, der mir ein gutes Gefühl vermittelt hatte, der mir ehrlich schien. Und der Mann, der mich so gesehen hat, wie ich mich selbst gerne sähe.

Er grinste übers ganze Gesicht, als ich reinkam und sagte:

»Na, entschieden?«

»Ja. Ich kaufe den allerersten!«

Ich war völlig erschöpft, verklebt und müde von der Sommerhitze. Er machte mir einen Espresso, und während er die Kapsel in die Maschine legte, bildete ich mir im Fiebershoppingwahn ein, er hätte eine gewisse Ähnlichkeit mit George Clooney. Sehr liebevoll verpackte er meinen Bikini in Seidenpapier. Schenkte mir eine Bikinitasche für den Strand dazu und steckte weitere Gratisproben von Slipeinlagen mit in die Tüte. Ich vermute, er betreibt einen illegalen Slipeinlagenhandel. Unter der Hose, äh, Hand. Als Pointe gab er noch drei Schoko-Kaubonbons mit rein. Das sah ich fast als Provokation. Aber ich glaube, er hat es wirklich einfach nur nett gemeint. Jede Verkäuferin hätte gesagt: »Aber gut einteilen! Sonst passt der Bikini morgen nicht mehr!«

Ich verließ den Laden und ging pfeifend und lächelnd nach Hause.

Geschlagene vier Stunden waren mittlerweile vergangen. Fünfzehn Minuten hätten es letztlich nur sein müssen. Dieser Tag war sehr lehrreich: Erst einmal hat der Verkäufer mich komplett mit nur EINEM Verkauf als Stammkundin gewonnen! Denn er hat eine emotionale Bindung geschaffen und mit Fachwissen aufgewartet. Selbstverständlich kaufe ich in Zukunft auch meine BHs bei ihm. Und damit meine ich nicht, dass es da so nett war, weil er mich vollgeschleimt hat. Nee, das hat er nämlich nicht. Er war auch null flirty. Er war ganz geradeaus und ehrlich. Und hatte Fachwissen. So muss es sein. Er hat das, was in seinen Augen schön an mir ist, verstärkt, anstatt Schwächen aufzuzeigen. Er hat mich UNTERSTÜTZT. Wie ein guter BH. Während ich den Halt, den ich vergeblich bei der Verkäuferin suchte, nur in dem von ihr angebotenen Badeanzug hätte finden können.

Ich habe mich gut gefühlt, als ich da raus bin.

Und den Praxistest hat der Bikinikauf auch bestanden. Noch nie habe ich so viele Komplimente für einen Bikini bekommen. Gleich im anschließenden Kroatienurlaub rief man mir am Strand direkt zu: »Bock?!« Und ich dachte, hui, wie schnell die hier in Kroatien so zur Sache kommen.

Bis ich dann erfuhr, dass »Bok« auf deutsch einfach nur »Hallo« bedeutet. Aber noch mal: Dieser Verkäufer hat es geschafft, dass ich mich gut fühle. Wie sagte schon einst Harald Glööckler: »Jede Frau kann eine Prinzessin sein!«

Darüber musste ich früher immer lachen und habe das nie so ganz ernst genommen. Aber DIESER Verkäufer hat das geschafft, ohne dass ich den Polyester-Glitter von Glööckler anziehen muss.

Ganz davon abgesehen profitiere ich noch immer von dem riesigen Slipeinlagenvorrat.

Diese Anekdote zeigt doch im Grunde genau auf, wo das eigentliche Problem liegt. In der Unterstützung. In der Ehrlichkeit. Im Miteinander.

Ich habe selbst früher als Verkäuferin gearbeitet. Nach meiner Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau habe ich gejobbt, weil ich nicht übernommen werden wollte in eine Festanstellung. Ich hatte vor, stattdessen Musicalschulen-Aufnahmeprüfungen zu machen – nichts naheliegender als das.

