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Der wundersame Dom der Weidener

Wagemutige Katholiken trauten sich und verwandelten ab 1905 ihre neoromanische Josefskirche in ein Juwel des farben- und sinnfrohen Jugendstils.


Werner Wilzek war 40 Jahre lang Mesner in der Weidener Josefskirche. Foto: Gabi Schönberger

Von Reinhold Willfurth, MZ

WEIDEN. Als junger Mesner in den Sechzigerjahren musste Werner Wilzek noch mitanhören, wie Vertreter des Bischöflichen Ordinariats und des Landesamts für Denkmalschutz über seine Kirche lästerten: Die weihevolle, strenge Atmosphäre eines stilreinen romanischen Gotteshauses mit dem farben- und sinnenfrohen, expressiven Mitteln des Jugendstils zu vermischen! „Wenige Jahre später begann man dann, die Kombination der beiden Stilrichtungen zu schätzen“, sagt Wilzek und schaut nach oben. 18 Meter über ihm, zwischen den Linien des Kreuzgewölbes, blitzen goldene Sterne magisch auf dunkelblauem Grund. Dem Jugendstil sei Dank.

Der 72-Jährige kann von sich sagen, dass er jeden Stein der Weidener Josefskirche in- und auswendig kennt: 40 Jahre lang, von 1961 bis 2001, war er hauptamtlicher Kirchendiener im größten Gotteshaus der Stadt, dessen 64 Meter hohe Türme zu einem ihrer Wahrzeigen geworden sind. „Vier Chefs“ hat er in diesen vier Jahrzehnten erlebt, zwei seiner Stadtpfarrer legte er bei deren Totenfeier auf der Bahre die liturgischen Gewänder an.

Stundenlang könnte Wilzek Anekdoten und Geschichten aus seiner Kirche erzählen. In seinen Augen schimmert es noch heute, wenn er von dem Vater erzählt, der am Abend eines Dreikönigstags in die Kirche stürmte, als der von der Arbeit erschöpfte Meßner das Haus gerade zusperren wollte. „Die Ärzte im Krankenhaus hatten sein Kind aufgegeben. Ich beruhigte ihn und wir beteten gemeinsam, dass die Geschichte doch noch gut ausgehen möge. Er hat gebeten, eine Kerze über Nacht brennen zu lassen. Ich habe eine Ausnahme gemacht und sie brennen lassen“. Der Mann kam am nächsten Tag zurück, wieder atemlos, aber diesmal vor Glück. „Es hat gehustet!“ rief er – sein Kind hatte überlebt.

Das ungeliebte Simultaneum

Seit 1656 mussten sich die Weidener Katholiken die einzige Pfarrkirche St. Michael mit den evangelischen Brüdern und Schwestern teilen. Ende des 19. Jahrhunderts war dieses Simultaneum aus zwei Gründen am Ende: Das Verhältnis zur anderen Konfession war alles andere als geschwisterlich, und die Industrialisierung brachte viele Neubürger in die Stadt. Die katholische Pfarrgemeinde beschloss, sich am Rande der heutigen Altstadt ein neues Gotteshaus zu bauen.


Ein Wahrzeichen der Stadt Foto: Gabi Schönberger

Und was für eines: Architekt Johann Baptist Schott aus München erhielt den Auftrag, eine neuromanische Kirche für 1300 Besucher mit zwei mächtigen Glockentürmen zu planen. Pfarrer Max Söllner wählte sich als Kirchenpatron einen „starken Partner“ aus, der „ihn nie im Stich ließ“: den heiligen Joseph. Tatsächlich kam bei dem monumentalen Werk kein Handwerker zu Schaden, und die Kirche ist 112 Jahre nach der Einweihung bestens in Schuss. Die hohen Baukosten – allein der Rohbau verschlang 750.000 Mark – konnten den Enthusiasmus des Weidener Kirchenvolks nicht bremsen. Die Konsekration der Pfarrkirche am 29. September 1901 mit Bischof Ignatius von Senestrey wurde zum Festtag.

Einen ernüchternden Eindruck machte hingegen die Inneneinrichtung: Mit dem kargen romanischen Stil wurden die Weidener nicht warm. Auch der Münchener Künstler Franz Hofstötter war mit seinen Malereien an Wänden, Gewölben und Apsis nicht zufrieden. Und so begann die Wandlung der neuromanischen Kirche in ein Juwel des Jugendstils. Begeistert nahmen die Weidener das Angebot Hofstötters an, die Kirche völlig neu auszumalen.

Die Begeisterung ist nachvollziehbar, ist man erst durch den gläsernen Windfang, eine Bausünde von 1964, ins Kircheninnere getreten. Abgeschirmt vom draußen tosenden Verkehr empfängt den Besucher eine magische Atmosphäre, die durch den Dialog der beiden Stilrichtungen, beleuchtet von dezentem Tageslicht, fasziniert. Ernst und höchst lebendig sind die Gesichter der Menschen auf den Bildern, auch diejenigen, die sich Hofstötter von Gott und dem Gottessohn gemacht hat. Gleichzeitig erstrahlen die aufwendig restaurierten Farben, vor allem in Gold und Blau. Charakteristisch für den Jugendstil sind auch die vielen Tiere. Erst vor einigen Jahren hat Werner Wilzek eine kleine Schildkröte entdeckt, die der Künstler von der riesigen Goliath-Figur im Hauptschiff zermalmen lässt.

Der Künstler im Adamskostüm

Auch damals lebende Personen dienten als Motiv, von Mitgliedern der Kirchenverwaltung bis zum Künstler selbst. Dieser hat sich als Adam zusammen mit einer Eva in einem Seitenaltar verewigt – nackt, aber züchtig von Efeu umrankt, was einige eifernde Bilderstürmer im Kirchenvolk später nicht daran hinderte, das „unzüchtige„ Bild entfernen zu lassen. Heute hängt es wieder dort, wo es hingehört.


Jugendstil-Malerei über dem Altar Foto: Gabi Schönberger

Voll ist die Josefskirche wie fast in allen katholischen Kirchen nur mehr an Weihnachten und Ostern oder bei Beerdigungen wie zuletzt der von Altoberbürgermeister Hans Schröpf. Immer wieder aber sitzen Menschen auf der Suche nach Beistand oder Spiritualität in den Holzbänken und genießen die dämmerige Stimmung im 18 Meter hohen, domartigen Kirchenschiff.


David kämpft gegen Goliath. Foto: Gabi Schönberger

Spektakuläre Bauwerke in der Oberpfalz

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