Читать книгу Schrift - Bild - Ton (E-Book) - Mirjam Weder - Страница 22
Visualisieren mit Infografiken
ОглавлениеDatenvisualisierung kann zwei Ziele verfolgen: In den meisten Fällen sollen Erkenntnisse aus Daten visuell kommuniziert werden. Das Abfüllen von Daten in Grafiken kann aber auch der Analyse selbst dienen, weil Erkenntnisse, die in den Daten versteckt sind, rascher erkennbar werden. Diese zweite Funktion der Datenvisualisierung wird in der Lernsequenz jedoch bewusst ausgeklammert, weil der Fokus auf der Sensibilisierung für die Wahl und korrekte Anwendung des richtigen Charts für spezifische Aussagen sowie dem Vermitteln von Botschaften mit Grafiken liegen soll.
Für die Infografik-Vermittlungssequenz stehen drei zweistündige Sitzungen zur Verfügung, die im Wochenrhythmus stattfinden. Nach einem kurzen theoretischen Input zu verschiedenen Diagrammen, ihren Funktionen und einem Einblick in erste sich durchsetzende Normen- und Regelwerke zur Datenvisualisierung basierend auf McCandless (2012 und o.J.), Tufte (2001) oder Wong (2010), folgt ein kurzer Vertiefungsschritt. Danach erhalten die Studierenden den Auftrag, ein Set von drei Infografiken auf Basis eines selbst gewählten Datensatzes zu erstellen, um eine Gesamtbotschaft zum Ausdruck zu bringen. Als Datenfundus dienen die online zugänglichen Statistiken der OECD (OECD o.J.; OECD – Better Life Index, o.J.). Die Studierenden arbeiten an dieser Aufgabe in mehreren Arbeitsdurchgängen und erhalten regelmäßig Feedback. Die finalisierte Version ist Bestandteil des Portfolios, welches kurz nach Semesterende eingereicht wird und 50 Prozent der Gesamtnote der Modulbewertung ausmacht.
Im Folgenden wird der Aufbau der Sequenz in der ersten Durchführung im Frühlingssemester 2018 beschrieben. Diese fand mit zwei Halbklassen bestehend aus 18 respektive 17 Studierenden statt.
In der ersten Sitzung wurden die Studierenden ins Thema eingeführt und erhielten eine Übersicht über Chart-Typen, ihre Funktionen und mögliche Fehlerquellen. Der Theorie-Input wurde mit konkreten Fällen (und publizierten fehlerhaften Grafiken) aus Medienberichten und Studien unterlegt, welche die Studierenden in Gruppen diskutierten. Dieser Schritt diente zur Vertiefung und Schärfung des Bewusstseins für diagrammtypische Fallstricke.
Danach wurde die Aufgabe der Sequenz (vgl. oben) eingeführt und die Datensätze vorgestellt (OECD o.J.). Die Studierenden sollten nun in den Datensätzen nach ihrer Botschaft, ihrer Geschichte suchen. Sie begannen während der ersten Sitzung mit dieser Suche und hatten die Aufgabe, sich bis zur nächsten Sitzung weiter mit den Datensätzen und möglichen Themen auseinanderzusetzen und ihre Botschaft zu entwickeln.
Die zweite Sitzung war die erste von insgesamt zwei Werkstattsequenzen. Die Studierenden präsentierten ihre Projekte und erhielten Rückmeldungen aus der Klasse und von der Dozentin. Nachdem sie ihre Ideen für ihre Botschaft vorgestellt und die dazugehörigen Datensätze benannt hatten, begannen sie mit den Visualisierungen. Vor diesem Arbeitsschritt wurde – um Unsicherheiten vorwegzunehmen – der ganze Entwicklungsprozess von der Auswahl der Daten über die Formulierung einer Botschaft bis hin zur Visualisierung anhand einer Beispiellösung aufgezeigt.
Die Studierenden sollten ihre Visualisierungen in einem ersten Schritt skizzieren und danach mithilfe von Software-Tools erstellen.2 Sollte eine Grafik zu komplex sein, um sie grafisch im zur Verfügung stehenden Zeitraum umsetzen zu können, waren auch Handskizzen in der Endversion erlaubt. Während der Werkstattsitzung unterstützte die Dozentin Studierende individuell und half bei Fragen zu Datensätzen, Darstellungsformen und Aufgabenstellung.