Mein erster Job im Verkauf war in einer Boutique, die von einem Mann geführt wurde. Er arbeitete mich ein, von ihm habe ich alle Basics gelernt. Alles über Materialien, sämtliches Fachwissen. Aber vor allem habe ich gelernt, wie man wirklich gut verkauft. Ich habe das einige Jahre gemacht, später auch in Hamburg, habe damit mein Studium finanziert und die ersten Jahre im Musicalberuf noch was dazu verdient. Mir wurde nachgesagt, dass ich eine sehr lustige, aber vor allem gute Verkäuferin gewesen sei, und tatsächlich hatte ich Bombenumsätze. Woran das lag? Nun ja. Ich denke, weil ich sehr ehrlich war. Wenn etwas nicht gut aussah, hab ich es immer gesagt, ich habe immer nach den Stärken der Kundin geschaut, mit Begeisterung Sachen präsentiert, und das hatte zur Folge, dass ich sehr viele Stammkunden hatte. Ich habe auch viele Pärchen bedient, habe immer versucht, Verbindungen herzustellen, denn es gibt nichts Schlimmeres als eine Konkurrenzsituation in einem Verkaufsgespräch. Auch da: Verbündet sich die Verkäuferin mit der Ehefrau, wird alles gut laufen. Tut sie das nicht, wird die Gattin rebellieren und auf jeden Fall GEGEN die Verkäuferin agieren und alles doof finden, was diese präsentiert. Das wiederum versteht der Mann nicht und denkt nur: Krass, die haben ja BEIDE ihre Tage!

Dabei könnte es auch da so einfach sein. Den geraden Weg wählen!

Ich habe immer so bedient, wie ich gern bedient worden wäre, aber in den seltensten Fällen ging mir das umgekehrt auch so. Der Bikinikauf erinnerte mich ein bisschen an diese Zeit, diese letztlich »alte Schule«.

Heutzutage muss man ja Lippenlesen können, damit man sich mit der Verkäuferin unterhalten kann, weil die Musik im Laden so laut ist. Sie oder auch er kaut oft Kaugummi, wirkt gelangweilt von sich und dem Leben und sagt so Sätze wie: »Sie schauen sich nur um?«

Nein, ich möchte hier gleich vorm Pulliregal ein Käckerchen machen. Und wenn man aus der Kabine kommt, dann sagen diese Verkäufer sehr oft: Super! Und wie fühlen Sie sich? Es klingt nicht nur wie eine Floskel. Es ist eine. Und hat nichts mit mir und der Wahrheit zu tun. Ich habe meinen Kunden immer gesagt, wenn etwas nicht so gut aussah. Auf freundliche Art. Und ohne Kaugummi. Dafür mit Kippe.

Kleiner Scherz.

Aber jetzt mal im Ernst. Männer machen es sich einfach leichter. Sie wählen den geraden Weg! Sie verkaufen geradlinig. Und sie kaufen auch geradlinig. Es sieht irgendwie alles einfacher aus, und deswegen sehne ich mich ja auch so nach einem nächsten Leben als Mann! Denn wenn es ums Kaufen geht, bin ich wie die meisten Frauen.

Stellt euch mal vor, Mädels, ihr habt nicht mehr dreißig verschiedene Duschgels und Shampoos, sondern nur eins. Eins für unten und oben! Weil uns das einfach reichen würde. Für mich als Kosmetik-Abhängige fast unvorstellbar. Ich versuche immer wieder, mich zu bändigen und in dem Bereich wie ein Mann zu denken, doch Mrs. Hyde kommt immer wieder durch. Mein Kosmetik-Gollum: dein Schatz. Kauf es. Haaaaaa … Du brauchst das. BRAUCHST DAS! Ich habe so viele Lippenstifte. Selbst wenn ich meine zweiten Lippen noch mitschminke, werde ich es in diesem Leben nicht mehr schaffen, die alle aufzubrauchen. Oder Nagellacke! Damit könnte ich einen Monat lang die Lackierung sämtlicher Neufahrzeuge im benachbarten Ford-Werk übernehmen.

Wir Frauen haben doch alle schon den Satz vom Mann gehört:

»Wofür brauchst du denn so viel Kosmetik?«

Wie, brauchen? Hä? Da versteh ich die Frage doch schon nicht! Und der Mann? Klar. Geradlinig. Simpel. Im besten Sinne! Stellt euch vor, ihr ginget nur noch zweimal im Jahr einkaufen. Zweimal im Jahr! Ihr findet die passende Jeans und kauft die gleich fünfmal? Ich suche, seit ich denken kann, nach der passenden Jeans. Glücklicherweise schon mal nicht mehr nach dem passenden Bikini.

