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5. Kapitel

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Mit dem Fahrrad erreichte Isa rasch die Stelle im Nymphenburger Park, die David ihr beschrieben hatte. Vor Ort aber musste sie länger suchen, bis sie die beiden Umschläge fand. David hatte sie unter die Rinde einer abgestorbenen Eiche geschoben, so dass sie kaum zu sehen waren.

Neugierig betrachtete sie die zugeklebten Umschläge ein paar Sekunden lang. Einer war klein und leicht, der andere etwas größer als DIN A 4, wattiert, schwer und dick. Was mochten sie enthalten?

Energisch riss sie sich aus ihren Gedanken: Sie musste weiter! Die Umschläge zum LKA bringen und übergeben!

Zügig radelte Isa zurück nach Hause, stellte ihr Fahrrad dort wieder ab und lief zum Bus, mit dem sie losfuhr in Richtung Maillingerstraße.

Bald stieg sie um in die Straßenbahn und fuhr noch einige Stationen.

Als Isabella sich schließlich zu Fuß dem LKA näherte, spürte sie, wie ihre Nervosität stieg. Sie verband nicht gerade angenehme Erinnerungen mit ihrem bisher einzigen Aufenthalt in der Polizeibehörde. Damals hatte sie hier zwei Tage in einer Zelle verbracht.

Isa versuchte, ihre Aufregung hinunterzuschlucken – schließlich hatte sie nichts Böses im Sinn. Sie musste nur einen Brief abgeben, das konnte ja wohl nicht so schwer sein.

Sie straffte ihre Schultern und stieg die wenigen Stufen zum Eingang hinauf. „Kopf hoch – wie beim Auftritt auf der Bühne. Das kannst du doch gut, Isa!“, sprach sie sich selbst Mut zu.

Etliche Menschen strömten gerade ins Gebäude – für die Mitarbeiter des LKAs begann ein neuer Arbeitstag. Zu Isabellas Linken lag die Pförtnerloge. Sie trat darauf zu. Als der Pförtner – ein grauhaariger Herr um die sechzig mit einem kleinen Bierbäuchlein – sie gelangweilt ansah, holte sie tief Luft: „Guten Morgen. Ich soll einen Brief hier abgeben – für Herrn Amper.“

„Welche Abteilung?“, wollte der Pförtner wissen.

Unsicher entgegnete Isa: „Staatsschutz, denke ich. Zimmer 314.“

„Ich kann Sie aber nicht hereinlassen. Sie können den Brief hier an Herrn Amper übergeben.“

Isa zuckte mit den Schultern: „Von mir aus.“

Hauptsache, sie konnte ihre Aufgabe erfüllen – und Herrn Amper fragen, ob er Kontakt zu David hatte.

„Ihren Personalausweis, bitte!“

Isa zog ihren Ausweis aus dem Geldbeutel und legte ihn an das altmodische Schiebefenster. Der Pförtner zog den Ausweis zu sich heran und trug ihren Namen, das Datum und die Uhrzeit sowie die Zielabteilung in ein Gästebuch ein. Dann griff er zum Telefon und wählte eine Nummer. Es klingelte eine Weile. Isa beobachtete es ungeduldig. Schließlich schüttelte der Pförtner den Kopf: „Tut mir leid, es geht niemand ran.“

„Es ist aber dringend“, beharrte Isa. „Ich muss den Brief heute übergeben! Können Sie vielleicht jemand anderen aus der Abteilung anrufen und fragen, wo Herr Amper ist? Oder Sie rufen Herrn Hesche an – Kriminaloberkommissar Tobias Hesche vom Staatsschutz. Den kenne ich persönlich.“

Der Pförtner seufzte genervt: „Schön für Sie. Ich kann jetzt aber nicht jeden Ihrer persönlichen Bekannten anrufen, bloß weil Sie einen Brief abgeben wollen!“

Isa schenkte ihm ein Lächeln, in das sie ihren ganzen italienischen Charme hineinlegte: „Bitte!“

Er lenkte ein: „Na schön, ich frage nach.“

Wieder wählte er eine Nummer, sprach kurz, lauschte. Kurz darauf legte er auf und wandte sich schulterzuckend an Isa: „Herr Amper ist zwar da, aber er ist in einer wichtigen Besprechung und darf nicht gestört werden. Er kann momentan nicht kommen. Und Ihr Herr Hesche ist gerade außer Haus. Sie können den Brief hierlassen.“

„Nein! Ich muss den Brief persönlich übergeben!“, beharrte Isa.

