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Beobachtungen aus den beiden Werkstattsitzungen
ОглавлениеIn den beiden Werkstattsitzungen fiel auf, dass vielen Studierenden mathematisches Basiswissen fehlt. So bereitete es unerwartet große Schwierigkeiten, Zahlen zwei- oder dreidimensional richtig darzustellen, wie zum Beispiel bei der Verwendung von flächenproportionalen Darstellungen.
Trotz des Vorbereitungsauftrags fiel es den meisten Studierenden zudem schwer, Themen zu finden und darin Botschaften zu erkennen. Da sie ohne diese Konzeptionsphase begannen, Datensätze in Diagramme zu fassen, hatten sie Mühe mit dem Auftrag, die Aussage einer Grafik auf eine Headline zu verdichten. Das Finden und Aufarbeiten von (zusammenhängenden) Informationen zu Botschaften – also der journalistische Umgang mit den Datensätzen – stellte sich als sehr viel anspruchsvoller dar als erwartet.
Insgesamt stellte der teilnehmende Beobachter fest, dass die Studierenden sehr unterschiedlich vorgingen. Wie oben erwähnt, waren sie teilweise gegenüber den Datensatz-Tabellen ratlos und suchten Inspiration bei bestehenden Infografiken. Kaum jemand setzte Skizzen ein. Diagrammfunktionen in unterschiedlichen Software-Tools wurden oftmals im Trial-and-Error-Verfahren eingesetzt. Gefiel ein ansehnliches Ergebnis, wurde dieses kaum mehr infrage gestellt.
Oftmals schien auch eine Vorstellung vom Diagramm zu bestehen, bevor Thema und Botschaft gefunden worden waren, zum Beispiel wenn Studierende mit Landkartendiagrammen arbeiteten. Die Diagramme an sich genügten ihnen, obwohl sie inhaltlich nicht Bestandteil des abzuliefernden Diagrammsets (geschweige denn einer kohärenten Botschaft) waren. In einzelnen Fällen wurden Darstellungen, welche die Statistik-Plattformen (OECD o.J.; Statista o.J.) schon aufbereitet anbieten, als Inspiration genutzt, was teils zu einer gefährlichen Nähe zum Plagiat führte.
Einzelne Austauschstudierende nutzten die Zeit in den Werkstattsequenzen wenig zielführend und gaben sich zu früh mit inhaltsarmen, rasch erstellten Diagrammen zufrieden. Der Gruppendynamik war dies nicht zuträglich. Diesen voreiligen Fokus auf die Tools konnten wir oft, aber nicht systematisch beobachten. Er führte auch zu falschen Anwendungen im Bereich flächenproportionaler Grafiken (zum Beispiel Baumdiagramme für nicht abgeschlossene Mengen).
Auffallend waren auch der unsichere Umgang mit Zahlen und Diagrammen und die mangelhafte Überprüfung der scheinbar perfekten Entwürfe. Deren teils verführerisch professionellem Design, das diese Hilfsmittel generieren, steht insgesamt ein wenig gefestigtes mathematisches Verständnis gegenüber, mit dem die aufbereiteten Zahlenzusammenhänge überprüft werden müssen. So wurden zum Beispiel absolute Zahlen angeführt, wo wenn überhaupt nur Anteilswerte verglichen werden konnten. Oder die Ergebnisse wurden keinem Realitätstest unterzogen. Ein simpler Plausibilitätstest – also mit etwas Abstand das Dargestellte betrachten und sich fragen, ob das überhaupt sein kann oder ob das überhaupt Sinn ergibt – wurde nicht ausgeführt.