Ich hab auch immer das Gefühl, mir an einem fremden Ort bzw. im Urlaub was kaufen zu müssen. So als Erinnerung. Ich glaube aber, das ist eine völlig dämliche Ausrede. Denn ich kauf mir ja keinen Kühlschrankmagneten. Nee, ich shoppe wie gewohnt. Nur eben in Reykjavik oder Oslo. Und dann ist die Hose eben von da und der Thrill für mich noch krasser, während ein Mann beispielsweise sagen würde: Ich brauche gerade keine Hose. Oder: Ja, die ist schön, aber ich habe mir doch zu Hause gerade erst eine gekauft. Eigentlich logisch. Und kontoschonend. Wenn ich doch nur so wäre!

Aber ich habe mir neulich eine ganz normale schwarze Hose in Spitzbergen gekauft. Der norwegischen Inselgruppe in der Arktis. Nee, nicht so eine Hightech-Softshell-Airbreath-Waterresistant-200er Hose für die krasse Mountain-Expedition. Das würde ja noch Sinn ergeben.

Nein! Eine feine Abend-Stoff-Hose. Übrigens im einzigen Laden dort, der sowas überhaupt hat. Sonst gibt es da nämlich nur Outdoorkleidung. Aber ich weiß, warum. Wegen des Positiv-Gefühls.

Die Verkäuferin, elfengleich, norwegisch wunderschön und so freundlich, offen und positiv gestimmt, dass ich beim Bezahlen sogar kurz überlegt habe, ob wir heiraten sollen und ich einwandere. So bin ich. So einfach ist es mit den meisten von uns Frauen. Sie war toll und eine Ausnahmeverkäuferin. Sie war wie mein Bikini-Superman!

Ein Mann wäre erst gar nicht in den Laden reingegangen!

Ich schaffe es, wenn ich, wie so oft, auf Tour mit dem Zug unterwegs bin, in einer Umsteigezeit von sieben Minuten zu shoppen. Ich habe eine innere Landkarte von Deutschlands Bahnhöfen. Ich weiß, dass es in Dortmund die Waffel am Stiel gibt, in Fulda den süßen Accessoire-Laden, und es gelingt mir, innerhalb von fünf Minuten durch Hannovers Tchibo zu stürzen, um nach den Angeboten der Woche zu sehen. Und hat der Anschlusszug etwas Verspätung, dann mache ich noch einen gemütlichen Zwei-Minuten-Bummel durch den Esprit.

Ich habe es schon geschafft, an der gesamten Schlange in der Bahnhofsapotheke vorbeizurennen, zu rufen, ich hätte Durchfall, um dann an der Kasse schnell die Handcreme von Vichy zu bezahlen. Meine größte Schwäche sind eben Cosmetics. Aber auch stylische Mützen und Schuhe. Pullis und Jacken. Wir Frauen sind eben doch Sammlerinnen. Nur in einem bin ich keine typische Frau: Ich habe keinen Handtaschen-Fetisch. Diesbezüglich habe ich es also schon geschafft, wie ein Mann zu sein! Und das in DIESEM Leben.

Männer haben keine Handtasche. Außer sie heißen Jorge.

Die Handtasche muss leben. Tut sie auch bei vielen Frauen, wenn man sich das tiefe Innenleben aus Krümeln und verklebten Bonbons so ansieht. Mich erinnern diese Handtaschen an das berühmte schwarze Loch im Universum. Nach langem Suchen tauchen manchmal wieder Dinge darin auf, die im Raum-Zeit-Kontinuum verschwunden waren. Deutsche Mark, halbe Raider oder auch ganze Kinder. Manche Frauen besitzen so riesige Handtaschen, dass sie wegen ihrer Fehlhaltung zur Physiotherapie müssen.

Wenn ich mal einen Mann mit Handtasche sehe, dann steht er garantiert vorm Laden. Und hält die Tasche seiner Frau. Dieses kümmerliche, traurige Bild wollte ich bisher dem Mann an meiner Seite stets ersparen. Männer kommen definitiv ohne Handtasche klar. Ich auch. Ich habe für unterwegs einen coolen Rucksack und für kurze Wege einen Hipster-Beutel. Ups … Allerdings besitze ich von diesen Beuteln mindestens zwanzig verschiedene!

Und ich merke, ich häufe immer mehr Zeugs an.

Man soll ja alles, was man ein Jahr nicht angefasst hat, aussortieren.