Er überlegte kurz: „Tja – dann kommen Sie am besten heute Nachmittag oder morgen wieder. Sie können auch Ihre Telefonnummer hinterlassen, wenn Sie wollen.“

Heute Nachmittag oder morgen? Verdammt – David war in Schwierigkeiten! Es war dringend! Sie versuchte nochmals, dem Pförtner das zu verdeutlichen und meinte flehend: „Können Sie mich nicht kurz hereinlassen? Ich will doch nur ganz kurz mit Herrn Amper sprechen und ihm diesen Brief geben!“

Doch der Pförtner zuckte mit den Schultern: „Tut mir leid, ich darf Sie nicht hereinlassen. Sie müssen warten oder später wiederkommen.“

Verdammt!

Natürlich hinterließ Isa ihre Telefonnummer. Dann stieg sie die Stufen hinunter und setzte sich ein paar Meter weiter auf ein niedriges Geländer. Später wiederkommen? So einfach war das nicht! Wie stellte der sich das vor?

Während sie wartete – oder es zumindest versuchte – merkte sie, wie Wut in ihr aufstieg. Vielleicht hing Davids Leben davon ab, dass sein „Führer“ – wie das klang! – diesen Brief, diese Nachricht schnell bekam. „Jetzt sofort!“, hatte David gesagt.

Sie musste jetzt da rein, egal, was der Pförtner sagte! Bloß wie?

Ärgerlich schimpfte sie leise vor sich hin. Das durfte alles nicht wahr sein! Sie hatte Angst um David. Sie konnte den Brief nicht übergeben. Und sie kam zu spät in die Schauspielschule.

Wütend zog sie die beiden Briefumschläge aus ihrem Rucksack und starrte darauf, als ob sie sie hypnotisieren wollte. Was mochten sie enthalten?

Plötzlich rutschte der große, schwere Umschlag ihr aus der Hand und fiel zu Boden.

Isa fluchte: „Mist!“

Sie bückte sich, um ihn wieder aufzuheben – doch unerwartet ergoss sich der gesamte Inhalt des Umschlags auf den Boden.

Das Erste, was Isa unverkennbar ins Auge fiel, war… eine Waffe!

Isa bekam fast einen Herzinfarkt und sah sich panisch um: Hatte jemand das bemerkt?

Gott sei Dank sah gerade niemand zu ihr. Rasch hob sie die Pistole auf und ließ sie in ihrem Rucksack verschwinden. Puh! Wieso hatte David eine Waffe in diesen Umschlag gesteckt? Wieder überfiel Angst sie.

„Reiß dich zusammen, Isa!“, befahl sie sich selbst.

Schnell sammelte sie die restlichen Gegenstände auf, die aus dem Umschlag gepurzelt waren, als er aufgeplatzt war.

Als Isa sich wieder aufgerichtet hatte, betrachtete sie die Dinge. Davids Dienstausweis war darunter. Den würde er normalerweise doch auch nicht einfach so weggeben! Ihr Magen krampfte sich zusammen. Der Dienstausweis steckte in einer Plastikhülle. Sie drehte diese um… und da fiel ihr eine weiße Karte ins Auge. So eine hatte sie doch vorher ein paar Mal gesehen – bei den LKA-Mitarbeitern, die das Dienstgebäude betreten hatten. Das musste Davids Zugangskarte sein! Damit könnte sie ins LKA hinein, Herrn Amper suchen – auch ohne die Zustimmung des Pförtners!

Adrenalin durchflutete Isabellas Körper. Aufgeregt überlegte die junge Frau. Sie hatte zuvor, als sie an der Pförtnerloge warten musste, beobachtet, wie andere Mitarbeiter des LKAs mit der weißen Zugangskarte durch die Drehtüren gingen. Karte ans Lesegerät halten, durch die Drehtür gehen – fertig. Das war nicht schwer, das würde sie hinkriegen. Nur durfte der Pförtner sie nicht erkennen. Hektisch kramte sie in ihrem Rucksack. Da waren ihr Sonnenhut und ihre Sonnenbrille. Eine Haarspange fand sie auch noch, mit der sie ihre auffälligen, lockigen, schwarzen Haare hochstecken konnte. Gut! Isa zögerte nicht länger. Das musste doch ein Wink des Schicksals sein, dass der Umschlag aufgeplatzt und ihr die Zugangskarte in die Hände gefallen war. Also los!

