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Hier testete Speer Hitlers Visionen

Das Deutsche Stadion in Nürnberg sollte 400.000 Menschen fassen. Im Oberpfälzer Hirschbachtal wurden die gigantischen Tribünen versuchsweise gebaut.


Eine Luftbildaufnahme vom Stadionberg: Man sieht die zwei Tribünen, die in unterschiedlicher Neigung errichtet wurden, um die Sichtverhältnisse zu testen. Fotos: Gedenkstätte Reichsparteitagsgelände (2), Bundesarchiv, ig

Von Isolde Stöcker-Gietl, MZ

Oberklausen. Auf den ersten Blick wirken die wuchtigen Betonmauern wie eine Stütze für den steilen Hang. Harmlos und unverdächtig. Doch versteckt unter Bäumen und Sträuchern offenbart der im Volksmund Stadionberg genannte Hang sein Geheimnis. Hier, im oberpfälzer Hirschbachtal, etwa 40 Kilometer von Nürnberg entfernt, testete Architekt Albert Speer eine der größenwahnsinnigen Visionen von Adolf Hitler. Nahe der Ortschaft Oberklausen entstand ein 1:1-Modell des Deutschen Stadions. 400.000 Menschen sollten in der größten Sportanlage der Welt in Nürnberg Platz finden. Klein sollte sich der Mensch fühlen vor dem „Wort aus Stein“, so hatte Hitler seinen Architekten angewiesen. Weit kam man in Nürnberg nicht. Lediglich die Baugrube wurde ausgehoben. Doch im Hirschbachtal erinnern hunderte Betonsockel bis heute an das riesige Bauwerk, mit dem die Nazis ihre Macht demonstrieren wollte.

Architektur des Verbrechens“

„Es ist eine Architektur des Verbrechens“, sagt Dr. Alexander Schmidt, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände. Für seine wahnwitzigen Visionen ließ der Führer unter anderem in den Konzentrationslagern Flossenbürg, Mauthause, Groß-Rosen und Natzweiler-Struthof Menschen in Steinbrüchen bis in den Tod ausbeuten. Rosa Granit, so träumte Hitler, sollten die Außenfassaden des Stadions schmücken, getragen von einem Unterbau aus dunkelrotem Granit. Die geplanten Dimensionen des Monumentalbaus sind bis heute unerreicht: 800 Meter lang, 450 Meter breit und 90 Meter hoch sollte die Wettkampfarena werden. Der umbaute Raum hätte 8,5 Millionen Kubikmeter umfasst.

Schon vor dem Baubeginn 1937 hatte Speer den Führer darauf hingewiesen, dass die Abmessungen des Spielfeldes nicht den Olympischen Maßen entsprächen. Hitler habe daraufhin entgegnet: „Ganz unwichtig. 1940 finden die Olympischen Spiele noch einmal in Tokio statt. Aber danach, da werden sie für alle Zeiten in Deutschland stattfinden, in diesem Stadion. Und wie das Sportfeld zu bemessen ist, das bestimmen dann wir.“


Bauwerke-Stadion-Versuchsbauten-Achtel

Ob das Stadion tatsächlich, so wie es die Pläne vorsahen, bis 1945 fertiggestellt worden wäre, wenn es keinen Krieg gegeben hätte, das bezweifelt Schmidt. „Den Nazis ging es zunächst einmal um die große Geste. Sie gaukelten den Menschen vor, dass alles möglich ist.“ Nach heutigem Ermessen, sagt der Wissenschaftler, wäre das Stadion selbst in zehn Jahren nicht fertig gewesen und wäre bis in die heutige Zeit nicht abbezahlt. Aber zumindest habe man mit dem Modell zeigen können, in welchen Dimensionen man denke, auch so habe man das Volk beeindruckt, sagt Schmidt.

Hitler testete den Modellbau

Für die Menschen in dem abgelegenen Zipfel der Oberpfalz waren die Bauarbeiten am sogenannten Stockbühl seinerzeit so etwas wie der Einzug der mordernen Zeit, erläutert der Wissenschaftler. „Wir haben inzwischen aus Nachlässen eine Reihe von Fotos gesammelt und darauf kann man sehen, dass die Menschen das Gefühl hatten, bei etwas ganz Großem dabei zu sein.“ Etwa 400 Arbeiter waren 18 Monate lang Tag und Nacht damit beschäftigt, die Tribünenkonstruktion zu errichten – ständig bewacht von SS-Leuten. Der Hang, der denselbsen Steigungswinkel hatte, wie das geplante Stadion, wurde gerodet, dann wurden Stützmauern und Fundamente betoniert und mit Holzaufbauten versehen. Das Langholz dafür besorgte man sich im Bayerischen Wald. Gebaut wurde in zwei Neigungswinkeln. Speer wollte testen, unter welchen Bedingungen die Sichtverhältnisse besser waren. Zwei Teilstücke mit fünf Rängen und 40000 Sitzplätzen entstanden im Hirschbachtal – immerhin ein Zehntel der Nürnberger Anlage.

Am 21. März 1938 kam der Führer persönlich ins Hirschbachtal, um sich mit Speer ein Bild zu verschaffen und die Sicht- und Akustikverhältnisse zu testen. Zu diesem Zweck hatte man die Reichsarbeitsdienstabteilungen aus Hersbruck und Schnaittach einbestellt. Auf einer Wiese führten sie dem Führer gymnastische Übungen vor. Die Besucher saßen in 80 Metern Höhe. Ob sie aus dieser Entfernung viel sahen, ist fraglich. Speer soll aber nach dem Besuch notiert haben, dass er die Inspektion „positiver als angenommen“ empfunden habe.


Karte vom Reichsparteitagsgelände. In der Mitte das geplante Stadion

Bis Kriegsbeginn wurde an dem Modell weitergebaut. Danach blieben nur die SS-Wachposten zurück. In den letzten Kriegstagen kämpften einige Dorfbewohner erbittert gegen die h eranrückenden Amerikaner. Das Dorf Achtern wurde dabei nahezu vollständig zerstört. Aus dem Holz des Nazi-Baus erfolgte der Wiederaufbau der Ortschaft. Die Betonsockel wurden von Bäumen und Sträuchern überwuchert. Bis in die 90er Jahre hinein nahm man von Hitlers Modellanlage in der Oberpfalz kaum Notiz, sagt Schmidt, der sich selbst als Student auf die Suche danach machte. Heute erinnert eine Info-Tafel an das wahnwitzige Projekt. Und wer sich traut, den Hang zu erklimmen, der bekommt ein Gefühl dafür, in welchen Dimensionen man im Dritten Reich dachte.


Hitler (r.) und Speer (2. v. r.) bei einem Ortstermin


Dr. Alexander Schmidt erläutert die Bauarbeiten am Stadionberg.

Spektakuläre Bauwerke in der Oberpfalz

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