Ja, alles. Ich stell mir dann immer vor, wie draußen vor der Tür lauter Männer stehen: »Musstest du auch weg?«

»Ja!«

»Komm, lass uns erstmal ein Bier trinken gehen …«

Bei diesem ganzen Shopping-Thema können wir von Männern so viel lernen. Männer shoppen mit Strategie. Es geht schnell. Sie sind konzentriert. Sie wissen, was sie wollen. Sie haben nicht das »Vielleicht-gibt-es-noch-was-Besseres-Gen«, und das finde ich für so viele Lebenslagen das entscheidende Gen. Dieses Abwägen, dieses ständige »Ach, vielleicht doch nicht«, das macht uns doch fertig. Das kostet so viel Kraft. Wenn ich an den Bikinikauf zurückdenke: Ich WUSSTE eigentlich sofort, dass der erste Bikini der richtige war. Doch ich habe gezweifelt. Wollte wirklich sicher gehen. Das hat mich Stunden gekostet. In denen ich etwas wirklich Sinnvolles hätte tun können.

Zum Beispiel mit Slipeinlagen handeln!

Was also tun? Lasst uns mal wieder mehr auf unsere innere Stimme hören, Mädels! Wir sollten uns viel mehr selbst vertrauen. Dem eigenen Stil. Dem eigenen Geschmack. Wir Frauen lassen uns sehr oft von außen beeinflussen und einlullen. Deswegen ist auch der Großteil der Marketing-Kampagnen, sei es bei Kosmetik oder Kleidung, auf Frauen abgestimmt.

Wenn ich mir allein die ganzen Frauenzeitschriften ansehe. Schaut euch mal eine Ausgabe der Feindin an! Nur Werbung.

Macht euch mal die Mühe und reißt sämtliche Werbungsseiten aus einer Frauenzeitschrift raus. Es ist ziemlich krass, wie wenig dann noch übrig bleibt.

Hinzu kommt, dass wir gern das haben wollen, was andere haben. Weil wir die Schönste, die Beste sein wollen. Auch da: Wehret den Anfängen! Ich weiß noch genau, wann ich das erste Mal in meinem Leben mit diesem ganzen Wahnsinn konfrontiert wurde. Es war nämlich nicht meine Mutter, die mir mein Gehirn verdreht hat. Nee. Es waren meine Mitschülerinnen in der Grundschule. Ich war ungefähr acht Jahre alt. Und da begann der Zickenterror. Ich war wie immer mit meiner Mutter in Kassel einkaufen. Zweimal im Jahr fuhren wir in die große Stadt. Mama holte mich in unserem Dorf Hümme an der Grundschule ab. Punkt dreizehn Uhr stand sie mit dem kleinen gelben VW-Polo auf der Straße. Hatte sie das Fenster auf, schmissen ihr die Mitbürger gerne mal ihre Post durch den Schlitz, da sie dachten, das Postauto hält. Mama hatte mir das Mittagessen in Tupperware abgefüllt, schließlich lag eine extrem weite Autofahrt vor uns: Hümme-Kassel, dreißig Kilometer.

Zweimal im Jahr wurden bei uns Herbst/Winter- bzw. Frühjahr/Sommer-Sachen gekauft. Welche für GUT und welche für SONST. Alltag. Ich habe immer aus Spaß gesagt, ich habe Sachen für Gut und für Schlecht. Aber so sagte man das eben damals. Das GUT musste dann multikompatibel einsetzbar sein. So wurde auch das Konfirmationsoutfit so gewählt, dass es für den anschließenden Tanzkurs, Omis Siebzigsten, Weihnachten und Silvester passte. Daher wurde ich als Einzige in Hümme mit einer riesigen lila Schleife um den Bauch konfirmiert. Ich sah aus wie eine Teenagerversion von Bridget Jones!

Zurück zur Weltreise nach Kassel. Es musste Kassel sein, denn Hümme hatte nur einen Bäcker, einen Metzger, einen kleinen Supermarkt, mal abgesehen von der wichtigsten Shoppingmöglichkeit, dem Kaugummiautomaten.

Also ab nach Kassel. Alles war komplett durchgeplant. Wie meine Mutter das gemacht hat, ist mir selbst heute noch ein Rätsel. Excel-Tabellen gab es damals ja noch nicht. Als Allererstes ging es zum Augenarzt. Denn ich schielte als Kind sehr stark. Da ich schon sehr früh eine Brille hatte, wurde bei mir nicht das berühmte eine Auge abgeklebt, sondern ein Brillenglas. Ich sah von weitem aus wie eine Baustelle, bei der die Fenster gerade gemacht werden. Einfach nur sehr, sehr schlimm. Beim Augenarzttermin wurden mir pupillenerweiternde Tropfen ins Auge geträufelt, und zwei Stunden später sollten wir wiederkommen. Doch meine Mutter, das Organisationstalent vor dem Herrn, hatte natürlich diese zwei Stunden durchgeplant. Jetzt wurde eingekauft. Für Gut und für Schlecht. Und das musste sehr, sehr schnell gehen, denn die Tropfen fingen an zu wirken. Schon nach kurzer Zeit fiel ich von der Rolltreppe, nickte nur noch alles ab, was meine Mutter mir hinhielt oder lag weinend unter den Drehständern, wenn ich meinen Willen nicht bekommen konnte.