Sie verkleidete sich mit den Utensilien, die sie dabeihatte und packte alles Restliche in ihren kleinen Rucksack. Dann, als ein ganzer Schwung Leute von der zuletzt eingetroffenen U-Bahn aufs LKA zukam, schritt Isa – ganz Schauspielerin – selbstsicher mit schwingenden Hüften wiederum auf den Eingang des LKAs zu. Sie sah weder links noch rechts, als täte sie das jeden Tag. Unauffällig mischte sie sich unter die vielen LKA-Mitarbeiter, stellte sich kurz in der weiter von der Pförtnerloge entfernten Warteschlange vor den Drehtüren an und beobachtete die Menschen vor sich. Als sie an der Reihe war, hielt sie wie selbstverständlich Davids Zugangskarte vor das Lesegerät. Ohne Probleme passierte sie die Drehtür.

Ha! Geschafft!

Sie ging noch ein paar Meter weiter und konnte sich ein siegessicheres Grinsen kaum mehr verkneifen. Sie war drin! Im LKA! Jetzt konnte sie Herrn Amper suchen und ihm endlich Davids Brief übergeben. Erleichtert atmete sie auf. Ihr war zwar klar, dass ihr Handeln nicht ganz korrekt war, aber sie hoffte, dass Herr Amper darüber hinwegsehen würde, wenn er hörte, was vorgefallen war.

Okay – jetzt auf zu Zimmer 314! Das war bestimmt im 3. Stock. Unauffällig sah sie sich um und entdeckte ein Treppenhaus. Erleichtert ging sie darauf zu. Einige Schilder wiesen den Weg zu verschiedenen Abteilungen des LKAs. Staatsschutz war nicht dabei. War sie hier richtig? Nachdem sie auf ihre Uhr gesehen hatte – es war schon 8.12 Uhr – lief sie etwas unsicher weiter. Kurz darauf stand sie außer Atem im 3. Stock.

305, 307... da hinten musste 314 sein!

An der Zimmertür hing ein Schild: „Konferenzraum“. Von einem Herrn Amper stand hier nichts. Komisch – hatte David ihr etwa die falsche Zimmernummer genannt?

Isabella klopfte vorsichtig, aber nichts rührte sich. Noch einmal klopfte sie, diesmal etwas lauter, fester. Keine Antwort.

Nervös sah sie sich um. Vielleicht war es eines der Nachbarzimmer? Rasch schritt sie den Gang weiter entlang, in beide Richtungen 20 Meter. Henger, Damm, Albrecht, Unger, Hofmeier, Igmar, Weidemann... aber kein Amper!

Isabella biss sich nervös auf die Unterlippe. Wo zum Teufel war der Raum von Herrn Amper? Jemanden fragen konnte sie schlecht, das würde auffallen!

Sie eilte wieder zurück zum Zimmer 314. Noch einmal klopfte sie energisch und laut. Und wieder kam keine Antwort.

Probeweise drückte sie die Klinke herunter. Die Tür öffnete sich! Mit klopfendem Herzen steckte sie ihren Kopf in den Raum – keiner da. Sie rief: „Hallo?“, weil sie sah, dass an der Seite eine Tür war, die wohl zu einem Nebenzimmer führte. Keine Antwort.

Isabella zog ihren Kopf zurück. Was sollte sie jetzt tun? Wo steckte dieser Herr Amper bloß? Sie sollte den Brief doch persönlich übergeben – aber ihr lief die Zeit davon! Bald begann ihr Unterricht in der Schauspielschule, sie musste eigentlich los! Sie konnte doch nicht das ganze Gebäude jetzt nach Herrn Amper absuchen! Irgendwann würde jemandem auffallen, dass sie nicht hierhergehörte – und dann…

Sie dachte lieber nicht weiter.

Isabella überlegte: Vielleicht fand sie ja hier im Zimmer irgendeinen Hinweis darauf, wo er jetzt war? Zögernd legte sie ihre Hand wieder auf die Türklinke. Aber David hatte gesagt, sie solle Herrn Ampers Zimmer nicht ohne dessen Erlaubnis betreten!

Wieder sah sie auf die Uhr: 8.17 Uhr. Gleich begann die Schauspielschule. Verdammt! Sie musste es versuchen!

