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Vorwort des Herausgebers
ОглавлениеDieses Manuskript liegt schon länger in unserer Schublade, aber erst jetzt sehen wir die Möglichkeit, es in würdiger Weise zu publizieren. Inzwischen haben wir eine große Leserschaft erreicht, sodass uns nun die Mittel und Wege offen stehen, dieses Buch auch einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Dieses Buch hat es verdient, gelesen zu werden, denn es steht stellvertretend für viele Menschen indigener Herkunft. Die Vernichtung indigener Kulturen und die Unterdrückung des einzelnen Menschen geschehen tagtäglich und überall auf der Welt. Die Systeme sind dabei immer wieder gleich: Zwangsassimilation, Raub der Bodenschätze, Vertragsbrüche, Entfremdung zur indigenen Kultur, Alkohol, Perspektivelosigkeit. Dazu gründeten die USA im Jahre 1824 sogar ein eigenes Department, nämlich das „Büro für indianische Angelegenheiten“, das dem Kriegsministerium unterstellt war. Aufgabe des Büros war es, so wörtlich, „die Indianer zu vermenschlichen, zu zivilisieren und zu christianisieren“, was beinhaltet, dass die indigene Bevölkerung nicht als vollwertige Menschen gesehen wurden. Was folgte war eine rücksichtslose Vernichtung der indigenen Kultur. Heute sprechen indianische Vertreter sogar von „kulturellen Genozid“. Die Speerspitze dieses kulturellen Genozids war die von dem Offizier Richard Henry Pratt gegründete Internatsschule (Boarding School) in Carlisle, die zum Vorbild für weitere Internatsschulen wurde. Anfänglich auf freiwilliger Basis wurden die Kinder in der Folge auch gegen den Willen der Eltern weggenommen und in die Internate eingewiesen.
Die wenigsten Eltern gaben ihre Kinder freiwillig in die Obhut fremder Menschen, sondern mussten durch drastische Strafen „überredet“ werden, ihre Kinder fortzugeben. Essensentzug, Gefängnis, Schikanen waren weit verbreitete Mittel, um Eltern davon zu überzeugen, ihre Kinder dem „Man, who counts“ (dem Mann, der zählt) mitzugeben. Manche versteckten ihre Kinder oder verheimlichten die genaue Anzahl, um wenigstens einige vor der Gier des Weißen Mannes zu retten.
Einige der bedeutendsten Medizinmänner der heutigen Zeit gehen aus diesem Akt der Verzweiflung hervor: Kinder, die von ihren Eltern versteckt wurden, damit sie das Andenken ihrer Ahnen weitertragen konnten, während ihre Brüder und Schwestern dahinsiechten und vielleicht starben. Denn das Motto dieser Internate war eindeutig: „Den Indianer zu töten, um den Menschen zu retten. Schätzungen gehen heute davon aus, dass etwa ein Drittel aller Kinder diesen Terror nicht überlebten. Trotzdem wurde das System bis in die 1970er, teilweise achtziger Jahre weitergeführt. Die Schüler, die diese Boarding Schools überlebten, waren für ihr Leben gezeichnet, entwurzelt von der eigenen Kultur und Identität. Nur wenige schafften es, aus dem anfangs sicherlich gut gemeinten Ansatz ihr eigenes Leben zu gestalten und ein angepasstes Leben zu führen, wie es sich die Obrigkeit eigentlich vorgestellt hatte. Die negativen Folgen kann man heute auf den Reservationen erleben: Resignation, Arbeitslosigkeit, Alkoholismus, Gewalt, Entfremdung von der eigenen Kultur …
Eigentlich muss es verwundern, dass es immer noch Menschen gibt, die diesem Sumpf entkommen und ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Mitch ist so ein Mensch. Vom System bereits als verwahrlostes, straffälliges Kind abgeschrieben, verbringt er erst seine Jugend und dann einen Teil seines Erwachsenenlebens in verschiedenen Besserungsanstalten und später als Krimineller in Gefängnissen. Doch er ändert sich. Das American Indian Movement prägt seine Einstellung und er entflieht dem Kreislauf aus Alkohol, Drogen und kriminellen Handlungen. Er wird zum Sonnentänzer und Pfeifenbewahrer und er entdeckt sein Talent in der Musik. Er schreibt Protestlieder und drückt in ihnen seinen Zorn auf das Weiße System aus. Eroberer und Zerstörer sind es, die ihm seinen Stolz und seine Identität genommen haben, und nun fordert er sie zurück. Mitch kämpft kompromisslos für das American Indian Movement, doch auch hier entwickelt er sich vom aktiven Kämpfer zum besonnenen Botschafter seines Volkes. Nicht anklagend, sondern erklärend zwingt er uns, ein großes Verbrechen zu verstehen, das an den indigenen Menschen begangen wurde und immer noch wird. Es schmerzt, was wir hier lesen, und immer wieder stellt sich uns die Frage „was wäre wenn“. Welchen Weg hätte Mitch nehmen können, wenn er eine behütete Kindheit gehabt hätte? Wie wäre sein Leben verlaufen, wenn er noch in den alten Traditionen seines Volkes hätte aufwachsen können? Es ist müßig, darüber nachzudenken, denn es ist, wie es ist. Trotzdem hilft uns seine Geschichte, zu begreifen, warum so viele indigene Menschen ihr Leben nicht in den Griff bekommen. Wie oft neigt man zu vorschnellen Urteilen? Immer wieder hören wir den deutlichen Vorwurf: „Die wollen ja gar nicht anders!“ oder „Die sind ja selbst schuld!“. Die! Diese „die“ sind Menschen wie Mitch, die vielleicht nie eine wirkliche Chance in ihrem Leben hatten. Nicht alle finden die Kraft, sich aus den Fesseln zu lösen und einen guten Weg im Leben zu finden. Dieses Buch erzählt von einem Menschen, der sich nie aufgegeben hat und damit auch anderen Hoffnung geben kann.
Buno Schmäling