Wieder zurück beim Augenarzt saß ich mit tränenden Augen vor dem Untersuchungsgerät und der Arzt fragte: »Verträgst du die Tropfen nicht, oder wart ihr etwa wieder bei C&A?«

Mit meinem Bruder war meine Mutter übrigens, soweit ich mich erinnern kann, niemals einkaufen. Dem hat sie alles mitgebracht. Was auch wieder beweist, dass es mit den Jungs schlicht einfacher ist! Nach jedem dieser Kassel-Einkaufstrips habe ich mindestens drei Tage nicht mit meiner Mutter geredet, so schlimmen Streit hatten wir.

Nur ein einziges Mal nicht. Das eine Mal. Als sie mir diesen einen Wunsch, den ich hatte, diesen einen großen Wunsch erfüllte: Die rosa Turnschuhe, die sollten es sein. Pia hatte die ja schließlich auch. Pia war die Schönste der Klasse. Die Coolste. Das It-Girl. Ich war so glücklich! Weil ich wusste, dass es eigentlich nicht mehr im Budget war. Aber wenn es um Schuhe geht, verstehen wir Frauen uns eben blind. Da hält uns das Sammlerinnen-Gen einfach zusammen! Voller Aufregung stand ich extra eine Stunde früher am nächsten Morgen auf, um in meinen neuen Schuhen in Ruhe zu frühstücken und die rosa Schätze dem Papa, der Oma und unserer Katze zeigen zu können. Vorsichtig stieg ich ins Postauto zu Mama, die mich in die Grundschule fuhr, vorsichtig stieg ich wieder aus, um meine neuen Lieblinge bloß nicht dreckig zu machen. Ich wollte wie Pia sein. Ich fühlte mich stark, schön und lebendig.

Doch mein Glück sollte nicht lange währen. Denn die Mitschülerinnen schafften es innerhalb von nur einer Minute, mein Leben in die brennende Hölle von Hümme zu verwandeln:

»Du hast ja Pias Schuhe an!«

Nein, das sind meine.

»Ja, aber die hat doch Pia schon!«

Ja, und? Die wurden doch nicht nur für Pia produziert.

»Ja, aber die hast du ihr nachgemacht!«

Nein, ich kann keine Schuhe machen.

Plötzlich standen alle im Kreis um mich: »Nachmacherin, Nachmacherin, Nachmacherin. Mirja ist ne Nachmacherin!«

Mädchen können so grausam sein. Ich verstand es nicht. Ich verstand es einfach nicht. Ich weinte. Den ganzen Tag. Ich habe die Schuhe nie wieder angezogen. Und ich verstehe es heute noch immer nicht. Pia war das, was heute das Instagram-Girl ist. Eine Stil-Ikone. Schon damals dachte ich: Aber was ist das Problem? Ich finde Pia hübsch. Es ist doch ein Kompliment an sie, wenn ich so sein will wie sie! Warum können sich nicht zwei Frauen, egal ob auf dem Schulhof oder auf Instagram, beide gleichzeitig hübsch, schön und stark fühlen? Warum konnten wir damals nicht beide die gleichen Schuhe tragen?

Aber da fängt es eben schon an. Mit acht Jahren. Und rosa Schuhen.

Warum können wir Frauen eigentlich nicht unterstützender zueinander sein? Dann stünden wir doch automatisch nicht mehr so in Konkurrenz. Letztlich ist es die ewige Konkurrenz unter den Frauen, die alles kaputtmacht. Weil jede die jeweils Schönere, Schlauere, Bessere sein will. Ich habe so etwas bei Jungs und später Männern niemals mitbekommen. Nie! Wenn sich da einer die gleichen Schuhe kauft wie ein anderer, hört man Sätze wie: Ach, cool, haste dir die auch geholt? Sind saubequem, oder? Ja, und nur fünfzig Euro! Fünfzig Euro? Ich hab achtzig bezahlt! Mist!