Isabella öffnete die Tür und betrat das Zimmer. In der Mitte des etwa zehn Meter langen Raumes stand ein großer Tisch. Einige Papiere lagen darauf verstreut, an den Wänden waren Informationen angepinnt. Nervös griff Isabella nach einigen Papieren auf dem Tisch: Amtliche Mitteilung, Fortbildung... nichts von einem Herrn Amper! Sie bemerkte, dass ihre Hände leicht zitterten. Nun ging sie zur Pinnwand und begann, die Zettel dort zu betrachten: Sie hatten ähnliche Inhalte wie die auf dem Tisch, dazu gab es hier Landkarten und Kopien aus irgendwelchen Zeitschriften.

Plötzlich schrak Isabella zusammen: Draußen auf dem Gang näherten sich Schritte! Sie erstarrte und lauschte: Die Schritte und Stimmen mehrerer Leute... und sie kamen näher, ohne jeden Zweifel.

Sie konnte jetzt nicht rausgehen, sonst würden die sie sehen – und sie durfte doch eigentlich nicht im Gebäude sein, schon gar nicht in diesem Raum! Und wenn sie nun hierher kämen, in dieses Zimmer, und sie dort erwischen würden? Sie würde mächtigen Ärger bekommen, weil sie das Zimmer – das LKA – ohne Erlaubnis betreten hatte. Das musste sie vermeiden!

Die Schritte waren nur noch wenige Meter entfernt. Sie musste etwas tun! Ihr Blick fiel auf die Tür zum Nebenzimmer. Ohne lange zu überlegen öffnete Isabella sie, schlüpfte in das dämmerige Zimmer hinein und schloss die Tür hinter sich. Hoffentlich gingen die Leute vorbei!

Sie hörte, wie die Schritte die Zimmertür erreichten und kurz verklangen.

Eine laute, ärgerliche Stimme ertönte: „Da hat doch schon wieder jemand die Tür offen stehen lassen! So langsam sollte doch jeder wissen, dass die Türen geschlossen bleiben sollen!“

Isabella biss sich auf die Lippe.

Eine andere Stimme meinte: „Ich werde Herbner sagen, er soll die Putzleute noch einmal daran erinnern.“

Isabellas Herz beruhigte sich kurz wieder – bis sie hörte, wie die Schritte nicht weitergingen, sondern das Zimmer betraten!

Drei oder vier Leute waren es wohl.

Sie hörte, wie Stühle gerückt wurden. Man setzte sich!

Ihr Adrenalinspiegel stieg wieder – die wollten sich doch jetzt wohl nicht häuslich da drinnen niederlassen?

Wieder ein Blick auf die Uhr: 8.20 Uhr!

In zehn Minuten begann die Schauspielschule. Und sie hatte Davids Brief immer noch nicht übergeben!

Verzweifelt sah sie sich um: Der Raum, in dem sie sich nun befand, hatte keine andere Tür. Es schien so eine Art kleine Küche zu sein: Kisten mit Getränken waren in einer Ecke gestapelt, außerdem gab es mehrere Schränke, eine Spüle, eine Mikrowelle und etwas, das aussah, wie ein Kühlschrank... aber keine Tür. Verdammt! Sie saß in der Falle.

Isabellas ganzer Körper vibrierte vor Nervosität. Was jetzt?

Sie hörte, dass im Zimmer nebenan gesprochen wurde, verstand aber nicht, worüber. Da legte sie ihr Ohr an die Tür und lauschte, um herauszukriegen, ob die da drinnen bald wieder gehen würden.

Eine Männerstimme sagte gerade: „Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass dieses Gespräch streng geheim ist! Nur wir wissen von dieser Operation, und wir müssen sie ohne fremde Hilfe durchführen. Kein Wort zu jemand anderem! Ist das klar?“

„Jawohl, Herr Kriminaldirektor!“, ertönten drei andere Stimmen fast gleichzeitig.

Isabella wurde blass und wich von der Tür zurück – auch das noch! Sie war in eine streng geheime Besprechung mit einem Kriminaldirektor hineingeraten. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Jetzt wurde die Lage wirklich unangenehm – sie durfte gar nicht daran denken, was wäre, wenn die sie jetzt erwischen würden! Dummerweise war sie nicht mal unschuldig an diesem Schlamassel. Super gemacht, Isa!

Ihr Herz raste und ihre Knie wurden weich. Nach Luft ringend ließ sie sich leise auf den Fußboden sinken, um einen klaren Kopf zu bekommen. Ihr ging erst jetzt auf, dass ihre Lage tatsächlich vertrackt war. Wenn die sie hier fänden…

Verzweifelt biss Isabella sich auf die Unterlippe: Sie musste hier raus, und zwar schnell!