Zwischen den beiden Werkstattsitzungen hatten die Studierenden den Auftrag, die erste Version ihrer drei Diagramme fertigzustellen und diese auf einen Modul-internen Wordpress-Blog hochzuladen, sodass die Studierenden den Stand der Projekte innerhalb der Klasse einsehen und – in der Sitzung dann – unkompliziert dem Plenum präsentieren konnten. Dort sollten die Studierenden den Erstellungsprozess kommentieren sowie über die Schwierigkeiten und ihrem Umgang damit Auskunft geben.
In der Werkstatt arbeiteten die Studierenden dann in Paaren und wendeten die Methode des lauten Denkens an. Diese qualitative Methode, die in den Sozialwissenschaften und der Pädagogik entwickelt wurde, wird inzwischen auch in Usability-Tests bei der Softwareentwicklung angewendet (Hofmann 2017). Hofmann (2017, Abs. 1) beschreibt die Methode wie folgt: «Das Laute Denken ist eine Methode, die verwendet wird, um kognitive Vorgänge erfassbar zu machen, die sonst implizit und damit unausgesprochen bleiben.» Mit der Methode kann der Decodierungsprozess überprüft werden. Werden die visuellen Aussagen Außenstehenden sofort klar oder muss die Kommunikation noch geschärft werden? Besteht Bedeutungsverwirrung beziehungsweise müssen die Inhalte eindeutiger aufbereitet werden? Mit diesen Rückmeldungen und dem Klären abschließender individueller Fragen wurde die Sequenz abgeschlossen. Die Dozentin gab den Studierenden noch die in Abbildung 8 gezeigte Checkliste mit zur selbstständigen Finalisierung der Infografik-Sets fürs Semesterabschluss-Portfolio.
Die Aufgabe beinhaltet mindestens eine Grafik, die flächenproportional (area-proportionate) ist. Der Grund für diesen Zusatz liegt darin, dass oftmals gegen mathematisch-geometrische Regeln verstoßen wird, wenn – teils aus Gründen der Ästhetik – die Daten zwei- oder dreidimensional dargestellt werden. Ein Beispiel für diese Erscheinung wurde eingangs erwähnt (Abbildung 7), wo das Volumen der Pyramiden eine viel größere Menge suggeriert als die, die dargestellt werden sollte. Die Schwierigkeiten bestehen aber auch im zweidimensionalen Raum, wenn Flächen einen Datenpunkt darstellen. Je nach Diagrammtyp gibt es bei Flächendiagrammen zusätzliche Restriktionen. Kuchen- oder Baumdiagramme3 eignen sich nur für abgeschlossene Mengen (100 Prozent). Anteile der Fläche werden dann einzelnen Kategorien zugeordnet.
Abbildung 8: Checkliste Sequenz Infografik
Die Studierenden sollten weiter nicht einfach beschreibende Überschriften, sondern aussagekräftige Headlines für ihre drei Grafiken finden. So wurden sie gezwungen, in ihren ausgewählten Datensätzen ihre Botschaften oder eben ihre Geschichte zu finden. Wie weiter unten ausgeführt wird, stellte dieser Teil der Aufgabe eine besondere Herausforderung dar. Weitere Punkte der Checkliste entsprechen den diskutierten visuellen Regeln, so zum Beispiel das Überprüfen nach grafischen Redundanzen. Jedes Element einer Grafik muss eine Funktion erfüllen, sonst ist es überflüssig und stört die Ästhetik oder verwirrt beim Lesen. Tufte (2001, S. 51) bringt dies auf den Punkt mit seinem grafischen Prinzip: «Graphical excellence is that which gives to the viewer the greatest number of ideas in the shortest time with the least ink in the smallest space.»
Wie oben erwähnt, fand diese Überprüfungsschlaufe im Selbststudium während des restlichen Semesters statt. In den Abschluss-Portfolios ergänzten die Studierenden ihre überarbeiteten Diagramme mit einem kurzen Text, in dem sie den kreativen Prozess beschrieben und reflektierten.