Wenn sie sich über was aufregen, dann höchstens, dass sie mehr ausgegeben haben als der Kumpel. Aber sie setzen sich nicht in Konkurrenz zueinander! Wenn wir nur mal einen Bruchteil davon schaffen würden, wie ein Mann nicht immer in den Vergleich zu gehen. Sondern unterstützend zu sein. Wie ein guter Bikini!

Selbstbewusstsein in Reinform. Und vor allem würden wir merken: GEMEINSAM sind wir doch noch viel schöner, schlauer, besser und stärker. Es dauert lange, bis man seinen eigenen Stil findet. Und die Schulzeit ist eine der prägendsten Zeiten. Weil man Orientierung sucht. Wir wollten damals alle sein wie Nena, wie die coole Lehrerin. Oder eben wie Pia. Logisch, dass ich im nächsten Leben Mann sein will, wenn ich an die Schuhe oder den Bikini denke!

Ich meine, zeigt mir mal den Mann, der sich beim Badehosenkauf fragt: »Hilfe, das Fleisch hängt hinten ja am Rücken rechts und links so komisch! Ich sehe ja aus wie ein Tannenbaum!«

Das hören wir doch eher selten von den Kerlen. Die sehen das ja auch gar nicht. Die sind eher so drauf: »Joa, ordentlich was dran an mir inzwischen, bin endlich nicht mehr so ein Hemd wie früher!«

Und dann ziehen sie halt den Bauch ein beim Anprobieren. Machen schmale Wangen im Spiegel. Ausatmen tun die doch erst später, wenn die Jeans wieder unterm Gürtel baumelt. Eigentlich ganz schlau. Und habt ihr mal erlebt, dass Männer aus der Umkleide erstmal schön ein Selfie in die WhatsApp-Gruppe »Kumpels« schicken? So nach dem Motto, nur wenn Mats, Max und Manni sagen, dass die Büx okay sitzt, dann nehmen sie die? Nee, nee, da sind die doch schon längst samt Einkaufstüte wieder raus dem Laden. Und stärken sich gepflegt mit Pommes Schranke an der Frittenbude!

Und wenn dein Mann über einen alten Pullover, den du gern für ihn aussortieren würdest, sagt, der ist doch noch gut, dann lachen wir.

Aber vielleicht wäre es ganz gut, das einfach mal so stehen zu lassen. Vielleicht ist der Pulli ja echt noch okay. Womöglich braucht er wirklich keinen neuen.

Und vielleicht schauen wir uns da sogar mal was ab. Eventuell ist unser schwarzes Kleid von vor drei Jahren auch noch gut. Dann verhalten wir uns sogar nachhaltig und umweltbewusst.

Wenn es um das Thema Shoppen geht, sagt ein Mann: »Ich brauche nichts!« Und die Frau: »Nur mal schauen!«

Brauchen und schauen.

Wenn wir mehr schauen, was wir brauchen, statt brauchen, was wir sehen, dann nähern wir uns vielleicht ein Stückchen an.

Also an den Mann. Und er vielleicht auch an uns. Von mir aus auch nur bekleidet mit Bikini und rosa Schuhen.

Mirjas Shoppingtipps

•Du fühlst dich unwohl bei der Verkäuferin? Nichts wie weg! Kauf bei denen, die unterstützend sind! Keine von uns hat bad vibrations in der Umkleide verdient!

•Vereinbare mit dir selbst, wie viel Zeit du fürs Shoppen aufwenden willst. Und halte dich dran. Mach am Shoppingtag selbst noch ein Date mit einem schönen Roman oder mit deiner besten Freundin.

•Ignoriere die Werbung. Überlege, was du WIRKLICH brauchst.

•Freu dich, wenn deine Kollegin das gleiche Kleid gekauft hat wie du – so siehst du, wie es wirkt! Mach ihr ein Kompliment!

•Kauf, was du brauchst. Und nicht, wonach du schaust.

•Freu dich an deinen Rundungen. Andere tun es ja auch.

•Wenn du nichts brauchst, kauf nichts. Geh einfach spazieren. Oder schwimmen. Oder, fast noch besser: Geh ins Café und gönn dir eine Erdbeerschnitte UND eine heiße Schokolade. Natürlich mit Sahne. Das macht garantiert glücklich!

Im nächsten Leben werd ich Mann!

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