Ihr Blick fiel auf das Fenster. Hastig zog sie sich die Schuhe aus und tapste auf Socken lautlos zum Fenster. Als sie einen Blick nach unten geworfen hatte wusste sie, dass diese Möglichkeit wohl ausgeschlossen war: Sie befand sich im 3. Stock, und der harte Erdboden lag etwa zehn Meter unter ihr. Trotzdem wollte sie es sich genauer ansehen und dazu das Fenster öffnen – doch kaum hatte sie die Klinke gedreht und angefangen zu ziehen, da blieb ihr beinahe das Herz stehen: Das Fenster quietschte! Mit angehaltenem Atem blieb Isabella reglos stehen: Hatte jemand das gehört?

Doch die Stimmen von nebenan drangen weiterhin unverändert herüber – Glück gehabt! Aber das Fenster konnte Isabella nicht mehr anrühren – es würde sie verraten, wenn es weiter so quietschte.

Voll Verzweiflung ging Isabella zurück zur Tür und lauschte wieder.

Der Kriminaldirektor sagte gerade: „Wie Sie sicher wissen, ist die Weltöffentlichkeit seit Jahren sehr besorgt wegen der wiederholten Kernwaffentests in Nordkorea. Trotz des intensiven Einsatzes von Geheimdienstagenten verschiedener Länder – vor allem aus den USA – weiß man bis heute nicht genau, wie viel waffenfähiges Plutonium und wie viele Atomsprengköpfe Nordkorea produziert hat. Das Friedensforschungsinstitut SIPRI schätzt die Anzahl auf zehn bis zwanzig. Auch die genaue Position der vorhandenen Atomsprengköpfe in Nordkorea ist bisher nicht bekannt. Das ist für die Sicherheit Deutschlands und anderer Länder eine nicht zu unterschätzende Gefahr, denn Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un behauptet öffentlich, dass er bereit wäre, seine Atomwaffen auch einzusetzen. Vor ein paar Wochen kontaktierte ein nordkoreanischer Oberst heimlich einen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes vor Ort. Er bot ihm an, Deutschland Informationen über den Umfang und die genaue Position von Atomsprengköpfen in Nordkorea zu geben. Diese Informationen sind von unschätzbarem Wert für uns. Als Gegenleistung dafür will der Oberst Asyl in Deutschland und eine neue Identität, da er als Whistleblower natürlich befürchten muss, von Handlangern des dortigen Machthabers Kim Jong-un getötet zu werden. Es versteht sich von selbst, dass dieser Mann – sein Name lautet Li Yong-rim – hochqualifizierten Personenschutz benötigt. Der BND hat das LKA um Amtshilfe gebeten… Sie wurden ausgewählt, den nordkoreanischen Überläufer zu beschützen. Der BND hat bereits Pläne, wie Yong-rim das Land verlassen und nach Deutschland gelangen soll. Der Mann wird Nordkorea im Rahmen einer Dienstreise nach Russland verlassen. In Russland wird er abtauchen und unter falschem Namen – um den Pass kümmert sich der BND – nach Deutschland einreisen. Wenn alles läuft, wie geplant, startet sein Flug am übernächsten Donnerstag um 15.15 Uhr in Moskau. Um 18.30 Uhr trifft er am Münchner Flughafen ein. Hier übernehmen wir. Ich erkläre Ihnen jetzt Ihre Aufgaben…“

Isabella wich zitternd von der Tür zurück: In was war sie da bloß hineingeraten? Die junge Frau verfluchte sich selbst. Wie hatte sie nur so dämlich sein können, ins LKA und in dieses Zimmer hineinzugehen? Hätte sie doch bloß auf David gehört und wäre nicht alleine hineingegangen! Nun saß sie hier in einem kleinen, dämmerigen Raum wie in einer Mausefalle.

Und wenn sie nun einfach klopfte, die Tür aufmachte und hinüberging? Wenn sie sagen würde, es war ein Versehen und es täte ihr leid?

Sie schüttelte den Kopf: Nein – jetzt war es zu spät. Das hätte sie ganz am Anfang machen müssen. Sie hätte zwar Ärger gekriegt, aber das wäre wohl nicht so schlimm gewesen. Jetzt dagegen… unmöglich!

Es blieb ihr nichts anderes übrig als abzuwarten, bis die Leute den Konferenzraum verließen… und zu hoffen, dass sie das bald taten.

Aufgeflogen

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