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Grenzwertig im Grenzgebiet

Unterwegs auf dem Vietnamesenmarkt: Auf der Jagd nach Schnäppchen fahren noch immer viele über die Grenze. Aber der Einkauf ist nicht immer legal.


Der Vietnamesenmarkt direkt hinter der Grenze macht einen trostlosen Eindruck – und die Einkaufstour ist alles andere als angenehm. Foto: Geisenhanslüke

Von Mario Geisenhanslüke, MZ

Furth im Wald. Es ist ein Beutezug – im wahrsten Sinne des Wortes. Eine Jagd nach Klamotten, Zigaretten und Sonnenbrillen. Das Motto hier ist nicht „Nur Original ist legal“ sondern „Geiz ist geil“. Das Jagdgebiet liegt direkt hinter der deutschen Grenze. Allerdings kann hier der Jäger auch schnell zur Beute werden.

Die Ausfahrt aus dem Kreisverkehr endet auf einem improvisierten Parkplatz. Die Straße selbst mündet rund 100 Meter weiter in einem Feldweg. Aber Autos fahren hier ohnehin nicht weiter. Denn rechts und links stehen rund 20 Hütten oder Zelte. Ein kleiner Flohmarkt. Was genau verkauft wird, ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Richtig ungemütlich ist die Situation aber aus einem anderen Grund: Der Vietnamesenmarkt hinter der deutsch/tschechischen Grenze bei Furth im Wald ist an diesem Sonntag um kurz vor 12 Uhr wie leergefegt.

Die meisten Sachen sind gefälscht

Nur die Standbesitzer sitzen oder stehen vor ihren Ständen. Ein kalter Wind bläst, der Sonne und blauen Himmel schnell vergessen macht. Und die Meute hat Witterung aufgenommen. Wie ein Rudel hungriger Löwen der Antilope folgen die Blicke der Händler dem einzigen potenziellen Kunden. Denn ein deutsches Kennzeichen bedeutet hier meist Umsatz. Kaum in Rufweite des ersten Standes winkt schon ein älterer Herr mit den Händen. Deutsch spricht er nicht. Dafür aber der junge Mann neben ihm – möglicherweise sein Sohn. „Was suchen du, was suchen du?“, fragt er. Die Antwort spielt keine Rolle. Er preist sowieso alles an, was er zu bieten hat. Dabei wären Antworten auf ein paar Fragen viel besser. „Wie laufen die Geschäfte? Schon viel verkauft heute?“ Der misstrauische Blick ist Antwort genug. „Parfüm, Taschen?“ Schnell wird klar. Ohne Einwurf von Münzen dreht sich das Gespräch weiter im Kreis. Ein etwas vorsichtiger Blick in Richtung der Gürtel und schon wird er aktiv. Voller Elan kramt er Gürtel um Gürtel aus einer dunklen Ecke. „La Martina, Lacoste, Armani.“ Die Marken hat er drauf. Als zwei gefunden sind, geht das Feilschen los. 20 Euro für beide hätte er gerne. 10, 19, 12, 18. Nach der Drohung doch nichts zu kaufen, wechseln am Ende die beiden Gürtel für 15 Euro den Besitzer – und etwas gesprächiger wird er auch. „Die Geschäfte laufen gut. Jeden Tag genug Kunden“, sagt er. Seinen Namen will er nicht verraten und auch nicht fotografiert werden.


Am Nachmittag wird es auf den Märkten etwas voller. Foto: Geisenhanslüke

Seit 2007 keine Kontrollen mehr

Sogenannte „Vietnamesenmärkte“ finden sich vielerorts in der Tschechischen Republik – meist kurz hinter den deutschen Staatsgrenzen. „Sie können dort fast alles kaufen“, sagt Michael Lochner, Pressesprecher vom Hauptzollamt in Regensburg. Aber obwohl nach dem Schengener Übereinkommen auch an der tschechischen Grenze seit dem 21. Dezember 2007 keine Personenkontrollen mehr stattfinden, gibt es für deutsche Einkäufer doch einiges zu beachten: Für etwaige Stichprobenkontrollen müssen Deutsche weiterhin einen Ausweis bei sich tragen. Außerdem gibt es für die meisten Waren weiterhin Beschränkungen. Ein Hilfsmittel ist die App „Zoll und Reise“. Ein paar Klicks verraten beispielsweise, dass nur maximal 800 Zigaretten für den privaten Gebrauch aus Tschechien mit nach Deutschland gebracht werden dürfen.

Das Thema Nummer eins: Drogen

Die meisten Textilien hier sind gefälscht. Die aufgerufenen Preisen machen das mehr als deutlich. Illegal sind der Kauf und die Mitnahme nach Deutschland aber nicht, wie ein Blick in die App verrät. Lediglich bei Anhaltspunkten für gewerbliches Handeln werde der Zoll tätig, heißt es dort. Allerdings gebe es immer mehr Unternehmen, die einen „Antrag auf Grenzbeschlagnahme“ stellen, sagt Lochner. Dann werden von diesen Marken auch gefälschte Einzelartikel beschlagnahmt und auf Kosten des Unternehmens vernichtet. Auch eine Strafanzeige wegen Verstoßes gegen das Markenrecht kann die Folge sein.

Neben dem Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie oder die Einfuhr illegaler Waren beschäftigt Zoll und Polizei aber ein ganz anderes Thema: „Crystal Speed“heißt die mittlerweile nicht mehr unbekannte Droge. Sie ist wird vorrangig in Drogenküchen in Westböhmen gekocht (meist wird unter anderem Toilettenreiniger beigemischt) und verheißt Kontaktfreudigkeit sowie Ausdauer – und zerstört den Konsumenten binnen kurzem sowohl psychisch als auch physisch. Aber auch wer nur einkaufen will, sollte auf der Hut sein. Von kleinen Tütchen mit dem Pulver, die in DVD-Boxen lagen, bishin zu Magnetboxen, die unter deutsche Autos geklebt und später wieder entfernt wurden, hat Michael Lochner schon alles gesehen.


Fotografieren lassen wollen sich die Händler und auch die Besucher meist lieber nicht. Foto: Geisenhanslüke

Viele wollen nur günstige Zigaretten

Zurück in Deutschland. Martina Attenberger arbeitet im „Gasthof Postgarten“. Sie fährt rund alle vier Wochen über die Grenze, „um sich die Nägel machen zu lassen.“ Dort sei es um die Hälfte günstiger und die Nägel hielten bei ihrem Zweitjob in einem Discounter auch länger. Nur einkaufen will sie auf dem Markt nicht. „Die sind mir viel zu aufdringlich“, sagt sie.

Ein letztes Mal in Tschechien für einen Abstecher diesmal auf den etwas größeren Markt einen Kilometer weiter: Sarah und Kathi sind zum ersten Mal hier. Beide wollen auf Nachnamen und Fotos lieber verzichten. Sie wollen Zigaretten kaufen. „Man kommt sich schon irgendwie kriminell vor“, sagt Kathi. „Ich weiß auch nicht warum.“ Auch von den anderen wenigen, die sich zwischen den Ständen herumtreiben, will niemand seinen Namen in der Zeitung lesen. Auch das Fotografieren ihrer Waren haben die Händler nicht gerne. Beim kleinen Markt hinter der Grenze erlaubt das einer der Händler doch noch. Er scheint der Vorsteher der kleinen Enklave zu sein. „In Ordnung. Fotos ohne Leute. Zwei Stück“, sagt er. Zwei Klicks später: „Jetzt genug. Brauchen noch etwas oder nach Hause?“ Lieber nach Hause.

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